Frau ist dran

Der FC Augsburg ist weiterhin ein Verein, bei dem auf allen entscheidenden Positionen Männer die Stühle wärmen. Ein großer Männer Buddy-Club. Warum ist das so? Gibt es in der ganzen Region und im Umfeld des FC Augsburg keine Frauen, die a) kompetent genug und b) bereit wären Verantwortung zu übernehmen? Mich beschäftigen diese Fragen ganz persönlich nun schon eine Weile. Als ich mich zuletzt mit Kristell Gnahm auf einen Kaffee getroffen habe, wollte ich ihre Meinung zu dem Thema hören. Kristell hat lange den Podcast “Auf die Zirbelnuss” betrieben und den Podcast “FRÜF – Frauen reden über Fußball” gegründet, der 2019 den Goldenen Blogger als bester Sportblog des Jahres gewann. Sie beschäftigt sich nun schon seit über 15 Jahren mit dem FCA.

Andy: Wie kann es denn sein, dass so ein Verein wie der FC Augsburg für die verantwortlichen Positionen keine Frauen findet?

Kristell: Ich glaube nicht, dass sie niemand finden würden. Aber für Frauen gibt es Hürden. Erstmal musst du ja diesen diesen Drive in dir haben: “Ich mach das jetzt. Ich kann das. Ich habe da Bock drauf und ich traue mir das zu.” Schwierig gerade in so einem doch stark männlich geprägten Business. Dieser Drive entsteht ja, wenn dir andere Menschen das auch spiegeln. So nach dem Motto: “Du gehörst in unseren Kreis oder du, Du bist jemand, der der was zu sagen hat” In diese Kreise kommt man als Frau gar nicht so leicht rein. In den Fußballstadien sind zwar Frauen. Aber erstens nicht so viele, und sie werden oft wahrgenommen als die Freundin von irgendjemand. Also ich erlebe das selber oft, wenn ich im Stadion bin. Plötzlich sage ich irgendwas Sinnvolles. Und der Typ vor mir dreht sich total verwirrt um, weil er gucken will, ob das jetzt wirklich eine Frau gesagt hat.

Andy: Wir reden über tief verankerte Vorurteile in der Gesellschaft. Fußball als Männersport. Siehst Du hier tiefliegende Vorurteile?

Kristell: Ja, genau. Fußballkompetenz wird erstmal als ungeeignet für eine Frau betrachtet. Im Subtext. Die Leute erwarten nicht, dass du als Frau dich mit diesem Bereich beschäftigst. Als würden uns unsere Brüste davon abhalten. Das ist die Kultur, in der wir uns bewegen. Ich glaube gar nicht, dass das bei den meisten eine böse Absicht ist. Als Frau im Fußballkontext sind wir wie dieses außergewöhnliche Tier, das plötzlich vorbeiläuft und alle drehen den Kopf und denken: wie seltsam. Aber eigentlich cool. Trotzdem denkt niemand drüber nach, das Tier in die Herde aufzunehmen.

Andy: Als Frau mit diesen Vorurteilen dann Verantwortung zu übernehmen ist wirkt wie ein großer Schritt. Was ist da dein Gefühl?

Kristell: In dem Umfeld sich dann als Frau zu sagen: “Ja, ich mach das jetzt.” Das ist eine große Hürde. Das musst du dir wirklich zutrauen und musst auch damit rechnen, dass Leute wirklich doofe Sachen sagen. Und da musst du lernen, drüber zu stehen. Damit musst du dich auseinandersetzen. Dich darauf vorbereiten. Leichter wird es nur, wenn du Leute an deiner Seite hättest, die für dich mit einstehen und die das ganz normal finden.

Andy: Meinst Du damit, dass jemand den Weg ebnen müsste?

Kristell: Ich glaube, Frau müsste erst mal in die relevanten Gruppen aufgenommen werden. Nicht als Anhängsel, so nach dem Motto: “Ja, die ist auch dabei. Seltsamerweise. Keiner weiß, warum. Wir akzeptieren, dass sie da ist, aber wir trauen ihr nicht. Wir geben ihr nicht die gleiche Wertung oder Wertigkeit innerhalb der Gruppe. Sie ist wahrscheinlich die Freundin von irgendjemand.” Dieser Sprung im kulturellen Gesamtkontext des Fußballs ist schwierig und da bräuchte es, glaube ich, eine Vorreiterin, die sich trotzdem, einfach weil, da durchboxt. Um dann hoffentlich den Zaun niedriger zu machen für die, die nachkommen.

Andy: Glaubst Du diese Hürden sind so allen bewusst?

