Das lässt mich heimisch fühlen

Es ist zwischen Union und Freiburg. Nachdem ich schon früher mit Jan Moravek und Alfred Finnbogason über ihre Heimat gesprochen hatte, bin ich heute mit Michael Gregoritsch verabredet, um virtuell über seine österreichischen Wurzeln zu reden. Gregerl ist stolzer österreichischer Nationalteamspieler und konnte sich im Sommer bei der EM ins Geschichtsbuch seiner Fußballnation eintragen. Das alles hat uns während unseres Gesprächs derweil gar nicht interessiert. Aber lest selbst, was ich gelernt habe, außer wie man am besten von Augsburg nach Graz kommt.

Andy: Es ist Sonntagmittag, 11 Uhr. Der FCA hat am Samstag um 15:30 Uhr gespielt, gewonnen und ich weiß nicht, irgendein Österreicher wird das Siegtor geschossen haben. Ich hatsch’ relativ zerknautscht vor der Arena rum, weil ich mein Handy verloren habe beim Spiel und ich eben am Suchen bin, wo es denn rumliegt. Dann laufen wir ineinander und kommen so ein bisschen ins Quatschen. Dann sagst du: „Ach weißt was, Andy? Jetzt machen wir mal was ganz anderes. Ich fahre jetzt in die Heimat. Kommst du mit?” Und jetzt hoffe ich, dass du nicht mit der Vespa unterwegs bist…

Gregerl:  An einem sonnigen Sonntag schwer, aber okay. Erstmal fahren wir nach Graz. Wir fahren über die A8 über München, bleiben noch in Dachau kurz beim McDonald’s stehen und holen uns was zum Essen und Trinken. Dann weiter auf der A8 nach Salzburg. Walserberg, nochmal in die Tankstelle, eine Kleinigkeit zum Trinken holen, ein Eis vielleicht, und natürlich eine Vignette kaufen. Und dann geht die Phase los, wo wir ein bisschen österreichische Musik anmachen. Wir fahren entweder über Schladming oder über Oberösterreich. Und sind, wenn wir um 11:00 Uhr wegfahren um gut 15:30 Uhr daheim in Thal bei Graz bei meinen Eltern und setzen uns da erst einmal in den Garten und machen uns was zum Essen.

Andy: Gegessen wird viel, gell?

Gregerl: Gegessen wird viel.

Andy: Eins hast du schon erwähnt: Dass wir irgendwann mal Musik an machen. Österreichische Musik, um uns ein bisschen einzustimmen. Was machst du genau an?

Gregerl: Da gibt’s auf Spotify eine super Austropop-Playlist. Die höre ich öfter, wenn ich Heimweh habe oder wenn ich das Gefühl habe, ich würde jetzt gerne zuhause sein. Das ist dann entweder Austropop Klassiker oder normaler Austropop. Die Playlist ist ganz einfach zu finden, weil Albert Einstein die Zunge auf dem Foto bei Spotify rausstreckt. Es laufen die Klassiker von Fendrich, S.T.S, Danzer, Ambros, auch Wanda mittlerweile und Seiler und Speer.

Andy: Wird mitgesungen oder bist du still?

Gregerl: Zumindest wenn ich alleine bin, wird laut mit geschrien. Und wenn du dabei bist, wird mit gesummt.

Andy: Vielleicht würden wir gemeinsam laut mitschreien. Bei McDonalds: Ein-Euro-Cheeseburger oder komplettes Menü?

Gregerl: Big Mac-Menü, Pommes, Cola, Fish Mac, zwei Cheeseburger, 6 Chicken Nuggets und Currysoße. Das sollte für uns beide reichen. Ich lade dich ein.

Andy: Großartig. Und dann im Garten: Was gibt’s daheim zu Essen, wenn du nach Hause kommst? Was weiß die Mama schon, dass sie das auf den Tisch stellen muss?

