Die Geschichte von der „Tretertruppe“

Wenn man sich mit dem Ruf beschäftigen will, den der FC Augsburg aktuell in der Fußballwelt hat, gibt es wohl keinen besseren Zeitpunkt als nach dem Heimspiel gegen Schalke. Für seinen zu hohen Fuß, der Gegenspieler Tom Krauß (unabsichtlich) im Gesicht traf, sah Ermedin Demirović am Samstag Rot. Als Strafe muss er gleich drei Spiele aussetzen. Für viele ein weiteres Indiz, dass die größte „Tretertruppe“ der Liga derzeit aus Augsburg kommt. Aber seit wann ist das eigentlich so? Und warum? Wir haben uns die Kartenstatistik des FCA einmal näher angeschaut und ein paar Thesen aufgestellt.

Die ersten vier Spielzeiten im deutschen Oberhaus verbrachte der FC Augsburg – entsprechend seinem spielerischen Ruf – noch recht unauffällig im Mittelfeld der Tabelle. Von Platz 9 in der Aufstiegssaison bewegten sich unsere Fuggerstädter über die Plätze 8 und 13 zurück auf den 9. Rang der Kartentabelle. Dabei handelte sich der FCA in diesen vier Jahren satte sieben rote Karten ein. So viele wie in so kurzer Zeit nie wieder. Auch weil die Entscheidungen teilweise hart ausfielen, kam damals niemand auf die Idee, den FCA trotz seiner Rolle als kampfbetonter Underdog einer allzu ruppigen Spielweise zu bezichtigen.

Die Summe der Karten ergibt die Punkte, wobei Gelb = 1 Punkt, Gelb-Rot = 3 Punkte und Rot = 5 Punkte (Werte: Kicker; Diagramm: Franzi; Stand: 25. Spieltag 2022/23)

Erster Ausschlag Europa League-Saison

In der Europa League-Saison 2015/16 katapultierte sich der FC Augsburg mit 89 Punkten plötzlich auf den zweiten Rang der Bundesliga-Kartenstatistik. Und auch zwei Saisons später schaffte er es wieder auf den dritten Rang. Warum dieser zwischenzeitliche Peak? Ich will es den „Kohr-Caiuby-Effekt“ nennen. Denn in diese Hochphase fiel die Hauptarbeitszeit der beiden beim FCA. Dominik Kohr heimste in den drei Saisons, die er für Rot-Grün-Weiß spielte (2014 bis 2017), nicht nur vereinsintern jeweils die meisten gelben Karten ein (10/12/12). In der Spielzeit 2016/17 kam noch eine Gelb-Rote dazu, sodass er die (Un-)Fairplaytabelle mit 15 Punkten auch bundesligaweit anführte. Caiuby (2014 bis 2019) landete 2015/16 mit 11 Gelben gleich hinter Kohr, 2017/18 führte er selbst die FCA-interne Wertung (zusammen mit Rani Khedira) an.

Selbstverständlich lässt sich der plötzliche Karten- und Punkteanstieg 2015/16 nicht nur damit erklären, dass eine Neuverpflichtung, wie hier Kohr, recht anfällig für Karten ist. (Das gilt übrigens auch für die nachfolgenden Stationen von „Hard-Kohr“ bei Leverkusen, Frankfurt und Mainz.) Wenn die dann aber auf einen „Fixposten“ wie z.B. Dani Baier trifft, dessen Zahl an (gelben) Karten über Jahre hinweg ziemlich konstant auf mäßigem bis höherem Niveau lag, dann summiert sich das eben. Allerdings wüsste ich jetzt nicht, dass uns die reine Zahl an Karten in dieser Zeit in der Öffentlichkeit einen unfairen Ruf eingebracht hätte. #KeineSau brachte dem FCA sogar ziemlich viele Sympathiepunkte ein. Baiers „kreative“ Geste in Richtung Leipzigs Hasenhüttl 2017 erregte da kurzzeitig schon mehr Aufmerksamkeit.

Nicht nur in seiner Zeit beim FCA sammelte Dominik Kohr fleißig Karten. (Foto: Christof Stache/AFP via Getty Images)

Die jungen Wilden

Darauf folgten 2018 und 2019 kartenmäßig die beiden fairsten Saisons des FCA (Platz 12 und 14), um 2020/21 mit insgesamt 79 Punkten wieder hoch auf Platz 3 zu klettern. Ins Gewicht fielen dabei vor allem drei Ampel-Karten und die rote Karte gegen Ruben Vargas am vorletzten, alles entscheidenden Spieltag gegen Bremen, die uns allen wahrscheinlich noch bestens in Erinnerung ist. Die hohe Platzierung erklärt sich aber auch daraus, dass in der Saison die anderen Teams nicht viel öfter verwarnt wurden als der FCA. Zum Vergleich: Während die Spitzenreiter 2018 und 2019, Schalke und Köln, noch auf 94 bzw. 95 Punkte kamen, erreichte Frankfurt, Erstplatzierter 2020/21, nur noch 83 Punkte. Das heißt: Mit seinen 79 Punkten landete der FCA eben nur noch knapp hinter dem Erstplatzierten und rangierte so wieder unter den „unfaireren“ Teams.

Dass Vargas in so einem Knock-Out-Duell wie gegen Bremen damals kurz die Nerven verlor, rechneten ihm, glaube ich, die wenigsten als grob unfaires Verhalten an. Genauso wenig wie die drei gelb-roten Karten gegen Framberger, Niederlechner und Richter, die man am ehesten noch als Ungeschicklichkeit dieser „jungen Wilden“ sah. (Wobei ich Niederlechner mit seinen damals 30 Jahren da ausnehme.) Niklas Dorsch, der 2021 zum FCA stieß und in seiner ersten Saison gleich 8 gelbe Karten einfuhr, zähle ich ebenfalls in die Kategorie „junger Wilder“, dem für seine manchmal ungestüme Spielweise (noch) niemand so recht böse sein kann.

Dass Ruben Vargas im Knock-Out-Duell gegen Bremen kurz die Nerven verlor, rechneten ihm wohl die wenigsten als grob unfaires Verhalten an. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Wendepunkt Gikiewicz?

2020/21 kam aber auch Rafał Gikiewicz zu uns an den Lech. Und diesen Wechsel halte ich in Sachen Ruf und Außenwirkung für doch ziemlich bedeutend. Giki ist eine echte Type, wie sie sich der heute oft glatt gebügelte Fußball wünscht, aber auch eine Reizfigur. Allein sein diabolischer Blick, den er manchmal hat, kann einem Angst und Schrecken einjagen. Ich glaube, auf keinen Wechsel wurde ich bisher auch so oft angesprochen: „Also vor eurem Torwart hab’ ich Schiss. Der is’ doch irre“, hat mal jemand gesagt. Das muss aber so, findet auch Kristell. Und dass er „positiv verrückt“ ist, sagt er von sich selber. Und das schließt eben auch ein, dass er kein Problem damit hat, sich für seinen Job mit anderen in die Haare zu kriegen – mit gegnerischen Fans (ich sage nur Bremen) oder auch eigenen Mitspielern.

Im Spiel trifft Gikis Groll nicht selten seine Vorderleute. Und dazu gehört auch Jeff Gouweleeuw, der in Sachen Karten und Charakter – soweit man das aus der Ferne beurteilen kann – auch nicht gerade ein Unschuldslamm ist. 2020/21 z.B. sammelte er mit 9 Gelben mit Abstand die meisten unter seinen Teamkollegen. Das Jahr darauf kam er auf die gleiche Anzahl, wobei er sie heuer schon jetzt geknackt hat. Dass Jeff und sein Keeper sich auf dem Feld nicht immer grün sind, blieb wohl den wenigsten verborgen. Schon gar nicht Medien, Experten oder Fans, die u.a. daran sahen, dass es beim FCA mit Gikiewicz nun hitziger zuging als noch mit seinem Vorgänger. Eine neue, so emotionsgeladene Personalie wie Giki verändert jedenfalls das Mannschaftsgefüge und auch die Sicht darauf. Man guckt jetzt verstärkt auf Augsburg, weil sich da jederzeit etwas entladen kann.

Word von Kristell alias Kristaldo (Quelle: Twitter)

Unnötiger Spitzenreiter 2022/23

Ich muss wieder kurz einlenken: Jemand wie Giki polarisiert, keine Frage. Aber hat das gleich einen Effekt auf den Ruf der gesamten Mannschaft? Ein klares Nein, wenn ruhigere, abgeklärtere Spieler wie früher z.B. ein JICB oder heute Felix Uduokhai neutralisieren können. Auch wenn Udo 2021 lange verletzt war und auch danach immer wieder, machte auch Maxi Bauer ab 2022 diesen Job gut. Ich tendiere aber zu „ja“, wenn weitere Spieler zur Mannschaft stoßen, die ähnlich emotionsgeladen sind. Und wenn diese Spieler schließlich einen erheblichen Anteil in der Mannschaft ausmachen.

Das war beim FCA diese Saison mit den Transfers von Mergim Berisha, Demi und auch Elvis Rexhbecaj so. So stark sie performen, so emsig sammeln sie auch Karten. Und das nicht nur für „herkömmliche“ Fouls, sondern auch für lautstarkes Reklamieren oder andere Unsportlichkeiten. Bei Rex liegt hier die Quote bei satten 4/5. Auch bei Demi liegt sie mit 3/5 über der Hälfte:

Die Spitze der Augsburger Kartentabelle (Werte: Kicker bzw. eigene Rekonstruktion)

Insgesamt haben die Schiedsrichter bis jetzt schon 69 gelbe, 2 gelb-rote und eine rote Karte an unsere Fuggerstädter verteilt, sodass sie den einsamen Spitzenplatz mit 80 Punkten einnehmen. Die TSG Hoffenheim folgt erst 11 Punkte dahinter. Von den gelben Kartons entfällt auch auf Mannschaftsebene ein beträchtlicher Anteil – nämlich mehr als ein Drittel! – auf vermeidbare Vergehen wie Meckern (12) oder andere Unsportlichkeiten (14). Noch nicht mitgerechnet sind da die vier Verwarnungen für die Bank rund um Reuter (2), Maaßen (1) und Videoanalyst Remigius Elert (1), die oft genauso impulsiv ans Werk geht wie das Personal auf dem Feld.

