Nicht gut genug?

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne “Einwurf aus der Rosenau Gazette” bei presse-augsburg.de. 

Jetzt ist die Saison des FC Augsburg gestartet und das Ergebnis gegen den SC Freiburg ist nun nicht entscheidend für eine weitere Prognose, so schmerzlich diese 0:4 Niederlage zum Auftakt auch gleich ist. Der FC Augsburg wurde mal wieder von vielen Experten, und Didi Hamann macht hier schon fast einen Sport daraus, als Absteiger getippt. In Augsburg ist die übliche Reaktion hierauf: dann kann doch nichts mehr schief gehen. Und das Abstiegsgespenst brauchen wir nun auch gar nicht geistern zu lassen. Dafür ist es wahrlich viel zu früh.

Dennoch sind die Bedenken externer Experten Ernst zu nehmen. Es ist korrekt, dass Enno Maaßen vor seiner Verpflichtung durch den FC Augsburg keinerlei Bundesligaerfahrung als Trainer gesammelt hat und es sich erst noch zeigen wird, ob er die Eignung für diese Liga mitbringt. Andererseits muss Enno Maaßen mit dem Kader arbeiten, der ihm durch Stefan Reuter und Team zusammen gestellt wurde. Und hier stellt sich zum Saisonstart dann doch noch die ein oder andere Frage.

Kaderstärke insgesamt

Wenn man die Kaderstärke der Bundesligamannschaften aus einer objektiven Brille betrachten will, dann hilft es @Goalimpact auf Twitter zu folgen. Der Account liefert regelmäßig Einschätzungen zur Stärke der Mannschaften inkl. einer Prognose über das Abschneiden in der Saison. Das Ergebnis vor Saisonstart: Platz 17 für den FC Augsburg mit einer Kaderstärke von 135,9. Knapp hinter uns nur noch der VfB Stuttgart. Vor uns mit ca. 4 Punkten Abstand eine Gruppe mehrerer Teams zwischen Platz 10 und 16. Ein Abgleich mit den Kaderwerten von vor 2 Jahren zeigt ein gewisses Abrutschen auf. Vor 2 Jahren kurz nach dem Deadline-Day lag der Wert bei 138,9 und der FCA lag in den Prognosen im Mittelfeld der Liga.

Dieser Eindruck spiegelt dann auch die Arbeit des Managements über den Sommer wieder. Der FC Augsburg hat mit Finnbogason und Gregoritsch Spieler abgegeben, die (bei Finnbo schon eine Weile zurück liegen) für einige Entscheidungen zu Gunsten des FCA gesorgt haben. Demirovic soll sich zu einem Faktor entwickeln, ist ein solcher aber noch nicht. Und auch die Verpflichtung von Elvic Rexhbecaj stopft vorerst nur das Verletzungsloch im Kader, dass durch Dorschs Mittelfußbruch entstanden war.

Kaderveränderungen

Das Gefährliche: Die Konkurrenz schläft nicht. Gerade die Kaderentwicklungen bei Bochum, Freiburg und Co. haben dafür gesorgt, dass der FC Augsburg im Ranking abgefallen ist. Der FCA-Wert vor der letzten Saison bei 135,2 und somit herrscht im Vergleich zur Vorsaison fast Stillstand. Der Kader ist somit zwar minimal besser geworden, allerdings in geringerem Maße als bei der Konkurrenz. Dabei ist die Startelf des FC Augsburg ausgeglichen besetzt und weißt in Bestformation keine großen Lücken auf.

Nur wenn Enno Maaßen seine Spieler verbessert, reicht es für den Klassenerhalt. Zumindest den Versuch sehen wir dokumentiert. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Die Schwachstellen liegen woanders. Die ausgeglichene Besetzung bedeutet auch, dass kein Spieler oder vielleicht auch mehrere deutlich hervorstechen. Auch gehen dem FCA nach dem Abgang von Gregerl ein bisschen die Unterschiedsspieler aus. Entsprechende Zugänge waren hier diesen Sommer nicht zu verzeichnen. Eine weitere Schwachstelle ist die Bank/Tribüne. Hier wird es beim FCA dann schon recht schnell eng und die Qualität fällt ab. Deswegen war der Rexhbecaj-Wechsel jetzt auch so wichtig. Die Transferperiode endet aber nun ja doch auch irgendwann und die Spieler müssen auch erst noch in die Mannschaft integriert werden.

Spielerverbesserungen

Ist Enno Maaßen dem Ganzen nun hilflos ausgeliefert? Oder kann er auf den Kader Einfluss nehmen? Momentan liegt sehr viel am Trainer und seiner Arbeit mit den Spielern. In ihren jungen Jahren können Spieler ihren Goalimpact-Score regelmäßig steigern, weil sie sich sportlich verbessern (Freiburg, wir sehen dich). Abgänge werden durch Verbesserungen der anderen Spieler aufgefangen. Wunderdinge sind hier allerdings nicht zu erwarten, wie sich schon in der ersten Partie deutlich gezeigt hat.

Solche Verbesserungen waren jetzt auch in der letzten Saison nicht im benötigten Maße ersichtlich. Sollte es Enno Maaßen gelingen aus dem vorhandenen Spielermaterial mehr als seine Vorgänger heraus zu kitzeln, dann wird nicht nur der Goalimpact-Score steigen, sondern er auch die entsprechende Prognose übertreffen.

Stefan Reuter muss noch einmal nach links und rechts schauen und sollte den Transfer des ein oder anderen Unterschiedsspielers eintüten. Bisher reichte das in dieser Transferperiode nicht aus. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Ein schlechtes Zeugnis

Für Stefan Reuter ist die Situation bis dato allerdings ein schlechtes Zeugnis. Er hat es bis Saisonbeginn nicht geschafft seinem Cheftrainer eine Mannschaft zur Verfügung zu stellen, die – auf Basis der objektiven @Goalimpact-Werte und nicht nur meiner persönlichen Meinung nach – im Bereich zwischen den Tabellenplätzen 10-16 konkurrenzfähig ist. Nach so langer Bundesligazugehörigkeit fällt das Team hinter der Konkurrenz ab und vom Trainerneuling in der Bundesliga wird direkt erwartet, über den eigenen Möglichkeiten abzuliefern. Gerade über die letzten zwei Jahre hinweg ist hier ein schleichender Abfall zu erkennen.

Und bevor nun der ein oder andere wieder mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten kommt. Diese begründen nun wohl nicht, dass wir von Bochum überholt wurden. Es erwartet hier niemand Wunderdinge. Warum der Kader schlechter als vor zwei Jahren dasteht, ist zumindest erklärungsbedürftig, wo doch auch teure Transfers getätigt wurden.

Ausblick

Was sich neben der Prognosen der Experten nicht verändert hat: es wird ein hartes Stück Arbeit für den FC Augsburg in der Liga zu bleiben. Etwas härter vielleicht, als es der ein oder andere erwarten würde und es kann ganz schnell sein, dass die leichte Euphorie und die gute Stimmung, die vor Saisonstart geherrscht haben, schwinden. Ja, das erste Spiel ist hier schon ein erstes deutliches Indiz. Kurzfristig würde es sehr helfen, wenn Stefan Reuter doch noch 1-2 Unterschiedsspieler an den Lech locken würde, die uns sofort helfen.

Über die Saison hinweg liegt unser Schicksal nun in den Händen von Enno Maaßen, der weiter mit der Mannschaft daran arbeitet, seine Art des Fußballspiels umzusetzen und das geformte Team zusammenzuhalten. Nur, wenn Spieler über ihre derzeitige Leistungsfähigkeit hinauswachsen, klappt es mit dem Klassenerhalt. Goalimpact meint, dass wir zu 30% direkt absteigen. Zu 20% landen wir allerdings auch auf einem einstelligen Tabellenplatz. Zu keinem Zeitpunkt in der Saison ist die Aufregung so hoch, wie die Saison verläuft. Hoffen wir, dass das Desaster ausbleibt.

RoGaz Kaderanalyse 2022: Mittelfeld zentral

Schon bevor wir uns mit der Thematik der Kaderanalyse näher beschäftigt hatten, gab es Positionen bei denen wir mehr Handlungsbedarf gesehen hatten, als bei anderen. Direkt ins Auge stach hier der Bereich des zentralen Mittelfelds. Zwar hatte der FCA bei Arne Maier die Option auf eine feste Verpflichtung gezogen, was durch dessen Leistungen in der vergangenen Saison auch überaus gerechtfertigt war. Auf der anderen Seite ging Niklas Dorsch mit einem Schlüsselbeinbruch in die Sommerpause und musste diesen erstmal auskurieren. Zudem entschied man sich den auslaufenden Vertrag mit Jan Moravek nicht zu verlängern und auch mit Tim Civeja ein Talent aus der eigenen Jugend für eine Saison nach Ingolstadt zu verleihen.

Als Enno Maaßen nach der Generalprobe gegen Stades Rennes auf die personelle Lage angesprochen wurde, fiel der Satz: “Die Spieler schwinden”. Gemeint war hier v.a. auch das zentrale Mittelfeld und kurzfristige Entwicklungen bzgl. dieser Positionsgruppen, auf die wir im folgenden eingehen werden. Vielleicht einmal vorweg: die Positionsgruppen die damit gemeint sind, sind die der 6er, 8er und 10er. Hier gibt es eine gewisse Variabilität. Gegen Rennes waren es vom Start weg 3 Spieler die sich die Aufgaben in diesem Bereich teilten. Mit dieser Größenordnung ist grundsätzlich zu rechnen.

Stammspieler

Niklas Dorsch

Die Stammspieler, die der FC Augsburg im zentralen Mittelfeld zur Verfügung hat, verleiten etwas zum Träumen. Nun hatte Niklas Dorsch etwas Probleme in seine erste Bundesligasaison hineinzufinden. Danach konnte er sein enormes Potential mehrfach zeigen. Er ist ein Rhythmusgeber. Er kann das Spiel beschleunigen oder verlangsamen. In diesem Zusammenhang ist er essentiell für den FC Augsburg, und es gibt im Kader niemanden, der ihn gleichwertig ersetzen könnte. Umso tragischer ist nun der angebrochene Mittelfuß, den er sich gegen Stades Rennes zugezogen hat. 6 Wochen Trainingspause, ca. 8 Wochen bis zum nächsten Einsatz erklären, warum “die Spieler schwinden”.