Gregerl: Zu Hause gibt es einen Klassiker. Das gibt’s gefühlt, seit ich auf der Welt bin: Hähnchenbrust mit einer etwas schärferen Rama Cremefine-Paprika-Soße mit Lauch. Dazu Reis und einen Himbeersirup. Das war’s. Ganz einfach. Ganz leicht zum Nachkochen auch in Deutschland. Das kriegt man überall her.

Andy: Das machst du dir auch selber?

Gregerl: Ja, natürlich mache ich mir das selbst. Das war, glaub ich, das erste Essen, was ich mir jemals selbst gekocht habe. Hähnchenfleisch anbraten, ein bisschen gewürzt mit Paprikapulver, ein bisschen Chili dazu. Hähnchen raus, Rama Cremefine dazu mit dem Öl und mit dem Hähnchensaft vermengen und ein bisschen Paprika, Lauchzwiebeln rein und fertig ist das Ding.

Andy: Mega. Und ich denk mir so, irgendein schöner Strudel oder…?

Gregerl: NA! Meine Mama kann einen Kuchen sensationell. Den Rest kriegen wir von Nachbarn oder sonst woher. Aber einen Kuchen gibt’s. Das ist ein ganz leichter Joghurt – Becherkuchen mit ein paar Aprikosen dabei. Marillen sagen wir in Österreich. Das ist der einzige Kuchen, den es bei uns gibt. Oder ein Erdbeertiramisu. Aber das ist ein Rezept von Rani Khediras Mama.

Andy: Gut, dann sind wir angekommen, haben gegessen. Dann sitzen wir da und sind in sehr positiver Laune, weil es lief ja am Samstag super und der Trainer hat euch länger frei gegeben. Bleiben wir sitzen oder ziehen wir nochmal in die Grazer Innenstadt?

Gregerl: Gut, am Sonntag ist in der Grazer Innenstadt noch weniger los als in Augsburg. Wenn es ein Samstag wäre, dann ja, ziehen wir ein bisschen rein und treffen meine Jungs, gehen wieder was Schönes essen und bleiben dort auch sitzen und trinken ein bisschen was. Und dann geht’s entweder ab ins Univiertel oder man bleibt dort im Restaurant oder in der Bar sitzen.

Andy: Aber ganz geschmeidig.

Gregerl: Ja, ganz gemütlich. Das ist völlig unaufgeregt in Graz. Da gibt’s keinen Riesenclub. Es gibt ein paar Lokale, da kennt man sich und da geht man auch gerne rein.

Andy: Das ist jetzt – da musst du mir weiterhelfen – von der Größe her schon einen Ticken größer als Augsburg?

Gregerl: Alles sehr vergleichbar. Die Innenstädte sind sehr vergleichbar. In Graz ist die Uni sehr nahe an der Innenstadt. Vom Hauptplatz zu Fuß zu erreichen. Dort spielt sich eigentlich das meiste ab im Univiertel. Die ganzen Lokale und Bars sind da. In der Innenstadt kannst du aber auch gut essen gehen. Und es hat eine Hauptstraße, vergleichbar mit der Maxstraße. Die ist aber bei uns eine reine Fußgängerzone. Da gibt’s ein riesiges Shoppinghaus, so eine Art Galeria Kaufhof. Das ist der Kastner. Da gibt’s ganz oben eine super Dachterrasse, wo man wunderschöne Fotos machen kann mit dem Uhrturm, weil der Kastner direkt am Fuße des Schlossbergs steht, unserem Wahrzeichen. Und ja, es ist sehr vergleichbar.

Ausgelassenster Jubler im fragwürdigsten Kit – fast so schlimm wie der FCA in neongelb (Photo by Justin Setterfield/Getty Images)

Andy: Das passt jetzt super, weil jetzt haben wir ja den Sonntag abgeschlossen. Jetzt haben wir den Montag beide frei. Und jetzt sagst du: „Andy ein paar Sachen muss ich dir jetzt noch zeigen, damit du hier die offizielle Tour bekommen hast.”