Kämpfen mit Köpfchen

Dass sich Spieler wie Staff mit ihrer Intensität (zu) oft schon über die Grenze des Erlaubten hinweggesetzt haben, ist die eine Sache, die dem FCA verstärkt den Ruf als Tretertruppe eingebracht hat. Die andere Sache ist, dass die vielen Karten, die der FCA schon im Herbst gesammelt hatte, eine Art selbstverstärkenden Effekt auslöst haben. Zum einen bei Schiedsrichtern, weil sie mit frühem, hartem Durchgreifen für Disziplin sorgen wollten. Und für Aktionen dann eben auch mal Gelb gaben, für die sie das sonst nicht getan hätten. Das belegt auch die Foulstatistik, in der der FCA mit 300 Vergehen „nur“ auf dem 6. Platz steht. Zum anderen bei Medien, die nicht müde werden, Augsburgs Kartenstatistik immer wieder einzustreuen und die Story von der „Tretertruppe“ so weiterzuverbreiten. (Wie übrigens auch ich hier.)

Dass der FCA sich durch die vielen, oft überflüssigen Karten selbst Nachteile eingehandelt hat, ärgert mich auf der einen Seite extrem. Ohne die 5. Gelbe gegen Jeff (Rudelbildung) hätten wir nicht ganz ohne etatmäßige Innenverteidigung nach Köln fahren müssen. Ohne die Gelb-Rote gegen Iago (taktisches Foul; Rempler) hätte am Ende wohl ein Sieg gegen Leipzig gestanden. Ohne die Rote jetzt gegen Demi hätten wir das 1:0 gegen Schalke vielleicht über die Zeit gerettet. Und das sind nur einige Beispiele. Da wünsche ich mir von den besonders gefährdeten Akteuren auf und neben dem Platz unbedingt mehr Contenance und Disziplin. Gerade im Interesse der Mannschaft und ihrem lädierten Ruf, der umso schwieriger wieder loszuwerden ist.

Wäre Iago nicht unnötig mit Gelb-Rot vom Platz geflogen, hätte der FCA gegen Leipzig womöglich 3 Punkte in der WWK-Arena behalten. (Foto: Carsten Harz/Getty Images)

Auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass mir das Kämpferische, Bissige und Impulsive, das der FCA im Moment in vielen Varianten präsentiert, ziemlich gefällt. Ich mag es, wenn mein Verein, die sonst graue Maus aus dem unteren Tabellendrittel, nicht mehr allen egal ist. Dafür sorgen die Geschehnisse auf dem Platz, die ich nicht immer gutheiße. Sie bieten uns Fans aber Raum für Diskussionen und noch mehr Emotionen. Aus meiner Sicht mit ein Grund, warum sich wieder mehr von uns ins Stadion begeben.

Vielleicht können wir als Kompromiss ja so verbleiben: Die unnötigen Karten wegen Meckerns und anderer Unsportlichkeiten um mindestens die Hälfte reduzieren, sodass der FCA kartenmäßig wieder Anschluss an die Konkurrenz bekommt und so seinen Tretertruppen-Ruf langsam wieder loswird. Trotzdem aber so sexy wie bisher mit Kampf und Leidenschaft auftreten. Cool wäre Kämpfen mit Köpfchen.

Auf leisen Pfoten

Es hatte sich schon länger angekündigt. Jetzt ist es also spruchreif. Sergio Córdova verlässt unseren FC Augsburg. „La Pantera“, der Panther, wie der nunmehr 25-jährige Stürmer in seinem Geburtsland Venezuela genannt wird, macht sich auf leisen Pfoten erneut auf in Richtung Major Soccer League und unterschreibt bei den Vancouver Whitecaps einen Vertrag bis Ende 2025 mit der Option auf Verlängerung um ein weiteres Jahr. Die Kanadier überweisen für Córdova eine stolze Ablösesumme von angeblich 2,1 Mio. Euro nach Schwaben.

Wir von der Rosenau Gazette wünschen dir, Sergio, für deine neue Station viel Erfolg! Auf dass es – wie zuletzt – wieder aufwärts für dich geht!

Der VfB hat das Nachsehen

Es war im Sommer 2017, als der damals 19-jährige venezolanische U20-Nationalspieler beim FCA anheuerte. (Im Doppelpack übrigens zusammen mit Gregerl, der vom HSV kam.) Ablösefrei (und nicht – wie andere Quellen schreiben – gegen eine Ablösesumme von 1 Mio. €) kam Córdova aus der Hauptstadt des südamerikanischen Landes, vom Caracas FC, über den großen Teich an den Lech. Während der Junioren-WM in Südkorea hatte er als junger, talentierter Knipser auf sich aufmerksam gemacht. Unter anderem auch die Schwaben vom VfB Stuttgart, die Córdova dann aber zur bayerischen Konkurrenz ziehen lassen mussten. Ausgestattet mit einem Fünf-Jahres-Vertrag plante der FC Augsburg langfristig mit ihm.

In der U20-Auswahl seines Landes Venezuela machte Córdova als 19-Jähriger europäische Clubs auf sich aufmerksam. (Photo: FEDERICO PARRA/AFP via Getty Images)

Augsburgs Edel-Joker

Mit großen Erwartungen an sich und seinen neuen Club ging’s für Córdova also nach Europa, Deutschland und in die Bundesliga. Klar, dass das für einen so jungen Mann nicht gleich auf Anhieb klappen kann. Der FCA sicherte seinem Neuzugang im Antrittsstatement daher auch „die nötige Zeit für die Eingewöhnung und Entwicklung“ zu. Aber die Eingewöhnung schien irgendwie nie ein Ende zu nehmen.

In seinen 75 Bundesligaspielen für die Augsburger durfte sich Córdova, der vor allem in der Sturmspitze agierte, nur zwei Mal über die vollen 90 Minuten zeigen. Zum Stamm gehörte er nie. Von den Trainern, unter denen er spielte – Baum, Schmidt, Herrlich und Weinzierl – wurde er lieber mit der Joker-Rolle bedacht. Sechs von seinen insgesamt sieben Treffern für den FCA hat Córdova nach Einwechslung erzielt und ist damit in Augsburgs nunmehr elfjähriger Bundesligageschichte Rekord-Joker.

Konkurrenz vor der Nase

Auch in den kommenden Jahren kam Córdova nicht an der teils neu rekrutierten Konkurrenz vorbei, z.B. in Person von Florian Niederlechner, der 2019 zum FCA stieß. Daher war die vorzeitige Vertragsverlängerung im Sommer 2020 auch verbunden mit einer einjährigen Leihe zum Bundesliga-Konkurrenten aus Bielefeld. Dort konnte der bullige Venezolaner sein Torekonto zwar um zwei weitere Treffer aufstocken, es lief aber wegen einer längeren Krankheitspause trotzdem nicht ganz wie erhofft. Beim enttäuschenden 0:0 bei Greuther Fürth am letzten Spieltag der Hinrunde 2021/22 trug Córdova für gut eine halbe Stunde das letzte Mal Rot-Grün-Weiß. Der Joker hatte nicht mehr gestochen.

Nicht ganz optimal lief die Leihe von Sergio Córdova 2020/21 zur Arminia. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Zweiter Frühling in den USA

Spätestens mit dem Pepi-Transfer Anfang Januar 2022 war klar, dass die Zukunft Córdovas nicht (mehr) in Augsburg liegt. Folgerichtig ließ er sich erstmals in die MLS zu Real Salt Lake City ausleihen. Offenbar hatte sich der Club schon vor dem Gang des Nachwuchsstürmers nach Europa das Erstzugriffsrecht auf ihn in den Vereinigten Staaten gesichert. Ob David Blitzer, der Anfang Januar 2022 neuer Mit-Eigentümer von RSL wurde, das Zustandekommen des Leihgeschäfts in irgendeiner Form vorangetrieben hat, ist nicht abschließend geklärt. Ausgeschlossen ist es aber auch nicht.

In Utah blühte der Nationalspieler, der sein Engagement fürs Nationalteam wegen der vielen, beschwerlichen Reisen von Europa nach Südamerika zuvor vorübergehend auch pausiert hatte, jedenfalls nochmal so richtig auf. Er absolvierte in nicht ganz einem Jahr 33 Ligaspiele und erzielte dabei neun Tore – so viele, wie in all seinen insgesamt 98 Bundesligaeinsätzen zusammen! Entsprechend schwer fiel ihm wie auch Salt Lake nach Leihende der Abschied. In den höchsten Tönen schwärmten die beiden Parteien voneinander.

Fürs Durchhalten belohnt

Gerade aus den USA zurückgekehrt und frisch zu seinen Noch-Mannschaftskollegen vom FC Augsburg gestoßen, wirkte Sergio im Trainingslager in Algorfa Anfang des Jahres dann auch so athletisch und agil wie schon lange nicht mehr. Trotzdem ist sein Weggang aus Augsburg wohl das Beste für beide Seiten.

Córdova ist in Vancouver nun das dauernde, beschwerliche Reisen zwischen den Kontinenten und die leidige Konkurrenz los, gegen die er nie richtig ankam. Außerdem kann er dort seiner Partnerin näher sein, ebenfalls Venezolanerin und als Model viel in den USA unterwegs, die er letztes Jahr mit viel Glamour auch heiratete.

Der FCA dagegen verdiente mit Córdova und dessen fünfeinhalbjährigem Engagement dem Vernehmen nach insgesamt 3,5 Mio. Euro und konnte damit ein sattes Transfer-Plus einfahren. Zudem konnte der Verein seinen Radikalumbau in der Offensive weiter vorantreiben und sich – nach Demirovic und Berisha im Sommer – mit weiteren, jungen und hungrigen Kräften wie Beljo, Cardona und Yeboah verstärken. In den Worte Stefan Reuters klingt diese Win-Win-Situation so:

„Sergio Córdova hat frühzeitig signalisiert, dass er gerne weiterhin in der MLS spielen würde. Nachdem wir gerade in der Offensive im Winter viel Qualität verpflichten konnten, wollten wir ihm diese Chance in Vancouver ermöglichen, zumal auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Wechsels für uns passen.“

Stefan Reuter zum Córdova-Transfer am 20.02.2023

Dass der Umbau, bei dem Córdova keine Berücksichtigung mehr fand, für Rot-Grün-Weiß aufgeht, zeichnet sich jetzt schon ab. Allerdings wäre dieser Schnitt weit schwieriger gewesen, wenn jemand, der so lange in der zweiten Reihe stand wie Córdova, irgendwann Ansprüche anmeldet und „unbequem“ wird. Das hat er – nach allem, was man als aufmerksamer FCA-Fan beobachten konnte – nicht getan. Danke dafür, Sergio, und für dein Durchhaltevermögen. Es hat sich spätestens jetzt auch für dich ausgezahlt.