Arne Maier

Arne Maiers feste Verpflichtung beim FC Augsburg wäre eigentlich ein Selbstläufer gewesen, wenn er nicht geschlaucht von U23 und Olympia beim FCA angekommen wäre und ihn dann sukzessive kleinere Verletzungen und eine Corona-Erkrankung immer wieder zurückgeworfen hätten. Gerade offensiv hat Maier immer wieder entscheidende Impulse gegeben durch seine 8 Scorerpunkte, so dass ich ihn auf der 8/10 stärker sehe, als auf der 6. Insgesamt ist der FC Augsburg allerdings nun schon sehr früh darauf angewiesen, dass Arne Maier fit und in Form bleibt. Er ist ein echter Stützpfeiler des Teams.

Ergänzungsspieler

Freddy Jensen beim FCA nun eher zentral und etwas defensiver. Die Kernfrage bleibt doch aber, ob er dauerhaft gesund bleiben kann. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Carlos Gruezo

Gruezo ist ein klassischer 6er, der stark darauf spezialisiert ist, gegen den Ball zu arbeiten. In 17 Partien spielte er in der abgelaufenen Saison knapp 1000 Minuten für den FCA. Zu mehr kam es auf Grund einer Verletzung nicht und auch weil er im Spiel mit dem Ball limitiert ist. Gruezo sollte beim FCA eher jemand für die Kadertiefe sein, auch um vielleicht zu helfen eine Führung abzusichern. Den Beweis, dass er die Qualität zum Stammspieler hat, ist er trotz seiner Erfolge mit der Nationalmannschaft in der Bundesliga bisher schuldig geblieben.

Fredrik Jensen

Fredrik Jensen war lange jemand, den man beim FCA offensiver gesehen hat, entweder auf außen, im Sturm oder auf der 10. Enno Maaßen scheint ihn nun eher zentraler und vielleicht auf der 6 zu sehen. Seine stärkste Position sollte die 10 bleiben, wo er – wenn gesund – ein toller Backup für Arne Maier wäre. Gerade die Gesundheit hat ihm aber immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht und unter Markus Weinzierl kam es am Ende der abgelaufenen Saison noch nicht einmal mehr zu Kadernominierungen. Seine 12 Einsätze bei 410 Minuten in der letzten Saison zeigen, dass Jensen momentan nicht mehr als ein Ergänzungsspieler sein kann. Auch wenn wir gerne von mehr träumen würden.

Tobias Strobl

Kommen wir zum nächsten, der von Verletzungen außer Gefecht gesetzt wurde. Es war es eine Sprunggelenksverletzung, die Tobias Strobl zum Start der abgelaufenen Saison außer Gefecht gesetzt hatte. Dann folgten genau 5 Einsätze in der Bundesliga, bevor er sich das Kreuzband riss und weiterhin nicht auf dem Trainingsplatz zu finden ist. Ob der 32jährige dem FC Augsburg in der Bundesliga überhaupt noch einmal helfen kann, bleibt dahin gestellt. So dünn, wie die Positionen besetzt sind, hoffen wir auf die schnellstmögliche aller vollständigen Genesungen.

Perspektivspieler

Fabian Wessig im Halbfinale der U19 Deutschen Meisterschaft gegen Hertha BSC Berlin. Viele Einsätze für die U23 letztes Jahr machen Hoffnung auf mehr beim 19jährigen. (Photo by Matthias Kern/Getty Images)

Felix Götze

Felix Götze ist ein Rückkehrer. Er war nun zweimal zum 1. FC Kaiserslautern ausgeliehen und konnte in der abgelaufenen Saison mithelfen, dass die Roten Teufel über die Relegation in die zweite Liga aufsteigen. Unumstrittener Stammspieler war nach seiner Kopfverletzung zu Saisonbeginn nicht mehr, auch weil ihn immer wieder kleinere Wehwehchen außer Gefecht setzten. Für 23 Partien und ca. 1200 Minuten reichte es dennoch. Ob es für die Bundesliga reicht? Ich mag es bezweifeln. Bei einer etwas dickeren Personaldecke würde ich tippen, dass Felix Götze uns noch in dieser Sommerpause fest verlässt. Beim derzeitigen Personalstand wird er uns eventuell als Notnagel erhalten bleiben und seine Chance auf Einsätze gerade zu Saisonstart fast zwangsläufig bekommen.

Mahmut Kücüksahin

Außer man sieht Mahmut Kücüksahin schon so weit, dass man ihm den direkten Sprung zu den Profis zutraut. Kücüksahin hatte letzte Saison als Stützpfeiler die U19 ins Halbfinale um die deutsche Meisterschaft geführt. Daneben bekam er erste Einsatzchancen in der U23. Für diese Saison ist er dort nun voll eingeplant und stand in den ersten beiden Partien direkt auf dem Platz. In der Vorbereitung durfte er bei den Profis reinschnuppern und Enno Maaßen sich ein Bild von ihm machen. Die Einsätze bei der U23 deuten nun an, dass er die Saison dort wohl brauchen wird, um sich weiter zu entwickeln. Der Name sollte uns allerdings dann vielleicht im Winter oder auch in der Saison 2023/24 nicht überraschen.

Fabian Wessig

Auch den 19jährigen Fabian Wessig hat sich Enno Maaßen angeschaut. Wessig kam in der letzten Saison schon im Stamm der U23 des FC Augsburg auf 31 Einsätze. Parallel spielte er um die deutsche U19 Meisterschaft mit. Ein aufregendes Jahr liegt somit hinter ihm. Im Profikader scheint er sich nun vorerst nicht hat festbeißen können. Mal schauen, ob der Name im Profibereich des FC Augsburg noch einmal auftaucht.

Fazit

Enno Maaßen hat auch Mads Pedersen als eine Möglichkeit für die zentralen Positionen ins Spiel gebracht. Pedersen ist allerdings auch auf links oder rechts gefordert und kann nun mal nur einmal spielen. Er wird irgendwo zum Einsatz kommen und sich den Arsch aufreißen, wie wir es von ihm gewohnt sind.

Dennoch braucht es gerade auf den zentralen Positionen Spezialisten, die genau wissen, was dort zu tun ist. Und die Anzahl der Spezialisten für diese Positionen ist schlicht und ergreifend gerade zu gering. Für 3 Positionen gibt es gerade 4 fitte Spieler und der gegen Rennes erkrankte Fredrik Jensen ist hier schon mitgerechnet. Gerade weil Dorsch und Strobl länger ausfallen werden und auch weil es im Kader gerade einmal zwei Spieler mit Stammelf-Qualität gibt, muss hier unbedingt nachgelegt werden. Meine Forderung wäre hier, dass zwei weitere Spieler kommen sollten, auch weil die Ergänzungsspieler nicht so weit zu sein scheinen, dass sie hier helfen können. Ein Neuzugang sollte den Kader in der Spitze verstärken. Ein weiterer eine Ergänzung darstellen. Kandidaten habe ich an anderer Stelle schon früher vorgestellt. Nicht mehr alle sind mittlerweile verfügbar, weil auch andere Vereine nicht untätig bleiben.

So sehr auch ich eine Verkleinerung des Kaders für sinnvoll halte, so hat sie den FC Augsburg im zentralen Mittelfeld an die Grenzen gebracht, bevor die Saison überhaupt gestartet ist. Auf keiner Position sind Neuzugänge gerade so dringend wie dort. Hier wird sich in den nächsten Wochen zeigen, wie Stefan Reuters Transfersommer zu beurteilen ist.

Mit einem weinenden und einem lachenden Auge

Überfällig war es. Seitdem der FC Augsburg den Kauf von Arne Maier fixiert hatte, war es still geworden auf dem Transfermarkt um den Club aus der Fuggerstadt (Achtung Schreibweise liebe Kollegen). Zum einen ist das ok, da der Verein sich ordentlich Zeit genommen hatte, um den richtigen Trainer für die kommende Saison und hoffentlich darüber hinaus zu identifizieren. Und dieser wollte sich auch erst einmal die Spieler, die im zur Verfügung stehen selbst anschauen. Zum anderen wollen auch Spieler Planungssicherheit haben und wissen woran sie sind. Jeder Club mag auch gerne seine Hauptakteure im Trainingslager beinander haben, um Automatismen einzuüben und ein Team zu formen. Und da sind die paar Lücken im Kader des FCA, die es da schon noch gibt, nicht hilfreich. Insofern war es ganz grundsätzlich begrüßenswert am Freitag, dass der FCA seine Themen auf dem Transfermarkt angeht.

Zum Tauschgeschäft selbst

Ganz konkret hat man sich mit dem SC Freiburg auf ein Tauschgeschäft geeinigt. Michael Gregoritsch, der beim FC Augsburg noch einen Vertrag bis zum Sommer 2023 hatte, verlässt den Verein. Dafür erhält der FCA aus Freiburg mit Ermedin Demirovic einen anderen Stürmer im Tausch, der sich in Augsburg bis 2026 bindet. Demirovic ist ein 24jähriger Nationalspieler von Bosnien-Herzegowina, der in 61 Bundesligapartien 7 Tore erzielt und weitere 13 vorbereitet hat. In Freiburg war nun bisher seine längste Profistation mit 2 Jahren. Davor wurde er von Deportivo Alavés immer wieder an unterschiedliche Vereine ausgeliehen. Deutschkenntnisse sind vor allem vorhanden, da er bis zur U19 einige Jugendmannschaften beim HSV und in Leipzig durchlaufen hatte. Sein Geburtsort ist Hamburg.