Gregerl: Ich zeige dir den Schlossberg. Auf jeden Fall hoch, entweder mit der Gondel – also mit der Schlossbergbahn – oder eben zu Fuß. Wobei zu Fuß hoch, wenn ich gespielt habe, eher nicht. Aber wenn du möchtest, können wir auch zu Fuß hoch gehen. Dann gehen wir an der Mur entlang, die Murinsel anschauen. Das Kunsthaus. Das reicht aber teilweise, wenn man das von außen sieht. Und die Altstadt zeige ich dir und die Spargasse. Und dann sind wir in Graz nach gut drei Stunden durch und gehen am Hauptplatz zum Würstelstand und essen ein Käsekrainer-Hotdog.

Andy: Das klingt ganz nach meinem Geschmack. Jetzt bin ich ja so ein bisschen ein Fußballnerd. Jetzt möchte ich eigentlich schon gerne mal den Platz sehen, wo du dich wirklich zuhause fühlst, beim Grazer AK.

Gregerl: Dann müssen wir wieder in Richtung meiner Eltern rausfahren und kommen dann zum 2004 damals größten Trainingsgelände Europas. Das war damals wirklich unfassbar. Es ist auch heute immer noch unfassbar riesig mit, glaub ich, 6 Rasenplätzen, einem Kunstrasenplatz, einem Sprinthügel und einem Basketballplatz. Aber eigentlich noch wichtiger: Ich zeig ich dir den Platz, an dem jetzt leider Wohnungen stehen, wo ich immer mit meinem besten Kumpel gekickt habe. Da haben wir wirklich Stunden verbracht – morgens bis abends – und haben Gas gegeben. In Graz waren in meiner Jugendzeit auch Trainingslagermannschaften zu Gast und haben Testspiele im neuen Stadion, das dann damals gebaut wurde, ausgetragen. Da hat zum Beispiel mal Schalke gegen die Nationalmannschaft aus Bahrain gespielt. Im Jahr 2008. Und da sind dann halt auch Bälle geklaut worden. Wenn da ein Ball drüber geflogen ist, dann war der halt weg.

Andy: Der ist ja nicht geklaut worden. Der ist einfach verloren gegangen.

Gregerl: Der ist verloren gegangen. Also ich weiß jetzt mittlerweile, wo unsere Bälle landen. Oder ich hoffe es zumindest, dass viele Kinder sich daran dann erfreuen.

Andy: Wenn man sich deine fußballerische Reise anguckt, dann bist du aber ja trotzdem dann von Graz weg gegangen. Du hast ja nicht beim Grazer AK den Sprung zu den Herren gemacht, sondern du bist mit dem Papa mit gegangen. Nach Kapfenberg, das mir überhaupt nichts sagte. Was ja aber gar nicht weit weg ist.

Gregerl: Das ist circa 60 Kilometer nördlich.

Andy: Genau. Und das ist ja auch immer noch alles Steiermark. Also bist du sehr lange in der Steiermark verhaftet geblieben.

Gregerl: Ja, ja. Also bis ich 18 war. Ich bin ja mit 14 vom GAK nur weg, weil die in Konkurs gegangen sind und die Akademie kurz davon war, sich aufzulösen. Und dann sind wir nach Kapfenberg. Sechs, sieben Spieler aus der steierischen Auswahl, die eigentlich zum GAK hätten gehen sollen. Wir haben eine super Mannschaft gehabt. Es sind aus den Jahrgängen einige Bundesligaspieler geworden. Der Prietl ist ja ein bisschen älter, aber der war da. Der spielt jetzt in Bielefeld. Dann gab’s Ylli Sallahi, der hat bei Bayern gespielt. Das einzige Spiel, das der gute Pep Guardiola damals verloren hat hier in Augsburg. Dann Albert Vallci, das ist einer meiner besten Freunde bis heute noch, der in Salzburg spielt. Bei Red Bull Salzburg. Und das war damals eine ganz unscheinbare Akademie. Aber wir haben damals slowenische und kroatische Jugendtrainer gehabt. Die haben uns ein technisches Spiel beigebracht, wie das damals Ajax Amsterdam gespielt hat. Ein Kontakt und mit 3 Stürmern und einem offensiven Mittelfeldspieler dazu. Und dann war das für mich damals so sicher die beste Ausbildung. Zusätzlich dazu natürlich, dass mein Papa (Anm.: Werner Gregoritsch) dort gearbeitet hat. Aber mit dem hatte ich eigentlich die ersten zwei Jahre kaum was zu tun. Außer wir haben zufällig gleichzeitig trainiert, dann habe ich ihn halt gesehen. Ich war im Internat wie alle anderen. Doch ich durfte relativ früh mit 2, 3 anderen oben mit trainieren. Und dann gab’s ja irgendwann den Tag, an dem sich meine Karriere komplett verändert hat.

