Die Geschichte von der „Tretertruppe“

Wenn man sich mit dem Ruf beschäftigen will, den der FC Augsburg aktuell in der Fußballwelt hat, gibt es wohl keinen besseren Zeitpunkt als nach dem Heimspiel gegen Schalke. Für seinen zu hohen Fuß, der Gegenspieler Tom Krauß (unabsichtlich) im Gesicht traf, sah Ermedin Demirović am Samstag Rot. Als Strafe muss er gleich drei Spiele aussetzen. Für viele ein weiteres Indiz, dass die größte „Tretertruppe“ der Liga derzeit aus Augsburg kommt. Aber seit wann ist das eigentlich so? Und warum? Wir haben uns die Kartenstatistik des FCA einmal näher angeschaut und ein paar Thesen aufgestellt.

Die ersten vier Spielzeiten im deutschen Oberhaus verbrachte der FC Augsburg – entsprechend seinem spielerischen Ruf – noch recht unauffällig im Mittelfeld der Tabelle. Von Platz 9 in der Aufstiegssaison bewegten sich unsere Fuggerstädter über die Plätze 8 und 13 zurück auf den 9. Rang der Kartentabelle. Dabei handelte sich der FCA in diesen vier Jahren satte sieben rote Karten ein. So viele wie in so kurzer Zeit nie wieder. Auch weil die Entscheidungen teilweise hart ausfielen, kam damals niemand auf die Idee, den FCA trotz seiner Rolle als kampfbetonter Underdog einer allzu ruppigen Spielweise zu bezichtigen.

Die Summe der Karten ergibt die Punkte, wobei Gelb = 1 Punkt, Gelb-Rot = 3 Punkte und Rot = 5 Punkte (Werte: Kicker; Diagramm: Franzi; Stand: 25. Spieltag 2022/23)

Erster Ausschlag Europa League-Saison

In der Europa League-Saison 2015/16 katapultierte sich der FC Augsburg mit 89 Punkten plötzlich auf den zweiten Rang der Bundesliga-Kartenstatistik. Und auch zwei Saisons später schaffte er es wieder auf den dritten Rang. Warum dieser zwischenzeitliche Peak? Ich will es den „Kohr-Caiuby-Effekt“ nennen. Denn in diese Hochphase fiel die Hauptarbeitszeit der beiden beim FCA. Dominik Kohr heimste in den drei Saisons, die er für Rot-Grün-Weiß spielte (2014 bis 2017), nicht nur vereinsintern jeweils die meisten gelben Karten ein (10/12/12). In der Spielzeit 2016/17 kam noch eine Gelb-Rote dazu, sodass er die (Un-)Fairplaytabelle mit 15 Punkten auch bundesligaweit anführte. Caiuby (2014 bis 2019) landete 2015/16 mit 11 Gelben gleich hinter Kohr, 2017/18 führte er selbst die FCA-interne Wertung (zusammen mit Rani Khedira) an.

Selbstverständlich lässt sich der plötzliche Karten- und Punkteanstieg 2015/16 nicht nur damit erklären, dass eine Neuverpflichtung, wie hier Kohr, recht anfällig für Karten ist. (Das gilt übrigens auch für die nachfolgenden Stationen von „Hard-Kohr“ bei Leverkusen, Frankfurt und Mainz.) Wenn die dann aber auf einen „Fixposten“ wie z.B. Dani Baier trifft, dessen Zahl an (gelben) Karten über Jahre hinweg ziemlich konstant auf mäßigem bis höherem Niveau lag, dann summiert sich das eben. Allerdings wüsste ich jetzt nicht, dass uns die reine Zahl an Karten in dieser Zeit in der Öffentlichkeit einen unfairen Ruf eingebracht hätte. #KeineSau brachte dem FCA sogar ziemlich viele Sympathiepunkte ein. Baiers „kreative“ Geste in Richtung Leipzigs Hasenhüttl 2017 erregte da kurzzeitig schon mehr Aufmerksamkeit.

Nicht nur in seiner Zeit beim FCA sammelte Dominik Kohr fleißig Karten. (Foto: Christof Stache/AFP via Getty Images)

Die jungen Wilden

Darauf folgten 2018 und 2019 kartenmäßig die beiden fairsten Saisons des FCA (Platz 12 und 14), um 2020/21 mit insgesamt 79 Punkten wieder hoch auf Platz 3 zu klettern. Ins Gewicht fielen dabei vor allem drei Ampel-Karten und die rote Karte gegen Ruben Vargas am vorletzten, alles entscheidenden Spieltag gegen Bremen, die uns allen wahrscheinlich noch bestens in Erinnerung ist. Die hohe Platzierung erklärt sich aber auch daraus, dass in der Saison die anderen Teams nicht viel öfter verwarnt wurden als der FCA. Zum Vergleich: Während die Spitzenreiter 2018 und 2019, Schalke und Köln, noch auf 94 bzw. 95 Punkte kamen, erreichte Frankfurt, Erstplatzierter 2020/21, nur noch 83 Punkte. Das heißt: Mit seinen 79 Punkten landete der FCA eben nur noch knapp hinter dem Erstplatzierten und rangierte so wieder unter den „unfaireren“ Teams.

Dass Vargas in so einem Knock-Out-Duell wie gegen Bremen damals kurz die Nerven verlor, rechneten ihm, glaube ich, die wenigsten als grob unfaires Verhalten an. Genauso wenig wie die drei gelb-roten Karten gegen Framberger, Niederlechner und Richter, die man am ehesten noch als Ungeschicklichkeit dieser „jungen Wilden“ sah. (Wobei ich Niederlechner mit seinen damals 30 Jahren da ausnehme.) Niklas Dorsch, der 2021 zum FCA stieß und in seiner ersten Saison gleich 8 gelbe Karten einfuhr, zähle ich ebenfalls in die Kategorie „junger Wilder“, dem für seine manchmal ungestüme Spielweise (noch) niemand so recht böse sein kann.

Dass Ruben Vargas im Knock-Out-Duell gegen Bremen kurz die Nerven verlor, rechneten ihm wohl die wenigsten als grob unfaires Verhalten an. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Wendepunkt Gikiewicz?

2020/21 kam aber auch Rafał Gikiewicz zu uns an den Lech. Und diesen Wechsel halte ich in Sachen Ruf und Außenwirkung für doch ziemlich bedeutend. Giki ist eine echte Type, wie sie sich der heute oft glatt gebügelte Fußball wünscht, aber auch eine Reizfigur. Allein sein diabolischer Blick, den er manchmal hat, kann einem Angst und Schrecken einjagen. Ich glaube, auf keinen Wechsel wurde ich bisher auch so oft angesprochen: „Also vor eurem Torwart hab’ ich Schiss. Der is’ doch irre“, hat mal jemand gesagt. Das muss aber so, findet auch Kristell. Und dass er „positiv verrückt“ ist, sagt er von sich selber. Und das schließt eben auch ein, dass er kein Problem damit hat, sich für seinen Job mit anderen in die Haare zu kriegen – mit gegnerischen Fans (ich sage nur Bremen) oder auch eigenen Mitspielern.

Im Spiel trifft Gikis Groll nicht selten seine Vorderleute. Und dazu gehört auch Jeff Gouweleeuw, der in Sachen Karten und Charakter – soweit man das aus der Ferne beurteilen kann – auch nicht gerade ein Unschuldslamm ist. 2020/21 z.B. sammelte er mit 9 Gelben mit Abstand die meisten unter seinen Teamkollegen. Das Jahr darauf kam er auf die gleiche Anzahl, wobei er sie heuer schon jetzt geknackt hat. Dass Jeff und sein Keeper sich auf dem Feld nicht immer grün sind, blieb wohl den wenigsten verborgen. Schon gar nicht Medien, Experten oder Fans, die u.a. daran sahen, dass es beim FCA mit Gikiewicz nun hitziger zuging als noch mit seinem Vorgänger. Eine neue, so emotionsgeladene Personalie wie Giki verändert jedenfalls das Mannschaftsgefüge und auch die Sicht darauf. Man guckt jetzt verstärkt auf Augsburg, weil sich da jederzeit etwas entladen kann.

Word von Kristell alias Kristaldo (Quelle: Twitter)

Unnötiger Spitzenreiter 2022/23

Ich muss wieder kurz einlenken: Jemand wie Giki polarisiert, keine Frage. Aber hat das gleich einen Effekt auf den Ruf der gesamten Mannschaft? Ein klares Nein, wenn ruhigere, abgeklärtere Spieler wie früher z.B. ein JICB oder heute Felix Uduokhai neutralisieren können. Auch wenn Udo 2021 lange verletzt war und auch danach immer wieder, machte auch Maxi Bauer ab 2022 diesen Job gut. Ich tendiere aber zu „ja“, wenn weitere Spieler zur Mannschaft stoßen, die ähnlich emotionsgeladen sind. Und wenn diese Spieler schließlich einen erheblichen Anteil in der Mannschaft ausmachen.