Mit Michael Gregoritsch verliert der FCA auf der einen Seite seinen effektivsten Offensivspieler der letzten Bundesligasaison. In 25 Partien hatte er 9 mal getroffen. Insgesamt kann man Gregerl getrost als gestandenen Bundesligastürmer bezeichnen. In 188 Partien hat er mittlerweile 40 Tore erzielt und 14 Vorlagen gegeben. Wenn er in Augsburg geblieben wäre, hätte er mit gr0ßer Wahrscheinlichkeit Alfred Finnbogason in Kürze als Rekordschützen beim FCA in der Bundesliga abgelöst (so ihm André Hahn hier nicht in die Quere gekommen wäre). Nachdem sich der FCA mit Gregoritsch anscheinend in diesem Sommer nicht über eine Vertragsverlängerung seines bis 2023 datierten Kontrakts verständigen konnte, war nun die letzte Gelegenheit für den Verein gekommen für Gregoritsch (und seine gute Ausbeute gerade in der Rückrunde) einen Gegenwert zu erhalten.

Und dieser ist mit Falle von Ermedin Demirovic mehr als ok. In beiden Lagern gibt es Kritiker des Deals, so dass es sich um eine recht ausgewogene Angelegenheit auf dem Papier zu handeln scheint. Einerseits hat Demirovic sein Potential in der Liga schon gezeigt. Er kennt die Bundesliga und benötigt wenig Akklimatisationszeit. Dazu hat er das Potential im richtigen Umfeld sich in seinen Leistungen zu steigern, gerade weil er in Enno Maaßens System wohl auf mehreren Positionen (u.a. auch rechts) flexibel einsetzbar ist. Zusätzlich bindet er sich in Augsburg bis 2026 und der Verein hat nach dem Abgang von Alfred Finnbogason und im Zusammenspiel mit Gregerls Abschied die Stürmer-Position nachhaltig verstärkt. Andererseits ist es ok, dass der FCA nicht riskieren wollte, Gregotisch im nächsten Sommer ablösefrei zu verlieren. An sich gibt an dem Tauschgeschäft somit nichts zu meckern.

Mit Ermedin Demirovic stößt ein Offensivspieler zum FCA, der sich in der Liga mit 20 Scorerpunkten in 2 Jahren schon einen Namen gemacht hat. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Der Abschied tut weh

Und dennoch berührt mich dieser Transfer emotional. Einerseits ist dort Gregoritschs Wandel in der vergangenen Saison. Nachdem er schon einmal Augsburgs absoluter Leistungsträger im Sturm war, kam eine lange Durststrecke inkl. Leihgeschäft nach Schalke. Und vor der letzten Saison gab es doch einige, die Gregerl nicht mehr viel zugetraut hatten. Gregerl hatte sich nach Christoph Jankers Aussage im FuF-Poddy “neu erfunden”. Er hatte extrem hart daran gearbeitet, wieder in die Erfolgsspur zurück zu finden. Mit seiner Abschlussstärke und diesem bewiesenen Mentalitätswechsel wird er sportlich der Maaßenschen Elf fehlen. Ich persönlich hätte mir sehr gewünscht, dass um ihn herum die Mannschaft der nächsten Jahre Form angenommen hätte.

Auf der anderen Seite ist Gregerl einfach ein guter, offener Typ. Da ist zuforderst die offensichtliche, die humorvolle Seite, die er in vielen Interviews und “Was Woisch?” Clips gezeigt hat. Ich werde es vermissen, wie er “Stimmt’s oder stimmt’s nicht” sagt. Das Leben ist halt nicht nur bierernst und Gregerl hat Humor. Dieser Humor hat auch dazu geführt, dass er einer gemeinsamen Aktion zugestimmt hat, in der wir ihn mit dem Slogan “Neigschaut” auf T-Shirts gepackt hatten. In diesem Zusammenhang kam eine seiner weiteren positiven Seiten zum Tragen, denn Gregerl hat mit Tor.Chance einen Spendenverein, dessen vier Eckpfeiler die Integration, Inklusion sowie Förderung und Unterstützung von vermeintlich benachteiligten und schwächeren Kindern und Jugendlichen sind. Wir haben hier sehr gerne mit unterstützt und über die T-Shirt-Aktion für den Verein Geld gesammelt.

Hinter alle dem steht der Mensch Michael Gregoritsch. Gerne wird er als “sensibel” bezeichnet. Ich liebe es an ihm, dass er seine Emotionen nicht hintern eine Fassade verbirgt, sondern offen über sie spricht. Wie sehr ich ihm den Treffer, in der Nationalmannschaft gegönnt habe zum ersten EM-Sieg der Österreicher überhaupt. Bei ihm merkt man sehr direkt, was ihm der Fußball bedeutet. Und er hat kein Problem z.B. im Interview mit Tiziana Höll sich zu öffnen und diese Emotionalität offen und authentisch einzugestehen. Dort hatte er auch kein Problem damit zu thematisieren, dass er psychologische Unterstützung an Bord hat, oder auch seine ablehnende Haltung ggü. der WM in Katar offen zu kommunizieren. Ich selbst durfte mich mit Gregerl über seine österreichische Heimat unterhalten und habe selten so einen offenen Interviewpartner erlebt. Die Tour nach Graz würde ich immer noch gerne jederzeit mit ihm machen.

Gregerl werde ich nicht nur auf dem Platz vermissen. Einfach ein guter Typ! (Photo by Alexandra Beier/Getty Images)

Wehmut und Neubeginn

Insofern trifft mich der Verlust von Gregerl als Mensch und Persönlichkeit mehr, als die sportliche Komponente des Transfers. Gregerl ist ein Juwel in Zeiten, in denen viele Profis, aus Angst sich angreifbar zu machen, möglichst wenig bzw. nur glatt geschliffenes über sich preis geben. Mit Gregerl kann man sich auf einer menschlichen Ebene identifizieren. Dabei muss man ihn nicht mögen, auch wenn das sehr leicht fällt, wenn man ihm zuhört und sich auf ihn einlässt.

Nun ist das Geschäft, wie es ist. Es bleibt mir nichts anderes übrig als Gregerl auf diesem Weg die besten Wünsche für seinen weiteren Weg mitzugeben. Ich bin davon überzeugt, dass er diesen auf dem Platz und abseits davon gehen wird. Und an 32 von 34 Spieltagen werde ich ihm die Daumen drücken. International mit dem Sport Club sowieso.

Daneben heißen wir Ermedin Demirovic in Augsburg herzlich willkommen. Gerade die nächste Saison bietet eine große Chance überraschend fett durchzustarten. Lass es uns gemeinsam angehen!

Achtung: Fehleralarm!

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Es ist manchmal etwas schwierig, den Verantwortlichen des FC Augsburg zu folgen. So vom Verständnis her. Einerseits hat man eine Phase der neuen Offenheit eingeleitet. Offenheit wird als wichtiger Wert benannt. Auch ich hatte das gefordert, in dem ich die sogenannte Wagenburg einreißen lassen wollte. Stefan Reuter war im Interview bei der Augsburger Allgemeinen, Enrico Maaßen bei a.tv (Ausstrahlung Mittwoch 18:45 Uhr oder auf Abruf in der Mediathek), Christoph Janker als Überraschungsgast beim Podcast Feuer & Flamme (seit diesem Montag abrufbar). Naiv wäre der, der jetzt glaubt, damit würde alles besser. Ich frage mich derweil: Warum erst jetzt? Und hält das an, auch wenn die Kritik, die es massenhaft an den Verantwortlichen in diesem Sommer gab, wieder etwas abklingt? Oder ist es vielleicht nur eine große Beruhigungs-Show?

Andererseits ist es doch auch interessant, was die Verantwortlichen, denn bei all der Offenheit so kommunizieren. Sie geben zu, dass in der jüngsten Vergangenheit nicht alles optimal lief (eine leichte Untertreibung, wenn man den Vorgängen folgt). Es fällt ihnen dennoch schwer Fehler konkret zu benennen. Dies möchte ich gerne an einer Entscheidung festmachen: der Verpflichtung von Markus Weinzierl zum Ende der vorhergegangen Saison.

Der FCA unter Markus Weinzierl

Ja, Markus Weinzierl hat in den letzten Spielen der Saison 2020/21 mit dem FCA die Klasse gehalten. Mit mehr Glück als Verstand. Gegen Bremen bedurfte es eines dummen Platzverweises auf Bremer Seite. Und es war meiner Meinung nach ein Fehler, den FCA unter Heiko Herrlich überhaupt in diese Situation schlittern zu lassen.

In 2021/22 wurde es unter Markus Weinzierl nun nur noch schlimmer. Spieler wie Ruben Vargas fielen in ein spielerisches Loch. Die Mannschaft stagnierte bestenfalls. Es gab weiterhin Spiele, in denen sie einbrach. Insgesamt etablierte Weinzierl weder ein erfolgsversprechendes Spielsystem noch war eine deutliche spielerische Entwicklung zu sehen. Träume zerplatzten. Und Weinzierl ergriff die Flucht nach vorne, in dem er nach dem letzten Spieltag selbst verkündete nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Eine Anschlussbeschäftigung ist kurzfristig nicht in Sicht.

Was sich im Nachhinein allerdings als noch viel tragischer erweisen könnte, sind die mangelhaften Entwicklungschancen vieler Jugendspieler, die Markus Weinzierl diesen bot. Tim Civeja blieb komplett ohne Kadernominierung, genau wie einige andere, und hat den FCA schon per Leihe nach Ingolstadt verlassen. Mit Dejan Pejcinovic sah das größte Talent des FCA-Nachwuchsleistungszentrums keine ausreichende Perspektive beim FCA und wird dem FCA wohl in diesem Sommer den Rücken kehren. Ansonsten hätte man die Vertragsverlängerung wohl schon längst unter Dach und Fach bringen können und Pejcinovic in den ersten Vorbereitungsspielen gesehen. Es war klar, dass Weinzierl schon in seiner ersten Phase kein Trainer war, unter dem die Jugendspieler groß Chancen bekamen. Und trotzdem nahm man es in Kauf, dass hier Porzellan unwiederbringlich zerschlagen wird.