Der Unterschätzte sagt Adiós

Carlos Gruezo fällt nicht gerne auf. Auf Instagram zeigt sich der Ecuadorianer fast ausschließlich im Fußballtrikot. Kein Posieren in ausgefallenen Klamotten oder mit teuren Autos, kein Zurschaustellen des eigenen Reichtums, keine Skandale. Auch in seinen 75 Spielen für Augsburg blieb Gruezo eher unauffällig. Kein Tor, eine Vorlage, ein paar gelbe Karten. Auf dem Papier scheint sein Wechsel nach San Jose für den FCA verkraftbar. Schließlich bekommt der FCA noch ein paar Millionen für einen Mann, der 2023 noch nicht im Kader stand. Dennoch verliert der Klub einen Spieler, der in der Außenwahrnehmung eher unterschätzt wurde.

Carlos Gruezo ist ein solider Bundesligakicker – und das ist keineswegs negativ gemeint. Der Duden definiert den Begriff als “ohne Ausschweifungen, Extravaganzen und daher nicht zu Kritik, Skepsis Anlass gebend”. Bei Gruezo wusste man, was man bekommt – und was nicht. Auf seiner Position im zentralen Mittelfeld fiel der Ecuadorianer als bissig, lauffreudig und zweikampfstark auf.

Ein Gruezo in Höchstform konnte für den FCA in der Vergangenheit sehr wertvoll sein. Wie beim 1:1 gegen Dortmund gegen Ende der vergangenen Saison. Augsburgs Sechser eroberte leidenschaftlich per Grätsche den Ball von Axel Witsel, der FCA konterte sich über vier Stationen zum Ausgleichstreffer. Seine bisher einzige direkte Torvorlage sicherte in einer sportlich schwierigen Phase einen 1:0-Sieg gegen Mainz. Insgesamt sah man aber zu wenige offensive Akzente vom 27-Jährigen.

In diesen Statistiken überzeugte Gruezo

Gruezos Stärken liegen positionsbedingt im Passspiel sowie in der Zweikampfführung. In beiden Kategorien lieferte der Kapitän seines Heimatlandes in dieser Saison. Laut bundesliga.de brachte Gruezo an den ersten 15 Spieltagen 79,3 Prozent seiner Bälle an: das ist der beste FCA-Wert, ligaweit gleichzeitig aber auch nur Rang 70. Auf den Plätzen 69 und 71 liegen Rani Khedira und Tom Krauß. Der eine spielte jahrelang auf der Sechs in Augsburg, der andere wurde als Neuzugang gehandelt, ging aber zum FC Schalke. Ein guter Marker also.

Zudem gewann Gruezo 55 Prozent seiner Zweikämpfe. Das entspricht teamintern Rang 4 hinter Bauer (61), Gouweleeuw (58) und Rexhbecaj (55,5) und ligaweit Rang 66.

Diese ordentlichen Statistiken zeigen, dass Gruezo in dieser Saison wichtig für den FCA war. Nur fünf Spieler standen bis zur Winterpause öfter auf dem Platz als er (Gouweleeuw, Rexhbecaj, Demirovic, Iago, Bauer).

Ist ein Gruezo-Wechsel sportlich verkraftbar?

12-Mal begann Gruezo in der Startelf. Zu Beginn als zentraler Abräumer hinter den Achtern Rexhbecaj und Maier, nach Maaßens Systemwechsel auf drei Stürmer in der Regel als defensiver Part der Doppelsechs. Dank seiner Zweikampfstärke spielte er anstelle von Maier, aufgrund seiner Fitness startete er vor Baumgartlinger.

Das Mittelfeld in den bisherigen Spielen bildeten Elivs Rexhbecaj und Neuzugang Arne Engels. Eine offensive Ausrichtung, die bisher überzeugte. Außerdem baut der FCA auf Niklas Dorsch. Der Neuzugang von 2021 verpasste die gesamte Saison aufgrund von zwei Mittelfußbrüchen, gegen Gladbach feierte er in der Schlussphase sein Comeback. Ein Dorsch in Topform ist gesetzt. Somit wären auch Gruezos Einsatzzeiten zurückgegangen. Zumal Youngster Engels ebenso ernsthafte Ansprüche auf die Startelf anmeldet. Dass Gruezo den FCA mit Blick auf künftige Einsatzzeiten verlassen will, ist daher nachvollziehbar.

Insgesamt stand Gruezo 75-mal für den FC Augsburg auf dem Platz. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Holt der FCA noch einen Ersatz?

Kann der FC Augsburg in der Rückrunde aus dem Vollen schöpfen, braucht es wohl gar keinen zwingenden Eins-zu-Eins-Ersatz. “Wir haben mit Elvis (Rexhbecaj, d. Red.), Baumi (Julian Baumgartlinger), Dorschi (Niklas Dorsch) und Arne (Maier) vier Spieler für diese Position, wobei ich Arne eher ein bisschen weiter vorne sehe”, sagte Maaßen im Trainingslager dem Kicker. Aber: “Wenn wir Carlos abgeben, wollen wir natürlich Ersatz holen.” Zu diesem Zeitpunkt war jedoch noch nicht absehbar, wie stark Engels aufspielt.

Als Gruezo-Ersatz wurden die Zweitligaprofis Tim Breithaupt (Karlsruhe) und Ron Schallenberg (Paderborn) genannt. Ihre Klubs wollen die Leistungsträger allerdings nicht abgeben. Der FCA soll jedoch nach wie vor interessiert sein, die Personalien könnten im Sommer interessanter werden. Bis zum nächsten Winter hat der FCA nun erstmal das nächste Talent ausgeliehen. Der portugiesische U20-Kapitän Renato Veiga wird die entstandene Lücke vorerst schließen und ist wohl zumindest zu Beginn mit den geringen Einsatzzeiten zufrieden.

Dass Carlos Gruezo den Verein verlässt, ist daher sportlich verkraftbar und wirtschaftlich sinnvoll. Sein Vertrag wäre nächstes Jahr ausgelaufen. Gruezos Zeit in Augsburg war insgesamt dennoch positiv. Ein sympatischer Typ, der sich im Gespräch mit der Rosenau Gazette sehr bodenständig gezeigt hat – und ein Spieler, der seinen Job ordentlich erledigte.

Adiós, Carlos, hasta pronto.

Frau ist dran

Der FC Augsburg ist weiterhin ein Verein, bei dem auf allen entscheidenden Positionen Männer die Stühle wärmen. Ein großer Männer Buddy-Club. Warum ist das so? Gibt es in der ganzen Region und im Umfeld des FC Augsburg keine Frauen, die a) kompetent genug und b) bereit wären Verantwortung zu übernehmen? Mich beschäftigen diese Fragen ganz persönlich nun schon eine Weile. Als ich mich zuletzt mit Kristell Gnahm auf einen Kaffee getroffen habe, wollte ich ihre Meinung zu dem Thema hören. Kristell hat lange den Podcast “Auf die Zirbelnuss” betrieben und den Podcast “FRÜF – Frauen reden über Fußball” gegründet, der 2019 den Goldenen Blogger als bester Sportblog des Jahres gewann. Sie beschäftigt sich nun schon seit über 15 Jahren mit dem FCA.

Andy: Wie kann es denn sein, dass so ein Verein wie der FC Augsburg für die verantwortlichen Positionen keine Frauen findet?

Kristell: Ich glaube nicht, dass sie niemand finden würden. Aber für Frauen gibt es Hürden. Erstmal musst du ja diesen diesen Drive in dir haben: “Ich mach das jetzt. Ich kann das. Ich habe da Bock drauf und ich traue mir das zu.” Schwierig gerade in so einem doch stark männlich geprägten Business. Dieser Drive entsteht ja, wenn dir andere Menschen das auch spiegeln. So nach dem Motto: “Du gehörst in unseren Kreis oder du, Du bist jemand, der der was zu sagen hat” In diese Kreise kommt man als Frau gar nicht so leicht rein. In den Fußballstadien sind zwar Frauen. Aber erstens nicht so viele, und sie werden oft wahrgenommen als die Freundin von irgendjemand. Also ich erlebe das selber oft, wenn ich im Stadion bin. Plötzlich sage ich irgendwas Sinnvolles. Und der Typ vor mir dreht sich total verwirrt um, weil er gucken will, ob das jetzt wirklich eine Frau gesagt hat.

Andy: Wir reden über tief verankerte Vorurteile in der Gesellschaft. Fußball als Männersport. Siehst Du hier tiefliegende Vorurteile?

Kristell: Ja, genau. Fußballkompetenz wird erstmal als ungeeignet für eine Frau betrachtet. Im Subtext. Die Leute erwarten nicht, dass du als Frau dich mit diesem Bereich beschäftigst. Als würden uns unsere Brüste davon abhalten. Das ist die Kultur, in der wir uns bewegen. Ich glaube gar nicht, dass das bei den meisten eine böse Absicht ist. Als Frau im Fußballkontext sind wir wie dieses außergewöhnliche Tier, das plötzlich vorbeiläuft und alle drehen den Kopf und denken: wie seltsam. Aber eigentlich cool. Trotzdem denkt niemand drüber nach, das Tier in die Herde aufzunehmen.

Andy: Als Frau mit diesen Vorurteilen dann Verantwortung zu übernehmen ist wirkt wie ein großer Schritt. Was ist da dein Gefühl?

Kristell: In dem Umfeld sich dann als Frau zu sagen: “Ja, ich mach das jetzt.” Das ist eine große Hürde. Das musst du dir wirklich zutrauen und musst auch damit rechnen, dass Leute wirklich doofe Sachen sagen. Und da musst du lernen, drüber zu stehen. Damit musst du dich auseinandersetzen. Dich darauf vorbereiten. Leichter wird es nur, wenn du Leute an deiner Seite hättest, die für dich mit einstehen und die das ganz normal finden.

Andy: Meinst Du damit, dass jemand den Weg ebnen müsste?

Kristell: Ich glaube, Frau müsste erst mal in die relevanten Gruppen aufgenommen werden. Nicht als Anhängsel, so nach dem Motto: “Ja, die ist auch dabei. Seltsamerweise. Keiner weiß, warum. Wir akzeptieren, dass sie da ist, aber wir trauen ihr nicht. Wir geben ihr nicht die gleiche Wertung oder Wertigkeit innerhalb der Gruppe. Sie ist wahrscheinlich die Freundin von irgendjemand.” Dieser Sprung im kulturellen Gesamtkontext des Fußballs ist schwierig und da bräuchte es, glaube ich, eine Vorreiterin, die sich trotzdem, einfach weil, da durchboxt. Um dann hoffentlich den Zaun niedriger zu machen für die, die nachkommen.

Andy: Glaubst Du diese Hürden sind so allen bewusst?