Das war beim FCA diese Saison mit den Transfers von Mergim Berisha, Demi und auch Elvis Rexhbecaj so. So stark sie performen, so emsig sammeln sie auch Karten. Und das nicht nur für „herkömmliche“ Fouls, sondern auch für lautstarkes Reklamieren oder andere Unsportlichkeiten. Bei Rex liegt hier die Quote bei satten 4/5. Auch bei Demi liegt sie mit 3/5 über der Hälfte:

Die Spitze der Augsburger Kartentabelle (Werte: Kicker bzw. eigene Rekonstruktion)

Insgesamt haben die Schiedsrichter bis jetzt schon 69 gelbe, 2 gelb-rote und eine rote Karte an unsere Fuggerstädter verteilt, sodass sie den einsamen Spitzenplatz mit 80 Punkten einnehmen. Die TSG Hoffenheim folgt erst 11 Punkte dahinter. Von den gelben Kartons entfällt auch auf Mannschaftsebene ein beträchtlicher Anteil – nämlich mehr als ein Drittel! – auf vermeidbare Vergehen wie Meckern (12) oder andere Unsportlichkeiten (14). Noch nicht mitgerechnet sind da die vier Verwarnungen für die Bank rund um Reuter (2), Maaßen (1) und Videoanalyst Remigius Elert (1), die oft genauso impulsiv ans Werk geht wie das Personal auf dem Feld.

Kämpfen mit Köpfchen

Dass sich Spieler wie Staff mit ihrer Intensität (zu) oft schon über die Grenze des Erlaubten hinweggesetzt haben, ist die eine Sache, die dem FCA verstärkt den Ruf als Tretertruppe eingebracht hat. Die andere Sache ist, dass die vielen Karten, die der FCA schon im Herbst gesammelt hatte, eine Art selbstverstärkenden Effekt auslöst haben. Zum einen bei Schiedsrichtern, weil sie mit frühem, hartem Durchgreifen für Disziplin sorgen wollten. Und für Aktionen dann eben auch mal Gelb gaben, für die sie das sonst nicht getan hätten. Das belegt auch die Foulstatistik, in der der FCA mit 300 Vergehen „nur“ auf dem 6. Platz steht. Zum anderen bei Medien, die nicht müde werden, Augsburgs Kartenstatistik immer wieder einzustreuen und die Story von der „Tretertruppe“ so weiterzuverbreiten. (Wie übrigens auch ich hier.)

Dass der FCA sich durch die vielen, oft überflüssigen Karten selbst Nachteile eingehandelt hat, ärgert mich auf der einen Seite extrem. Ohne die 5. Gelbe gegen Jeff (Rudelbildung) hätten wir nicht ganz ohne etatmäßige Innenverteidigung nach Köln fahren müssen. Ohne die Gelb-Rote gegen Iago (taktisches Foul; Rempler) hätte am Ende wohl ein Sieg gegen Leipzig gestanden. Ohne die Rote jetzt gegen Demi hätten wir das 1:0 gegen Schalke vielleicht über die Zeit gerettet. Und das sind nur einige Beispiele. Da wünsche ich mir von den besonders gefährdeten Akteuren auf und neben dem Platz unbedingt mehr Contenance und Disziplin. Gerade im Interesse der Mannschaft und ihrem lädierten Ruf, der umso schwieriger wieder loszuwerden ist.

Wäre Iago nicht unnötig mit Gelb-Rot vom Platz geflogen, hätte der FCA gegen Leipzig womöglich 3 Punkte in der WWK-Arena behalten. (Foto: Carsten Harz/Getty Images)

Auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass mir das Kämpferische, Bissige und Impulsive, das der FCA im Moment in vielen Varianten präsentiert, ziemlich gefällt. Ich mag es, wenn mein Verein, die sonst graue Maus aus dem unteren Tabellendrittel, nicht mehr allen egal ist. Dafür sorgen die Geschehnisse auf dem Platz, die ich nicht immer gutheiße. Sie bieten uns Fans aber Raum für Diskussionen und noch mehr Emotionen. Aus meiner Sicht mit ein Grund, warum sich wieder mehr von uns ins Stadion begeben.

Vielleicht können wir als Kompromiss ja so verbleiben: Die unnötigen Karten wegen Meckerns und anderer Unsportlichkeiten um mindestens die Hälfte reduzieren, sodass der FCA kartenmäßig wieder Anschluss an die Konkurrenz bekommt und so seinen Tretertruppen-Ruf langsam wieder loswird. Trotzdem aber so sexy wie bisher mit Kampf und Leidenschaft auftreten. Cool wäre Kämpfen mit Köpfchen.

Nicht wegverteidigt


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Ja, der Blick auf die Tabelle macht Spaß nach dem Spiel gegen Bremen. 8 Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz sind ein Wort. Schon wieder zu Hause gewonnen. Wer hätte gedacht, dass unser FCA nochmal zu einer Macht zu Hause wird. Der Anschluss nach oben wurde zudem gewahrt. Köln ist punktgleich und die Abstände nach oben grundsätzlich klein. Man könnte sich aus Augsburger Perspektive schon fast gemütlich zurücklehnen, gerade weil mit den Bayern in dieser Woche ein Gegner wartet, der nicht viele Erwartungen zulässt.

Abwehrprobleme

Bei der Fehleranalyse nun nach dem Spiel gegen Bremen gibt es dennoch einiges zu besprechen. Zu groß waren die Lücken im Spiel gegen den Ball, die man auch den Bremern wieder gewährte und auf Grund derer der SV Werder ein deutliches Chancenplus im Spiel gegen den FCA hatte. Einerseits passt der Einsatz auf Seiten der Augsburger, andererseits waren – wieder einmal – viele einfache Fehler dabei, die das Resultat etwas schmeichelhaft aussehen lassen. „Glücklich“ ist der Begriff, den Enno Maaßen in der Pressekonferenz nach dem Spiel verwendete.

Ein großer Unterschied zwischen Bremen und vorhergegangenen Gegnern wie Hertha, Mainz oder Freiburg: die Chancenverwertung. Dazu hatten diesmal wir Augsburger das nötige Quäntchen Glück im Abschluss. Und selbst wenn man sich die großen Böcke wie beim Gegentor und auch den Fehlpass von Renato Veiga kurz wegdenkt, hatten die Bremer viele Räume in und um den 16er gefunden und kamen immer wieder gefährlich vors Augsburger Tor.

Wegverteidigen

Das Thema ist damit klar: es fehlt nun schon eine Weile an der defensiven Stabilität. Obwohl der Fokus klar auf diesem Thema liegen müsste nach den Niederlagen gegen Mainz und Hertha. Enno Maaßen meinte noch auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Bremen, dass man gegen Hertha die Situationen nicht sauber wegverteidigt bekommen hätte. Er kann nun feststellen: gegen Bremen auch nicht.

Hier mal konsequent zwischen Gegenspieler und Ball. Das war am Samstag leider nicht immer so. (Photo by Carsten Harz/Getty Images)

„Wir haben den Gegner eingeladen.“ konstatiere Enno Maaßen nach dem Spiel auf der Pressekonferenz. Dort wurde zudem vom Cheftrainer angeführt, wie auch durch Personalausfälle das Mannschaftsgefüge sich immer wieder finden muss. Dies scheint in diesem Zusammenhang ein etwas hilfloser Erklärungsversuch, denn die Schwachstellen bleiben personalunabhängig. Gegen Mainz hatte Felix Uduokhai hilflos an den Gegentoren mitgewirkt. Robert Gumny ist in seiner Zweikampfführung ein steter Wackelkandidat. Als Fan fragt man sich schon, wo hier die Ursachen liegen.

Viel Arbeit im Training

Der erste Schritt wird sein, dass Enno Maaßen in seinem auf wiederkehrenden Routinen basierenden Training ein paar Änderungen vornehmen sollte. Der Fokus in der Trainingsarbeit muss anscheinend noch mehr auf defensive Stabilität gelegt werden. Ansonsten ist man gegen fast jedes Team in der Liga darauf angewiesen, dass der Gegner offensiv selbst nicht viel auf die Kette bringt. Es geht einfach nicht an, dass man sich in jeder Woche auf die mangelnde Chancenverwertung des Gegners verlassen muss. Und es wird weiterhin oft schief gehen.

Dazu fängt die Abwehrarbeit auch nicht erst in der letzten Reihe an. Gerade die Mittelfeldspieler davor, „klicken“ noch nicht ganz so, wie man sich das wünschen würde. Da liegt auch im geschlossenen, mannschaftlichen Verhalten gegen Ball noch in einigen Situationen im Zusammenspiel zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen der Hund begraben.