Mit der dargestellten Agilität hätte Stefan Reuter, Heiko Herrlich früher den Rücken kehren sollen. Die Weinzierl-Verpflichtung ist ein hausgemachter Fehler. (Photo by LEON KUEGELER/POOL/AFP via Getty Images)

Die andauernde Rechtfertigung

Und so bildet sich zumindest bei mir der Eindruck, dass es besser gewesen wäre Markus Weinzierl gar nicht erst zu verpflichten. Heiko Herrlichs Schwächen waren offensichtlich. Im Nachhinein hätte man auf der Trainerposition schon früher etwas ändern müssen, und wäre dann nicht darauf angewiesen gewesen, mit Weinzierl jemanden zu holen, der Club und Umfeld schon kennt. Oder man hätte Weinzierl als reinen Retter geholt und im Sommer dann mit jemand komplett Frischen den Neustart gewagt. Und nachdem man sich nun angeschaut hat, was man von einem Trainer will und wie Enno Maaßen dargestellt wird: wie hätte man da nach eingehender Analyse mit Markus Weinzierl weitermachen wollen?

Im Interview mit der Augsburger Allgemeinen wurde Stefan Reuter explizit gefragt, ob es ein Fehler war, Markus Weinzierl zurückzuholen. Die Antwort: “Nein, damals war es genau richtig. Der Zeitpunkt war extrem spät in der Saison, es waren nur noch drei Spiele zu absolvieren. (…)”. Ja, ja, der Zeitpunkt. Als ob er bei Monopoly die Trainer-Wechsel-Dich-Karte gezogen hätte. Hat er halt nicht. Der Zeitpunkt war selbst gewählt. Die Entscheidung im Nachhinein keine Gute.

Was bleibt?

Außer viel Gerede bisher nicht viel. Mit Enrico Maaßen hat die Führungsspitze zwar einen Trainer gefunden, der im Gegensatz zu so manchem Vorgänger ein guter Kommunikator ist. Seine Erstligareife muss allerdings auch er erst noch beweisen. Dies gilt auch für den Kader. Mit dem drohenden Abgang von Michael Gregoritsch, mit dem man sich anscheinend nicht auf eine Vertragsverlängerung verständigen konnte, gehen dem FCA so langsam die offensiven Unterschiedsspieler aus. Finnbogason und Gregoritsch zu ersetzen, bei gleichzeitiger Formschwäche von Florian Niederlechner wird eine weitere Mammutaufgabe.

Und derweil fallen den Verantwortlichen weiter die einfachen Dinge schwer. Fehler konkret zu benennen und einzugestehen zum Beispiel. Ob die Änderungen im Kommunikationsverhalten nachhaltig sind, wird sich auch zeigen, je nachdem wie sich die sportliche Lage entwickelt. Es bleibt somit spannend rund um den FC Augsburg, der weiter Perfektion nach außen vorgibt, dem ein paar Ecken und Kanten mehr allerdings besser zu Gesicht ständen.

Fokus auf die Mitte

Trainer verpflichtet, vorgestellt und eine neue Offenheit signalisiert. Ruhe reingebracht. Nun geht es Schritt für Schritt darum den Kader zu stärken und einzelne Problemzonen anzugehen. Der Fokus richtet sich dabei auf die Mitte. Und die ist ist in zweierlei Hinsicht gemeint.

Die Altersstruktur

Der FCA verfügt über einige Spieler in eher jungen Jahren, und einen Stamm an Spielern kurz vor der Fußballrente. Was dem FCA momentan abgeht ist der Mittelbau dazwischen. Warum ist dieser wichtig? Die jungen Spieler richten klar den Blick auf ihre persönliche Fortentwicklung und sehen den FCA in erster Linie als nächsten Schritt, dem einige weitere folgen sollen. Den Älteren geht manchmal die Ambition für mehr ab, wenn sie nicht so positiv verrückt wie Rafal Gikiewicz sind. Der langfristige Erfolg des Clubs wird hier dann schon mal hinten angestellt. Die Gruppe der Mit-Zwanziger liegt hier genau dazwischen. Einerseits hat man es woanders schon mal probiert und es hat nicht geklappt wie erhofft. Andererseits stellt man sich vielleicht auch mal hinten an, wenn man gedenkt in ein paar Jahren immer noch da zu sein.

Da legsch di dernieder. Wir wollen über einen Gregerl-Abgang nicht nachdenken, aber durch die Vertragssituation bedingt, könnte es leider jetzt im Sommer soweit kommen. (Photo by ROBERT JAEGER/APA/AFP via Getty Images)

Nun steht Michael Gregoritsch mit seinen 28 Jahren noch beim FCA unter Vertrag. Dieser läuft allerdings in 2023 aus und sollte der FCA sich mit Gregerl nicht auf eine Verlängerung einigen können, so wird der Abschied in diesem Sommer stattfinden müssen, um noch Transfereinnahmen zu erzielen. Es wäre höchst schade, gehört aber zur Realität dazu. Dann wird es in diesem Kaderbereich noch dünner, auch wenn Arne Maier und Felix Uduokhai eventuell in dieses Kadersegment hineinwachsen könnten. Bei Transfers in diesem Sommer wird sich somit wohl die Aufmerksamkeit stark auf das mittlerweile sehr ausgedünnte Mit-Zwanziger-Alterssegment richten müssen. Irgendwie ist die Altersstruktur zuletzt etwas durcheinander geraten.

Positionsspiel

Beim zweiten Aspekt des Gedankengangs kommt nun der neue Trainer Enno Maaßen ins Spiel, dessen Fokus sich auf eine starke und flexible Zentrumsbesetzung im 6er/8er/10er-Raum liegt. Derweil bei Tobias Strobl abzuwarten ist, zu welcher Stärke er zurückfindet, haben mit Civeja und Moravek zwei Spieler aus dieser Gruppe den FCA verlassen. Und gerade auch in Bezug auf die 10er Positionen ist der Kader nicht allzu stark aufgestellt ( speziell auch dann wenn man einen möglichen Gregerl-Abgang im Hinterkopf behält).

Man könnte die Situation schon gar als dünn bezeichnen, wenn man darüber nachdenken muss, wer hier außer Niklas Dorsch, Arne Maier und Carlos Gruezo noch zur Verfügung steht. Freddy Jensen offensiv, der letztes Jahr kaum eine Rolle gespielt hat. Das ist bei der Bedeutung der Positionen im Maaßenschen Spielsystem schlicht zu wenig. Und damit ist hoffentlich auch geklärt, warum der FC Augsburg immer wieder und sehr verstärkt mit zentralen Mittelfeldspielern beschäftigt, die sich zudem in einem gewissen Alterssegment befinden.

Die Kandidaten

Ajdan Hrustic ist hier ein Name, der gerade ganz akut gehandelt wird. Er hat bei der Eintracht aus Frankfurt überschaubare Einsatzzeiten erhalten, auch weil er defensiv manchmal zu nachlässig agiert. Offensiv konnte er allerdings immer wieder mit Ideen aufwarten und seine Schusstechnik hat das Zeug für Legenden. Im Maaßenschen System könnte es für ihn offensiv vor den 6ern passen und es würde Sinn machen, dass sich der FCA mit ihm beschäftigt, auch wenn er jetzt kein Kracher-Transfer wäre.

Als einen solchen müsste man Daniel-Kofi Kyereh bezeichnen, der in der letzten Saison bei St. Pauli offensiv großartige Leistungen ablieferte und an dem viele Clubs aus der ersten Liga dran sind. Hier scheint der SC Freiburg wohl zum Zuge zu kommen. Kyereh ist auch schon 26 Jahre alt und wäre damit auch alterstechnisch eine perfekte Ergänzung für den FCA.

Okugawa nach Augsburg? Warum nicht. Er würde ins momentane Beuteschema des FCA wunderbar passen. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Weiterhin in der ersten Liga spielen will eventuell Masaya Okugawa von Arminia Bielefeld. Mit 8 Toren und einer Vorlage in der abgelaufenen Saison hatte er erheblichen Anteil an den Bielefelder Offensiverfolgen. Bielefeld selbst scheint auf die Transfererlöse zu schielen, Enrico Maaßen schaute nicht unlängst im Bielefelder Trainingslager vorbei (wo der FCA die Nachfolge auf der Anlage antreten wird und der Besuch offiziell der Vorbereitung des eigenen Trainingslagers galt) und es ist um Okugawa sehr ruhig im Blätterwalt. Nicht die schlechtesten Anzeichen.

Auch die international gehandelten Amadou Diawara und In-beon Hwang erfüllen prinzipiell die Anforderungen, müssten sich allerdings erst in Deutschland akklimatisieren. Gerade mit der kurzen Sommerpause macht dies einen Transfer schwieriger.

Rückkehr ausgeschlossen?

Wenig Akklimatisation würde ein anderer Spieler benötigen. Nach seinem Wechsel blieb Marco Richter in der Endphase der letzten Saison in Berlin nur die Bank. Er wäre mit seinen 24 Jahren und seiner offensiven Variabilität genau im Beuteschema des FCA. Nun hat die Hertha mit Sandro Schwarz einen neuen Trainer und Richter will dem vielleicht eine weitere Chance geben. Aber vielleicht machen sich alle Parteien schon mal Gedanken, ob sie denn nicht über eine Rückkehr des Eigengewächses nachdenken wollen.

Richter würde wieder in sein gewohntes heimisches Umfeld zurückkehren können. Er hätte langfristig das Potential in Augsburg zum Held zu werden, in dem er nun den Rest seiner Karriere beim FCA verbringt und Tore und Vorlagen liefert (ja der Fußballromantiker träumt immer noch). Der FCA hätte ein Stück Glaubwürdigkeit in Richtung Jugendarbeit zurück gewonnen. Ein verlorener Sohn würde in die FCA Familie zurückkehren. Win-Win-Win.