Andy: Ja faszinierend. Der Internatsweg wurde in Österreich teilweise extrem früh eingeschlagen.

Gregerl: Ich musste ja die Schule wechseln. Ich konnte nicht in der 9. Schulklasse – bei uns ist es die Fünfte – sagen: „Okay, ich bleibe jetzt noch zwei Jahre in Graz und gehe dann erst in eine andere Schule.” Ich musste zur 9. Klasse in eine andere Schule gehen. Ich hatte im ersten halben Jahr Heimweh deluxe. Ich bin jeden Mittwoch nach Hause gefahren und am Donnerstag in der Früh wieder hoch. Aber es war die mit Abstand beste Zeit, die ich hatte.

Andy: Ja, Endphase Schule. Wenn man da die richtige Gruppe hat, dann ist es eine super Phase.

Gregerl: Ja, Wahnsinn. Von 14 bis 18 waren dort gut 60 verrückte Jugendliche. Und ich habe sicher noch ungeschaut – also in Österreich sagt man ungeschaut – mit 10 regelmäßig Kontakt so alle zwei Wochen. Mit 20 zumindest alle drei Monate. Mit 50 Prozent von der Gruppe habe ich mit Sicherheit noch Kontakt. Die waren ja teilweise 4 Jahre älter und am Ende dann 3 Jahre jünger. Und das ist schön. Kürzlich haben wir gesagt, wir müssen jetzt mal ein Internatstreffen haben. Und mein Abitur jährt sich auch zum zehnten Mal, das heißt, da stehen demnächst einige Treffen an für mich.

Andy:  Eine Frage so zur kulturellen österreichischen Verhaftung. Skifahren?

Gregerl: Seitdem ich 14 bin, bin ich nicht mehr gefahren.

Andy: Das ist ja mal was außergewöhnliches. Darf man das in Österreich laut sagen?

Gregerl: Ja, dort wo ich herkomme – in Graz – sind nicht so viele Berge. Ich fahre eineinhalb Stunden bis zum nächsten Skigebiet. Aber das hab ich mit 14 abgeschlossen. Erstmal sind mir die alle um die Ohren gefahren, meine Jungs. Die sind ja dann, als ich eben ins Internat gegangen bin, weil sie aus der Obersteiermark kommen, quasi mit den Skiern in die Schule gefahren. Da hatte ich überhaupt keine Chance mehr mitzuhalten. Und es war mir zu gefährlich. Ich wollte mir nie vorwerfen lassen, ich falle ein halbes Jahr oder 3 Monate aus, weil ich beim Skifahren blöd gestürzt bin.

Andy: Und du hast dich nicht einfach nur auf die Hütte mitnehmen lassen, ne?

Gregerl: Nein, nein, nein. Da bin ich lieber nach London Boxing Day – Spiele anschauen gegangen.

Andy: Nach der Schule ging es dann weg aus der Steiermark. Nach Hoffenheim. Wie ging es dir da so? Wie bist du da angekommen?

Gregerl: Heidelberg war ein Kulturschock, als ich mir beim allerersten Mal, nachdem ich eine Wohnung hatte, raus gegangen bin und ein Schnitzel bestellt habe und die mir eine Jägersoße gebracht hat. Das war ein Kulturschock! Ich war ein Landei. Ich war einfach unerfahren,. Für mich gab’s bis ich 18 war nur Kürbiskernöl zum Salat. Ich wusste nicht, dass man zum Salat theoretisch auch ein Joghurtdressing essen kann. Das hat mich nicht interessiert. Und dann hab ich mit 18 das erste Mal alleine gelebt und bin auch wirklich teilweise richtig einsam gewesen.