Personalentscheidungen

Andererseits verstehe ich die ein oder andere Personalentscheidung nicht. Bei Niklas Dorsch mag man argumentieren, dass er genau diese Einsätze braucht, um auf Normalform zu kommen. Andererseits braucht es Dorsch als spielerisches Element seit der Entdeckung von Arne Engels nicht mehr in der gewohnten Form und – ich hätte selbst nicht gedacht, dass dies noch einmal der Fall sein könnte – Julian Baumgartlingers Routine war am Samstag erfrischend. Wieviel Zeit will man Dorschi hier geben?

Maxi Bauer als Fels in der Brandung. Man fragt sich ein bisschen, warum Enno Maaßen auf ihn bewusst verzichtet. (Photo by Carsten Harz/Getty Images)

In der Innenverteidigung bin ich etwas überfragt, was Maxi Bauer verbrochen hat, um sich hinter Renato Veiga einreihen zu müssen. Das Duo Gouweleeuw und Bauer war in der Hinrunde ein starkes. Dazu kommt, dass Bauer der geborene Wegverteidiger ist. Ein Upgrade auf der Rechtsverteidigerposition ist ja nun erst wieder im Sommer möglich. Aber gerade in der Innenverteidigung hat es eine offensichtliche Alternative, die ich – gerade gegen die Bayern – präferieren würde.

Der Kopf bleibt oben

Insgesamt bleibt allerdings das Positive. Enno Maaßen hatte es erwähnt, dass man es in dieser Saison schon auch in einigen Spielen verdient gehabt hätte, mehr mitzunehmen. Diesmal eben nicht. Der 3er lässt einen grinsen zu Wochenbeginn. In dieser Ausgangsposition kann man in Ruhe weiterarbeiten und hoffentlich den ein oder anderen Schritt nach vorne machen. Wenn wir in der Defensive Situationen besser geklärt bekommen, dann wird das mit dem Klassenerhalt in dieser Saison eine einfache Geschichte. Gerade auch mit der Ausgangsbasis nun. Egal, ob sie im Falle des letzten Sieges glücklich ist.

Nicht schon wieder

Auswärts, Samstag 15:30 Uhr, gegen die Hertha aus Berlin. Eine Hertha, die sich dieses Jahr meist schwertat und deutlich hinter dem FCA stand. Und natürlich, wenn man sich die Ergebnisse des FC Augsburg dieses Jahr anschaut, ging es in die Hose. Der FCA verlor 0:2. Recht sang- und klanglos. Ab Minute 55 ließ man sich das Spiel etwas aus der Hand nehmen. Schnee von oben, Gegentore für Giki. Dass Marco Richter das erste besorgte und ausgelassen jubelte, war da nur das schmerzvolle Tüpfelchen auf dem i für Fans der Fuggerstädter. Wie schon in der Hinrunde zeigt die Partie gegen Hertha Mängel der Mannschaft gnadenlos aus. Und man kommt sich vor wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“.

Die ganze Vorstellung, nachdem Enno Maaßen auf der Pressekonferenz vor dem Spiel erklärte, man hätte „alles“ umgestellt. Das Ziel war es neue Reize zu setzen, um sowohl samstags um 15:30 Uhr als auch auswärts wieder in die Spur zu kommen. Besprechungen wurden nicht durchgeführt, Abläufe geändert, und am Ende steht erneut eine ernüchternde Niederlage. Man reibt sich die Augen, wie es auch in dieser Form dazu kommen konnte.

Marco Richter mit dem ersten Stich ins Augsburger Herz. (Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Die Bedeutung des Spiels

Was Enno Maaßen auf der Pressekonferenz vor dem Spiel auch herausstellte, war die Bedeutung des Spiels. Das Spiel wurde von ihm als wichtig bezeichnet, abseits davon, dass das nächste Spiel immer das Wichtigste ist. Das gegen Hertha war noch etwas wichtiger. Nach dem Spiel sagte Jeffrey Gouweleeuw aus: „Ich weiß nicht, ob jedem die Wichtigkeit des Spiels bewusst war.“ Vielleicht doch, aber es fehlten die Mittel.

Spieler verlieren Spiele ja nun nicht absichtlich. Aber Spieler gehen mit Drucksituationen unterschiedlich um. Die einen spornt Druck zusätzlich an, andere brechen darunter zusammen oder machen Fehler, die sie sonst nicht machen würden. Nicht zuletzt deswegen arbeiten Teams mittlerweile regelmäßig mit Psychologen zusammen, die sie in diesem Bereich unterstützen. Was subjektiv am Samstag beobachtet werden konnte: Es wurde etwas ungemütlicher und fing an zu schneien, Hertha ging in Führung, der FCA konnte nicht dagegen halten. Das gilt es aufzuarbeiten.

Fehlende Torgefahr

Was dabei mittlerweile ins Gewicht fällt: Der FC Augsburg kann aus dem Spiel heraus nicht für genügend Torgefahr sorgen. Hertha, mit kurzfristigem Ausfall in der Innenverteidigung, zeigte, dass es sich bei Ihnen um eines der eher besser verteidigenden Teams in der Liga handelt. Da tut sich der FC Augsburg nun allgemein schon schwer, Torgefahr aus dem eigenen Spiel zu entwickeln. Gegen Hertha ging da nach vorne nicht viel zusammen.

Einerseits ist hier die Erwartungshaltung an Enno Maaßen vielleicht höher, als dies berechtigt ist. Allerdings bezeichnet er sich selbst auch als einen Trainer, der es bisher immer geschafft hat, seinen Teams ein System mit dem Ball zu vermitteln. Andererseits haben die Winterneuzugänge ihre erste Wirkung auch schon wieder verpufft. Beljo saß am Samstag auf der Bank, Mbuku ward noch nicht auf dem Feld gesehen und auch Kelvin Yeboah hatte einen gebrauchten Tag. Weder das System noch die Einzelleistungen sorgten für entscheidende offensive Momente. So wird das dann halt nichts.

Nicht gut genug war die Leistung, um sich gegen engagierte Herthaner durchzusetzen. (Photo by Reinaldo Coddou H./Getty Images)

Hinten zu löchrig

Und wenn dann nach vorne schon nicht viel geht und vielleicht auch ein bisschen Glück dazu gehört hätte, dann ist das halt hinten manchmal einfach zu löchrig. Richter schließt mit dem zweiten Ball ab. Beim zweiten Gegentor sieht es dann schon wieder arg aus wie gegen Mainz. Man ließ Berlin in der Situation halt einfach machen und verteidigte mehr den freien Raum als den Gegner.

Niklas Dorsch sieht man an, dass er noch nicht bei 100 % ist. Gefährlich waren gegen Hertha vor allem seine Ballverluste im Spielaufbau. Insgesamt leistete sich der FCA zu viele individuelle Fehler, als dass man sich über 90 Minuten beschweren könnte, das Spiel verloren zu haben.

Und jetzt?

Einerseits ist dies überhaupt kein Zeitpunkt, um den Kopf in den Sand zu stecken. Der FCA steht immer noch gut da zu diesem Zeitpunkt in der Saison und ist ein Gegner der ganz grundsätzlich unbequem zu bespielen ist. Nicht jeder Gegner kann sich genügend gut darauf einstellen. Andererseits reicht das halt nicht, um sich mal ins Mittelfeld abzusetzen und durchzuschnaufen. Misslich.

Ich wünsche mir für die nächsten Spiele wieder etwas mehr Unberechenbarkeit, gerade auch im Offensivspiel. Ich bin dafür, die Rotation und den Konkurrenzkampf nochmal anzuheizen. Gibt es rechts offensiv keine Option mit mehr Dynamik als Arne Maier? Ist Niklas Dorsch im defensiven Mittelfeld so weit, wieder von Anfang an zu spielen oder lassen wir vielleicht doch mal das junge Doppel Vieiga/Engels ran? Und haben wir nicht genügend Optionen für links vorne, so dass Ermedin Demirovic in die Spitze rücken könnte? Wenn sich zeigt, dass jemand nicht voll da ist, dann sollte es mittlerweile Alternativen geben. Es liegt nun an Enno Maaßen, die richtige Mischung zu finden. Noch sind wir anscheinend nicht so weit.

Auf leisen Pfoten

Es hatte sich schon länger angekündigt. Jetzt ist es also spruchreif. Sergio Córdova verlässt unseren FC Augsburg. „La Pantera“, der Panther, wie der nunmehr 25-jährige Stürmer in seinem Geburtsland Venezuela genannt wird, macht sich auf leisen Pfoten erneut auf in Richtung Major Soccer League und unterschreibt bei den Vancouver Whitecaps einen Vertrag bis Ende 2025 mit der Option auf Verlängerung um ein weiteres Jahr. Die Kanadier überweisen für Córdova eine stolze Ablösesumme von angeblich 2,1 Mio. Euro nach Schwaben.