Stärkung des Kerns

Und während das Gerüst des Kaders steht, braucht der Kern die obengenannte zweidimensionale Unterstützung und weitere punktuelle Verstärkungen. Da braucht es nun auch nichts übers Knie zu brechen und vielleicht muss man auch erstmal auf die ein oder andere Einnahme oder einen Abgang warten. Bis dahin braucht man sich allerdings nicht wundern, warum weiterhin die zentralen Mittelfeldspieler im mittleren Alterssegment die Gerüchte-Spalten überhäufen. Es ist davon auszugehen, dass der FCA in diesem Segment auch zuschlagen wird, sollte dann bei einem der Kandidaten alles passen.

Nicht überzeugt

Schöne Überschrift, was? Die bezieht sich nun nicht auf die Vorstellung von Enno Maaßen als Trainer des FC Augsburg. Sondern sie stellt vielmehr das Urteil dar, dass einige der jungen Talente des FC Augsburg immer wieder über den FC Augsburg fällen, wenn es um ihre sportliche Zukunft geht. Sie könnte auch lauten “nicht überzeugend”. Und während der FCA in den letzten Wochen nach der perfekten Trainerlösung gesucht hat, hat sich die Welt – oh Wunder – weitergedreht, und so manch ein Jugendspieler hat seine Entscheidung für die Zukunft getroffen.

Aktuelle Transfers bei den Jugendspielern

Was man an dieser Stelle nicht groß betonen muss. Die FCA-Talente sind mittlerweile begehrt. Die U19 hat in der höchsten Klasse ihre Staffel gewonnen und es bis in das Halbfinale um die deutsche Meisterschaft geschafft. Da sind richtig gute Jungs bei und kommen auch aus den jüngeren Jahrgängen noch nach. Und die warten nun nicht gerade darauf, dass der FCA zu Potte kommt. So hatte sich Dikeni Salifou schon früh entschieden, dass seine sportliche Zukunft bei Werder Bremen liegen wird. Mit Aaron Zehnter konnte der FCA eines seiner Top-Talente halten und mit einem Profi-Vertrag ausstatten. Gleiches gilt für den schon etwas älteren Henri Koudossou. Soweit so gut.

Das Gerangel wird durch die hohe Qualität auch um die deutlich jüngeren Talente größer. Der 17-jährige Noa-Gabriel Simic ist nun der nächste, der den FCA proaktiv verlässt und zur U19 von Borussia Dortmund wechselt. Er hatte in 18 Partien für die U19 11 Tore gemacht, und das mit gerade einmal 17 Jahren. Der Dortmunder U19 Trainer soll in ihm einen Wunschspieler sehen. Und selbst wenn sich der FCA nun selbst im Dortmunder Trainerpool bedient hat, so ändert dies nun nichts mehr an diesem Spielerwechsel. Genau, wie es einen stutzig machen sollte, dass Dzenan Pejcinovic bisher keinen Profivertrag in Augsburg unterschrieben hat. Am Unwillen des Vereins wird es nicht liegen. Vielleicht fehlt – mal wieder – auf Spielerseite die Überzeugung?

Die Bilanz der letzten Jahre

Über Stefan Reuters Bilanz mit der Jugend hat Irina hier im Blog zuletzt ausführlich geschrieben. Wenn man dies in Kürze zusammenfassen will: der FCA hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Mit Raphael Framberger kam gerade ein aktiv-eingesetzter Spieler der letzten Saison aus der eigenen Jugend. Vor der Saison hatte man mit Marco Richter und Kevin Danso zwei Eigengewächse ziehen lassen. Während Richter seinen Wechsel zu Hertha BSC vielleicht hinterfragt (ein etwas glücklicheres Händchen bei der Vereinswahl hätte man ihm schon wünschen können), hat Kevin Danso mit dem Rummel um seine Person alles richtig gemacht. Er hat für RC Lens 36 Pflichtspiele bei 5 Scorerpunkten absolviert und gezeigt, dass er das Potential zu einem erstklassigen Innenverteidiger ausschöpfen kann. Sein Marktwert ist zusätzlich auf 9 Mio. EUR laut transfermarkt.de geklettert. Und Danso ist weiterhin erst 23 Jahre alt.

Danso war nicht der erste, der seinen Abschied vom FCA quasi erzwang. Er steht in einer Reihe mit Erik Thommy, der trotz Bundesligadebüt in Augsburg seine Chancen in der Ferne (beim VfB Stuttgart) besser einschätzte. In der gleichen Reihe findet sich auch Marvin Friedrich wieder, der über Union Berlin bei Borussia Mönchengladbach gelandet ist. Friedrich war vom FCA nach Berlin ausgeliehen und beklagte, dass sich während seiner Leihe beim FCA niemand für ihn zu interessieren schien. Als Reaktion auf diese offensichtliche Fehlstellung wurde in der Folge Christoph Janker als Bindeglied zwischen Profis und Jugend und zur Betreuung der Leihspieler installiert. Einzig, die Erfolge lassen auf sich warten.

Die Verpflichtung von Aaron Zehnter ist ein Hoffnungsschimmer mit Blick auf die Jugend zuletzt. (Photo by Oliver Hardt/Getty Images for DFB)

Wendepunkt

Nun hatte der FC Augsburg mit Markus Weinzierl keinen Trainer, der dafür berüchtigt ist, auf die Jugend zu setzen. 10 Minuten vor Ende einer aussichtslosen Partie durften immer wieder die über 30jährigen Alt-Stars ran, anstatt dass Jugendspieler wichtige Minuten und Erfahrungen hätten sammeln dürfen. Die Frustration unter den Jugendspielern wuchs. Aber auch hier gilt: der Trainer hat sich nicht selbst ausgesucht. Man hat für den Klassenerhalt 2020/21, den Weinzierl durch die Partie gegen Bremen mit mehr Glück als Verstand sicherte, die Perspektive der Jugend geopfert. Die Verpflichtung von Enno Maaßen wird hier nun als Wendepunkt inszeniert. Im Interview mit der Augsburger Allgemeinen hat Stefan Reuter sehr betont, dass Enno Maaßens Kompetenz in der Arbeit mit Jugendspielern ein Haupt-Kriterium für seine Verpflichtung war.

Das es beim Verein trotzdem keinen kompletten Sinneswandel gegeben hat, sieht man allerdings in Reuters Aussagen zu Tim Civeja im selben Interview. Civejas Namen hat er dabei selbst in Spiel gebracht: “Aber Tim Civeja zum Beispiel ist auf uns zugekommen und würde gerne nach dieser für ihn enttäuschenden Saison, in der er nicht einmal im Kader gewesen ist, einen anderen Weg einschlagen. (…) Wir wollen den Spieler aber nicht verlieren, sondern auch die Möglichkeit haben, ihn wieder zurückzuholen.” Er scheint also direkt bereit, Civeja ziehen zu lassen. Kein Wort darüber mit Enno Maaßen zusammen zu überlegen, welche Perspektive man dem Spieler geben kann. Kein Wort darüber, wie man Spieler vom FCA überzeugen will. Civeja wurde im Nachgang zum Interview nun für ein Jahr nach Ingolstadt verliehen. Chance verpasst.

Strategie nachhaltig ändern

Stefan Reuter hat ja nicht unlängst Fehler selbst eingestanden. Aber gerade in diesem vielzitierten, aktuellsten Interview hat er erneut die Verpflichtung von Markus Weinzierl verteidigt. Hier ist nun die Frage, welchen Prioritäten der FCA nachhaltig verfolgt. Die Förderung der Jugend scheint es ja nicht vorrangig zu sein, wenn man diese für kurzfristige Ziele auch mal opfert. Ob sich die Strategie des FCA hier nun nachhaltig ändert? Zumindest ist dies bisher aus den öffentlichen Aussagen nicht direkt erkennbar. Trainer kommen und gehen in der Bundesliga. Der FCA braucht ein Wertegerüst, auf dessen Basis er Entscheidungen trifft und die Jugend hat hier eine wichtige Rolle zu spielen.

Der Erfolg einer strategischen Änderung wird sich gerade im Verhalten der Jugendspieler und Jungprofis selbst zeigen. Bleiben sie in Augsburg, bekommen sie ihre Chance und wird Vertrauen in sie gesetzt? Hält man den Kontakt auch in schwierigen Zeiten und während der ein oder anderen Leihe und intensiviert ihn dann vielleicht sogar? Kommen sie gerne nach Augsburg zurück? Hier wird es nicht nur auf Enno Maaßen ankommen, sondern auch auf das Management. Wobei Enno Maaßen die Kernaufgabe zukommt, den Jugendspielern ihre kurzfristige Perspektive aufzuzeigen, Vertrauen aufzubauen und Versprechen einzuhalten. Dann ist für die kommende Saison schon viel genommen, auch wenn die Fehler der letzten Zeit sich noch eine Weile auswirken werden, Ob wir nicht doch einen Rückfall in diese Zeiten erleben, ist damit jedoch nicht sicher gestellt.

Der Sportdirektor für die Zukunft?

Auch ich hatte vom FCA als der grauen Maus in der Bundesliga geschrieben, und das ist nun gar nicht lange her. Bis vor kurzem konnte ich mir eine solche Unruhe, wie sie kurz vor dem Ende der abgelaufenen Saison durch den Rücktritt von Klaus Hofmann und den Abschied von Markus Weinzierl aufgekommen war, nicht vorstellen. Wo Weinzierls Abschied zwar in der Sache nicht vollkommen überraschend war, war die Art und Weise ein Paukenschlag. Und fällt auch auf die weiterhin Verantwortlichen des FC Augsburg zurück.

Und gab es in der Hinrunde der Saison, gerade nach der Partie in Mainz, Diskussionen über die Person des Sportdirektors, so bauten sich diese nun zu einem Sturm der Entrüstung in seine Richtung auf. Selten waren in den sozialen Medien in Augsburg so viele eindeutige Kommentare zu lesen. Der Sog des Shitstorms und der Entrüstung zog viele in seinen Bann. Mit ein paar Tagen Abstand war uns klar, dass wir nicht einfach nur „Reuter raus“ mit brüllen wollten. Das Handeln unseres Managers in über 10 Jahren Tätigkeit für den FC Augsburg in unterschiedlichen Konstellationen machte aus unserer Sicht eine detaillierte Auseinandersetzung in seiner Serie von Artikeln notwendig. Diese schließen wir hiermit ab, nachdem wir uns Stefan Reuters Arbeit in Bezug auf Trainer, Transfers, Kommunikation und Jugend angeschaut haben. Sorgfältig und mit Bedacht haben wir uns ein Bild gemacht.