Kristell: Die müssen erstmal auch transparent gemacht werden. Man muss sagen: “Da ist ein Zaun”. Und wenn dann einige sagen: “Ja, so ein Quatsch, da ist kein Zaun”, dann muss man sagen: “Da ist er. Bloß weil ihr in die andere Richtung guckt, ist er trotzdem da.” Und das ist halt auf so vielen Ebenen einfach viel Arbeit und viel Energie, die diese strukturellen Themen kosten. Die nicht so einfach aufgebracht werden kann.

Andy: Siehst Du hier in den letzten Jahren Veränderungen?

Kristell: Ich finde es an der Stelle total frustrierend, dass sich das Umfeld überhaupt nicht zu ändern scheint. Es ist wie ein Verharren in einer Starre. Selbst bei vorhandener Motivation, glaube ich, dass die abgewürgt wird, da es nicht die richtige Struktur gibt, um eine Entwicklung am Leben zu erhalten.

Andy: Wie könnte man das Problem angehen?

Kristell: Mit Problembewusstsein. Auch bei denjenigen, die Teil des Problems sind. Ich unterstelle hier keine Böswilligkeit. Es steht ja niemand beim FCA morgens auf und sagt dort heute befördere ich alle Tussis aus dem Weg, die meinen, sie könnten in unserem Verein irgendwas werden. Das passiert ja nicht. Es geht darum, dass automatisch die gefördert werden, von denen wir denken, dass sie fähig sind. Und das sind meistens die, die uns ähnlich sehen. Diesen Prozess muss man sich vor Augen zu führen und dann bei jeder Personalentscheidung explizit die Frage stellen: wen würden wir normalerweise sehen an der Stelle? Um dann vielleicht auch mal das genau Gegenteil zu suchen. Nicht von den Kompetenzen her, sondern von der Person. Weil es diese Personen gibt. Das würde insgesamt zu mehr Diversität führen und Entscheidungen verbessern.

Andy: Das ist ja nichts, wo man einfach mal ein Projekt macht und dann ist das Problem gelöst. Wie siehst Du das?

Kristell: Ich glaube, eine positive Einstellung gegenüber Diversität ist eine Fähigkeit. Das muss man trainieren, aktiv, jeden Tag wieder. Da wird man Fehler machen. Aber man muss wahrnehmen, dass man trainieren muss. Nicht nur ein kurzes Projekt über, sondern dauerhaft. Das ist schwierig gerade in Kontexten, wo du eigentlich ständig am am rödeln bist im Tagesgeschäft, wo du dir nicht die Zeit nimmst mal einen Schritt zurück zu machen und dir zu überlegen: Wo willst du eigentlich hin? Was willst du erreichen mit dem, was du insgesamt tust? Der Fußball ist da an sich ja sehr durch das Tagesgeschäft getrieben und da gerät so ein Thema immer wieder in den Hintergrund.

Andy: Siehst Du ein solches Bewusstsein beim FCA?

Kristell: Beim FCA hätte man schon selber auf die Idee kommen können, da mehr zu machen, wenn man das “Wir” und “die Familie” oft ins Zentrum der Kommunikation stellt. In der Umsetzung spricht man doch sehr stark ein männliches Publikum an. In der Selbstrepräsentation, die der FCA ausstrahlt, sehe ich vor allem Jungs. Junge Männer. Auch rund um die Fußballschulen und in Bezug auf andere Aktionen, die der Verein mit Kindern macht. Ich sehe da wenig Mädchen. Ich sehe da wenig Frauen. Da könnte man das Bewusstsein haben, dass das nicht richtig ist. Das dürfte gegenüber anderen Gruppen abseits der Männer ruhig einladender sein und das würde ich mir wünschen.

Andy: Dann hoffen wir mal, dass deine Wünsche bald in Erfüllung gehen mögen und ich danke Dir für deine Zeit.

Wir beschäftigen uns hier im Blog nicht zum ersten Mal mit dem Thema der Repräsentanz von Frauen beim FCA. Und wir nehmen den FCA-Präsidenten Markus Krapf beim Wort, nachdem er in seinem Antrittsvideo dieses Thema selbst auf seine Agenda gehoben hatte. Lieber Max, ich hoffe Du fühlst dich nicht erwischt. Dieses Thema bleibt zu wichtig, als dass es weiterhin hinter die anderen sportlichen und strukturellen Themen zurückfallen darf. Dies ist der Versuch dem Prozess mit Diversität zu einem besseren Ergebnis zu verhelfen. Und vielleicht ein gewisses Problembewusstsein zu schaffen. Da ist ein Zaun. Lasst ihn uns gemeinsam abreißen.

Neue FCA-Strategie: Talent statt Erfahrung

Der FC Augsburg bastelte in der Winterpause am Kader für die Rückrunde. So wechseln gleich vier Juniorennationalspieler nach Schwaben. Arne Engels (19, Belgien), Kelvin Yeboah (22, Italien) sowie David Colina (22) und Dion Beljo (20, beide Kroatien). Außerdem kommt Irvin Cardona (25). Dass der nicht unbedingt für Wintertransfers bekannte FCA gleich fünf Spieler in der Bundesligapause verpflichtet, überrascht. Dass es dann auch noch vier Talente sind, erstaunt umso mehr. Ändert der FC Augsburg gerade seine Transferstrategie?

Bisher galt: Alt und erfahren

In der Vergangenheit war für Sportdirektor Stefan Reuter bei Transfers vor allem ein Kriterium wichtig: Erfahrung. Julian Baumgartlinger (34), Rafal Gikiewicz (32), Daniel Caligiuri (32), Tobias Strobl (30), Stephan Lichtsteiner (35), Marek Suchy (31), Piotr Trochowski (31) oder Halil Altintop (30) waren alle älter als 30 Jahre alt als sie in die Fuggerstadt wechselten.

Setzte der FCA auf jüngere Spieler, waren es meist Mitzwanziger. In der Regel mit Erstligaerfahrung. Allein in der letzten Transferperiode etwa Ermedin Demirovic, Arne Maier oder Elvis Rehxbecaj. Zuvor Felix Uduokhai, Florian Niederlechner, Michael Gregoritsch, Martin Hinteregger oder Jonathan Schmid. Reuters Muster war vorhersehbar. Ein Bundesligaprofi, der seine Qualitäten bereits gezeigt hat, aktuell bei seinem Klub aber nicht so recht klar kommt.

Ein ähnliches Kalkül verfolgt man bei Cardona. Der 25-jährige Franzose spielte bei seinem Ex-Verein Brest zuletzt keine große Rolle: Nur ein Startelfeinsatz in der Hinrunde, letztes Tor im April. Im Laufe seiner Karriere hatte er jedoch auch bessere Phasen. Insgesamt bringt er es in 106 Spielen für Brest auf 19 Tore und 7 Vorlagen. Zum Vergleich: Florian Niederlechner erzielte in 107 Spielen für den FCA 30 Tore und 21 Vorlagen. Cardona soll das FCA-Spiel variabler machen.

Cardonas Debüt für den FCA verlief kurios. Der Neuzugang aus Brest kam früh für den verletzten Ruben Vargas, musste dann jedoch selbst verletzungsbedingt ausgewechselt werden. (Photo by Lars Baron/Getty Images)

Neue Devise: Jung und unbekannt?

In der Regel funktionierten diese beiden Strategien, die auch der finanziellen Situation und dem Gebot des soliden Wirtschaftens geschuldet waren. Ältere oder unzufriedene Spieler kosten kein Vermögen. Für Cardona zahlte man dem Vernehmen nach 500.000 Euro Ablöse.

Nun die offenbare Kehrtwende. Junge Talente, die zuvor kaum ein Fan kannte. Von Vereinen wie NK Osijek oder der Jugendakademie des FC Brügge.

Die Neuzugänge müssen sich daher erst beweisen. Es ist positiv, dass sie kein allzu großes Preisschild mitschleppen müssen. Yeboah kommt inklusive Kaufoption per Leihe. Für Engels zahlte man quasi nichts, für Colina einen mittleren sechsstelligen Betrag. Beljo soll 3 Millionen Euro gekostet haben. Ein guter Deal bei einem Marktwert von 6,5 Millionen Euro laut transfermarkt.de.

Sofort mittendrin: Arne Engels (27) und Dion Beljo (7) durften gegen Dortmund in der Startelf ran – und zahlten das Vertrauen mit Vorlagen zurück. (Photo by INA FASSBENDER/AFP via Getty Images)

Die neue Strategie macht Lust

So oder so ist das bisher aber eine (unerwartet) gute Transferperiode. Schlagen die Neuzugänge ein, kann dem mitunter in der Kritik stehenden Manager Stefan Reuter nur gratuliert werden. Falls nicht, ist es – anders als beim Milliontransfer Ricardo Pepi – gleichzeitig kein Drama.

Die ersten Eindrücke sind positiv. Im Dortmund-Spiel spielten die Neuzugänge eine prägende Rolle. Engels, Beljo und Yeboah leiteten die Treffer ein, Colina traf gar wenige Sekunden nach seiner Einwechslung. Anschließend lief er an die Augsburger Bank und umarmte Trainer Enrico Maaßen.

Bei den Transfers soll der Coach, so hört man, eine tragende Rolle gespielt haben. Maaßen gilt als Förderer von Talenten und könnte mit dafür verantwortlich sein, dass der FCA seine alte Transferstrategie überdenkt. Dass gleich vier Talente verpflichtet werden, spricht daher auch dafür, dass der Verein langfristig mit seinem aktuellen Trainer plant. Reuter traut dem 38-Jährigen zu, etwas in Augsburg aufzubauen. Ein gutes Zeichen, das Lust auf Mehr macht.

Ausverkauft?

Vor dem Auswärtsspiel in Dortmund schrieb der FC Augsburg auf seinen Social-Media-Kanälen das Gastkontingent sei “ausgeschöpft”. Fans, die spontan noch Lust hätten, den FCA im Westfalenstadion zu unterstützen, haben keine Chance mehr auf Tickets. Das liegt aber nicht an einem restlos besetzten Gästeblock. Sondern vielmehr an der Dortmunder Ticketpolitik und einer Augsburger Fehlkalkulation. Am Sonntag werden 1000 Gästefans im Stadion sein.

In der Regel stehen einem Gastverein in der Bundesliga 10 Prozent der Gesamttickets zur Verfügung. In Augsburg sind das 3000 Tickets, in Dortmund wären es rund 8000. Die meisten Vereine schöpfen dieses Kontingent in Dortmund nicht aus, so auch Augsburg. Der FCA rechnete nach RoGaz-Infos mit 600 bis 800 Gästefans und orderte nach Austausch mit dem BVB mit etwas Puffer ein Kontingent von 1000 Plätzen. Eine Einschätzung, die sich mit den Erfahrungen der jüngsten Auswärtsspiele in Dortmund deckt. Zudem unterstützen den FCA sonntags in der Regel weniger Fans als etwa an einem Samstag.