Wir von der Rosenau Gazette wünschen dir, Sergio, für deine neue Station viel Erfolg! Auf dass es – wie zuletzt – wieder aufwärts für dich geht!

Der VfB hat das Nachsehen

Es war im Sommer 2017, als der damals 19-jährige venezolanische U20-Nationalspieler beim FCA anheuerte. (Im Doppelpack übrigens zusammen mit Gregerl, der vom HSV kam.) Ablösefrei (und nicht – wie andere Quellen schreiben – gegen eine Ablösesumme von 1 Mio. €) kam Córdova aus der Hauptstadt des südamerikanischen Landes, vom Caracas FC, über den großen Teich an den Lech. Während der Junioren-WM in Südkorea hatte er als junger, talentierter Knipser auf sich aufmerksam gemacht. Unter anderem auch die Schwaben vom VfB Stuttgart, die Córdova dann aber zur bayerischen Konkurrenz ziehen lassen mussten. Ausgestattet mit einem Fünf-Jahres-Vertrag plante der FC Augsburg langfristig mit ihm.

In der U20-Auswahl seines Landes Venezuela machte Córdova als 19-Jähriger europäische Clubs auf sich aufmerksam. (Photo: FEDERICO PARRA/AFP via Getty Images)

Augsburgs Edel-Joker

Mit großen Erwartungen an sich und seinen neuen Club ging’s für Córdova also nach Europa, Deutschland und in die Bundesliga. Klar, dass das für einen so jungen Mann nicht gleich auf Anhieb klappen kann. Der FCA sicherte seinem Neuzugang im Antrittsstatement daher auch „die nötige Zeit für die Eingewöhnung und Entwicklung“ zu. Aber die Eingewöhnung schien irgendwie nie ein Ende zu nehmen.

In seinen 75 Bundesligaspielen für die Augsburger durfte sich Córdova, der vor allem in der Sturmspitze agierte, nur zwei Mal über die vollen 90 Minuten zeigen. Zum Stamm gehörte er nie. Von den Trainern, unter denen er spielte – Baum, Schmidt, Herrlich und Weinzierl – wurde er lieber mit der Joker-Rolle bedacht. Sechs von seinen insgesamt sieben Treffern für den FCA hat Córdova nach Einwechslung erzielt und ist damit in Augsburgs nunmehr elfjähriger Bundesligageschichte Rekord-Joker.

Konkurrenz vor der Nase

Auch in den kommenden Jahren kam Córdova nicht an der teils neu rekrutierten Konkurrenz vorbei, z.B. in Person von Florian Niederlechner, der 2019 zum FCA stieß. Daher war die vorzeitige Vertragsverlängerung im Sommer 2020 auch verbunden mit einer einjährigen Leihe zum Bundesliga-Konkurrenten aus Bielefeld. Dort konnte der bullige Venezolaner sein Torekonto zwar um zwei weitere Treffer aufstocken, es lief aber wegen einer längeren Krankheitspause trotzdem nicht ganz wie erhofft. Beim enttäuschenden 0:0 bei Greuther Fürth am letzten Spieltag der Hinrunde 2021/22 trug Córdova für gut eine halbe Stunde das letzte Mal Rot-Grün-Weiß. Der Joker hatte nicht mehr gestochen.

Nicht ganz optimal lief die Leihe von Sergio Córdova 2020/21 zur Arminia. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Zweiter Frühling in den USA

Spätestens mit dem Pepi-Transfer Anfang Januar 2022 war klar, dass die Zukunft Córdovas nicht (mehr) in Augsburg liegt. Folgerichtig ließ er sich erstmals in die MLS zu Real Salt Lake City ausleihen. Offenbar hatte sich der Club schon vor dem Gang des Nachwuchsstürmers nach Europa das Erstzugriffsrecht auf ihn in den Vereinigten Staaten gesichert. Ob David Blitzer, der Anfang Januar 2022 neuer Mit-Eigentümer von RSL wurde, das Zustandekommen des Leihgeschäfts in irgendeiner Form vorangetrieben hat, ist nicht abschließend geklärt. Ausgeschlossen ist es aber auch nicht.

In Utah blühte der Nationalspieler, der sein Engagement fürs Nationalteam wegen der vielen, beschwerlichen Reisen von Europa nach Südamerika zuvor vorübergehend auch pausiert hatte, jedenfalls nochmal so richtig auf. Er absolvierte in nicht ganz einem Jahr 33 Ligaspiele und erzielte dabei neun Tore – so viele, wie in all seinen insgesamt 98 Bundesligaeinsätzen zusammen! Entsprechend schwer fiel ihm wie auch Salt Lake nach Leihende der Abschied. In den höchsten Tönen schwärmten die beiden Parteien voneinander.

Fürs Durchhalten belohnt

Gerade aus den USA zurückgekehrt und frisch zu seinen Noch-Mannschaftskollegen vom FC Augsburg gestoßen, wirkte Sergio im Trainingslager in Algorfa Anfang des Jahres dann auch so athletisch und agil wie schon lange nicht mehr. Trotzdem ist sein Weggang aus Augsburg wohl das Beste für beide Seiten.

Córdova ist in Vancouver nun das dauernde, beschwerliche Reisen zwischen den Kontinenten und die leidige Konkurrenz los, gegen die er nie richtig ankam. Außerdem kann er dort seiner Partnerin näher sein, ebenfalls Venezolanerin und als Model viel in den USA unterwegs, die er letztes Jahr mit viel Glamour auch heiratete.

Der FCA dagegen verdiente mit Córdova und dessen fünfeinhalbjährigem Engagement dem Vernehmen nach insgesamt 3,5 Mio. Euro und konnte damit ein sattes Transfer-Plus einfahren. Zudem konnte der Verein seinen Radikalumbau in der Offensive weiter vorantreiben und sich – nach Demirovic und Berisha im Sommer – mit weiteren, jungen und hungrigen Kräften wie Beljo, Cardona und Yeboah verstärken. In den Worte Stefan Reuters klingt diese Win-Win-Situation so:

„Sergio Córdova hat frühzeitig signalisiert, dass er gerne weiterhin in der MLS spielen würde. Nachdem wir gerade in der Offensive im Winter viel Qualität verpflichten konnten, wollten wir ihm diese Chance in Vancouver ermöglichen, zumal auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Wechsels für uns passen.“

Stefan Reuter zum Córdova-Transfer am 20.02.2023

Dass der Umbau, bei dem Córdova keine Berücksichtigung mehr fand, für Rot-Grün-Weiß aufgeht, zeichnet sich jetzt schon ab. Allerdings wäre dieser Schnitt weit schwieriger gewesen, wenn jemand, der so lange in der zweiten Reihe stand wie Córdova, irgendwann Ansprüche anmeldet und „unbequem“ wird. Das hat er – nach allem, was man als aufmerksamer FCA-Fan beobachten konnte – nicht getan. Danke dafür, Sergio, und für dein Durchhaltevermögen. Es hat sich spätestens jetzt auch für dich ausgezahlt.

Besser


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Der Start in die Rückrunde gleicht dem in die Hinrunde recht genau, wenn man sich nur die Ergebnisse des FC Augsburg anschaut. Erst verlor man gegen Freiburg und dann gewann man gegen Leverkusen. Und jetzt also die Wiederholung. Aber nicht nur der zweite Sieg gegen den vormaligen Angstgegner Bayer 04 Leverkusen führt zu intensivem Augenreiben. Der FCA ist im Vergleich zur Hinrunde kaum wiederzuerkennen. Und das liegt noch nicht mal nur an den vielen Neuzugängen, die noch nicht alle eine Rolle gespielt haben. Ich will nachfolgend einen Blick auf die Gründe werfen

Auf dem Platz

Die Mannschaft hat unter Enno Maaßen im Verlauf der Zeit sichtbar besser Fußball spielen gelernt. Auch wenn, wie gegen Freiburg deutlich zu sehen, die individuellen Fehler nie ganz abgestellt werden können, ist doch eine klare Handschrift zu erkennen. Gegen Freiburg war man lange auf Augenhöhe gegen ein Top-Team der Liga. Wo man in der Hinrunde in der zweiten Halbzeit auseinander brach, war man nah dran am Ausgleich. Gut, am Ende fängt man sich noch eins, aber was soll’s. Die Mannschaft wirkt dazu wie eine Einheit in der jeder seine Rolle annimmt.

Gegen Leverkusen blieb man bei deutlich mehr Ballbesitz geduldig, erarbeitete sich Standards und gewann auf diese Weise. Abgezockt. Die Abgezocktheit fehlt Mergim Berisha in manchen Situationen noch, die sportliche Qualität des Stürmers sticht allerdings momentan hervor. Torbeteiligung um Torbeteiligung machen ihn in dieser Phase zum wichtigsten Augsburger Feldspieler getreu dem Motto: Keine Tore, keine Punkte.