Das Positive

Stefan Reuter ist mit dafür verantwortlich, dass der FC Augsburg über so viele Jahre hinweg in der Bundesliga tätig ist und bisher den Abstieg in die zweite Liga vermeiden konnte. Einerseits hat er zu Beginn seiner Amtszeit an Markus Weinzierl festgehalten und damit die sportlich erfolgreichste Phase des FC Augsburg in seiner Geschichte eingeleitet.

Er hatte auch in vielen Fällen ein geschicktes Händchen auf dem Transfermarkt und der Baba-Transfer hat das Zeug für eine Legendengeschichte. Aber auch die Verpflichtung von Spielern, die sich nachhaltig beim FCA verbessern konnten und hier den Sprung zu Größerem geschafft haben, gelang in vielen Fällen sehr gut. Stefan Reuter hat zudem in der Phase des Übergangs von Seinsch zu Hofmann für Stabilität gesorgt. Kaum eine Person im Club steht nach außen mehr für Kontinuität als Stefan Reuter.

Der Verbesserungsbedarf

Zuallererst sind hier die Trainerentscheidungen hervor zu heben. Nach Weinzierl kam Schuster. Und nach Baum kamen Schmidt und Herrlich, als auch Weinzierl zum zweiten Mal. Außer unter Manuel Baum hat es nach Markus Weinzierl unter keinem Trainer mehr etwas länger gepasst. Die Quote ist schlecht, zumindest für Augsburger Verhältnisse. Man kann nur hoffen, dass Enrico Maaßen uns hier positiv überraschen wird.

Aber auch bei anderen wichtigen Entscheidungen lag Reuter mal daneben. Hier ist dann auch so manch teurer Transfer zu nennen, mit Tomas Koubek an vorderster Front. Gerade weil der FC Augsburg nicht oft viel Geld in die Hand nimmt, müssen gerade diese Transfers dann sitzen. Bei Hinteregger hat man nur einen minimalen Transfergewinn erwirtschaftet und bei Ricardo Pepi wird man noch sehen müssen. Alles in allem ausbaufähig.

Der Knackpunkt in diesem Bereich ist die Kommunikation. Der FCA und Reuter selbst reagieren auf Kritik sehr abwehrend. Gerade in Zeiten der Unruhe wird nicht bis kaum kommuniziert. Für die vielgepriesene FCA Familie gibt es anstatt klarer Kommunikation, die Vorstellung der Gastro Partner über Social Media. Das ist schlicht nicht ausreichend.  

Wie geht es weiter?

Unter Walther Seinsch hat es sich eingebürgert, dass zwischen Trainer, Manager und Präsident Einigkeit bestehen muss, bevor gehandelt wird. Zu dieser bestehenden Troika hat sich nun in den letzten Jahren mit dem Geschäftsführer Finanzen Michael Ströll eine weitere Person gesellt. Zuletzt wirkte es eher so, als ob die vielen Köche den Brei verderben würden. Es fiel gar das Wort „Machtkampf“. Nun ohne Präsident und mit einem neuen, selbst-ausgesuchten Trainer sollte die Handlungsfähigkeit wiederhergestellt sein und Stefan Reuter zeigen können, welche Impulse er selbst setzen kann.

Insgesamt ist Reuters Schicksal nun sehr mit der Arbeit von Enrico Maaßen verknüpft. Sollte Maaßen Scheitern mag man sich gar nicht vorstellen, was aus der gerade abebbenden Welle der Kritik dieses Sommers erneut werden würde. Es scheint schwer vorstellbar, dass Reuter sich dann halten könnte, ohne dass eine deutliche Entfremdung von den Fans und Mitgliedern rapide voranschreiten würde. Einem Präsidenten ist die Entscheidung in jedem Falle nicht anzulasten.

Konstanz vs. Veränderung

Interessant ist in jedem Fall der Blick auf andere, vergleichbare Vereine. Einerseits sei hier Mainz zu nennen, die auch ihr Tal an sportlichen Krisen durchschreiten mussten, bevor nun mit Heidel und Schmidt bekannte Gesichter zurück in der Verantwortung sind. Andererseits ist Freiburg zu nennen, die weiterhin mit Christian Streich, die Trainerpersönlichkeit der Bundesliga an vorderster Front haben. Hier zeigt sich, dass manchmal eine mehr an Kontinuität auch ein Mehr an mittel- und langfristigem Erfolg bringt. Ein Blick nach außen zeigt auch, dass der FCA bei weitem immer noch nicht der größte Chaosclub des Landes ist, auch wenn es uns selbst so vorkommen mag. Die Hertha und andere stechen hier noch viel mehr hervor.

Andererseits erreicht man in manchen Konstellationen manchmal, auch ohne dass man es selbst realisiert, die Grenzen seiner Möglichkeiten. Vielleicht sind wir mit Stefan Reuter hier angekommen und es braucht einen neuen Impuls. Die Frage ist nun, wie viele Versuche man dem Ganzen noch gibt, bevor man die Flinte ins Korn wirft. Und hinterher ist man dann immer schlauer. Zumindest für die Saison 2022/23 gibt es jetzt mindestens noch einen Versuch mit Stefan Reuter als Sportdirektor.

Was die Zukunft bringt, sehen wir dann früh genug. Und gegrantelt wird ja sowieso. Einzig sollten wir schauen, dass unser Zweifel und Vorbehalte sich nicht auf die Mannschaft übertragen. Ich bin zumindest gespannt, was Maaßen und Team mit der Unterstützung der Fans auf den Rasen bringen können und freue mich jetzt schon auf den Start der neuen Saison. Aber ich bin halt an mancher Stelle auch ein hoffnungslos Hoffnungsvoller. Es wird Zeit, dass der FCA mal wieder positiv überrascht, damit mir das nicht irgendwann vergeht.

Nieder mit der Wagenburg


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Mehr als 3 Wochen sind bei Veröffentlichung dieser Kolumne vergangen, seit Markus Weinzierl nach dem Spiel gegen Greuther Fürth seinen Abschied vom FC Augsburg kommuniziert hatte. Mehr als 3 Wochen in denen alle Anhänger des Vereins gespannt warten, wer denn nun der neue Trainer unseres Herzensvereins wird. Und in denen die Verantwortlichen beschlossen haben, sich gegenüber der Öffentlichkeit anscheinend nicht mehr zu äußern. Wagenburg nannte es die Augsburger Allgemeine. Schier, es fehlt der Angreifer auf die Stellung des FC Augsburg. Und es verschlimmert die Situation noch zusätzlich.

Die Ausgangslage

Als der FC Augsburg in das letzte Bundesligaspiel der Saison gegangen war, hatte der amtsinhabende Cheftrainer des Vereins noch einen Vertrag bis zum 30.06.2022. Dies war allen Beteiligten glasklar. Unter der Überschrift Macht den Karren wieder flott hatte ich im Februar (!) gefordert, dass man endlich auf der Trainerposition eine Entscheidung herbeiführen solle. Das Szenario, in dem wir uns jetzt befinden, konnte selbst ich mir nicht ausmalen.

Vielleicht konnte man den Abgang Weinzierls in der Form nicht hervorsehen. Es musste aber doch den Verantwortlichen bewusst sein, dass Markus Weinzierl sich auch gegen ein weiteres Engagement beim FC Augsburg entscheiden könnte. In jedem Fall müsste sich der Verein laufend damit beschäftigen, welche Trainer im Fall der Fälle einem Set an grundsätzlichen Anforderungen entsprechen und verfügbar sind.

Der laufende Suchprozess

Nun suggeriert der Stand der laufenden Trainersuche (Status: immer noch keiner gefunden), dass die Vorbereitungen hierfür nicht besonders gut gewesen sein können. Die Verantwortlichen würden hier eventuell einwerfen (so sie sich denn äußern würden), dass ein gründliches Vorgehen notwendig sei, um zum bestmöglichen Ergebnis zu kommen. Zeit ist allerdings nun eine begrenzte Ressource. Einerseits entscheiden sich jeden Tag Trainer für andere Vereine und sind somit nicht mehr verfügbar, andererseits ist es basierend auf der Trainerentscheidung notwendig, dem neuen Coach den bestmöglichen Kader für seine Vorstellungen zusammenzubauen.

Gerade was die Kommunikation angeht, sind halt nicht die anderen Schuld. Das ist dann im Außenauftritt ein selbstverschuldetes Problem, das es zu ändern gilt. (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Insofern ist davon auszugehen, dass umso länger es dauert, umso mehr Kandidaten dem FCA schlicht abgesagt haben. Kandidaten, die der FCA präferiert für den Trainerposten verpflichtet hätte. Dem gründlichen Vorgehen liegt nämlich auch zu Grunde, dass sich die potentiellen Trainer sehr gut anschauen, wie da beim FCA gerade gearbeitet wird und auf was sie sich einlassen. Und wie die meisten Anhänger des Vereins werden sie keine schlüssigen Antworten auf ihre Fragen finden.

Mehr ist mehr

Und insofern ist gerade in der jetzigen Situation die Kommunikationsstrategie des FCA stark zu kritisieren. Der Verein muss selbst festgestellt haben, dass es auf Grund der öffentlichkeitswirksamen Abgänge von Verantwortlichen eine gewisse Unsicherheit im Umfeld gibt. Diese verstärkt sich mit jedem Tag.

Entsprechend wäre es wichtig, die Fans und Mitglieder des Vereins mitzunehmen, aufzuklären und Transparenz zu schaffen. Dies wäre nicht nur für uns als Fans wichtig, um der Entfremdung, die auch durch das Verhalten der Verantwortlichen weiter angefeuert wird, zu begegnen, sondern als Signal an die Trainerkandidaten da draußen, die durch eine offene Kommunikation gewisser Information auch sehen, dass der Verein nicht nur ihnen gegenüber gewisse Versprechungen macht.