Doch nun ging diese Rechnung nicht auf. Die 1000 Tickets waren schon vor zwei Wochen vergriffen, vermutlich haben nach der langen Winterpause mehr Fans Lust, den FCA im Stadion zu verfolgen. In sozialen Medien oder den hiesigen FCA-Foren fragten einige Anhänger vergeblich nach Karten.

Warum kann der FCA nicht mehr Karten absetzen?

In der Bundesliga ist es üblich, dass Vereine im Vorfeld im Austausch stehen, wie viele Gästefans erwartet werden. Dann gibt es ein Gästekontigent, das bei nahezu allen Bundesligisten auch noch angepasst werden kann, sollte die Nachfrage höher sein. In Dortmund (und auch in München) ist das etwas komplizierter. Schöpft ein Gastverein beim BVB das Gästekontingent nicht aus, gehen die übrigen Karten in den freien Verkauf für die Heimfans. Zudem platzieren die Schwarz-Gelben die Gästefans dann nicht im ursprünglichen Gästeblock hinter dem Tor, sondern erhöht schräg daneben. Am Sonntag ist den Augsburgern der Block 56 zugewiesen. Den eigentlichen Gästeblock gibt es erst ab 3000 Gästefans.

Auf Anfrage der Rosenau-Gazette heißt es dazu von Borussia Dortmund: “Kleinere Gastkontingente werden nach Rücksprache mit dem Gastverein nicht hinter das Tor auf der Nordtribüne platziert, weil es dort insgesamt 2.905 Stehplätze gibt – so würden aus Sicherheitsgründen fast 2.000 Plätze ungenutzt bleiben. Daher erfolgte eine Umplatzierung in den Nord-Ost-Bereich, sodass wir die anderen Blöcke in Gänze an unsere Fans verkaufen konnten.”

Theoretisch hätte der FCA bei den Dortmundern dennoch nach mehr Karten anfragen können. Das nächst höhere Kontingent wären allerdings 1600 Karten gewesen. Beim FC Augsburg rechnete man bis zuletzt nach RoGaz-Infos mit insgesamt 1200 Fans, auf den restlichen 400 Karten wäre man damit wohl sitzen geblieben. Dass nicht mehr Schwaben mit dabei sind, hat sich der Verein also ein Stück weit auch selbst zuzuschreiben. Letztlich begründet sich die Stadionauslastung aber vor allem mit den Dortmunder Ticketregeln.

Fans, die keine Karte bekommen haben, können den FC Augsburg am Mittwoch gegen Gladbach unterstützen. Für das Flutlichtspiel sind noch Karten in nahezu allen Kategorien vorhanden. Für das nächste Auswärtsspiel in Freiburg – das erste im neuen Stadion des SC – sind derweil alle 1500 Stehplatztickets vergriffen. Es gibt nur noch Sitzplätze.

Eine Botschaft noch an die Augsburgerinnen und Augsburger, die – wie ich – mit in Dortmund dabei sind: Man kann auch mit 1000 Fans gute Stimmung machen – und Punkte mit in die Heimat bringen.

Es wird ein Frohes Neues!


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Zum neuen Jahr ist man ja schnell dabei mit den Vorsätzen. Wie könnte das neue Jahr besser werden als das Alte und warum ist das überhaupt notwendig? Auch der FC Augsburg startete gerade schon frisch im Trainingslager in Spanien in das Jahr 2023. Bevor ich den Blick Richtung 2023 richten mag, will ich 2022 einmal abschließen. Was bleibt vom FCA aus diesem Jahr hängen?

Pepi und andere Abgänge

Für den FCA ist das Jahr 2022 mit gemischten Gefühlen zu Ende gegangen. Einerseits begann das Jahr mit einem Coup. Der FCA verpflichtete Sensations- und Wahnsinnstransfer Ricardo Pepi, der dann bis in den August beim FCA nicht heimisch wurde und den FCA auch während seiner Leihe nach Groningen nachrichtlich begleitete. So waren im Herbst und gerade wieder Gerüchte zu lesen, dass er den FCA im Sommer sicher verlassen würde. Kurz vor Weihnachten tauchten dann weitere Spekulationen auf, dass der FCA zwar keinen engen Kontakt halten würde, aber dennoch bei weiter voranschreitender sportlicher Entwicklung einer Rückkehr und zweiten Chance im Sommer positiv gegenüber stehen würde. Ob diese Geschichte in 2023 endet? Diese Hoffnung kann man getrost vergessen. Ricardo Pepi ist die größte “Was wäre, wenn…”-Saga, selbst wenn er den FCA in 2023 dauerhaft verlassen sollte.

Dauerhaft verlassen hat im Sommer Markus Weinzierl den FCA. Als Präsident ausgestiegen war kurz vorher auch Klaus Hofmann. Beiden wird in der Stadt momentan nicht nachgeweint. Klaus Hofmann ist weiterhin Investor des FC Augsburg. Über seine weiteren Pläne in Hinblick auf den Verein ist nichts bekannt. Weinzierl ist nun beim Glubb aktiv und will dort wieder attraktiv werden für die erste Liga. Aber von Klaus Hofmann werden wir mit Sicherheit nochmal hören. Wenn es in 2023 noch nicht so weit ist, dann kann ich das gut verschmerzen.

Ricardo Pepi am Ball für den FCA.. Kommt es zu einer Wiedervereinigung in 2023? (Photo by Daniel Kopatsch/Getty Images)

Alles neu macht der August

Seit diesen Abschieden gibt sich der FCA runderneuert. Derweil die Verantwortlichen, die mit Klaus Hofmann eng abgestimmt gearbeitet haben, weiterhin die Geschehnisse des Clubs lenken. Fragwürdige Transfers (15 Mio. für einen US Youngster) als auch Vorgehensweisen (“Wir sprechen nach der Saison”) haben sie mitgetragen. Für eine offenere Kommunikation wurde später geworben. Am ersten Heimspieltag hat man der organisierten Fanszene trotzdem erstmal mitgeteilt, dass Choreografien vom Club freizugeben sind.

Sportlich kam mit Enno Maaßen nach einer gefühlten Ewigkeit ein neuer Cheftrainer. Dieser konnte nach einigen Abgängen mit Maxi Bauer, Elvis Rexhbecaj, Ermedin Demirovic und Mergim Berisha Neuzugänge begrüßen, die in der Hinrunde gleich richtig einschlugen. Andere liebgewonnene Spieler wie Michael Gregoritsch, Alfred Finnbogason und Jan Moravek verließen den Verein dahingegen. Berechtigterweise kann von einem Umbruch gesprochen werden. Enno Maaßen gewann mit seinem Team gegen Leverkusen (zum ersten Mal in der Augsburger Bundesligageschichte) und gegen den FC Bayern (mal wieder). In einigen Spielen reichte es hinten raus nicht mehr ganz. Trotzdem steht man sportlich okay da.

Tightes Sneakergame und klare sportliche Vorstellungen: Mit Enno Maaßen landete der FCA einen Treffer auf der Trainerpositionen für den sportlichen Neuanfang. (Photo by Leonhard Simon/Getty Images)

Der Alt-Herren-Club beim sportlichen Aufschwung

Der sportliche Aufschwung fiel dabei zufällig zusammen mit der Neubesetzung des Präsidentenpostens durch Max Krapf. Der Augsburger Fußballwirt mit eigener Historie als Geschäftsführer beim FCA öffnete erst einmal die Kommunikationskanäle in alle Richtungen. In der Landschaft der immer weiter fortschreitenden Kommerzialisierung des Fußballs wird aber auch er sich an Ergebnissen messen lassen müssen. 2023 wird dabei ein Jahr, in dem sich zeigen wird, ob es unter ihm ein reines “weiter so” mit Grinsegesicht oder ob es vielleicht doch die ein oder andere hoffnungsvolle strukturelle Änderung und Initiative gibt. Nachdem mit Raphael Brandmiller ein weiterer Mann in den Vorstand eingezogen ist, ist es für den FCA noch ein ganzes Stück, um aus der Alte-Herren-Klüngel-Ecke wieder raus zu kommen. Hoody hin oder her.

Was uns allen dabei in die Karten spielen dürfte? Sportlich sollte die Rückrunde und dann auch die neue Saison unter positiven Sternen stehen (ich weiß, ich lehne mich aus dem Fenster). Wie kein anderer Verein litt der FCA in der Hinrunde unter Verletzungspech. Dazu kamen Sperren auf Grund von disziplinarischen Unzulänglichkeiten und fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen. Insgesamt war Enno Maaßen so einiger Möglichkeiten beraubt und es hätten schon in der Hinrunde mehr Punkte werden können. In der Rückrunde ist nun die Zeit gekommen. Die Mannschaft wird die an sie gestellten Erwartungen erfüllen und uns alle auf eine positive sportliche Reise mitnehmen. Am Ende wird das nächste Jahr Bundesliga stehen. Zu dessen Beginn können wir alle den Blick endlich und berechtigt etwas höher richten. Ach, das alleine wäre schon schön. Frohes Neues!

“Am 24.12. gibts klassisch Kraut und Würstl”

Heute – kurz vor dem Weihnachtsfest – haben wir (Irina und Birgit) noch ein besonderes Schmankerl für euch: Ein exklusives Interview mit Aufstiegsheld Stephan Hain (34). Stephan, mittlerweile wohnhaft in München, rehabilitiert sich gerade von einem im Februar 2022 erlittenen Kreuzbandriss. Der Mittelstürmer steht noch bis 30.06.2023 beim Regionalligisten SpVgg Unterhaching unter Vertrag. Beim FCA spielte der gebürtige Niederbayer von 2007 bis 2013. Mit seinem Tor zum 2:1 gegen den FSV Frankfurt in Minute 85 machte sich Hain am 8.5.2011 in Augsburg unsterblich.

RoGaz: Lieber Stephan, danke, dass du dir heute Zeit für uns beide nimmst, um uns ein paar Fragen zu deiner Zeit im schönen Augsburg zu beantworten.

Hain: Hallo zusammen und vielen Dank für die Einladung.