Zusammen mit Takashi Usami einer der Neuen bei Hoffenheim damals (Photo by Thomas Niedermueller/Getty Images)

Andy: Ja, Anschluss finden und…

Gregerl: Das war brutal schwer. Da hab ich auch gelebt, wie es nicht mit Fußball zusammen passt. Bis 04:00 Uhr morgens mit den Leuten geskypt und geschrieben und PlayStation gespielt. Dann bis 08:00 Uhr geschlafen. In Hoffenheim im Trainingsgelände gefrühstückt und trainiert und Mittag gegessen und dann wieder heim und 5, 6 Stunden Mittagsschlaf gemacht. Und dann wieder bis 2, 3, 4 Uhr nachts wach gewesen. Ich war– vielleicht war’s auch gut – schlecht vorbereitet. Ich habe das einfach auf mich zukommen lassen. Ich bin nach Heidelberg und einfach naiv gewesen. Und dann habe ich irgendwie Glück gehabt. Die erste Wohnung, die ich gesehen habe, ist im Nachhinein eine Weltklasse–Wohnung gewesen. Direkt auf den Rhein geschaut und auf die alte Brücke in Heidelberg.  Es waren nur drei Minuten zu Fuß in die Fußgängerzone. Und 15, 20 Minuten zum Trainingsgelände nach Hoffenheim, wo ich dann die ganzen 20 Minuten Weg telefonieren konnte mit meinen Eltern oder sonst jemandem. Ich dachte auch, ich komm da raus und spiele hier mal das Spiel in der Bundesliga. Da war ich fest überzeugt davon, da gab’s für mich keine andere Möglichkeit. Und dann bin ich da hin und dann sind die mir um die Ohren gelaufen wie vom anderen Stern. Ich war schwerst überfordert. Im Nachhinein gesehen muss ich “Danke” sagen an Markus Babbel und Andy Müller, den Sportdirektor damals, dass die mich überhaupt so lange bei den Profis trainieren haben lassen.

Andy: Und dann geht ja die Geschichte weiter. Dann bist du nach St. Pauli und von St. Pauli aus nach Bochum.

Gregerl: Genau. Bochum war dann so, dass ich gesagt habe „Gut, das ist jetzt fürs Erste einmal meine letzte Chance in Deutschland und wenn nicht, dann müsste ich eigentlich zurück nach Österreich gehen.” Zu irgendeinem mittelmäßigen Club in Österreich. Weil die Guten hätten mich ja damals auch noch nicht direkt geholt. Doch dann hat es funktioniert. Peter Neururer war mit Christian Hochstätter zusammen in Bochum verantwortlich. Christian Hochstätter ist ja ein gebürtiger Augsburger. Die waren wie Ziehväter für mich. Christian Hochstätter hatte auch einen Sohn, der in meinem Alter war. Die haben mich auch so ein bisschen bei sich aufgenommen. Auch Peter Neururer hat mir richtig geholfen.

Andy: Oder hast du über deine Karriere entdeckt, wie Routinen vieles erleichtern?

Gregerl: Ja, ich glaube, man entwickelt sich einfach immer wieder weiter. So ist das halt und da muss man echt sagen, auch Profi sein muss man lernen. Mal behandeln lassen, mal länger da bleiben, dann nachmittags nochmal zum Training zu gehen, ohne dass Training ist. Das lernt man dann im Laufe der Zeit und ich hatte immer gute Hilfe.

Andy: Jetzt bist du ja quasi nach dieser ganzen Reise und mit Unterbrechung auf Schalke wieder in Augsburg zurück. Was ist in Augsburg so, dass du dich daheim fühlst und dass du mittlerweile sagst nach der ganzen Zeit, dass es jetzt erst einmal nicht weg geht und dass du die Chance nochmal suchst? Was löst das in Augsburg bei dir aus?