Kultur ist nicht nur ein Markenelement

In der Debatte um die aktuellen Verantwortlichen des FCA gibt es zwei Ebenen. Die eine ist die Faktenebene. Der FCA steht wirtschaftlich gut da. Er hat mit Reuter und Ströll zwei langjährige Verantwortliche, die in der Vergangenheit Resultate abgeliefert haben. Und auch der FCA kann sich gewissen Menchanismen des Profifußballgeschäfts nicht entziehen. Dazu kommen und gehen Trainer in der Bundesliga andauernd und die Verweilzeiten beim FCA sind länger als die anderer Bundesligavereine.

Daneben gibt es allerdings gibt es eine weitere, emotionale Ebene. Der FCA hat sich lange Jahre immer wieder als “FCA Familie” vermarktet. Zwischen dieser kulturellen Darstellung des Wirtschaftsunternehmens und seinem Handeln tut sich eine weiter Kluft auf. Die Mitglieder und Fans müssen vor der Tür warten, während die Verantwortlichen das Vorgehen klären und am Ende alle vor vollendete Tatsachen stellen. Nur, dass es im vorliegenden Fall über die 50+1 Regel sogar einen Kontrollanspruch gibt, in dem der Verein und dessen Mitglieder verpflichtet sind, die Geschehnisse beim FCA zu lenken.

Abseits aller rechtlichen Erfordernisse, ergibt sich gerade jetzt eine Kluft zwischen dem, was der FCA vorgibt zu sein und seinem Handeln. Und nur damit wir uns hier alle klar verstehen: ich meine damit nicht, dass täglich Gerüchte kommentiert werden sollen. Aber eine gewisse grundsätzliche Kommunikation bzgl. Strategie, Plan und Umsetzung ist doch nicht zu viel verlangt. Es kann aber doch bei aller Liebe nicht sein, dass die meiste Aufmerksamkeit in der Kommunikation des Vereins in der jetzigen Situation der Gastropartner der Woche bekommt.

Es muss sich was ändern

Und wenn man dann in diesem Sommer nicht das erste Mal das kommunikative Wirken des FC Augsburg verfolgt, dann lässt sich eine gewisse Frustration nicht vermeiden. Und abseits aller Personaldebatten ist für mich in diesem Zusammenhang klar, dass es nicht einfach so weitergehen kann. Die kommunikative Wagenburg muss brennen. Die Türen müssen aufgestoßen und der Mief der letzten Jahre seinen Weg nach draußen finden.

Ich wünsche mir vom FC Augsburg, dass er gerade in diesen schwierigen Zeiten, versucht seine Fans auf dem Weg, den er geht, mitzunehmen. So offen handelt, wie er sich auch nach außen darstellt. Und vielleicht ist das auch das entscheidende Kriterium, wenn der Verein seine Anforderungen bzgl. der momentan handelnden Verantwortlichen formuliert. Für mich ist es zumindest ein wichtiges.

Maaßen muss es richten

Der FC Augsburg verpflichtete vor kurzem Enrico Maaßen als Trainer für die Bundesligamannschaft. Maaßen tritt damit die Nachfolge von Markus Weinzierl an, der nach dem letzten Spieltag der abgelaufenen Saison im Sky-Interview verkündete, seinen Vertrag in Augsburg nicht verlängern zu wollen.

Die Trainersuche

Die Entscheidung von Weinzierl schien den FCA auf dem falschen Fuß erwischt zu haben. Es dauert nun fast einen Monat, um einen Nachfolger für den bisher erfolgreichsten Trainer in der Bundesliga zu finden. Zwar wurden in der Presse diverse Namen gehandelt, nur einen Abschluss konnte der FCA nicht vermelden. Derweil ist ein zügiges Handeln in dieser Phase der Saisonvorbereitung notwendig, um auch auf dem Transfermarkt die nötigen Entscheidungen hinsichtlich des Kaders treffen zu können. Hier wurde schon vor längerem die Chance verpasst, früh die Weichen zu stellen.

Welche Rolle die allgemein chaotische Situation beim FCA bei der Trainersuche gespielt hat, ist nicht klar. Hofmanns Abgang, der schon für viele Fragen sorgte, als auch die Art und Weise wie Weinzierl dem Club seine Sicht auf seine persönliche Zukunft mitteilte, können nebst einer insgesamt fragwürdigen Kommunikationsstrategie, nicht geholfen haben.

Der Zustand des Clubs

Der Club ist derweil in einem durchwachsenen Zustand. Zwar hat man die Corona-Krise gut überwunden und steht solide da. Allerdings hat man in den letzten Jahren immer wieder bei großen Transfers daneben gelegen bzw. diese haben nicht direkt eingeschlagen. Neben Tomas Koubek hat der FCA nun auch viel Geld für Ricardo Pepi in der Winterpause hingelegt und ist darauf angewiesen, dass der Spieler in der Zukunft abliefert.

Der Kader ist ansonsten nicht rund aufgestellt. Gerade im mittleren Alterssegment fehlt dem FCA eine bereitere Basis, die als Verbindung zwischen den Familienvätern und den Youngsters fungiert. Dazu gibt es offensichtliche qualitative Lücken z.B. auf den Außenverteidigerpositionen. Dass die Vorgänge in der Mannschaft auch für Irritationen gesorgt haben und weiterhin der Kader einen Tick zu groß ist, um Jugendspielern eine realistische Chance bieten zu können, kommt hier noch dazu. Von den Spielern mit auslaufenden Verträgen, die bisher nicht verabschiedet wurden, fangen wir jetzt gar nicht an. Insgesamt ergibt sich eine Latte an Aufgaben, die in den kommenden Wochen angegangen werden müssen.

Fast musste man schon vermuten, Stefan Reuter macht es selber. Nun hat der FCA doch noch einen neuen Trainer gefunden. (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Der neue Trainer

Mit in alle diese Entscheidungen wir ab jetzt hoffentlich Enrico Maaßen eingebunden. Maaßen ist ein 38 Jahre alter aufsteigender Stern am Trainerhimmel und hat in den letzten beiden Jahren die U23 des BVB trainiert. 2021 ist er mit dieser in die dritte Liga aufgestiegen. Davor war er in der Regionalliga in Rödinghausen aktiv. Maaßen setzt auf ein offensives Spielsystem, dass sehr laufintensiv ist. Hierbei agiert er meist aus einer Formation mit 3er/5er Kette. Weiterhin scheint es ihm wichtig zu sein, das Mannschaftskollektiv zu stärken und eine geschlossene Einheit zu formen. An der Seitenlinie ist er ein sehr aktiver, coachender Trainer.

Auf dem Papier mag das alles passen. Die Frage wird in diesem Zusammenhang sein, wie schnell Maaßen der Umstieg auf die erste Bundesliga gelingt. Dass er beim BVB schon mit hoch veranlagten Talenten gearbeitet hatte, ist mit Sicherheit ein Plus. Insgesamt sollten wir von seiner Kompetenz mit Jugendspielern profitieren.

Springt der Funke über?

Maaßens Einstand verlief nicht gerade nach Plan. Erst dauerte es eine ganze Weile bis der FCA den Wunschtrainer identifiziert hatte. Nachdem dann Sky schon die Verpflichtung vermeldete, zeigte sich BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl “sehr irritiert”. Vor Maaßen liegt nun zusammen mit Stefan Reuter viel Arbeit und man mag hoffen, dass beide im Team funktionieren.

Die Verpflichtung sollte für FCA Fans allerdings in erster Linie für Hoffnung sorgen. Der FCA hat nicht einen abgehalfterten, ehemals erfolgreichen Bundesligatrainer verpflichtet, um auf Nummer sicher zu gehen. Maaßen hat sich einen Namen gemacht und hatte wohl andere Angebote aus der Bundesliga bzw. dem Ausland. Und hat sich trotzdem für den FCA entschieden. Irgendetwas scheint da zu passen. Ich finde die Verpflichtung aufregender als Schuster, Schmidt und Herrlich zusammen und drücke die Daumen. Alles Gute und viel Erfolg, Enrico Maaßen!

Ich liebe den Sommer und die Sonne

Für Carlos Gruezo war es anfänglich keine einfache Saison in Augsburg. Ame Ende hatte er allerdings auch unter Markus Weinzierl seinen Platz gefunden in der Rotation mit Arne Maier im Mittelfeld. Dass es am Ende nur zu Einsätzen in der Hälfte der Spiele gereicht hat, ist mit Blick auf den versöhnlichen Saisonausklang und seine Verletzungen im Saisonverlauf zu verschmerzen. Und mit Blick darauf, dass er mit Ecuador zur WM in Katar fahren darf. Als Kapitän der Mannschaft seines Heimatlandes.

Carlos hat sich dankenswerterweise im Saisonendspurt die Zeit genommen, sich mit mir über seine Heimat zu unterhalten. Im gemeinsamen Gespräch habe ich verstanden, warum die Reisen zur Nationalmannschaft für manchen Spieler auch förderlich sein können und, dass es viel in Ecuador zu entdecken gibt. Aber lest selbst:

Andy: Servus Carlos und danke, dass du dir die Zeit nimmst. Es geht um deine Heimat, um Ecuador. Und ich muss vorausschicken, ich war noch nie in Südamerika. Ich bin zwar viel gereist, aber in Südamerika war ich noch nie. Vielleicht fangen wir fußballerisch an. Ecuador hat sich ja für die WM in Katar jetzt qualifiziert mit dir als Kapitän. In den letzten Turnieren lief es für uns Deutsche jetzt nicht besonders gut. Wir hatten vor ein paar Jahren einen großen Erfolg, aber in letzter Zeit war es eher frustrierend. Es kann also sein, dass sich der deutsche Fan oder auch der Augsburger ein zweites Team suchen muss, das er dann nach der Vorrunde unterstützt. Das könnte ja Ecuador sein. Was spricht für euch?