Mit seinen Toren ein Punktegarant: Mergim Berisha. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Transfers

Mit Niederlechner und Gruezo hat man in der Winterpause zwei Stammspieler aus der Hinrunde abgegeben. Bei beiden war nicht klar, wie der Ersatz einschlagen würde. Neben Ersatz hat man aber bewusst in die junge Breite investiert und so eine Basis geschaffen, damit Enno Maaßen bei seinem energieintensiven Spiel auch genügend Wechselalternativen hat. Wer aus dem Stand alle sieben Neuzugänge aufzählen kann, der ist zu bewundern. Zusatzpunkte gibt es für die passenden Rückennummern. Wenn nun noch der ein oder andere wieder gesundet (Iago oder Reece Oxford) bzw. zu Form findet (Niklas Dorsch), dann hat der Trainer auf einmal die Qual der Wahl.

Neben der Breite hat sich – überraschenderweise – auch direkt etwas in der Spitze des Kaders getan. Man of the Match war am Samstag Arne Engels. Der FCA wurde zum Schnäppchenpreis in Belgien fündig und hat – Stand jetzt – ein Juwel aufgetan. Der Trainer vertraut dem Jungen und dieser zahlt es ihm mit Zinsen zurück. Mit solchen Transfertreffern wird alles leichter. Stefan Reuter kann sich beim Lesen ein Grinsen nicht verkneifen.

Mut

Mit dem Selbstvertrauen kehrt dann doch der Mut ein und man zeigt sich lernfähig. Hatte Enno Maaßen gegen RB Leipzig noch gekniffen und Aaron Zehnter in der Schlussphase nicht eingewechselt, war es nun gegen Leverkusen so weit. Wieder war eine knappe Führung zu verteidigen, wieder brauchte es links schlicht eine Alternative. Aaron durfte ran und der FCA hielt die Führung. Mut hat uns in dieser Saison schon immer weiter gebracht (gerade die mutige Umstellung vor dem Spiel in Bremen). Es sollte eine Maaßensche Routine werden: Im Zweifel, sei mutig.

Mutig in die Zweikämpfe und weiter intensiv in der Spielführung, dann bleibt dieses Team auch erfolgreich. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Das wird es nun auch vereinfachen, Rückschläge besser zu verarbeiten. Denn die werden weiterhin kommen. Die Mannschaft ist weiterhin dabei sich zu entwickeln. Der Weg bis hierhin macht allerdings viel Mut.

Euphorie

Schlussendlich ist der FCA momentan ein Team, gegen das sich jeder Gegner Punkte hart erarbeiten muss. Sportlich wissen die Jungs, was sie zu tun haben und können die ambitionierten Pläne ihres Trainers umsetzen. Es macht Spaß den einzelnen Akteuren zuzuschauen, wie sie sich reinhauen und zudem den ein oder anderen sehr gepflegten Ball spielen.

Vielleicht habe ich sie ausgeblendet, die vorherigen euphorisierten Phasen. Für mich persönlich fühlt es sich seit langem an, als ob wir uns wieder in die richtige Richtung bewegen. Der sportliche Stillstand ist dank Maaßen und veränderter Kaderpolitik aufgebrochen. Der FCA gewinnt seine Anziehung zurück. Ich fiebere wieder mehr mit. Und der nächste Gradmesser steht schon bevor. Ich war auch das letzte Mal auswärts in Mainz dabei. Spätestens am Samstag wird dann vielleicht auch der Letzte erkennen, dass diese Mannschaft nicht nur besser geworden, sondern auch, wie gut sie schon ist.

Der Unterschätzte sagt Adiós

Carlos Gruezo fällt nicht gerne auf. Auf Instagram zeigt sich der Ecuadorianer fast ausschließlich im Fußballtrikot. Kein Posieren in ausgefallenen Klamotten oder mit teuren Autos, kein Zurschaustellen des eigenen Reichtums, keine Skandale. Auch in seinen 75 Spielen für Augsburg blieb Gruezo eher unauffällig. Kein Tor, eine Vorlage, ein paar gelbe Karten. Auf dem Papier scheint sein Wechsel nach San Jose für den FCA verkraftbar. Schließlich bekommt der FCA noch ein paar Millionen für einen Mann, der 2023 noch nicht im Kader stand. Dennoch verliert der Klub einen Spieler, der in der Außenwahrnehmung eher unterschätzt wurde.

Carlos Gruezo ist ein solider Bundesligakicker – und das ist keineswegs negativ gemeint. Der Duden definiert den Begriff als „ohne Ausschweifungen, Extravaganzen und daher nicht zu Kritik, Skepsis Anlass gebend“. Bei Gruezo wusste man, was man bekommt – und was nicht. Auf seiner Position im zentralen Mittelfeld fiel der Ecuadorianer als bissig, lauffreudig und zweikampfstark auf.

Ein Gruezo in Höchstform konnte für den FCA in der Vergangenheit sehr wertvoll sein. Wie beim 1:1 gegen Dortmund gegen Ende der vergangenen Saison. Augsburgs Sechser eroberte leidenschaftlich per Grätsche den Ball von Axel Witsel, der FCA konterte sich über vier Stationen zum Ausgleichstreffer. Seine bisher einzige direkte Torvorlage sicherte in einer sportlich schwierigen Phase einen 1:0-Sieg gegen Mainz. Insgesamt sah man aber zu wenige offensive Akzente vom 27-Jährigen.

In diesen Statistiken überzeugte Gruezo

Gruezos Stärken liegen positionsbedingt im Passspiel sowie in der Zweikampfführung. In beiden Kategorien lieferte der Kapitän seines Heimatlandes in dieser Saison. Laut bundesliga.de brachte Gruezo an den ersten 15 Spieltagen 79,3 Prozent seiner Bälle an: das ist der beste FCA-Wert, ligaweit gleichzeitig aber auch nur Rang 70. Auf den Plätzen 69 und 71 liegen Rani Khedira und Tom Krauß. Der eine spielte jahrelang auf der Sechs in Augsburg, der andere wurde als Neuzugang gehandelt, ging aber zum FC Schalke. Ein guter Marker also.

Zudem gewann Gruezo 55 Prozent seiner Zweikämpfe. Das entspricht teamintern Rang 4 hinter Bauer (61), Gouweleeuw (58) und Rexhbecaj (55,5) und ligaweit Rang 66.

Diese ordentlichen Statistiken zeigen, dass Gruezo in dieser Saison wichtig für den FCA war. Nur fünf Spieler standen bis zur Winterpause öfter auf dem Platz als er (Gouweleeuw, Rexhbecaj, Demirovic, Iago, Bauer).

Ist ein Gruezo-Wechsel sportlich verkraftbar?

12-Mal begann Gruezo in der Startelf. Zu Beginn als zentraler Abräumer hinter den Achtern Rexhbecaj und Maier, nach Maaßens Systemwechsel auf drei Stürmer in der Regel als defensiver Part der Doppelsechs. Dank seiner Zweikampfstärke spielte er anstelle von Maier, aufgrund seiner Fitness startete er vor Baumgartlinger.

Das Mittelfeld in den bisherigen Spielen bildeten Elivs Rexhbecaj und Neuzugang Arne Engels. Eine offensive Ausrichtung, die bisher überzeugte. Außerdem baut der FCA auf Niklas Dorsch. Der Neuzugang von 2021 verpasste die gesamte Saison aufgrund von zwei Mittelfußbrüchen, gegen Gladbach feierte er in der Schlussphase sein Comeback. Ein Dorsch in Topform ist gesetzt. Somit wären auch Gruezos Einsatzzeiten zurückgegangen. Zumal Youngster Engels ebenso ernsthafte Ansprüche auf die Startelf anmeldet. Dass Gruezo den FCA mit Blick auf künftige Einsatzzeiten verlassen will, ist daher nachvollziehbar.

Insgesamt stand Gruezo 75-mal für den FC Augsburg auf dem Platz. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Holt der FCA noch einen Ersatz?

Kann der FC Augsburg in der Rückrunde aus dem Vollen schöpfen, braucht es wohl gar keinen zwingenden Eins-zu-Eins-Ersatz. „Wir haben mit Elvis (Rexhbecaj, d. Red.), Baumi (Julian Baumgartlinger), Dorschi (Niklas Dorsch) und Arne (Maier) vier Spieler für diese Position, wobei ich Arne eher ein bisschen weiter vorne sehe“, sagte Maaßen im Trainingslager dem Kicker. Aber: „Wenn wir Carlos abgeben, wollen wir natürlich Ersatz holen.“ Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht absehbar, wie stark Engels aufspielt.