RoGaz: Sehr gerne – wie man in den hiesigen Medien gelesen hat, hast du dir im Februar 2022 das Kreuzband gerissen. Wie geht es dir heute? So wirklich gespielt hast du in der Saison ja noch nicht…

Hain: Nee, der Plan ist, dass ich im Januar wieder zu trainieren anfange und dann einsteige. Und dann mal schauen. Ich habe noch bis Sommer 2023 Vertrag und das wird man dann sehen, inwiefern es noch reicht oder nicht. Ich meine, wichtig ist es, dass es Spaß macht, aber eben zum einen, dass ich auch noch mithalten kann und es auch noch gut ist. Wenn ich merke, ich komme nicht mehr mit, dann war es das auch. Aber das wird man im Frühjahr sehen.

RoGaz: Das heißt aber auch, du möchtest jetzt auf keinen Fall deine Karriere beenden? Also du möchtest noch weiter machen oder ist das auch mal ein Thema gewesen?

Hain: Also kurzzeitig habe ich schon nachgedacht: „Nach einem Kreuzbandriss, okay, noch einmal so lange raus…“ Aber es lief einfach vorher gut, es hat Spaß gemacht und so wollte ich dann nicht aufhören. Ein, zwei Tage ist man dann vielleicht down, aber dann habe ich für mich beschlossen, dass ich mich zunächst einmal operieren lasse und dann auf jeden Fall eine gute Reha machen und es einfach noch einmal versuchen will. Ich glaube, ich würde es mir dann eher vorwerfen, es nicht probiert zu haben. Und so schaue ich halt, dass ich so fit wie möglich wieder zurückkomme. Dann wird man sehen, ob es über den Sommer hinaus noch geht oder nicht.

RoGaz: Darf man fragen, wo du auf Reha bist? Du hast schon, du hattest Spaß und es lief ganz gut, als Grund gesagt. Ist es das, was dich antreibt und motiviert, weiter zu machen und nicht die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen?

Hain: Ja. Die Reha mache ich bei Haching auf dem Gelände und ja, das sind auf jeden Fall die Kriterien. Wenn eins von beiden nicht mehr da ist, dann ist es wahrscheinlich so, dass man sagt: „Okay, es ist Zeit.“ Dann ist es vorbei. Man kann das (Anm.: Fußball spielen) leider nicht ein Leben lang machen und dann öffnen sich neue Türen. Ich werde es auf jeden Fall noch einmal versuchen, es auf den Platz zu schaffen.

Trotz Kreuzbandriss lässt Stephan sich keinesfalls entmutigen
(Photo by Alexandra Beier/Getty Images for DFB)

RoGaz: Dann drücken wir dir auf jeden Fall die Daumen.  Hast du irgendwie anderen Hobbys, wo du sagst, das mache ich aktuell statt Fußball?

Hain: Ja, schon. Gerade plane ich im Endeffekt die Karriere danach. Das ist eigentlich mehr oder weniger noch ein Hobby. Mir macht es auf jeden Fall Spaß, mich mit dem Thema Ernährung zu beschäftigen. Auch was das Kochen oder so angeht. Das mache ich sehr gerne. Und Lesen. Wir haben auch im Juli Nachwuchs bekommen, da ist man auch sehr eingespannt.

RoGaz: Herzlichen Glückwunsch an die junge Familie!

Hain: Vielen Dank!

RoGaz: Dann würde ich gerne noch wissen, was für ein Rezept oder Lieblingsessen du unseren Leser*innen denn empfehlen kannst?

Hain: Das ist tatsächlich schwer. Ich variiere nämlich immer sehr gerne. Aber zum Beispiel zum Frühstück gibt es schon einen Favorit. Und zwar ein klassisches Porridge. Als Topping gibt es ja so viele Möglichkeiten. Bei mir sind gefühlt immer Beeren dabei. Dann so ein bisschen Nussmus – also Erdnuss- oder Mandelmus. Meistens auch noch irgendeine Proteinquelle, da gibt es auch Proteinpulver, Skyr oder Quark oder so was in der Art dazu.

RoGaz: Klingt auf jeden Fall lecker. Jetzt steht ja Weihnachten direkt vor der Tür. Und wenn wir schon beim Essen sind: Was landet denn da bei dir und deiner Familie auf dem Tisch?

Hain: Bei uns daheim, als wir noch Kinder waren, gab es am 24.12. immer Kraut und Würstl. Und jetzt ist es so, dass wir dieses Jahr an Weihnachten bei meinen Schwiegereltern sind und da weiß ich noch gar nicht, was es gibt. Das wird spannend. Letztes Jahr waren wir auch dort und da haben wir – meine Freundin und ich – gekocht. Mal gucken, ob wir dieses Jahr nochmal ran dürfen oder gesagt wird: „Nee, kam nicht so gut an. Wir kümmern uns lieber drum.“ Deswegen weiß ich es noch gar nicht, ehrlicherweise. Aber daheim war es auf jeden Fall so – am 24. gab es klassisch Kraut und Würstl und dann eher an den Weihnachtsfeiertagen das eigentliche Weihnachtsessen.

RoGaz: Da wünschen wir doch schon heute einen guten Appetit! Also wer bei uns in Augsburg eine absolute Konstante ist, ist der Salva. Hast du denn auch noch irgendeine persönliche Anekdote mit ihm? Der ist auch wie man hört allseits beliebt und sehr, sehr lange schon im Dienste des FCA.

Hain: Ja, also die eine Anekdote kann ich euch jetzt nicht erzählen, aber wie du sagst, er ist ein sehr lustiger Typ, der sich auf jeden Fall auch sehr leicht ärgern lässt. Das muss man sagen und die Spieler wissen das natürlich. Zumindest damals wussten sie das immer. Deswegen hat man ihn dann schon oft damals zur Weißglut gebracht. Und dann hat es sich ein bisschen hoch geschaukelt, aber alles nie ernst gemeint. Aber er ist eine treue Seele, auf jeden Fall, und ein sehr, sehr angenehmer Typ.

RoGaz: Was nimmst du denn persönlich aus deiner Zeit in Augsburg mit? Wahrscheinlich hattest du jetzt nicht die Zeit, immer herum zu spazieren und die Stadt zu erkunden?

Hain:  Ich habe zuerst bei der FH gewohnt. Direkt bei der FH. Ich hab mich sehr, sehr wohl gefühlt, muss ich sagen. Man lernt es zu schätzen, wenn man dann in einer noch größeren Stadt wie München lebt. Das war schon eine Umstellung. Ich habe mich sehr wohl gefühlt in den sechs Jahren, in denen ich in Augsburg war und es ist nicht so, dass man sich da von Tür zu Tür hangeln muss, weil man so bekannt ist. Bei mir war es zumindest nicht so. Ich war ja auch noch sehr jung. Wahrscheinlich würde man heute mit der Erfahrung und dem Wissen, das man hat, die Zeit viel besser nutzen als damals. Auch was die Aktivitäten draußen angeht. Aber es war eine sehr schöne Zeit und ich habe mich sehr wohl gefühlt in den Jahren in Augsburg.

RoGaz: Warst du auch mal auf dem Plärrer oder im Curt-Frenzel-Stadion beim AEV? Da gibt’s ja doch einiges zur Unterhaltung!

Hain: Ja, genau, sowohl als auch. Auf dem Plärrer bin ich ein paar Mal gewesen und beim AEV auch. Das war damals auch so, dass wir dann ein paar Spieler vom AEV eingeladen haben und dann auch der AEV uns. Das war sehr cool eigentlich, es war auch mal interessant, eine andere Sportart zu sehen und deren Eindrücke zu erfahren. Das war für uns als Fußballer ein sehr cooles Erlebnis.

RoGaz: Vergleicht man sich als Stürmer manchmal auch mit anderen Stürmern? Oder ist das eigentlich gar kein Thema bei euch? Du spielst zum Beispiel mit Ex-FCA-Spieler Mathias Fetsch im Team. Der ist genauso alt wie du. Ist das ein ähnlicher Spielertyp oder was ganz anderes? Ergänzt man sich da?

Hain: Man ergänzt sich da eher. Er ist schon ein anderer Spielertyp, auch was die Statur angeht. Ich glaube, er ist 1,90m oder so. So unbewusst, glaube ich, misst man sich irgendwie immer mit anderen. Was auch nicht unbedingt Sinn macht, weil jeder seine eigenen Fähigkeiten und Qualitäten hat. Aber es gehört irgendwie dazu. Es ist ja doch irgendwie immer eine Konkurrenzsituation da, aber größtenteils ergänzt man sich dann. Es ist selten, dass es den gleichen Spielertyp öfter in einer Mannschaft gibt, würde ich mal sagen.

RoGaz: Hattest du als Kind einen Lieblingsverein oder ein Idol? Einen Lieblingsspieler?

Hain: Bayern München war tatsächlich mein Lieblingsverein. Das dürfte ich jetzt natürlich nicht sagen, weil ich bei 1860 gespielt habe. Aber auch das volle Programm: Bettwäsche und so weiter und so fort. Und mein Lieblingsspieler? Giovanni Elber war schon recht hoch im Kurs und dann hat es sich über die Jahre hinweg gewandelt als Kind. So gefühlt ist da jedes Jahr jemand neues, der aufkommt und Tore schießt. Bei mir waren es tatsächlich immer die Stürmer größtenteils, zu denen ich aufgeschaut habe. Wie Ronaldo, Rivaldo und wie sie alle heißen. Thierry Henry… Das waren die, die meine Kindheit geprägt haben.

RoGaz: Ein paar Fans haben es dir ja damals übel genommen, dass du ausgerechnet zu unserem größten Konkurrenten gewechselt bist. Wie kam es denn dazu und kannst du das den Fans verzeihen bzw. es bis zu einem gewissen Punkt verstehen, dass man das als Fan nicht so toll findet?

Hain: Ja doch, das kann man schon verstehen. Also ich muss sagen, in dem Moment habe ich – als der Wechsel dann feststand – gar nicht so darüber nachgedacht. Ich meine, Sechzig war in der zweiten Liga, Augsburg war erste Liga. Natürlich kann man es verstehen, aber ich habe das gar nicht so gesehen. In der Bundesliga hatte ich nicht so viele Einsatzzeiten und ich wollte einfach wieder Fußball spielen. Der Trainer von Sechzig (Anm.: Alexander Schmidt) hat sich sehr um mich bemüht. Ich meine, das ist noch in der Heimat. Das war auch ein Kriterium und es hat sich damals zu dem Zeitpunkt einfach gut angefühlt. Im Nachhinein war es sicher nicht die beste Entscheidung, aber das weiß man vorher nie.

RoGaz: Also, wer dich schon länger nicht mehr gesehen hat, der wird (deutet auf Bart) erst einmal schauen. Also, das ist mir jetzt so gegangen. Ich hab dich vorher gegoogelt und deine Vita. Du bist mit 24 vom FCA weggegangen und das ist jetzt zehn Jahre her. Da sieht man schon, wieviel Zeit mittlerweile vergangen ist.