Gregerl: Also erst einmal muss man sagen, meine Freundin ist dabei eine Riesenunterstützung. Dazu habe ich in Augsburg alles. Also wenn jetzt ein neuer Spieler nach Augsburg kommt, dem könnte ich eine Stunde lang erzählen, was und wo er wie machen könnte. Jetzt hab ich einen kleinen Hund – einen Welpen –  und dadurch weiß ich sogar, welche Wälder schön sind und an welche Seen ich kann und wo man mit dem Fahrrad hin kommt. Zusätzlich weiß ich, wo kann man gut essen gehen kann. Ich kenne mich einfach aus. Ich habe jetzt schon ein paar Mal gesagt, Augsburg ist eine zweite Heimat geworden für mich. Ich kenne mich in Augsburg teilweise besser aus als in Graz. Einfach weil sich in Graz ja auch Dinge verändern, wenn man dann wieder hin fährt und ich fahre in Augsburg weniger mit Navi als in Graz.

Andy: Definitiv. Kann ich sehr gut nachvollziehen.

Gregerl: Wie schon gesagt, Augsburg und Graz sind ähnlich, das lässt mich heimisch fühlen. Und da haben wir noch nicht über Fußball geredet. Hier beim FCA begleiten mich ja auch viele Personen schon über Jahre. Also Dominik ist ja seit Beginn weg hier, Marlene, Salva, Martin Miller, ein Physio ebenfalls. Dazu viele Kollegen der Geschäftsstelle wie Evi. Das ist ein tolles Umfeld und sind Leute, mit dem man mal ein bisschen quatschen kann und auch mal fragt „Wie läuft es zuhause?” und „Wie geht es daheim?” oder „Wie läuft es da”. Das macht es ebenfalls wertvoll und sorgt dafür, dich heimisch zu fühlen.

Andy: Dir scheint es ja gut zu gehen und Du scheinst da deinen Platz gefunden zu haben und bist ja auch jemand, der dann zurück gibt mit deinem Spendenverein. Ich möchte da gerne mal drauf aufmerksam machen. Was hat dich dazu bewogen, das zu machen und da deine Zeit rein zu stecken?

Gregerl:Erst einmal war Andi Luthe ein Riesenvorbild mit „In safe hands”. Als damals „Common Goal” startete begannen ja einige Spieler 1 Prozent ihres Jahresgehaltes zu spenden. Und ich wollte dann auch bei „Common Goal” spenden. Doch dann sagt Andi „Du, pass mal auf, ich frag dich jetzt ganz blöd: Warum spendest du das nicht bei mir? Wäre doch cool, wenn wir da ein bisschen was zusammen kriegen.” Dann hab ich gesagt: „Alles klar, finde ich super.” 5 Tage später war Weihnachten, ich sitze mit meinem Bruder abends zusammen – ein, zwei Wein getrunken gehabt – und dann sagen wir: „Was könnten wir machen?” Die Idee war immer, wir bringen ins Kinderkrankenhaus Spielzeuge und Bälle. Es ist aber nicht so einfach, dass du zum Sportgeschäft gehst und ein paar Bälle und Spielzeuge kaufst und fertig. Aber an dem Abend haben wir beschlossen selbst etwas für sozial benachteiligte Kinder in Graz auf die Beine zu stellen. Und dann haben wir das irgendwann ausgeweitet auf Kinder mit Down-Syndrom, weil in meinem Bekanntenkreis jemand ein Kind mit Down-Syndrom hat. Und der Vater des Kindes hatte erzählt, dass es zum Beispiel keinen Schwimmkurs für Kinder mit Down-Syndrom gibt. Die können das aber eigentlich nur unter sich lernen. Wir haben dann eine Woche Camp innerhalb von zwei Wochen organisiert, weil die Sommerferien ja dann schon vor der Tür standen. Und da waren wir auch wieder völlig naiv. Wir haben geglaubt, drei Betreuer reichen für 12 Kinder. Reicht halt nicht, sechs brauchst Du mindestens. Das hat sich jetzt auch weiterentwickelt. Ich war letztes Jahr da. Sonst geht es sich leider nie zeitlich aus, dass ich da sein kann. Es war einer der besten Tage, die ich in meinem Leben je hatte. So viel Liebe, die sie einem Menschen zurück geben, so bedingungslos. Da läuft man mit ihnen eine Runde und dann nehmen die dich bei der Hand und sagen „Komm, wir laufen noch eine” oder man quatscht mit denen. Da haben wir uns jetzt weiterentwickelt und versuchen das auszuweiten, und gleichzeitig weiter familiär zu bleiben. Wir wollen das so machen, dass es allen Spaß macht. Wenn ich sehe, wie viele Leute sich da mittlerweile beteiligen, das ist schon was besonderes. Viele Spieler unterstützen uns mit ihren Trikots oder spenden auch selbst. Das ist schon eine Hausnummer. Ein großes Dankeschön an alle, die uns unterstützen.