Als Gruezo-Ersatz wurden die Zweitligaprofis Tim Breithaupt (Karlsruhe) und Ron Schallenberg (Paderborn) genannt. Ihre Klubs wollen die Leistungsträger allerdings nicht abgeben. Der FCA soll jedoch nach wie vor interessiert sein, die Personalien könnten im Sommer interessanter werden. Bis zum nächsten Winter hat der FCA nun erstmal das nächste Talent ausgeliehen. Der portugiesische U20-Kapitän Renato Veiga wird die entstandene Lücke vorerst schließen und ist wohl zumindest zu Beginn mit den geringen Einsatzzeiten zufrieden.

Dass Carlos Gruezo den Verein verlässt, ist daher sportlich verkraftbar und wirtschaftlich sinnvoll. Sein Vertrag wäre nächstes Jahr ausgelaufen. Gruezos Zeit in Augsburg war insgesamt dennoch positiv. Ein sympatischer Typ, der sich im Gespräch mit der Rosenau Gazette sehr bodenständig gezeigt hat – und ein Spieler, der seinen Job ordentlich erledigte.

Adiós, Carlos, hasta pronto.

Neue FCA-Strategie: Talent statt Erfahrung

Der FC Augsburg bastelte in der Winterpause am Kader für die Rückrunde. So wechseln gleich vier Juniorennationalspieler nach Schwaben. Arne Engels (19, Belgien), Kelvin Yeboah (22, Italien) sowie David Colina (22) und Dion Beljo (20, beide Kroatien). Außerdem kommt Irvin Cardona (25). Dass der nicht unbedingt für Wintertransfers bekannte FCA gleich fünf Spieler in der Bundesligapause verpflichtet, überrascht. Dass es dann auch noch vier Talente sind, erstaunt umso mehr. Ändert der FC Augsburg gerade seine Transferstrategie?

Bisher galt: Alt und erfahren

In der Vergangenheit war für Sportdirektor Stefan Reuter bei Transfers vor allem ein Kriterium wichtig: Erfahrung. Julian Baumgartlinger (34), Rafal Gikiewicz (32), Daniel Caligiuri (32), Tobias Strobl (30), Stephan Lichtsteiner (35), Marek Suchy (31), Piotr Trochowski (31) oder Halil Altintop (30) waren alle älter als 30 Jahre alt als sie in die Fuggerstadt wechselten.

Setzte der FCA auf jüngere Spieler, waren es meist Mitzwanziger. In der Regel mit Erstligaerfahrung. Allein in der letzten Transferperiode etwa Ermedin Demirovic, Arne Maier oder Elvis Rehxbecaj. Zuvor Felix Uduokhai, Florian Niederlechner, Michael Gregoritsch, Martin Hinteregger oder Jonathan Schmid. Reuters Muster war vorhersehbar. Ein Bundesligaprofi, der seine Qualitäten bereits gezeigt hat, aktuell bei seinem Klub aber nicht so recht klar kommt.

Ein ähnliches Kalkül verfolgt man bei Cardona. Der 25-jährige Franzose spielte bei seinem Ex-Verein Brest zuletzt keine große Rolle: Nur ein Startelfeinsatz in der Hinrunde, letztes Tor im April. Im Laufe seiner Karriere hatte er jedoch auch bessere Phasen. Insgesamt bringt er es in 106 Spielen für Brest auf 19 Tore und 7 Vorlagen. Zum Vergleich: Florian Niederlechner erzielte in 107 Spielen für den FCA 30 Tore und 21 Vorlagen. Cardona soll das FCA-Spiel variabler machen.

Cardonas Debüt für den FCA verlief kurios. Der Neuzugang aus Brest kam früh für den verletzten Ruben Vargas, musste dann jedoch selbst verletzungsbedingt ausgewechselt werden. (Photo by Lars Baron/Getty Images)

Neue Devise: Jung und unbekannt?

In der Regel funktionierten diese beiden Strategien, die auch der finanziellen Situation und dem Gebot des soliden Wirtschaftens geschuldet waren. Ältere oder unzufriedene Spieler kosten kein Vermögen. Für Cardona zahlte man dem Vernehmen nach 500.000 Euro Ablöse.

Nun die offenbare Kehrtwende. Junge Talente, die zuvor kaum ein Fan kannte. Von Vereinen wie NK Osijek oder der Jugendakademie des FC Brügge.

Die Neuzugänge müssen sich daher erst beweisen. Es ist positiv, dass sie kein allzu großes Preisschild mitschleppen müssen. Yeboah kommt inklusive Kaufoption per Leihe. Für Engels zahlte man quasi nichts, für Colina einen mittleren sechsstelligen Betrag. Beljo soll 3 Millionen Euro gekostet haben. Ein guter Deal bei einem Marktwert von 6,5 Millionen Euro laut transfermarkt.de.

Sofort mittendrin: Arne Engels (27) und Dion Beljo (7) durften gegen Dortmund in der Startelf ran – und zahlten das Vertrauen mit Vorlagen zurück. (Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Die neue Strategie macht Lust

So oder so ist das bisher aber eine (unerwartet) gute Transferperiode. Schlagen die Neuzugänge ein, kann dem mitunter in der Kritik stehenden Manager Stefan Reuter nur gratuliert werden. Falls nicht, ist es – anders als beim Milliontransfer Ricardo Pepi – gleichzeitig kein Drama.

Die ersten Eindrücke sind positiv. Im Dortmund-Spiel spielten die Neuzugänge eine prägende Rolle. Engels, Beljo und Yeboah leiteten die Treffer ein, Colina traf gar wenige Sekunden nach seiner Einwechslung. Anschließend lief er an die Augsburger Bank und umarmte Trainer Enrico Maaßen.

Bei den Transfers soll der Coach, so hört man, eine tragende Rolle gespielt haben. Maaßen gilt als Förderer von Talenten und könnte mit dafür verantwortlich sein, dass der FCA seine alte Transferstrategie überdenkt. Dass gleich vier Talente verpflichtet werden, spricht daher auch dafür, dass der Verein langfristig mit seinem aktuellen Trainer plant. Reuter traut dem 38-Jährigen zu, etwas in Augsburg aufzubauen. Ein gutes Zeichen, das Lust auf Mehr macht.

Ausverkauft?

Vor dem Auswärtsspiel in Dortmund schrieb der FC Augsburg auf seinen Social-Media-Kanälen das Gastkontingent sei „ausgeschöpft“. Fans, die spontan noch Lust hätten, den FCA im Westfalenstadion zu unterstützen, haben keine Chance mehr auf Tickets. Das liegt aber nicht an einem restlos besetzten Gästeblock. Sondern vielmehr an der Dortmunder Ticketpolitik und einer Augsburger Fehlkalkulation. Am Sonntag werden 1000 Gästefans im Stadion sein.

In der Regel stehen einem Gastverein in der Bundesliga 10 Prozent der Gesamttickets zur Verfügung. In Augsburg sind das 3000 Tickets, in Dortmund wären es rund 8000. Die meisten Vereine schöpfen dieses Kontingent in Dortmund nicht aus, so auch Augsburg. Der FCA rechnete nach RoGaz-Infos mit 600 bis 800 Gästefans und orderte nach Austausch mit dem BVB mit etwas Puffer ein Kontingent von 1000 Plätzen. Eine Einschätzung, die sich mit den Erfahrungen der jüngsten Auswärtsspiele in Dortmund deckt. Zudem unterstützen den FCA sonntags in der Regel weniger Fans als etwa an einem Samstag.

Doch nun ging diese Rechnung nicht auf. Die 1000 Tickets waren schon vor zwei Wochen vergriffen, vermutlich haben nach der langen Winterpause mehr Fans Lust, den FCA im Stadion zu verfolgen. In sozialen Medien oder den hiesigen FCA-Foren fragten einige Anhänger vergeblich nach Karten.

Warum kann der FCA nicht mehr Karten absetzen?

In der Bundesliga ist es üblich, dass Vereine im Vorfeld im Austausch stehen, wie viele Gästefans erwartet werden. Dann gibt es ein Gästekontigent, das bei nahezu allen Bundesligisten auch noch angepasst werden kann, sollte die Nachfrage höher sein. In Dortmund (und auch in München) ist das etwas komplizierter. Schöpft ein Gastverein beim BVB das Gästekontingent nicht aus, gehen die übrigen Karten in den freien Verkauf für die Heimfans. Zudem platzieren die Schwarz-Gelben die Gästefans dann nicht im ursprünglichen Gästeblock hinter dem Tor, sondern erhöht schräg daneben. Am Sonntag ist den Augsburgern der Block 56 zugewiesen. Den eigentlichen Gästeblock gibt es erst ab 3000 Gästefans.