Carlos: Mannschaftliche Geschlossenheit. In der ganzen Quali war sehr wichtig, dass wir als Team zusammengefunden haben. Wir sind ein Team. Wir haben versucht, dass jeder seinen Beitrag leistet, als Mannschaft zusammen mit dem Trainerteam. Wir haben unsere Chance gewittert, uns zu qualifizieren. Und wir sind glücklich, weil wir als Mannschaft unser Ziel erreicht haben. Und ich glaube, wir waren eine Überraschung in der Quali.

Andy: Ja! Ich habe eine taktische Analyse gelesen. Es scheint so, dass eure Art Fußball zu spielen sogar ein bisschen so ist wie die des FC Augsburg. Weniger Ballbesitz, sehr aggressiv gegen den Ball und dann schnell vertikal.

Carlos: Ja, wir versuchen so zu spielen, weil es in Südamerika viele gute Mannschaften wie Brasilien und Argentinien gibt, die immer sehr viel Ballbesitz haben. Wenn wir zum Beispiel gegen Kolumbien spielen – Kolumbien ist immer sehr stark und hat viel Ballbesitz – dann versuchen wir kompakt zu stehen, den Ball zu erobern und dann schnell nach vorne einen Konter zu fahren. So haben wir, glaube ich, manchmal die Gegner überraschen können und viele Punkte eingefahren.

Ecuadors Gustavo Alfaro gibt Carlos Gruezo taktische Anweisungen (Photo by FRANKLIN JACOME / POOL / AFP) (Photo by FRANKLIN JACOME/POOL/AFP via Getty Images)

Andy: Also seid ihr in Südamerika so etwas wie der FC Augsburg der Bundesliga.

Carlos: Ja, fast. Es ist etwas pauschal, das so zu sagen, weil es natürlich in jedem Spiel eine andere Taktik gibt. Wenn wir zum Beispiel zu Hause in Ecuador spielen, dann haben wir mehr Ballbesitz, als wenn wir in Chile spielen. Aber wenn wir zu Hause spielen, dann versuchen wir den Ball mehr zu halten. In Quito liegt das Stadion sehr hoch. Die anderen Mannschaften kommen nach Quito und versuchen zu pressen und vorne drauf zu gehen. So funktioniert das aber nicht, weil du nach fünf Minuten am Ende bist. Deswegen versuchen wir es in Quito mit mehr Ballbesitz und mit mehr Ballkontakten und ein bisschen mehr Positionsspiel.

Andy: Ist es in Ecuador so, dass alle eure Heimspiele in Quito gespielt werden?

Carlos: Ja, normalerweise spielen wir immer in Quito. Aber in dieser Qualifikation haben wir zwei Mal in Guayaquil gespielt. Gegen Bolivien haben wir 3:0 gewonnen und das letzte Spiel gegen Argentinien haben wir auch in Guayaquil gespielt. Dort ist das Wetter fast genauso wie in Katar und wir haben ein bisschen versucht, uns an das Klima zu gewöhnen und probiert, wie sich das bei diesem Klima anfühlt. Wir haben auch gegen Argentinien versucht, viel Ballbesitz zu haben. Ich denke, dass wir ein gutes Spiel gezeigt haben. Argentinien ist für mich eine der besten Mannschaften der Welt. Sie haben viele gute Spieler und mit Messi den besten Spieler in ihrer Mannschaft.

Andy: Das ist ja auch eine der Besonderheiten in Ecuador. Es gibt viele unterschiedliche Landschaften: Wüste (Sierra), Küste (Costa) und die Anden und mit Ihnen die Höhe. Wo bist du am liebsten?

Carlos: Ja, die Landschaften sind wirklich sehr unterschiedlich. In Ibarra, Quito und Ambato bist du in der Höhe und in Esmeraldas oder Guayaquil bist du unten. Wir haben viel Meer und es ist ein tolles Land. Ich liebe Esmeraldas und die Costa und bin gerne am Strand.

Andy: Beachtime. Nicht in den Alpen auf die Berge kraxeln…

Carlos: Das ist mir ein bisschen zu kalt. Ich liebe den Sommer und die Sonne.

Andy: Davon hat es bei Dir zu Hause ja genug. Du bist bei Barcelona Guayaquil Profi geworden, bevor du nach Stuttgart gewechselt bist. Wie war das damals?

Carlos: Ich habe zwei Jahre bei Barcelona (Guayaquil) gespielt. Das ist eine große Mannschaft in Ecuador und es war eine gute Zeit für mich. Ich war damals 17 Jahre alt und zwei Jahre später bin ich schon nach Stuttgart gewechselt. Ich erinnere mich gerne an meine ersten Profijahre.

Andy: Kannst du dir vorstellen, in der Zukunft – jetzt bist du ja gerade im besten Fußballeralter – aber so in 10 Jahren wieder zurück zu kommen und dann nochmal ein paar Jahre in Ecuador die Karriere ausklingen zu lassen?

Carlos: Ja, das ist eine Möglichkeit. Wenn ich in 5 – 6 Jahren wieder nach Ecuador zurück komme, ergibt sich vielleicht die Chance, noch einmal für Barcelona zu spielen. Oder vielleicht für Nacional. So heißt meine Mannschaft in Ecuador.

Andy: Und von Stuttgart bist Du dann in die USA. Was hast du aus der USA mitgenommen?

Carlos: Als ich in Stuttgart war, war ich sehr jung. Ich bin sehr früh hierher gekommen. Das war für mich eine ganz andere Liga. Und auch ein ganz anderes Leben. Das erste Jahr war gut in Stuttgart, das zweite nicht so. Da war ich auch verletzt und habe nicht so viel gespielt. Das hat sich mit dem Wechsel nach Dallas geändert. Deshalb war die Zeit in den USA für mich sehr wichtig. Wir waren dort 3,5 Jahre und haben eine andere Kultur und eine andere Lebensweise ausprobiert. Und in den 3 Jahren haben wir zwei Mal den Titel gewonnen.

Andy: Und was läuft in der Kabine der Nationalmannschaft für Musik? Julio Jaramillo (ein berühmter ecuadorianischer Sänger) oder doch amerikanischer Rap?

Carlos: Keins von beiden. Wir hören viel Salsa. Wir singen in der Kabine oder im Hotel oder im Bus oder auch im Flugzeug. Wir kommen immer mit einer großen Boom Box. Wir spielen dann auch Karten und immer läuft Musik. Ich glaube, das ist gut für die Stimmung in der Mannschaft. Wir sind alle zusammen, verbringen Zeit miteinander und tauschen uns aus. Wir sind alle viel unterwegs, kommen dann zur Nationalmannschaft und haben ja dann nur diese Zeit, die wir miteinander verbringen und uns austauschen können über das, was bei uns, in unseren Clubs, Städten und Ländern so los ist. Es ist immer eine gute Zeit.

Andy: Dann gibt es natürlich auch Essen. Was isst man dann? Gibt es Bolon de verde (Grüne Bananenfleischbällchen)?

Carlos: Das ist sehr lecker. In Ecuador gibt es viel typisches Essen. Wenn du in Esmeraldas bist, gibt es Bolon de verde. Wenn du nach Quito oder in den Bergen bist, gibt es eher Suppe. Das Essen ist in den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich. Und ich kann die Speisen nicht richtig gut übersetzen oder erklären.

Andy: Aber es ist alles scharf. Also ich hab von Aji hot sauce gelesen…

Carlos: Nein, es ist nicht alles scharf. Das ist in Mexiko. Bei uns isst man nicht so scharf.

Andy: Stell Dir vor, Du bist auf Länderspielreise und hast deine Familie getroffen. Ihr habt gemeinsam gegessen und hattet eine gute Zeit. Im Anschluss bleibt uns ein Tag, um drei Dinge in Ecuador anzuschauen. Welche wären das?

Carlos: Du musst zuerst die Sierra sehen. Dann musst du nach Guayaquil, weil es in der Nähe vom Meer ist. Und die ganze Ruta del sol (die Pazifikstrände zwischen Puerto López und Salinas) ist sehr schön. Das gibt es auch sehr gutes Essen. Und nach Galapagos solltest du auch. Das ist eine Insel und die ist sehr schön.

Andy: Dort gibt es die Schildkröten, oder? Ist das nicht sehr weit weg?

Carlos: Ja und das ist nicht so weit. Ich glaube, du brauchst so 2,5 Stunden mit dem Flugzeug direkt von Quito nach Galapagos. Wenn ich zur Nationalmannschaft fliege, brauche ich 16 Stunden nach Ecuador. Im Gegensatz dazu ist das ein Katzensprung.

Carlos Gruezo mit dem Ball am Fuß für den FC Augsburg (Photo by Frederic Scheidemann/Getty Images)

Andy: Und dann kommst du zurück nach Augsburg und das ist dann kulturell schon ein kleiner Unterschied. Worauf freust du dich wieder, wenn du in Augsburg bist?

Carlos: Ich vermisse meine Freunde und meine Familie. Und auch das Essen, weil es ganz anders ist. Aber wir sind zufrieden. Ich bin mit meiner Frau und mit meinen Kindern nun seit fast drei Jahren hier und wir haben uns schon ein bisschen an die Kultur und das Essen gewöhnt. Das finde ich auch wichtig. Ich bin Fußballspieler und ich denke nicht so viel darüber nach, was anders ist als in Ecuador oder auch nicht. Mein Fokus liegt auf dem Spiel und darauf, eine gute Zeit zu haben.

Andy: Mit Blick auf die Atmosphäre im Stadion: Ist mein Bild richtig, dass es in Ecuador bei den Spielen schon noch ein bisschen verrückter zugeht als in Deutschland?

Carlos: Ja, das ist ganz anders. Das kann man gar nicht vergleichen. In Ecuador sind die Leute ein bisschen verrückt vor dem Spiel. Und hier haben die Leute mehr Respekt vor den Spielern und allen. Es ist eine ganz andere Kultur. Ich mag aber beides.

Andy: Ja, Unterschiede machen das Leben erst lebenswert. Danke für die Zeit, Carlos, und die Erklärungen zu Ecuador!

Carlos: Gerne, gerne, immer gerne. Danke auch für deine Zeit. Und hab einen schönen Tag!

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