Kristell: Die müssen erstmal auch transparent gemacht werden. Man muss sagen: “Da ist ein Zaun”. Und wenn dann einige sagen: “Ja, so ein Quatsch, da ist kein Zaun”, dann muss man sagen: “Da ist er. Bloß weil ihr in die andere Richtung guckt, ist er trotzdem da.” Und das ist halt auf so vielen Ebenen einfach viel Arbeit und viel Energie, die diese strukturellen Themen kosten. Die nicht so einfach aufgebracht werden kann.

Andy: Siehst Du hier in den letzten Jahren Veränderungen?

Kristell: Ich finde es an der Stelle total frustrierend, dass sich das Umfeld überhaupt nicht zu ändern scheint. Es ist wie ein Verharren in einer Starre. Selbst bei vorhandener Motivation, glaube ich, dass die abgewürgt wird, da es nicht die richtige Struktur gibt, um eine Entwicklung am Leben zu erhalten.

Andy: Wie könnte man das Problem angehen?

Kristell: Mit Problembewusstsein. Auch bei denjenigen, die Teil des Problems sind. Ich unterstelle hier keine Böswilligkeit. Es steht ja niemand beim FCA morgens auf und sagt dort heute befördere ich alle Tussis aus dem Weg, die meinen, sie könnten in unserem Verein irgendwas werden. Das passiert ja nicht. Es geht darum, dass automatisch die gefördert werden, von denen wir denken, dass sie fähig sind. Und das sind meistens die, die uns ähnlich sehen. Diesen Prozess muss man sich vor Augen zu führen und dann bei jeder Personalentscheidung explizit die Frage stellen: wen würden wir normalerweise sehen an der Stelle? Um dann vielleicht auch mal das genau Gegenteil zu suchen. Nicht von den Kompetenzen her, sondern von der Person. Weil es diese Personen gibt. Das würde insgesamt zu mehr Diversität führen und Entscheidungen verbessern.

Andy: Das ist ja nichts, wo man einfach mal ein Projekt macht und dann ist das Problem gelöst. Wie siehst Du das?

Kristell: Ich glaube, eine positive Einstellung gegenüber Diversität ist eine Fähigkeit. Das muss man trainieren, aktiv, jeden Tag wieder. Da wird man Fehler machen. Aber man muss wahrnehmen, dass man trainieren muss. Nicht nur ein kurzes Projekt über, sondern dauerhaft. Das ist schwierig gerade in Kontexten, wo du eigentlich ständig am am rödeln bist im Tagesgeschäft, wo du dir nicht die Zeit nimmst mal einen Schritt zurück zu machen und dir zu überlegen: Wo willst du eigentlich hin? Was willst du erreichen mit dem, was du insgesamt tust? Der Fußball ist da an sich ja sehr durch das Tagesgeschäft getrieben und da gerät so ein Thema immer wieder in den Hintergrund.

Andy: Siehst Du ein solches Bewusstsein beim FCA?

Kristell: Beim FCA hätte man schon selber auf die Idee kommen können, da mehr zu machen, wenn man das “Wir” und “die Familie” oft ins Zentrum der Kommunikation stellt. In der Umsetzung spricht man doch sehr stark ein männliches Publikum an. In der Selbstrepräsentation, die der FCA ausstrahlt, sehe ich vor allem Jungs. Junge Männer. Auch rund um die Fußballschulen und in Bezug auf andere Aktionen, die der Verein mit Kindern macht. Ich sehe da wenig Mädchen. Ich sehe da wenig Frauen. Da könnte man das Bewusstsein haben, dass das nicht richtig ist. Das dürfte gegenüber anderen Gruppen abseits der Männer ruhig einladender sein und das würde ich mir wünschen.

Andy: Dann hoffen wir mal, dass deine Wünsche bald in Erfüllung gehen mögen und ich danke Dir für deine Zeit.

Wir beschäftigen uns hier im Blog nicht zum ersten Mal mit dem Thema der Repräsentanz von Frauen beim FCA. Und wir nehmen den FCA-Präsidenten Markus Krapf beim Wort, nachdem er in seinem Antrittsvideo dieses Thema selbst auf seine Agenda gehoben hatte. Lieber Max, ich hoffe Du fühlst dich nicht erwischt. Dieses Thema bleibt zu wichtig, als dass es weiterhin hinter die anderen sportlichen und strukturellen Themen zurückfallen darf. Dies ist der Versuch dem Prozess mit Diversität zu einem besseren Ergebnis zu verhelfen. Und vielleicht ein gewisses Problembewusstsein zu schaffen. Da ist ein Zaun. Lasst ihn uns gemeinsam abreißen.

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