Auf Anfrage der Rosenau-Gazette heißt es dazu von Borussia Dortmund: „Kleinere Gastkontingente werden nach Rücksprache mit dem Gastverein nicht hinter das Tor auf der Nordtribüne platziert, weil es dort insgesamt 2.905 Stehplätze gibt – so würden aus Sicherheitsgründen fast 2.000 Plätze ungenutzt bleiben. Daher erfolgte eine Umplatzierung in den Nord-Ost-Bereich, sodass wir die anderen Blöcke in Gänze an unsere Fans verkaufen konnten.“

Theoretisch hätte der FCA bei den Dortmundern dennoch nach mehr Karten anfragen können. Das nächst höhere Kontingent wären allerdings 1600 Karten gewesen. Beim FC Augsburg rechnete man bis zuletzt nach RoGaz-Infos mit insgesamt 1200 Fans, auf den restlichen 400 Karten wäre man damit wohl sitzen geblieben. Dass nicht mehr Schwaben mit dabei sind, hat sich der Verein also ein Stück weit auch selbst zuzuschreiben. Letztlich begründet sich die Stadionauslastung aber vor allem mit den Dortmunder Ticketregeln.

Fans, die keine Karte bekommen haben, können den FC Augsburg am Mittwoch gegen Gladbach unterstützen. Für das Flutlichtspiel sind noch Karten in nahezu allen Kategorien vorhanden. Für das nächste Auswärtsspiel in Freiburg – das erste im neuen Stadion des SC – sind derweil alle 1500 Stehplatztickets vergriffen. Es gibt nur noch Sitzplätze.

Eine Botschaft noch an die Augsburgerinnen und Augsburger, die – wie ich – mit in Dortmund dabei sind: Man kann auch mit 1000 Fans gute Stimmung machen – und Punkte mit in die Heimat bringen.

Abschied eines Leistungsträgers

3,5 Jahre war Florian Niederlechner Spieler des FC Augsburg. Seine Verpflichtung erfolgte im Sommer 2019. Niederlechner wähnte sich im Herbst seiner Karriere. In Freiburg war er Ergänzungsspieler de Luxe. Nachdem er in der Saison 2016/17 noch alle 34 Partien für die Breisgauer gemacht hatte und dabei zweistellig traf, reichte es in der Saison 2018/19 nur noch für 24 Einsätze und eine deutlich reduzierte Minutenanzahl. In Augsburg winkten größere Einsatzchancen und nach Hause nach Ebersberg zur Familie war es auch näher. Der Wechsel war, gerade weil Johnny Schmid in die Gegenrichtung wollte, schnell eingetütet. Deckel drauf, Neuanfang für Niederlechner am Lech. Und seitdem hatte er für den FCA abgeliefert und war auch mit seiner direkten Art ab und an angeeckt.

Vom Goatlechner zum Ergänzungsspieler

Zu Beginn der Zusammenarbeit sah es nach einem perfekten Match aus. Niederlechner traf in der Saison 2019/20 13mal und legte zudem 8 Buden auf. Er zog die Mannschaft mit und war sofort Leistungsträger. Es hatte so ausgeschaut, als ob die Stadt nur auf ihn gewartet hätte, um erobert zu werden. Mit Spitznamen wurde nicht gespart. Der Goatlechner war geboren.

In der Saison 2020/21 unter Heiko Herrlich veränderte sich seine Rolle. Immer weiter nahmen die Einsatzzeiten ab. Am Ende der Saison versauerte Flo Niederlechner teilweise regelrecht auf der Bank. Die vergangene Saison blieb dann – genau wie der Beginn der Hinrunde unter Enno Maaßen – durchwachsen. Einerseits hatte Niederlechner das ein oder andere Wehwehchen. So musste er sich an der Leiste operieren lassen, hatte Corona als auch eine Prellung und eine Sprunggelenksverletzung. Andererseits war er auch unter Markus Weinzierl nicht mehr gesetzt. Nach seiner genialen Premierensaison kamen so in den beiden Folgejahren noch 10 Tore und 9 Vorlagen vor dieser Saison auf dem Konto dazu. Sehr ordentlich, aber eher doch die Zahlen eines sehr guten Ergänzungsspielers.

Tore und Vorlagen in Vielzahl lieferte Niederlechner in seiner Zeit beim FCA. Zeitweise war er ein absoluter Leistungsträger. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Neustart unter Maaßen

Im Alter von 32 Jahren und mit 3 Saisons in Augsburg auf der Habenseite ging Niederlechner in diese Saison. Der Vertrag in Augsburg lief zum 30.06.2023 aus. Mit Enno Maaßen hatte schon wieder ein neuer Trainer am Lech angefangen. In Augsburg war es nach Martin Schmidt, Heiko Herrlich und Markus Weinzierl nun der Vierte für Florian Niederlechner. Konstanz in der sportlichen Leitung war in den letzten Jahren rar.

Und erst sah es nicht so aus, als ob sich an seiner Rolle viel ändern sollte. Doch seit dem 6. Spieltag gegen Werder Bremen ist klar, wie gut Niederlechner in Maaßens System passt. Dies liegt vor allem am großen Defensivvermögen Niederlechners, der sich für keinen Weg zu schade ist. Torchancen ergaben sich dann über die Zeit hinweg auch. Zuerst war allerdings Ladehemmung angesagt, doch danach durfte Flo Niederlechner auch über 4 Tore und einen Assist jubeln. Der Leistungsträger war zurück.

Verständlicher Abschied

Auf der Basis der derzeitigen Situation hatte sich nun anscheinend Hertha BSC um Niederlechner bemüht und ihn ab der kommenden Saison für 2 Jahre verpflichtet. Die Tinte unter den Verträgen war trocken, die Hertha und Niederlechner hatten den Wechsel im Sommer offiziell bestätigt. Niederlechners Interesse daran, Nägel mit Köpfen zu machen, kann ich gut verstehen. Er wird im Oktober 33 Jahre alt. Eine Verletzung in der Rückrunde könnte seine sportliche Karriere deutlich verkürzen. Man schaue sich nur an, wo Alfred Finnbogason im Sommer gelandet ist. Mit diesem wollte der FCA nicht vor Saisonende sprechen, andere Angebote gab es augenscheinlich nicht. Finnbogason spielt nun für Lyngby BK. Von der Bundesliga ist da keine Rede mehr.

Wenn Hertha BSC Niederlechner nun 2 Jahre Vertrag angeboten hat und ihm die Sicherheit ab Sommer geben wollte, so ist es aus Niederlechners Perspektive vollkommen nachvollziehbar, das er nun nicht lange gezögert hat. Gerade weil der FC Augsburg sich wohl nicht in der Lage sah ihm auch ein Vertragsangebot zu machen.

Und während man die Entscheidung von Florian Niederlechner versteht, wirft das Verhalten des FC Augsburg Fragen auf. (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Kaderpolitik des FC Augsburg

Der FC Augsburg entkommt dabei nicht seiner unglücklichen Außendarstellung. Erst in der letzten Saison sah man sich nicht vor dem Saisonende in der Lage mit den Spielern (und Trainer Markus Weinzierl) zu sprechen, deren Verträge ausliefen. Auch in dieser Saison schon hat Rafal Gikiewicz, der unumstrittener Leistungsträger in der Hinrunde war, für sich eingefordert früh Klarheit über seine Zukunft zu erhalten. Und ist abgeprallt. Bzgl. Niederlechner berichtete nun der kicker: „Nun wollte (…) der FCA wiederum vor April noch kein Angebot unterbreiten“.

Das sorgte dann auch umgehend für Unruhe. Ein Wechsel zu einem direkten Konkurrenten im Sommer, sorgt bei Niederlechner selbst natürlich für einen Interessenskonflikt. Der FCA war nun in einer Situation gelandet, die es zu lösen galt. Man verpflichtete zahlreichen Ersatz und Niederlechner durfte nun schon im Winter zur Hertha ziehen.

Und so verlässt uns nun ein Spieler den FCA, der bei weiterhin anhaltender sportlicher Form in dieser Saison erneut zweistellig hätte treffen können und der im Angriff in der Altersstruktur die erfahrenste Kraft war (nächster in der Reihe: Sergio Cordova mit 25 Jahren, der den Club wohl auch verlassen darf). Die Kaderpolitik des FC Augsburg muss man nicht immer verstehen.

Die heutige Vertragsverlängerung mit Freddy Jensen ist dahingegen ein Hoffnungsschimmer. Auch bei ihm wäre der Vertrag zum 30.06.2023 ausgelaufen. Die Verlängerung um 2 Jahre zu diesem frühen Zeitpunkt zeigt: der FC Augsburg ist schon auch bereit manchen Spielern Sicherheit zu geben und frühzeitig Fakten zu schaffen! Warum man das im Falle von Florian Niederlechner nicht machen wollte, wird wohl nie ganz geklärt werden. Florian Niederlechner will ich explizit für seinen Einsatz und seine Leistungen danken. Mir bleiben vor allem die erfolgreichen Pressingsituationen in Erinnerung, wie die Vorlage am 23. Spieltag der Saison 2020/21 gegen Mainz oder sein Treffer gegen (Trommelwirbel!) die Hertha vor ein paar Jahren. Mach es gut und viel Erfolg zusammen mit dem Marco (außer – selbstverständlich – in den Spielen gegen uns).