Andy: Ja, das ist doch super und es ist, glaube ich, auf einer ganz anderen Ebene befriedigend zu sehen, dass man eine positive Auswirkung selbst schaffen kann. Wenn man Sachen anpackt und versucht, in die richtige Richtung zu lenken. Einerseits, wenn Leute spenden und unterstützen, dann ist das auch wichtig. Selbst sich einfach auch zu trauen, Projekte umzusetzen Jahr um Jahr konstant, nicht einfach aus einer Laune heraus, weil man denkt, das ist wichtig, halte ich für sehr beeindruckend und sehr toll!

Gregerl: Dankeschön! 

Ich glaube, dem Gregerl und mir wäre auf der Fahrt nach Graz nicht langweilig im Auto geworden und vielleicht kommt irgendwann die Gelegenheit. Insgesamt habe ich mich einfach irrsinnig gerne mit ihm unterhalten und jegliche Debatten über Körpersprache auf dem Platz hin oder her, muss man diesen Kerl einfach gerne haben. Er hat eine tiefe Verbundenheit zu seiner Heimat, für seine Karriere hart gearbeitet und seine Lektionen gelernt. Dazu trägt er ein großes Herz am rechten Fleck. Wenn er morgen hier vor meiner Tür steht und mir zuruft: “Andy, steig ein.” dann mache ich genau das.

Randnotizen:

  • Wer die Spotify Playlist gefunden hat und an so etwas gefallen findet, der sollte direkt auch bei Roy Bianco und die Abbrunzati Boys rein hören. Mitsingen garantiert.
  • Bei der passenden Gelegenheit einen Ball mitgehen zu lassen hat ja Tradition bei Augsburger Spielern. Ihr wisst, was ich meine.
  • Wer den Cliffhanger nicht aushält, welcher Tag Gregerls Karriere verändert hat, der findet dies und einiges mehr in diesem tollen Interview von Jochen Tittmar mit ihm bei Spox.
  • Wäre es zu viel verlangt gewesen, auf Herausgabe des Erdbeertiramisu-Rezepts von Rani Khediras Mama zu pochen?
  • Wenn wir schon dabei sind: Gregerls Top3 Lieferdienste und Restaurants würde ich auch nehmen.
  • Im Gegenzug sollte der FCA die Erlöse aus Gregerls Flock direkt seinem Spendenverein zukommen lassen. Ich würde mir sofort ein Heimtrikot kaufen. Und warum sollte sich nicht jeder Spieler eine Charity raussuchen, für die er die Saison über spielt? Das hätte mal Vorbildcharakter und gibt es so ähnlich in der NFL an einem Spieltag der Saison.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

3 Gedanken zu „Das lässt mich heimisch fühlen“

  1. Wirklich ein sehr sympathischer Mensch der gute Gregerl! Jetzt muss es nur noch mindestens genauso gut auf dem Platz klappen aber nichtsdestotrotz ist immer gut ihm in der Mannschaft zu haben!

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