Hain:  Ja, total. Es ist jetzt schon lange her tatsächlich, ne? Da war der Aufstieg 2011 und 2013 bin ich dann weg. Viele Spieler sind auch nicht mehr da – eigentlich gar keiner mehr, mit dem ich noch zusammen gespielt habe. Daran sieht man auch, wie schnelllebig der Fußball ist. Deswegen verläuft sich das auch so ein bisschen. Ich habe mich mit Tobi Werner mal, als wir mit Unterhaching gegen Jena gespielt haben – der war da Sportdirektor – kurz unterhalten. So läuft man sich dann manchmal über den Weg. Ich bin auch nicht der Typ, der so riesige Kontakte über WhatsApp oder so pflegt. Das verläuft sich dann immer wieder, aber man freut sich dann schon nochmal, wenn man den anderen dann sieht oder hört, was er macht und wie es ihm so ergeht!

RoGaz: Warst du schon mal als Zuschauer beim FCA? Und wenn ja, wann zuletzt?

Hain:  Ja, zwei Mal. Einmal in der Bundesliga, logischerweise in der Bundesliga. Aber das ist schon sieben Jahre her. Das müsste 2015 gewesen sein. Und dann beim Heimspiel gegen Liverpool in der Europa League.

RoGaz: Also wir beide hoffen ja, dass wir dich schon noch ein weiteres Mal in Augsburg zu sehen bekommen. Und zwar beim Abschiedsspiel von Daniel Baier im September 2023 voraussichtlich. Da stand erst letztens in der Augsburger Allgemeinen, dass Daniel sich dich sehr gut in seinem Team vorstellen könnte.

Hain: Ja, sehr cool, das freut mich natürlich.

RoGaz: Gerade Daniel Baier war und ist noch so eine extreme Galionsfigur beim FCA. Er war damals erst kurz ausgeliehen, ist dann wieder zurück zu den Wölfen. Dann ist er nach einem halben Jahr wiedergekommen und hat erst so richtig, glaube ich, Anklang am Verein gefunden und war dann einfach extrem lang unglaublich wichtig. Du hast auch noch ein bisschen mit ihm zusammen gespielt, oder?

Damals noch ohne Bart, aber die Nikolausmütze hätte ihm sicher auch gut gestanden
(Photo credit should read CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Hain: Genau, ja. Gerade in der zweiten Liga hat er gar nicht so einen einfachen Stand gehabt. Da hat er eher offensiv oder auf außen gespielt. Aber in der Bundesliga hat er dann richtig gut gespielt und ich glaube, über die Jahre hinweg, war er die prägende Figur beim FCA. Ein super Fußballer und auch ein sehr angenehmer Mensch. Es spricht für ihn, dass er über Jahre hinweg die Konstanz beim FCA war.

RoGaz: Du hast auf jeden Fall in Augsburg auch noch sehr viele Fans. Also auf jeden Fall schon mal zwei, uns, Birgit und Irina. Franzi auch und dann bestimmt noch den einen oder anderen. Vielen lieben Dank für das Interview und schönes Weihnachtswochenende.

Hain: Ich sage auch Danke! Und fröhliche Weihnachten an alle FCA-Fans!

Immer noch das Sommerloch


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Im Sommer ist beim FCA ein etwas größerer Umbruch passiert. Und an vielen Stellen würde ich über das Wort “passiert” etwas länger nachdenken. Aber sowohl der Abgang von Präsident Klaus Hofmann kurz vor dem letzten Spieltag als auch das Abschiedsinterview von Markus Weinzierl direkt nach dem letzten Spiel kamen über den FCA, wie ein Gewitter an einem Sommerabend. Und so stand man da wie ein begossener Pudel und musste sich erst einmal orientieren.

Und so dauerte es dann auch eine ganze Weile bis man mit Enno Maaßen einen neuen Trainer identifiziert und überzeugt hatte. Und dann basierend auf dessen Vorstellungen versuchte den Kader so umzugestalten, wie es für seine Spielweise vorteilhaft wäre. Alleine, es wurde eng. Die Zeit des Transferfensters verstrich, ohne dass der FCA in der Breite genügend Spieler überzeugen konnte. Und so war nun in der Hinrunde der Kader manchmal arg notdürftig bestückt, um auch über die gesamte Spielzeit Gegnern Paroli bieten zu können.

Abgänge

Dies liegt in erster Linie daran, dass man im Sommer eine zu große Anzahl an Spielern abgehen hat lassen. Hier ist es müßig, über jeden einzelnen Fall zu debattieren. Einerseits hat man die Verträge von Alfred Finnbogason und Jan Moravek nicht verlängert. Andererseits sah Michael Gregoritsch seine Zukunft nicht mehr in Augsburg, und da sein Vertrag ein Jahr später ausgelaufen wurde, war im Sommer eine letzte Möglichkeit gegeben, eine Ablöse für ihn zu erzielen.

Dazu kommen einige Spieler die man auf Leihbasis hat ziehen lassen. Ricardo Pepi, Maurice Malone, Tim Civeja und Lasse Günther, der im letzten Jahr sehr nahe dran am Bundesligakader war, sind hier zu nennen. Gerade im Sturm gab es eine Vielzahl von Abgängen.

Kompensation über Zugänge

Auch auf der Zugangsseite ist im Sommer etwas passiert. Arne Maier konnte man fest verpflichten (er kompensiert allerdings auch keinen der obigen Abgänge). Mit Rexbehcaj, Berisha, Demirovic und Bauer kamen vier entwicklungsfähige Spieler, im besten Alter, die beim FC Augsburg nochmal einen Sprung machen können. Bei allen sieht es nach der ersten Halbserie auch so aus, als ob ihnen das gelingen kann. Julian Baumgartlinger kam als erfahrener Ergänzungsspieler dazu.

Gerade offensiv sieht man allerdings, dass die Neuzugänge die aufgerissenen Löcher nicht stopfen können. Demirovic wurde 1:1 gegen Michael Gregoritsch getauscht. Berisha soll in diesem Szenario Finnbogason, Pepi und Co. ersetzen. Da darf dann aber auch nichts mehr schief gehen.

Maxi Bauer hat direkt seine Qualität gezeigt in der Hinrunde. Die Gegner waren teilweise auch nicht ohne. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Verletzungen und andere Ausfälle

Berisha verpasste dann schon mal ein Spiel in der Hinserie auf Grund seiner gelb-rot Sperre. Dazu kamen andere Sperren auf Grund nicht allzu großer Diszipliniertheit auf dem Platz und daraus resultierend vieler gelber Karten.

Was dann in diesem Szenario doppelt bitter ist, wenn Spieler langfristig verletzt ausfallen. Dies waren beim FCA dann doch einige. Bei Tobi Strobl und Noah Sarenren Bazee muss klar gewesen sein, dass sie in der Hinrunde keine Rolle spielen können. Auch Reece Oxfords Ausfall riss, genau wie die Verletzungsprobleme von Felix Uduokhai, große Lücken. Oxford startete genau wie Niklas Dorsch verletzt in die Saison. Und mit Fredrik Winther viel auch ein Ersatzspieler für 5 Spiele aus. Letzterer verletzte sich beim Comebackversuch erneut. Und in der Hinrunde kam dann André Hahn mit einem doppelten Knorpelschaden dazu. Von 25 Feldspielern im Kader starteten 4 langzeitverletzt in die Saison.

Und während man bei Oxford, Uduokhai und Winther optimistisch sein kann, dass die Probleme überwunden sind, ist bei Sarenren Bazee und Hahn vollkommen unklar, wann sie wieder zur Verfügung stehen können.

Spielweise

Und vielleicht führte auch dieser zwischenzeitliche Engpass in der Innenverteidigung dazu, dass Enno Maaßen auf 4er Kette umstellte. Dafür erhöhte sich der Bedarf an Offensivspielern. Demirovic rutschte, auch weil Ruben Vargas ausfiel und seine Form suchte, nach außen. Insgesamt waren ab dem Bremen-Spiel regelmäßig 4 Offensivspieler in der ersten Reihe auf dem Feld. Ein Bedarf den, der Kader auf die Dauer so nicht hergab.

Dazu kommt die intensive Spielweise, die Maaßen seiner Mannschaft verordnet. Neben gelben Karten kostet sie auch viel Kraft. Derweil Maaßen allerdings auf der Bank gar nicht mehr die Möglichkeiten vorfand, mehr zu wechseln und auch in der Schlussphase für mehr frischen Wind auf dem Platz zu sorgen.

Rennen, rennen, rennen. Rexhbecaj und Demirovic direkt immer mit dabei. Beide mit einem Top-Einstand beim FCA. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Notwendige Transferaktivitäten

Und so steht nun auch im Winter einiges an Arbeit für Stefan Reuter und sein Team. Im Sturm und auf den offensiven Außen braucht es Alternativen. Gerne geliehen, um die Lücken bis in den Sommer zu überbrücken. Rechts hinten könnte ich mir auch vorstellen, dass man qualitativ den Bedarf eines Zugangs erkannt hat, wenn Enno Robert Gumny eher in der 3er Kette sieht. Mit der Mannschaft ohne Verstärkungen in die Rückrunde zu gehen, wäre allerdings fahrlässig.

Dazu gilt es jetzt schon über Vertragsverlängerungen und perspektivische Maßnahmen das Fundament zu legen, damit man im Sommer nur noch gezielt zu suchen braucht. Während sich Rafal Gikiewicz Vertrag bei einer gewissen Anzahl an Spielen von selbst verlängert, laufen bei Tobi Strobl, Julian Baumgartlinger, Fredrik Jensen, Daniel Caligiuri, André Hahn und Florian Niederlechner im Sommer die Verträge aus.

Gerade bei Freddy Jensen würde ich stark befürworten, jetzt schon zu verlängern. Er ist mindestens ein perfekter Ergänzungsspieler und hat in seinem Alter noch Entwicklungspotential. Florian Niederlechner hat den Schalter in der Hinrunde irgendwann umgelegt. Gegen Union Berlin hat er den Punkt maßgeblich mit geholt. 5 Torbeteiligungen in 14 Spielen sind eine tolle Quote. Und nachdem das Loch im Sturm schon groß genug ist, würde ich ihn auch gerne mit einem leistungsbezogenen Vertrag noch länger in Augsburg sehen. Und zu André Hahn kennt die Welt die Sicht dieses Mediums. Der Hahn muss laufen. Auch in der nächsten Saison.

Licht und Schatten

Die Transferaktivitäten des FC Augsburg seit diesem Sommer sind dann auch entsprechend zweigeteilt zu bewerten. Einerseits haben die Neuzugänge die Erwartungen mehr als erfüllt. Rehxbecaj, Demirovic, Berisha und Bauer waren absolute Leistungsträger in der Hinrunde. Tore wären ohne sie deutlich weniger gefallen. Und Rehxbecaj durfte sogar einmal schon die Binde tragen.

Andererseits waren auf Grund der vielzähligen und auch hochkarätigen Abgänge Top-Neuzugänge notwendig. Was man sportlich an Michael Gregoritsch verloren hat, sieht man Woche um Woche in Freiburg. Und die Lücken im Kader konnte man schon vor der Saison nicht ganz schließen. Sowohl Malone als auch Pepi kurz vor Ende der Wechselperiode noch ziehen zu lassen, ist im Nachhinein eine zweifelhafte Entscheidung gewesen. Die Verletzung von Hahn und auch die wechselhaften Leistungen von Ruben Vargas verstärken auf den offensiven Außen und im Sturm die Notwendigkeit von Neuzugängen. Nicht nur, wenn es zu 100% passt.

In Abkehr zur letzten Saison gilt es daher jetzt in dieser Phase, zu akzeptablen Bedingungen Spieler zu verpflichten, die uns sofort weiterbringen. Dazu braucht es frühe Richtungsentscheidungen in Richtung Sommer, um die dann nicht schon wieder – wie jetzt im Sommer im Sturm – zum Handeln gezwungen zu sein.

Nicht besser

Viel hat sich beim FC Augsburg getan, seitdem Klaus Hofmann und Markus Weinzierl selbst ihre Abschiede im Sommer kommuniziert haben. Mit Enno Maaßen gibt es einen neuen, jungen, hungrigen Cheftrainer, der den FC Augsburg zwischenzeitlich zum bis dato besten Saisonstart der Bundesligajahre geführt hat. Das Schließen der Lücke an der Spitze des FC Augsburg 1907 e.V. hat etwas länger gedauert. Dem Verein steht mittlerweile Markus Krapf vor, der seit seiner Ernennung als Vorstandsvorsitzender versucht, Impulse zu setzen und Entwicklungen anzustoßen.

Und dennoch gibt es Bereiche, in denen noch Luft nach oben ist in der Entwicklung des FCA. Augen auf: Heute geht es darum, was immer noch nicht besser geworden ist, rund um den FC Augsburg.

Fanrechte

Nach den Pyroeinsätzen in der ersten Pokalrunde, gab es eine restriktive Ansage von Seiten des Vereins, dass Choreografien von offizieller Seite freizugeben wären. Es war nicht die erste solcher Ansagen in den letzten Jahren. Das miteinander aller Beteiligten rund um den Fußballplatz ist ein wackeliges Gerüst. Es scheint in der letzten Zeit weiterhin so, als ob gerade die Polizei kein Problem damit hat, die Lage eskalieren zu lassen. In Mainz wurde vor kurzem beim Spiel gegen Köln Pfefferspray eingesetzt. Beim Derby zwischen HSV und St. Pauli zeigen Videobilder, wie ein Polizist auf einen Fußballfan einprügelt.

Trotz vieler Kontrollen konnte die Pyro-Aktion der Augsburger Fans nicht verhindert werden. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Gerade beim Auswärtsfahren kann es einem die Laune schon mal verhageln. Schon recht früh in der Saison haben FCA Fans berichtet, wie sie in Bremen von Werder Fans attackiert wurden. Und auch beim Auswärtsspiel gegen Stuttgart verlief bei weitem nicht alles reibungslos. Eine geplante Choreografie der Augsburger Fanszene wurde verhindert. Die Kontrollen am Stadioneingang wurden mit absurder Langsamkeit durchgeführt, so dass einige der Anhänger trotz rechtzeitiger Anreise den Anpfiff und einen Teil der ersten Halbzeit verpassten. Von den Schlangen am Getränkestand gar nicht erst zu sprechen, derweil der Gästebereich nicht ausverkauft war. Die grundsätzliche Behandlung von Fußballfans lässt weiterhin zu wünschen übrig und es ist auch beim FCA Zeit, dass sich hier was tut.

Einstellung auf dem Platz

Wenn dann auf dem Rasen der Ball rollt, hat sich der FCA eine eklige Spielweise angeeignet, die ich befürworte und die Gegner schon mal an den Rand des Wahnsinns treiben kann. Diese Spielweise hat allerdings auch eine Rückseite der Medaille. Nicht jeder Zweikampf wird mit Sinn und Verstand geführt. Nicht jedes Einsteigen ist in dieser Form notwendig. Beispielhaft möchte ich das Spiel gegen RB Leipzig hervorheben. Klar, der Iago-Platzverweis ist die Spitze des Eisbergs. Die gelbe Karte von Mergim Berisha war allerdings auch nicht gerade schlau. Der Ellbogen war da einfach drüber in dem Kopfballduell und führte dann dazu, dass auf Grund dieser gelben Karte Florian Niederlechner auf dem Platz blieb, als es darum ging, dass nach dem Iago-Platzverweis defensiv gewechselt werden musste.

Insgesamt führt der FCA die Liga in der Kartenstatistik an. Und eben nicht, weil die Spielweise das erfordert. Sondern auch, weil man teilweise undiszipliniert in der Zweikampfführung und im Verhalten auf dem Platz ist. Weil man zu viel und zu deutlich mit dem Schiedsrichter diskutiert. Ganz klar ist an dieser Stelle auch, dass nicht alle Entscheidungen der Schiedsrichter korrekt waren. Es hätte dem Team und den Verantwortlichen trotzdem nicht geschadet, in der ein oder anderen Situation mehr einen kühlen Kopf zu bewahren. Und es braucht hier auch klare Ansagen von Trainerseite.

Auswechslungen und Einsätze der Jugendspieler

Und in mancher Situation wäre es gut vom Trainer gewesen, Spieler vor ihrem Schicksal zu bewahren. Hätte Enno Maaßen Elvis Rexhbecaj gegen Stuttgart, nachdem schon feststand das Carlos Gruezo gegen Frankfurt gelb-gesperrt fehlen würde, vor seiner gelben Karte vom Platz genommen, hätte das die Lage gegen die Frankfurter Eintracht verbessern können. Andererseits ist schlicht nachgewiesen, dass frühe und vermehrte Wechsel die Siegchancen erhöhen können. Gegen Stuttgart, bei offensichtlichem Kräfteverschleiß, Arne Maier nicht früher zu bringen, ist mir ein Rätsel. Maaßen wechselt grundsätzlich viel weniger als sein Vorgänger Weinzierl.

Nicht jede Veränderung ist in diesem Zusammenhang positiv. Bei der durch Ausfälle und Verletzungen geprägten Kadersituation hätten zwangsläufig mehr Spieler aus dem eigenen Nachwuchs auf Minuten kommen müssen. Hier wurde in der Hinrunde bisher nur Lukas Petkov öfter eingesetzt. Gerade einen Aaron Zehnter vermisste man in der Bundesliga auf dem Platz bisher. Und das gerade wo Enno Maaßen zum FC Augsburg kam, um diese Jungs zu entwickeln und ihre Perspektiven zu verbessern. Zumindest an den Einsatzzeiten ist das momentan (noch?) nicht zu erkennen.

Kader und Vertragsverlängerungen

Die wenigen Auswechselungen haben aber vielleicht in der Mehrzahl mit dem an manchen Stellen sehr dünn besetzten Kader zu tun. Wollte man vor der Saison noch einen Stürmer dazu nehmen und klappte das mit der Berisha-Leihe grundsätzlich, so gab man dann aber auch noch dem Drängen von Ricardo Pepi nach und ging im Sturm schon dünn besetzt in die Saison. Auch auf den offensiven Außen fehlte angesichts der Verletzungen von Noah Sarenren Bazee und Ruben Vargas zu Saisonbeginn schon immer die Tiefe. Auf die Verpflichtung eines Neuzugangs verzichtete man trotzdem. Nach dem Ausfall von André Hahn schmerzte das umso mehr. In der Innenverteidigung hatte man zwischenzeitlich schlicht gr0ßes Verletzungspech. Aber es ist eben auch so, dass die nicht gemachten Hausaufgaben aus dem Sommer gerade nach der Systemumstellung vor dem Spiel gegen Bremen deutlich zu Tage traten, wo jetzt deutlich mehr offensive Kräfte zum Einsatz kommen. Die Augen richten sich mit Spannung auf die Winterpause.

Rafal Gikiewicz’ Zukunft hängt an einer Vertragsoption. Warum nicht jetzt schon Nägel mit Köpfen machen? (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Hier könnte sich der FCA neben dem ein oder anderen Zugang auch schon mit den Weichen für die kommende Saison beschäftigen. André Hahns Vertrag läuft aus, und gehört verlängert, zumindest um 1 Jahr. Freddy Jensens Vertrag läuft aus und Jensen sollte bleiben. Dazu hat man für Rafal Gikiewicz eine Vertragsoption. Welche Gründe sollte es hier geben, diese nicht zu ziehen? Im Falle einer Neuverpflichtung könnte man so zumindest eine Ablöse erzielen. Die Zeiten, in denen wir gute Spieler ziehen lassen – wie zuletzt im Falle von Rani Khedira – und nichts im Gegenzug erhalten, sollten vorbei sein. Hier hätte auch längst etwas passieren können. Die TSG Hoffenheim hat seit der Sommerpause mit 3 Spielern Verträge verlängert. Auch andere Bundesligisten waren nicht untätig. Man fällt hier mal wieder etwas zurück.

Abseits der rosa Brille

Was am Ende verbleibt sind die unerfüllten Hoffnungen. Ja, die Saison verlief zeitweise super. Aber am Ende ist es so oft wie im Heimspiel gegen RB Leipzig: es hätte noch besser sein können. Die personellen Sorgen waren zeitweise groß und hemmten die Möglichkeiten. Dies ist dabei auch ein selbstgemachtes Problem durch die Kaderzusammenstellung und das Verhalten auf dem Platz. Und dennoch kam die Jugend nicht zum Zug und hat es rund ums Stadion nicht immer Spaß gemacht.

Als Fußballfan gibt man die Hoffnung ja nicht auf. Wer weiß es schon, vielleicht erleben wir die Rückrunde unseres Lebens. Dann muss sich an manchen Stellen aber definitiv noch etwas tun. Und die Veränderungen beim FCA haben ja die Managementpositionen nur bedingt betroffen. Die Augen richten sich so zumindest seit Abpfiff der Partie gegen den VfL Bochum auf Stefan Reuter. Was passiert in der ersten gut vorbereiteten Transferphase seit dem Abschied von Klaus Hofmann? Es bleibt spannend.

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