Bye, bye Frammi

Mitte der laufenden Woche erschien die überraschende Meldung auf den sozialen Kanälen des FCA: Urgestein Raphael Framberger (27) verlässt für eine Rückserie seinen Heimatclub. Die genaue Destination war für mehr als 24 Stunden unklar, obwohl die Bild zwischenzeitlich berichtete, dass der Zielverein der SV Sandhausen sein soll. Der FCA bestätigte erst am Folgetag offiziell . Damit hatten wohl – trotz des aktuellen Reservisten-Daseins von Framberger – nur die wenigsten gerechnet.

Sein Weg in den Profifußball

Raphael „Frammi“ Framberger wurde am 06.09.1995 in Augsburg geboren und ist fußballerisch beim SV Cosmo Aystetten großgeworden. Im Alter von acht Jahren wechselte „Frammi“ in den Nachwuchs des FCA. Sein fünf Jahre älterer Bruder Daniel Framberger kickte von 1999 bis 2011 ebenfalls dort, gab am 09.05.2010 sogar sein Profidebüt in der zweiten Liga gegen den 1. FC Kaiserslautern. Über die Jugendmannschaften und die „Zwote“ des FCA empfahl sich Frammi nachhaltig für den Profikader. Für die Augsburger spielte Frami unter anderem in der U19-Bundesliga Süd/Südwest. Im Jahr 2016 zog er sich einen langwierigen Kreuzbandriss zu und verpasste somit die komplette Rückrunde.

Sein Profidebüt gab Framberger am 28.01.2017 im Auswärtsspiel gegen die Wölfe. Er spielte auf der Position des Rechtsverteidigers die vollen 90 Minuten. Der FCA gewann mit 2:1 und Framberger steuerte eine Torvorlage bei. Die darauffolgenden Spiele kam er sodann nicht mehr zum Einsatz, erst gegen RB Leipzig durfte Framberger 52 Minuten wieder als Rechtsverteidiger ran. Seine Verletzungsanfälligkeit zeigte sich schon früh: Eine Meniskusverletzung führte dazu, dass Framberger auch die Rückrunde 2017 verpasste. In der Saison 2017/2018 zog er sich eine Bänderverletzung zu, Anfang 2019 erneut einen Kreuzbandriss. Zwischen den Verletzungen stellte er jedoch immer eine ernsthafte Option im Profikader dar. Er wurde hierbei überwiegend auf dem rechten Flügel – defensiv wie offensiv – eingesetzt.

Anfang 2021 verpasste er den Start in die Rückrunde aufgrund eines Muskelfaserrisses, anschließend spielte er jedoch konstant vom 22. bis zum 29. Spieltag als Rechtsverteidiger in der Bundesliga. Insgesamt stand Frammi bisher 136 mal im Kader des FCA, davon 57 mal in der Startelf, 27 Einwechslungen stehen ebenso zu Buche wie 52 Kadernominierungen ohne Einsatz. Ein Spiel verpasste er gesperrt, 81 Begegnungen wegen Verletzungen, Krankheiten oder Blessuren. Frammi erlebte übrigens als damals 20jähriger die erste Europa League Saison der Geschichte des Clubs, im ersten Spiel gegen Athletic Bilbao befand er sich ohne Einsatz im Kader, im „Wunderspiel“ gegen Partizan Belgrad (1:3 für den FCA) befand sich Frammi ebenfalls an Bord.

Auf eine Rückrunde beim SVS

Nun geht es für den schnellen Außen zum Zweitligisten nach Sandhausen. Der SV Sandhausen ist ein Verein aus Baden-Württemberg, der derzeit auf dem letzten Tabellenplatz in der zweiten Fußballbundesliga steht. Der SV Sandhausen spielt seit 2012 durchgängig in der zweiten Liga, seine Spiele trägt der Verein im Hardtwaldstadion mit rund 15.500 Plätzen aus. Sandhausen hat 15.378 Einwohner*innen (Stand: 31.12.2021) und liegt im Rhein-Neckar-Kreis. Nach Augsburg sind es rund drei Stunden mit dem Zug oder auch mit Auto (ca. 270 Kilometer, je nach Streckenverlauf).

Beim SVS wird Raphael Framberger vermutlich den wohl doch langwierigeren Ausfall von Kapitän Dennis Diekmeier (32) auffangen. Einen Konkurrenzkampf wird es vorallem mit Bashkim Ajdini (30) geben. Der Verteidiger aus dem Kosovo kam in der Hinrunde zu 13 Einsätzen, hierbei gelangen ihm zwei Tore und er sah vier gelbe Karten. Der SV Sandhausen darf sich über einen motivierten, zweikampfstarken Mentalitätsspieler freuen, der über eine gute Grundgeschwindigkeit verfügt und charakterlich top eingestellt ist. Zudem kann er auf dem Feld viele Kilometer zurücklegen, wirkt manchmal wie eine „Laufmaschine“. Man berichtet zudem über ihn, dass er ein akribischer Arbeiter mit höchst professioneller Einstellung sei. So wirkt er auch nach außen, wenn man ihn (höchst selten) mal im FanTV oder in Interviews zu sehen bekommt.

„Mit Raphael haben wir einen zweikampfstarken Spieler mit Bundesliga-Erfahrung verpflichtet. Er ist ein Mentalitätsspieler, der uns helfen wird.“

SVS-Trainer Alois Schwartz über diesen Transfer

Beim FCA hat Frammi noch Vertrag bis 30.06.2024. Die Leihe soll ihm vor allem Spielpraxis und Einsatzminuten bringen. Dies fehlte ihm in Augsburg zuletzt, in der laufenden Saison kam er bisher nur in vier Pflichtspielen zum Einsatz (3x Liga, 1x DFB Pokal). In einem Spiel in der Regionalliga Bayern half Frammi zudem noch bei der zweiten Mannschaft aus.

Mit Chima Okoroji steht im aktuellen SVS-Kader auch ein alter Augsburger Bekannter: Der heute 25jährige stand zwischen 2015 und 2016 beim FCA unter Vertrag, kam hierbei bei der Zwoten in der Regionalliga zum Einsatz (39 Spiele), nachdem er zuvor mit der A-Jugend aus der Bundesliga abgestiegen war.

Meinung

Der sympathisch-bodenständige Defensivspieler steht unbestritten wie kein zweiter aktueller Kaderspieler für den FCA. Er spricht die hiesige Mundart, lebt seit jeher in der Region und das emotionale Video auf Instagram sprach Bände, wie sehr ihn dieser (temporäre) Abschied von seinem Heimatclub bedrückte. Er versprach, so oft wie möglich in Augsburg vorbeizuschauen und wenn möglich, sich in die Fankurve einschmuggeln zu lassen. Ich habe tatsächlich sehr geschmunzelt und doch auch das ein oder andere Tränchen verdrückt. Stefan Reuter bezeichnete ihn ebenfalls als Augsburger Identifikationsfigur, den man aber im Sommer am Lech zurück erwartet.

„Die Entscheidung, meinen FCA wenn auch nur vorübergehend zu verlassen, ist mir ganz und gar nicht leicht gefallen. Aber ich möchte jetzt einfach mal eine Phase erleben, in der ich regelmäßig auf dem Platz stehe und viel Spielpraxis erhalte.“

Raphael Framberger über seinen Wechsel

In den sozialen Netzwerken nahm ich diverse Nachrichten wahr, die ausdrückten, dass Framberger nicht gut genug für den FCA oder generell die Bundesliga sei. Ich finde, das kann man so nicht sagen. Aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit hat Frammi bisher noch keine Saison komplett verletzungsfrei durchspielen können, zudem steht er trotz seiner erst 27 Jahren schon seit bald acht Jahren im Profikader und dies konstant. Ich für meinen Teil drücke Raphael Framberger die Daumen, dass er verletzungsfrei bleibt und dem SV Sandhausen in der misslichen sportlichen Situation direkt helfen kann. Sandhausen steht mit 16 Punkten nur einen Punkt entfernt vom ersten Nicht-Abstiegsplatz, den derzeit der FC St. Pauli bekleidet.

Auch würde ich mich sehr freuen, Frammi in unserer Kurve begrüßen zu dürfen, so wie er es im Video ankündigte. Die Worte waren ehrlich und authentisch, wie unser Frammi es nun mal halt auch ist. Er ist kein Instagram-Poser oder Social-Media-Profi, hält sich auch in Videos angenehm zurück. Das ist selten in der heutigen Zeit. Dem Mann mit dem bodenständigen Lächeln und der heimischen Wortwahl wünschen wir persönlich nur das Beste in Sandhausen und hoffen, dass er im Sommer 2023 gestärkt zurückkehrt aus der Leihe und beim FCA wieder angreifen kann.

Custom App
WhatsApp
WhatsApp
Custom App

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen