Thorups Lieblinge?

Nicht einmal drei Wochen ist es her, seit Jess Thorup die Nachfolge von Enrico Maaßen als Trainer beim FC Augsburg angetreten hat. Trotzdem hat sich in der Zeit schon etwas getan. Vor allem Positives. In den beiden Spielen unter dem neuen Chef-Coach hat der FCA acht Tore erzielt, zwei Rückstände gedreht und sechs Punkte eingesammelt. Über so viel Action, die am Ende auch noch von Erfolg gekrönt ist, durfte man als FCA-Fan schon lange nicht mehr jubeln. What a feeling!

Auch beim Personal gab es mittlerweile Veränderungen. Die aber nicht ganz so ins Auge stechen wie die Tatsache, dass unser Verein nach wochenlanger Durststrecke plötzlich wieder gewinnt. Thorup hat an der Aufstellung gebastelt. Akteuren sein Vertrauen geschenkt, von denen man es nicht unbedingt erwartet hat. Und Stammplatzgarantien aus früheren Tagen bekräftigt bzw. ins Wackeln gebracht. Welche Spieler profitieren individuell vom Trainerwechsel? Das haben wir uns angeschaut.   

Feinfuß Jensen

Auf dem Platz ist er ein Tausendsassa und neben dem Platz immer für einen Spaß zu haben: Freddy Jensen stand in den beiden Matches unter Thorup jeweils überraschend in der Startelf und wurde mit seinen drei Vorlagen in Heidenheim völlig zurecht zu unserem Man of the Match gewählt. In 41 Spielen, die Vorgänger Enrico Maaßen leitete, startete der Finne, der seit 2018 Mitglied der FCA-Familie ist, lediglich acht Mal von Beginn an.

Sicherlich profitierte Jensen davon, dass Ruben Vargas, der seit Saisonbeginn verstärkt die Rechtsaußen-Position besetzt, verletzungsbedingt fehlte. Allerdings ist der Schweizer schon seit Längerem nicht mehr unersetzlich und Irvin Cardona hat als weitere Alternative derzeit Probleme, überhaupt ins Aufgebot zu kommen. Sofern die Gesundheit hält, was in der Vergangenheit leider nicht immer der Fall war, dürften wir künftig häufiger in den Genuss von Jensens feinen Qualitäten, u.a. technischer Art (die Ecken!), kommen. Ich hätte absolut nichts dagegen. 

Emotional und lautstark feierte Phillip Tietz seine ersten beiden Treffer für den FCA. (Foto: FC Augsburg auf Twitter/X)

Erste Tietz-Treffer

Mit Phillip Tietz, der für die neue Saison aus Darmstadt geholt worden war, hat Dion Beljo, selbst zur Winterpause an den Lech gekommen, auf der Mittelstürmerposition Konkurrenz bekommen. Zwar gibt es etwa mit Kapitän Ermedin Demirović und Sven Michel weitere Kollegen im Sturm. Doch letztlich konkurrieren Tietz und Beljo am härtesten untereinander um Einsatzminuten. Unter Maaßen war die Bilanz der beiden noch recht ausgeglichen, allerdings schon mit leichter Tendenz zu Tietz, der öfter beginnen durfte. (Was aus Zuschauersicht manchmal nicht ganz nachvollziehbar war, weil dem Blondschopf außer einem Assist bis dahin noch nicht viel gelungen war…)

Unter Thorup verfestigte sich diese Tendenz nun. Den wilden Fight auf dem Heidenheimer Schlossberg konnte der 21-jährige Kroate nur von der Bank aus verfolgen, während der 26-jährige gebürtige Braunschweiger seinen ersten Treffer für den FCA feiern durfte. Da der nächste prompt daheim gegen Wolfsburg folgte, sieht es so aus, als wäre bei der Tietz der Knoten geplatzt. Das dürfte seine Aktien beim Cheftrainer wohl weiter steigen lassen. Sehr gerne! Aber nur, wenn er noch ein wenig mehr an seinen Abschlüssen arbeitet…   

Dorsch mit Kredit

Arne Engels war DIE Entdeckung der abgelaufenen Rückrunde. Ohne Wenn und Aber. Ich will an diesen Satz vom Januar erinnern, als der damals 19-Jährige vom Farmclub des FC Brügge zum FCA stieß:

„Allerdings ist nicht zu erwarten, dass sich der ‚hochveranlagte Mittelfeldspieler‘, wie Stefan Reuter von ihm schwärmt, auf der Stelle zur Stammkraft im Mittelfeld aufschwingen wird.“

Auszug aus meinem Text für die RoGaz vom 09.01.2023
Siegtreffer zum 3:2 gegen den VfL Wolfsburg! Was für eine Aktion von Arne Engels. (Foto: FC Augsburg)

Doch genau das hat der mittlerweile 20-jährige getan. Sein Marktwert ist von 100.000 Euro, die der FCA mutmaßlich nach Belgien überwiesen hat, auf schwindelerregende 7,5 Mio. Euro gestiegen. Seine Beorderung ins zentrale Mittelfeld, das er meist zusammen mit dem defensiver eingestellten Elvis Rexhbecaj bespielte, hatte aber auch damit zu tun, dass die ursprünglich dafür vorgesehenen Kandidaten Niklas Dorsch und Arne Maier durch langwierige Verletzungen bzw. ein langanhaltendes Leistungstief dem Trainer nicht oder nicht voll zur Verfügung standen.

Dorsch, den Thorup noch aus seiner Zeit beim KKA Gent kennt, hat sich mittlerweile zurückgearbeitet und will seine Führungsansprüche, die er u.a. als neuer Vize-Kapitän angemeldet hat, nun einlösen. Der Däne lässt ihm auch die Chance dazu. Zuungunsten von Engels, der beim FCH und gegen die Wölfe nur als Ersatzspieler fungierte. Gegen den VW-Club machte dieser mit einem Assist und seiner ersten eigenen Bude innerhalb von nur zwei Minuten aber so dröhnend auf sich aufmerksam, dass Thorup auch in dem jungen Belgier durchaus einen potentiellen Startelfkandidaten sieht, wie er auf der Pressekonferenz vor Köln schmunzelnd eingestanden hat. Wie dieser Fight ausgeht? Bleibt abzuwarten. Allerdings bin ich, sorry Dorschi, zugegebermaßen ein kleines Engels-Fangirl…

Dahmen auf Bewährung

Als Jess Thorup vor seinem ersten Spiel mit dem FCA mitteilte, dass auch Finn Dahmen im Tor keine Startplatzgarantie erhält, war ich erst überrascht. Und dann nicht mehr ganz so. Schließlich wollte der Däne in den ersten Wochen alles auf den Prüfstand stellen. Und dazu gehört eben auch der 25-jährige Ex-Mainzer, der in den ersten sieben Partien (noch unter Maaßen) im Schnitt fast 2,5 Gegentore kassierte. Klar, nicht ohne Zutun unserer oft wackeligen Defensive. Trotzdem sehen viele in ihm noch nicht den Dirigenten, der er hinter der Abwehr sein müsste.  

Mads Pedersen ist nach dem 1:0 gegen Union sofort auf seinen Teamkollegen zugestürmt und hat ihm zum lang ersehnten Sieg gratuliert. (Photo: Christof Stache/AFP via Getty Images)

Thorup ließ ihm trotzdem den Vortritt, auch wenn er sich aktuell auf Bewährung befindet. Dadurch kann sich Tomáš Koubek Hoffnung auf mögliche weitere Einsätze machen. Im Frühjahr hatte Augsburgs Nr. 2 den verletzten Rafał Gikiewicz für sieben Spiele würdig vertreten und diese Zeit – vor allem den 1:0-Sieg gegen Union – extrem genossen. Koubek, dessen erste Zeit beim FCA bekanntlich ja gehörig in die Hose ging, ist bekannt als jemand, der jeden Tag hart arbeitet und Teamplayer durch und durch ist. Ganz egal, auf welchem Rang in der Torhüter-Hierarchie er gerade steht. Daher würde ich mich über ein paar Spielminuten, die ihm Thorup verschafft, sehr freuen.

Erfrischend gleich

Enorme personelle Umstellungen hat Jess Thorup in der Kürze der Zeit (noch) nicht vorgenommen. Und doch hat er Präferenzen aufblitzen lassen und in seiner Wunschaufstellung umgesetzt. Was unter dem neuen Mann beim FC Augsburg gerade passiert, finde ich extrem spannend und lässt mich mit Vorfreude auf die nächste Zeit blicken. Allein, dass der Coach für Samstag gegen Köln in Erwägung gezogen hat, seinem linksfüßigen Landsmann Freddy Winther mal wieder eine Chance zu geben und ihn auf die Position des gelb-rot gesperrten Felix Uduokhai zu stellen, ist erfrischend. Oder ob doch Japhet Tanganga zu seinem Debüt für den FCA kommt, obwohl er Rechtsfuß ist? Thorup wird es wissen. Ihm ist vieles zuzutrauen. Und das mag ich.   

Es ist angerichtet

Endlich ist er da. Der Rechtsverteidiger, den wir Fans uns seit Monaten, wenn nicht Jahren, sehnlichst gewünscht haben. Oder seit eben feststeht, dass Robert Gumny, der vor nunmehr drei Jahren zum FC Augsburg gestoßen ist, der Verantwortung auf der rechten Abwehrseite leider nicht gewachsen ist.

Die Wahl der FCA-Verantwortlichen ist auf Kevin Mbabu gefallen, 28 Jahre alt, (früherer) Schweizer Nationalspieler, ausgeliehen vom FC Fulham bis zum Saisonende. Als 17-Jähriger wechselte Mbabu erstmals auf die Insel zur B-Auswahl von Newcastle United. Bevor es ihn über verschiedene Leihstationen zu den BSC Young Boys in die Schweiz und von 2019 bis 2022 zum VfL Wolfsburg in die Bundesliga verschlug. An diese Zeit dürfte sich der oder die eine oder andere noch erinnern. Mbabu bestritt für die Wölfe 82 Pflichtspiele, bevor er ins hintere Glied rutschte und vorzeitig wieder nach England wechselte. Beim Fulham kam er jedoch genauso wenig zum Einsatz, weshalb er die abgelaufene Rückrunde als Leihspieler bei seinem Jugendverein Servette FC verbrachte.

Kleiner Wandervogel?

Mbabu hat also schon reichlich Erfahrung in unterschiedlichen europäischen Ligen gesammelt, kennt seine neuen Teamkollegen Ruben Vargas von der Nati, Elvis Rexhbecaj aus der VW-Stadt. Auch an seinen Landsmann Gerardo Seoane, aktuell Trainer in Gladbach, dürfte Mbabu gute Erinnerungen haben. Unter ihm wurde er mit Bern zum zweiten Mal Schweizer Meister und spielte sogar Champions League. Trotzdem konnte sich der Sohn einer Kongolesin und eines Franzosen bei seinen Vereinen – mit Ausnahme der YB vielleicht – nie so ganz etablieren, zog gegen Konkurrenz oft den Kürzeren und wegen nicht erfüllter Erwartungen auf beiden Seiten dann weiter zum nächsten Club.

Drei Jahre lang streifte sich Kevin Mbabu in der Bundesliga das Trikot des VfL Wolfsburg über. (Photo by Ronny Hartmann/Getty Images)

Hallerluja – ein Rechtsverteidiger!

In Augsburg ist dieser Aspekt allerdings zweitrangig, da der gelernte Rechtsverteidiger in dieser einen Saison für den FCA außer Konkurrenz spielt. Wenn nicht Gumny eine plötzliche Leistungsexplosion hinlegt (was sehr unwahrscheinlich ist) oder Arne Engels weiterhin positionsfremd eingesetzt wird (was ich nicht hoffe). Auch, dass der pfeilschnelle Mann u.a. sein Defensivverhalten oder seine Ausdauer ausbauen könnte, halte ich erst einmal für verschmerzbar.

Denn was in erster Linie zählt, ist doch: Hallerluja! Wir haben einen Rechtsverteidiger! Der mit dieser Position vertraut und außerdem heiß auf Spielpraxis ist, um sich (wieder) für seinen Stammverein zu empfehlen. Der FCA könnte nach Saisonende mit Fulham auch erneut Gespräche führen, diesmal über eine feste Verpflichtung, die mit 3-4 Mio. € allemal im Budget läge. Aber das ist natürlich Zukunftsmusik. Jetzt muss Mbabu erst einmal engagiert seinen neuen Job machen.

Noch ein Außenverteidiger?

Das Gleiche gilt für Japhet Tanganga, 24-jähriger Engländer von den Tottenham Hotspurs, der nun ebenfalls für ein Jahr leihweise zum FCA kommt. Zusätzlich wurde eine Kaufoption von angeblich 5,5 Mio. € vereinbart und u.a. an die absolvierten Einsätze geknüpft. Für Tanganga ist Augsburg die erste fußballerische Auslandserfahrung. Denn seit er zehn Jahre alte ist, hat er für keinen anderen Club gespielt als für die Spurs. Für sie gab er mit 20 auch sein Premier League-Debüt. Unter José Mourinho gegen den FC Liverpool.

Der portugiesische Trainer war es auch, der damit begann, den jungen Innenverteidiger auf die für ihn bis dahin unbekannte rechte Außenverteidigerposition zu stellen. Doch egal, auf welcher Position Tanganga auflief – Mourinho hielt immer große Stücke auf seinen Nachwuchsspieler. Zwar sah er bei ihm noch Verbesserungsbedarf, z.B. bei seinen Flanken oder beim Timing im Angriffsspiel, aber eben auch seine Stärken, wie eine sichere Ballbehandlung und dass Tanganga kaum Fehler unterlaufen:

„As you know he is not a giant, he needs to improve, his crossing needs to improve, the timings to arrive in attacking positions. […] But he is comfortable with the ball, he doesn’t make many mistakes, he is solid, reads the game well and is a player we can trust.“

José Mourinho über Japhet Tanganga in The Mirror vom 03. August 2021

Daneben zählen zu Tangangas Stärken auch aggressives Gegenpressing, gerade bei technisch hochklassigen Spielern, und die Fähigkeit, gefährliche Bälle abzufangen und zu entschärfen. Ein ausführliches, sehr interessantes Spielerprofil findet ihr hier.

Japhet Tanganga zeichnet sich u.a. durch seine Ballsicherheit aus. (Photo by Trevor Collens/AFP via Getty Images)

Verletzungsgeplagt?

Nach dem geglückten Debüt 2020 musste Tanganga aber erst einmal eine Reihe von Verletzungen wegstecken. Betroffen war der Rücken, der Oberschenkel, die Schulter. Zwei Jahre später lange Zeit das Knie. Das führte dazu, dass der Verteidiger oft pausieren musste, in mehr als dreieinhalb Jahren Premier League lediglich auf 27 Einsätze kommt. Immer wieder stand deshalb zur Debatte, ihn für mehr Spielpraxis z.B. in die Süper Lig oder in die Serie A zu verleihen. Dieses Jahr sollen u.a. auch Frankfurt oder Leverkusen an Tanganga dran gewesen sein.

Geklappt hat eine Leihe jetzt aber erstmals zum FCA. Wofür sich Michael Ströll, der die Verhandlungen führte, durchaus auf die Schulter klopfen darf. Spurs-Clubchef Daniel Levy gilt schließlich als härtester Verhandlungspartner im Weltfußball. Die Kaufoption, die an Einsätze geknüpft ist, dürfte u.a. auch vereinbart worden sein, um Tangangas Gesundheit auf den Prüfstand zu stellen und sich seine Dienste nur zu sichern, wenn sie hält. Im Testspiel gegen Fürth konnte der Neuling wegen einem Schlag, den er vor ein paar Wochen aufs Knie bekommen hatte, jedenfalls noch nicht mitmachen.

Mehrere Optionen in der Defensive

Ich schätze aber ohnehin, dass Tanganga in einer Viererkette zunächst einmal als Backup für Patric Pfeiffer in der rechten Innenverteidigung eingeplant ist, um dort mit Maxi Bauer zu konkurrieren. In einer Dreierkette könnte er aber auch etatmäßig als rechter IV eingesetzt werden. Oder, wie unter Mourinho einstudiert, in der rechten Außenverteidigung, wenn dort akuter Personalmangel herrscht. Enrico Maaßen hat in der Defensive mit Tanganga also mehrere Optionen zur Verfügung. Als Trainer, der auf Flexibilität bei Positionen und Rollenverteilungen setzt, dürfte ihm das Profil des Engländers sehr entgegenkommen.

Mit Mbabu und Tanganga wurden kurz vor Ende der Transferphase tatsächlich – ich konnte es kaum glauben – die dringendsten Kaderbaustellen bearbeitet. Auf mich als Außenstehende wirkt es so, als hätten die Verantwortlichen dabei einen wirklich guten Job gemacht. Neben Ströll ist hier auch unser neuer Sportdirektor Marinko Jurendic zu nennen. Sie beide haben dafür gesorgt, dass zusammen mit den bisherigen Zugängen personell nun alles angerichtet ist. Für eine Saison, in der wir Fans uns nicht bis zum letzten Spieltag vor dem Abstieg fürchten müssen. Für mich ist spätestens jetzt unser Trainer am Zug, um dieses Ziel nach der Länderspielpause zusammen mit dem Team in die Tat umzusetzen.

Die Geschichte von der „Tretertruppe“

Wenn man sich mit dem Ruf beschäftigen will, den der FC Augsburg aktuell in der Fußballwelt hat, gibt es wohl keinen besseren Zeitpunkt als nach dem Heimspiel gegen Schalke. Für seinen zu hohen Fuß, der Gegenspieler Tom Krauß (unabsichtlich) im Gesicht traf, sah Ermedin Demirović am Samstag Rot. Als Strafe muss er gleich drei Spiele aussetzen. Für viele ein weiteres Indiz, dass die größte „Tretertruppe“ der Liga derzeit aus Augsburg kommt. Aber seit wann ist das eigentlich so? Und warum? Wir haben uns die Kartenstatistik des FCA einmal näher angeschaut und ein paar Thesen aufgestellt.

Die ersten vier Spielzeiten im deutschen Oberhaus verbrachte der FC Augsburg – entsprechend seinem spielerischen Ruf – noch recht unauffällig im Mittelfeld der Tabelle. Von Platz 9 in der Aufstiegssaison bewegten sich unsere Fuggerstädter über die Plätze 8 und 13 zurück auf den 9. Rang der Kartentabelle. Dabei handelte sich der FCA in diesen vier Jahren satte sieben rote Karten ein. So viele wie in so kurzer Zeit nie wieder. Auch weil die Entscheidungen teilweise hart ausfielen, kam damals niemand auf die Idee, den FCA trotz seiner Rolle als kampfbetonter Underdog einer allzu ruppigen Spielweise zu bezichtigen.

Die Summe der Karten ergibt die Punkte, wobei Gelb = 1 Punkt, Gelb-Rot = 3 Punkte und Rot = 5 Punkte (Werte: Kicker; Diagramm: Franzi; Stand: 25. Spieltag 2022/23)

Erster Ausschlag Europa League-Saison

In der Europa League-Saison 2015/16 katapultierte sich der FC Augsburg mit 89 Punkten plötzlich auf den zweiten Rang der Bundesliga-Kartenstatistik. Und auch zwei Saisons später schaffte er es wieder auf den dritten Rang. Warum dieser zwischenzeitliche Peak? Ich will es den „Kohr-Caiuby-Effekt“ nennen. Denn in diese Hochphase fiel die Hauptarbeitszeit der beiden beim FCA. Dominik Kohr heimste in den drei Saisons, die er für Rot-Grün-Weiß spielte (2014 bis 2017), nicht nur vereinsintern jeweils die meisten gelben Karten ein (10/12/12). In der Spielzeit 2016/17 kam noch eine Gelb-Rote dazu, sodass er die (Un-)Fairplaytabelle mit 15 Punkten auch bundesligaweit anführte. Caiuby (2014 bis 2019) landete 2015/16 mit 11 Gelben gleich hinter Kohr, 2017/18 führte er selbst die FCA-interne Wertung (zusammen mit Rani Khedira) an.

Selbstverständlich lässt sich der plötzliche Karten- und Punkteanstieg 2015/16 nicht nur damit erklären, dass eine Neuverpflichtung, wie hier Kohr, recht anfällig für Karten ist. (Das gilt übrigens auch für die nachfolgenden Stationen von „Hard-Kohr“ bei Leverkusen, Frankfurt und Mainz.) Wenn die dann aber auf einen „Fixposten“ wie z.B. Dani Baier trifft, dessen Zahl an (gelben) Karten über Jahre hinweg ziemlich konstant auf mäßigem bis höherem Niveau lag, dann summiert sich das eben. Allerdings wüsste ich jetzt nicht, dass uns die reine Zahl an Karten in dieser Zeit in der Öffentlichkeit einen unfairen Ruf eingebracht hätte. #KeineSau brachte dem FCA sogar ziemlich viele Sympathiepunkte ein. Baiers „kreative“ Geste in Richtung Leipzigs Hasenhüttl 2017 erregte da kurzzeitig schon mehr Aufmerksamkeit.

Nicht nur in seiner Zeit beim FCA sammelte Dominik Kohr fleißig Karten. (Foto: Christof Stache/AFP via Getty Images)

Die jungen Wilden

Darauf folgten 2018 und 2019 kartenmäßig die beiden fairsten Saisons des FCA (Platz 12 und 14), um 2020/21 mit insgesamt 79 Punkten wieder hoch auf Platz 3 zu klettern. Ins Gewicht fielen dabei vor allem drei Ampel-Karten und die rote Karte gegen Ruben Vargas am vorletzten, alles entscheidenden Spieltag gegen Bremen, die uns allen wahrscheinlich noch bestens in Erinnerung ist. Die hohe Platzierung erklärt sich aber auch daraus, dass in der Saison die anderen Teams nicht viel öfter verwarnt wurden als der FCA. Zum Vergleich: Während die Spitzenreiter 2018 und 2019, Schalke und Köln, noch auf 94 bzw. 95 Punkte kamen, erreichte Frankfurt, Erstplatzierter 2020/21, nur noch 83 Punkte. Das heißt: Mit seinen 79 Punkten landete der FCA eben nur noch knapp hinter dem Erstplatzierten und rangierte so wieder unter den „unfaireren“ Teams.

Dass Vargas in so einem Knock-Out-Duell wie gegen Bremen damals kurz die Nerven verlor, rechneten ihm, glaube ich, die wenigsten als grob unfaires Verhalten an. Genauso wenig wie die drei gelb-roten Karten gegen Framberger, Niederlechner und Richter, die man am ehesten noch als Ungeschicklichkeit dieser „jungen Wilden“ sah. (Wobei ich Niederlechner mit seinen damals 30 Jahren da ausnehme.) Niklas Dorsch, der 2021 zum FCA stieß und in seiner ersten Saison gleich 8 gelbe Karten einfuhr, zähle ich ebenfalls in die Kategorie „junger Wilder“, dem für seine manchmal ungestüme Spielweise (noch) niemand so recht böse sein kann.

Dass Ruben Vargas im Knock-Out-Duell gegen Bremen kurz die Nerven verlor, rechneten ihm wohl die wenigsten als grob unfaires Verhalten an. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Wendepunkt Gikiewicz?

2020/21 kam aber auch Rafał Gikiewicz zu uns an den Lech. Und diesen Wechsel halte ich in Sachen Ruf und Außenwirkung für doch ziemlich bedeutend. Giki ist eine echte Type, wie sie sich der heute oft glatt gebügelte Fußball wünscht, aber auch eine Reizfigur. Allein sein diabolischer Blick, den er manchmal hat, kann einem Angst und Schrecken einjagen. Ich glaube, auf keinen Wechsel wurde ich bisher auch so oft angesprochen: „Also vor eurem Torwart hab’ ich Schiss. Der is’ doch irre“, hat mal jemand gesagt. Das muss aber so, findet auch Kristell. Und dass er „positiv verrückt“ ist, sagt er von sich selber. Und das schließt eben auch ein, dass er kein Problem damit hat, sich für seinen Job mit anderen in die Haare zu kriegen – mit gegnerischen Fans (ich sage nur Bremen) oder auch eigenen Mitspielern.

Im Spiel trifft Gikis Groll nicht selten seine Vorderleute. Und dazu gehört auch Jeff Gouweleeuw, der in Sachen Karten und Charakter – soweit man das aus der Ferne beurteilen kann – auch nicht gerade ein Unschuldslamm ist. 2020/21 z.B. sammelte er mit 9 Gelben mit Abstand die meisten unter seinen Teamkollegen. Das Jahr darauf kam er auf die gleiche Anzahl, wobei er sie heuer schon jetzt geknackt hat. Dass Jeff und sein Keeper sich auf dem Feld nicht immer grün sind, blieb wohl den wenigsten verborgen. Schon gar nicht Medien, Experten oder Fans, die u.a. daran sahen, dass es beim FCA mit Gikiewicz nun hitziger zuging als noch mit seinem Vorgänger. Eine neue, so emotionsgeladene Personalie wie Giki verändert jedenfalls das Mannschaftsgefüge und auch die Sicht darauf. Man guckt jetzt verstärkt auf Augsburg, weil sich da jederzeit etwas entladen kann.

Word von Kristell alias Kristaldo (Quelle: Twitter)

Unnötiger Spitzenreiter 2022/23

Ich muss wieder kurz einlenken: Jemand wie Giki polarisiert, keine Frage. Aber hat das gleich einen Effekt auf den Ruf der gesamten Mannschaft? Ein klares Nein, wenn ruhigere, abgeklärtere Spieler wie früher z.B. ein JICB oder heute Felix Uduokhai neutralisieren können. Auch wenn Udo 2021 lange verletzt war und auch danach immer wieder, machte auch Maxi Bauer ab 2022 diesen Job gut. Ich tendiere aber zu „ja“, wenn weitere Spieler zur Mannschaft stoßen, die ähnlich emotionsgeladen sind. Und wenn diese Spieler schließlich einen erheblichen Anteil in der Mannschaft ausmachen.

Das war beim FCA diese Saison mit den Transfers von Mergim Berisha, Demi und auch Elvis Rexhbecaj so. So stark sie performen, so emsig sammeln sie auch Karten. Und das nicht nur für „herkömmliche“ Fouls, sondern auch für lautstarkes Reklamieren oder andere Unsportlichkeiten. Bei Rex liegt hier die Quote bei satten 4/5. Auch bei Demi liegt sie mit 3/5 über der Hälfte:

Die Spitze der Augsburger Kartentabelle (Werte: Kicker bzw. eigene Rekonstruktion)

Insgesamt haben die Schiedsrichter bis jetzt schon 69 gelbe, 2 gelb-rote und eine rote Karte an unsere Fuggerstädter verteilt, sodass sie den einsamen Spitzenplatz mit 80 Punkten einnehmen. Die TSG Hoffenheim folgt erst 11 Punkte dahinter. Von den gelben Kartons entfällt auch auf Mannschaftsebene ein beträchtlicher Anteil – nämlich mehr als ein Drittel! – auf vermeidbare Vergehen wie Meckern (12) oder andere Unsportlichkeiten (14). Noch nicht mitgerechnet sind da die vier Verwarnungen für die Bank rund um Reuter (2), Maaßen (1) und Videoanalyst Remigius Elert (1), die oft genauso impulsiv ans Werk geht wie das Personal auf dem Feld.

Kämpfen mit Köpfchen

Dass sich Spieler wie Staff mit ihrer Intensität (zu) oft schon über die Grenze des Erlaubten hinweggesetzt haben, ist die eine Sache, die dem FCA verstärkt den Ruf als Tretertruppe eingebracht hat. Die andere Sache ist, dass die vielen Karten, die der FCA schon im Herbst gesammelt hatte, eine Art selbstverstärkenden Effekt auslöst haben. Zum einen bei Schiedsrichtern, weil sie mit frühem, hartem Durchgreifen für Disziplin sorgen wollten. Und für Aktionen dann eben auch mal Gelb gaben, für die sie das sonst nicht getan hätten. Das belegt auch die Foulstatistik, in der der FCA mit 300 Vergehen „nur“ auf dem 6. Platz steht. Zum anderen bei Medien, die nicht müde werden, Augsburgs Kartenstatistik immer wieder einzustreuen und die Story von der „Tretertruppe“ so weiterzuverbreiten. (Wie übrigens auch ich hier.)

Dass der FCA sich durch die vielen, oft überflüssigen Karten selbst Nachteile eingehandelt hat, ärgert mich auf der einen Seite extrem. Ohne die 5. Gelbe gegen Jeff (Rudelbildung) hätten wir nicht ganz ohne etatmäßige Innenverteidigung nach Köln fahren müssen. Ohne die Gelb-Rote gegen Iago (taktisches Foul; Rempler) hätte am Ende wohl ein Sieg gegen Leipzig gestanden. Ohne die Rote jetzt gegen Demi hätten wir das 1:0 gegen Schalke vielleicht über die Zeit gerettet. Und das sind nur einige Beispiele. Da wünsche ich mir von den besonders gefährdeten Akteuren auf und neben dem Platz unbedingt mehr Contenance und Disziplin. Gerade im Interesse der Mannschaft und ihrem lädierten Ruf, der umso schwieriger wieder loszuwerden ist.

Wäre Iago nicht unnötig mit Gelb-Rot vom Platz geflogen, hätte der FCA gegen Leipzig womöglich 3 Punkte in der WWK-Arena behalten. (Foto: Carsten Harz/Getty Images)

Auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass mir das Kämpferische, Bissige und Impulsive, das der FCA im Moment in vielen Varianten präsentiert, ziemlich gefällt. Ich mag es, wenn mein Verein, die sonst graue Maus aus dem unteren Tabellendrittel, nicht mehr allen egal ist. Dafür sorgen die Geschehnisse auf dem Platz, die ich nicht immer gutheiße. Sie bieten uns Fans aber Raum für Diskussionen und noch mehr Emotionen. Aus meiner Sicht mit ein Grund, warum sich wieder mehr von uns ins Stadion begeben.

Vielleicht können wir als Kompromiss ja so verbleiben: Die unnötigen Karten wegen Meckerns und anderer Unsportlichkeiten um mindestens die Hälfte reduzieren, sodass der FCA kartenmäßig wieder Anschluss an die Konkurrenz bekommt und so seinen Tretertruppen-Ruf langsam wieder loswird. Trotzdem aber so sexy wie bisher mit Kampf und Leidenschaft auftreten. Cool wäre Kämpfen mit Köpfchen.

Auf leisen Pfoten

Es hatte sich schon länger angekündigt. Jetzt ist es also spruchreif. Sergio Córdova verlässt unseren FC Augsburg. „La Pantera“, der Panther, wie der nunmehr 25-jährige Stürmer in seinem Geburtsland Venezuela genannt wird, macht sich auf leisen Pfoten erneut auf in Richtung Major Soccer League und unterschreibt bei den Vancouver Whitecaps einen Vertrag bis Ende 2025 mit der Option auf Verlängerung um ein weiteres Jahr. Die Kanadier überweisen für Córdova eine stolze Ablösesumme von angeblich 2,1 Mio. Euro nach Schwaben.

Wir von der Rosenau Gazette wünschen dir, Sergio, für deine neue Station viel Erfolg! Auf dass es – wie zuletzt – wieder aufwärts für dich geht!

Der VfB hat das Nachsehen

Es war im Sommer 2017, als der damals 19-jährige venezolanische U20-Nationalspieler beim FCA anheuerte. (Im Doppelpack übrigens zusammen mit Gregerl, der vom HSV kam.) Ablösefrei (und nicht – wie andere Quellen schreiben – gegen eine Ablösesumme von 1 Mio. €) kam Córdova aus der Hauptstadt des südamerikanischen Landes, vom Caracas FC, über den großen Teich an den Lech. Während der Junioren-WM in Südkorea hatte er als junger, talentierter Knipser auf sich aufmerksam gemacht. Unter anderem auch die Schwaben vom VfB Stuttgart, die Córdova dann aber zur bayerischen Konkurrenz ziehen lassen mussten. Ausgestattet mit einem Fünf-Jahres-Vertrag plante der FC Augsburg langfristig mit ihm.

In der U20-Auswahl seines Landes Venezuela machte Córdova als 19-Jähriger europäische Clubs auf sich aufmerksam. (Photo: FEDERICO PARRA/AFP via Getty Images)

Augsburgs Edel-Joker

Mit großen Erwartungen an sich und seinen neuen Club ging’s für Córdova also nach Europa, Deutschland und in die Bundesliga. Klar, dass das für einen so jungen Mann nicht gleich auf Anhieb klappen kann. Der FCA sicherte seinem Neuzugang im Antrittsstatement daher auch „die nötige Zeit für die Eingewöhnung und Entwicklung“ zu. Aber die Eingewöhnung schien irgendwie nie ein Ende zu nehmen.

In seinen 75 Bundesligaspielen für die Augsburger durfte sich Córdova, der vor allem in der Sturmspitze agierte, nur zwei Mal über die vollen 90 Minuten zeigen. Zum Stamm gehörte er nie. Von den Trainern, unter denen er spielte – Baum, Schmidt, Herrlich und Weinzierl – wurde er lieber mit der Joker-Rolle bedacht. Sechs von seinen insgesamt sieben Treffern für den FCA hat Córdova nach Einwechslung erzielt und ist damit in Augsburgs nunmehr elfjähriger Bundesligageschichte Rekord-Joker.

Konkurrenz vor der Nase

Auch in den kommenden Jahren kam Córdova nicht an der teils neu rekrutierten Konkurrenz vorbei, z.B. in Person von Florian Niederlechner, der 2019 zum FCA stieß. Daher war die vorzeitige Vertragsverlängerung im Sommer 2020 auch verbunden mit einer einjährigen Leihe zum Bundesliga-Konkurrenten aus Bielefeld. Dort konnte der bullige Venezolaner sein Torekonto zwar um zwei weitere Treffer aufstocken, es lief aber wegen einer längeren Krankheitspause trotzdem nicht ganz wie erhofft. Beim enttäuschenden 0:0 bei Greuther Fürth am letzten Spieltag der Hinrunde 2021/22 trug Córdova für gut eine halbe Stunde das letzte Mal Rot-Grün-Weiß. Der Joker hatte nicht mehr gestochen.

Nicht ganz optimal lief die Leihe von Sergio Córdova 2020/21 zur Arminia. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Zweiter Frühling in den USA

Spätestens mit dem Pepi-Transfer Anfang Januar 2022 war klar, dass die Zukunft Córdovas nicht (mehr) in Augsburg liegt. Folgerichtig ließ er sich erstmals in die MLS zu Real Salt Lake City ausleihen. Offenbar hatte sich der Club schon vor dem Gang des Nachwuchsstürmers nach Europa das Erstzugriffsrecht auf ihn in den Vereinigten Staaten gesichert. Ob David Blitzer, der Anfang Januar 2022 neuer Mit-Eigentümer von RSL wurde, das Zustandekommen des Leihgeschäfts in irgendeiner Form vorangetrieben hat, ist nicht abschließend geklärt. Ausgeschlossen ist es aber auch nicht.

In Utah blühte der Nationalspieler, der sein Engagement fürs Nationalteam wegen der vielen, beschwerlichen Reisen von Europa nach Südamerika zuvor vorübergehend auch pausiert hatte, jedenfalls nochmal so richtig auf. Er absolvierte in nicht ganz einem Jahr 33 Ligaspiele und erzielte dabei neun Tore – so viele, wie in all seinen insgesamt 98 Bundesligaeinsätzen zusammen! Entsprechend schwer fiel ihm wie auch Salt Lake nach Leihende der Abschied. In den höchsten Tönen schwärmten die beiden Parteien voneinander.

Fürs Durchhalten belohnt

Gerade aus den USA zurückgekehrt und frisch zu seinen Noch-Mannschaftskollegen vom FC Augsburg gestoßen, wirkte Sergio im Trainingslager in Algorfa Anfang des Jahres dann auch so athletisch und agil wie schon lange nicht mehr. Trotzdem ist sein Weggang aus Augsburg wohl das Beste für beide Seiten.

Córdova ist in Vancouver nun das dauernde, beschwerliche Reisen zwischen den Kontinenten und die leidige Konkurrenz los, gegen die er nie richtig ankam. Außerdem kann er dort seiner Partnerin näher sein, ebenfalls Venezolanerin und als Model viel in den USA unterwegs, die er letztes Jahr mit viel Glamour auch heiratete.

Der FCA dagegen verdiente mit Córdova und dessen fünfeinhalbjährigem Engagement dem Vernehmen nach insgesamt 3,5 Mio. Euro und konnte damit ein sattes Transfer-Plus einfahren. Zudem konnte der Verein seinen Radikalumbau in der Offensive weiter vorantreiben und sich – nach Demirovic und Berisha im Sommer – mit weiteren, jungen und hungrigen Kräften wie Beljo, Cardona und Yeboah verstärken. In den Worte Stefan Reuters klingt diese Win-Win-Situation so:

„Sergio Córdova hat frühzeitig signalisiert, dass er gerne weiterhin in der MLS spielen würde. Nachdem wir gerade in der Offensive im Winter viel Qualität verpflichten konnten, wollten wir ihm diese Chance in Vancouver ermöglichen, zumal auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Wechsels für uns passen.“

Stefan Reuter zum Córdova-Transfer am 20.02.2023

Dass der Umbau, bei dem Córdova keine Berücksichtigung mehr fand, für Rot-Grün-Weiß aufgeht, zeichnet sich jetzt schon ab. Allerdings wäre dieser Schnitt weit schwieriger gewesen, wenn jemand, der so lange in der zweiten Reihe stand wie Córdova, irgendwann Ansprüche anmeldet und „unbequem“ wird. Das hat er – nach allem, was man als aufmerksamer FCA-Fan beobachten konnte – nicht getan. Danke dafür, Sergio, und für dein Durchhaltevermögen. Es hat sich spätestens jetzt auch für dich ausgezahlt.

Nice to have you here, Arne!

Zwischen den Jahren stellt sich ja oft so eine kleine Winterruhe ein. Je nachdem, ob man frei hat und in welcher Branche man arbeitet. Der FC Augsburg hat seine Spieler über Weihnachten und Neujahr jedenfalls in den Urlaub geschickt. Zum zweiten Mal. Dagegen ist seine Führungsebene nicht untätig geblieben. Denn kurz vor dem Jahreswechsel erfuhren wir Fans recht unvermittelt: Mittelfeldmann Arne Engels soll an den Lech kommen!

Der Wechsel ist mittlerweile in trockenen Tüchern und der Neuling am Mittwoch gleich ins Trainingslager mitgefahren, um seine Mannschaftskameraden kennenzulernen. Auch wir von der Rosenau Gazette wollen zum Start einmal kräftig winken und sagen: Nice to have you here, Arne!

Fußballjugend in Belgien

Denn noch ist es dem 19-Jährigen lieber, wenn man Englisch mit ihm spricht. Er ist in Belgien geboren und aufgewachsen. Seine Muttersprache ist Niederländisch, eine von drei Amtssprachen in dem Nachbarland. Die Jugendjahre von der U10 bis zur U12 verbrachte Engels beim KAA Gent, ehe er mit 12 Jahren zur Jugend-Akademie des belgischen Erstligisten FC Brügge wechselte. Dort kam er zuletzt beim Club NXT zum Einsatz, bei der Brügger „Zwoten“ in der 2. belgischen Liga, sowie bei der U19, die in der UEFA Youth League u.a. zwei Mal Bayer Leverkusen besiegte. Auch wenn es letztendlich nicht für den Einzug in die Zwischenrunde reichte.   

Von Klein auf hat Engels also die „klassische“ moderne Fußballausbildung genossen. Und mit Augsburg stand nun der nächste große Karriereschritt an, der ihn zum ersten Mal länger aus seinem Heimatland hinausführt.  

Beim Club NXT, der U23 des FC Brügge, durfte sich Arne Engels auch über das ein oder andere eigene Tor freuen. (Photo by FILIP LANSZWEERT/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Fähigkeiten und Rolle beim FCA

Der Augsburger Neuzugang ist mit seinen 1,85 Metern ein groß gewachsener, athletischer Typ, der sich beim Spiel gegen den Ball gut behaupten und den Gegner unter Druck setzen kann. Zudem ist er flink und laufstark – das sind genau die Eigenschaften, die Engels an der Bundesliga schätzt und beim FCA vor allem auf der rechten Außenbahn einbringen kann. Genau auf der Position, die in Enno Maaßens 4-4-2-System bis zur langwierigen Knorpelverletzung von André Hahn vor allem von diesem ausgefüllt worden war.

Engels zeichnet sich aber auch durch Flexibilität aus, d.h. er kann und will seine offensiven Qualitäten auch im zentralen Mittelfeld einbringen – eine weitere, lange (zu) dünn besetzte Position beim FCA. 2020 sagt der damals 16-Jährige über sich:

Meine Spezialitäten auf dem Platz sind Weitschüsse, lange Bälle und immer 100% geben, auch im Training.

Passage aus einem Kurzvideo des Club NXT vom 11.08.2020 (aus dem Niederländischen ins Deutsche übersetzt)

Das Ergebnis dieser Bälle – als Standards oder aus dem Spiel heraus – sind dann nicht selten feine Torvorlagen, von denen er bei seinem Ex-Club in der Hinrunde bereits 6 lieferte. Auch zwei Tore steuerte er bei. Gerade diese Vorlagen (und natürlich auch die Treffer) könnten in der Rückrunde, die für den FCA erneut hart werden wird, Gold wert sein.

Allerdings ist nicht zu erwarten, dass sich der „hochveranlagte Mittelfeldspieler“, wie Stefan Reuter von ihm schwärmt, auf der Stelle zur Stammkraft im Mittelfeld aufschwingen wird. Vielmehr wolle der Verein ihm die nötige Zeit geben, um ihn an die Bundesliga heranzuführen. Denn im Vergleich zur 2. Belgischen Liga ist die erste deutsche Spielklasse tatsächlich ein viel härteres Pflaster. Insofern ist die Verpflichtung von Talent Engels in erster Linie als kostengünstiges Invest in die Zukunft zu sehen. Denn er soll nur 100.000,- Euro Ablöse gekostet haben, während sein Vertrag viereinhalb Jahre bis Juni 2027 läuft. Trotzdem könnte er als Backup z.B. für Demi auf links oder seinen Namensvetter Arne Maier im Zentrum regelmäßig auf ein paar Einsatzminuten kommen.

Erste Eindrücke

Seine ersten Einsatzminuten von Beginn an bekam der Lockenschopf gleich am Samstag im Testspiel gegen Union Berlin. (Wobei er rein äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Mannschaftskollegen Julian Baumgartlinger hat.) Enno Maaßen ordnete ihn der zweiten Spielansetzung zu. Im zweiten Spiel wurden – anders als im ersten – vor allem Ersatz- und Nachwuchskräfte getestet. Das dürfte die künftige Rolle Engels‘ als Ergänzungsspieler in der ersten Mannschaft nochmals bekräftigen. Im Spiel agierte er auf seiner Paradeposition, der rechten Außenbahn. Seinen Gegenpart auf links bildete Lukas Petkov. Allerdings blieb der Neuzugang bis zur 77. Minute, als er durch U23-Stürmer Josué Mbila ausgeswechselt wurde, noch unauffällig. Was auch am glücklosen Spielverlauf insgesamt gelegen haben dürfte. Die Partie ging 1:4 verloren.

Dem vereinseigenen TV-Sender stand Arne Engels im Trainingslager dann auch schon im Interview Rede und Antwort. Wie er da im Lounge-Sessel lehnt, macht er einen leicht schüchternen, aber sehr gefassten und besonnenen Eindruck. Ähnlich beschreibt ihn auch der Trainer. Zwar räumt er ein, dass der Wechsel nach Augsburg „a quite hard step“ für ihn (gewesen) sei, da er dafür Freunde, Familie und auch seine Freundin in Belgien zurücklassen musste. Trotzdem wirkt er optimistisch, fokussiert und leistungsbereit. Nicht zuletzt, weil seine Freundin ihn so oft wie möglich in Schwaben besuchen kommen werden und weil ihm seine Mitspieler beim Eingewöhnen sehr helfen würden. Auch mit der Sprache. Dabei hebt er vor allem die englischsprachigen Spieler aus Skandinavien hervor, also die beiden Freddys und Mads Pedersen. Mit ihrer offenen Art können sie ihren neuen Mitspieler sicherlich schnell zum Auftauen bringen.

Wünsche

Wir wünschen dir, lieber Arne,

– dass du dich in Augsburg und im Team schnell einlebst und wohlfühlst,
– dass du dein Ziel erreichst, dich fußballerisch weiterzuentwickeln,
– dass du deine eigenen Erwartungen und die des Trainers erfüllen kannst,
– dass du möglichst viel Spielpraxis sammeln kannst und
– dass dir unser Lieblingsverein möglichst viele positive Erlebnisse, wie z.B. gleich am zweiten Tag im Trainingslager im Gewinnerteam zu sein, beschert.

Dann wird deine Zeit beim FC Augsburg bestimmt so, wie du im Interview gesagt hast: Es wird klappen, „it will be ok!“

Im Zick-Zack-Kurs

Als ich meinen letzten Artikel geschrieben habe, konnte ich nicht wissen, dass sich der FC Augsburg an diesem Tag an einem der zwei wichtigsten Knackpunkte der laufenden Bundesligasaison befand. Am 9. September 2022 war das.

Im Schnelldurchlauf will ich auf den Zick-Zack-Kurs zurückschauen, den der FCA seit dem Saisonstart durchgemacht hat und den auch Trainer Enno Maaßen kürzlich in bemerkenswerter Klarheit beschrieben hat. Vielleicht liefert das Testspiel gegen die Grasshoppers Zürich ja Hinweise darauf, in welche Richtung es weitergeht?

Erfüllung von düsteren Vorahnungen?

Bis zum (Vormittag des) 9. September 2022 war die Lage ziemlich düster: Nach fünf Spielen stand der FCA mit drei Punkten auf Rang 16 der Tabelle. Weniger Punkte hatten die Fuggerstädter nur in ihren ersten beiden Spielzeiten nach dem Bundesligaaufstieg (2011/12 und 2012/13) gesammelt. Besonders bitter schmeckte das 0:4 gegen die Freiburger gleich zum Saisonauftakt. Oder die 0:2-Heimniederlage gegen die Konkurrenz von Hertha BSC. Auch, weil mit Michael Gregoritsch und Marco Richter ehemalige Augsburger Treffer beisteuerten, die man sich so sehnlich für den FCA gewünscht hätte. Rein psychologisch war das nochmal ne Nummer schwerer zu ertragen.

Mitunter lag die Negativ-Serie auch am Lazarett, das der FCA vor allem in der Defensive vorzuweisen hatte. Oxford konnte erst gar nicht in die Saison starten. Uduokhai fiel wie Winther nach nur wenigen Spieltagen länger aus. Dazu gesellten sich kürzere Krankheitsphasen bei Gumny, und schon war fast die komplette Fünferkette ausgehebelt, die Maaßen bis dahin hatte spielen lassen. Da kam auch wieder hoch, dass die Geschäftsführung unsere lang gehegten Wünsche, jemanden für die rechte Abwehrseite zu verpflichten, nicht erhört hatte. „Ich hoffe nur, dieser lauwarme Transfersommer, der er letztlich war, rächt sich nicht“, hatte ich geschrieben. Leider sah es zu diesem Zeitpunkt ganz so aus.

Enno Maaßen beschrieb diese düstere Auftaktphase treffend so:

„Wir sind bescheiden in die Saison gestartet – auch aufgrund von langwierigen Verletzungen. Es hat etwas gebraucht, bis wir uns gefunden haben.“

Enrico Maaßen im Interview mit der AZ vom 17.11.2022
Ex-Augsburger Marco Richter hatte beim 2:0-Auswärtssieg seiner Hertha in der WWK-Arena gut lachen. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Und es hat „Zack“ gemacht

Ab dem (Abend des) 9. September stieg die Kurve aber plötzlich steil an. Den Ausschlag gab das wilde Spiel in Bremen, das nach gehaltenem (ungerechtfertigtem) Elfer durch unseren giftigen Giki mit 1:0 an den FCA ging, der fortan mit Viererkette spielte. Sensationell auch der 1:0-Heimsieg gegen die Bayern, das Niederringen der Schalker in Unterzahl und spätem Siegtreffer durch Hahn (2:3). Was das für ein Push fürs Team gewesen sein muss! Ich liebte diese Phase. Und bekam manchmal ein schlechtes Gewissen, weil ich kürzlich ja noch ziemlich dunkle Befürchtungen geäußert hatte. Aber da ließ ich mich natürlich gerne eines Besseren belehren!

Doch spätestens auf Schalke begann schon die manchmal unnötige Kartensammelei. Allein gegen Wolfsburg (1:1) setzte es davon sechs. Dadurch sicherte sich der FCA nicht nur den (bis heute besetzten) Spitzenplatz unter den Bundesligisten, sondern Kapitän Gouweleeuw und Bauer auch gleichzeitig ihre fünfte Gelbe, sodass der FCA ohne nominelle Innenverteidigung nach Köln (2:3) reisen musste. Das kompensierte Maaßen aber erneut mit Kreativität und das Team lieferte sich trotz dünnster Personaldecke einen munteren Schlagabtausch mit den Domstädtern. Dass der FCA nie aufhörte, Chancen kreieren zu wollen, freute mich trotz Niederlage.

Für diese Sturm- und Drangphase seiner Schützlinge findet der Trainer folgende Worte:

„Nach der anspruchsvollen Startphase haben wir uns als mentalitätsstarkes Team präsentiert und wirklich gute Spiele gezeigt und eine Euphorie rund um den Verein erzeugt. Der mittlere Teil der Hinrunde hat gestimmt; Leistung und Punkteertrag waren im Einklang.“

Enrico Maaßen im Interview mit der AZ vom 17.11.2022
So sehen Bayern-Besieger aus! (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Von Leipzig aus auf Talfahrt

20. Oktober 2022. Nach dem 9. September stellt dieses Datum den zweiten Knackpunkt in der bisherigen Saison dar. Denn da brachte der FC Augsburg das Kunststück fertig, zu Hause gegen die Leipziger Dosen einen 3:0-Vorsprung zu verspielen (3:3). Nach Iagos leichtfertigem Doppel-Gelb brach die Ordnung in der Defensive auseinander, was RB zum Anschluss verhalf. Mental besonders schwierig muss es für die Spieler aber gewesen sein, dass die Gegentore 2 und 3 in den letzten beiden Minuten fielen und der sicher geglaubte Heimsieg noch flöten ging.

Ob es nun tatsächlich an diesem späten Leipziger Nackenschlag lag oder nicht. Klar ist jedenfalls, dass die Augsburger Kurve nach dem Leipzig-Spiel (wieder) massiv abfiel und der FCA weitere 4 Partien ohne Sieg blieb. Vorläufiger Tiefpunkt war schließlich das Sechspunkte-Spiel daheim gegen (Mit-)Abstiegskandidat Bochum (0:1). Darin kulminierte erneutes Verletzungspech (Gouweleeuw und Gruezo mussten früh raus), eine verunsicherte Abwehr (der in die Startelf zurückgekehrte Oxford verschätzte sich beim Gegentor) und eine uninspirierte Offensive (Berisha vergab einen Strafstoß leichtfertig, der den Ausgleich bedeutet hätte). Puh. Das mussten Spieler und auch wir Fans in der Pause vor der WM erstmal verarbeiten.

Der Chefcoach geht in dieser dritten Phase mit seinem Team nicht ganz so hart ins Gericht, sieht aber auch in den Ergebnissen das Problem:

„Im letzten Teil der Hinrunde haben wir zumeist sehr ansprechende Leistungen gezeigt, können aber mit der Punkteausbeute nicht zufrieden sein. Vor allem das Leipzig-Spiel, bei dem wir 3:0 geführt haben und doch noch 3:3 gespielt haben, ist sinnbildlich hierfür.“

Enrico Maaßen im Interview mit der AZ vom 17.11.2022

Wohin zeigt die Leistungskurve?

Jetzt ist diese erste Pause also vorbei. Der Bochum-Schock hoffentlich verdaut. Am Montag startete das Mannschaftstraining. Was gleich auffiel: In der ersten Trainingswoche fehlten wieder eine ganze Reihe von Spielern oder trainierten individuell. Die WM-Fahrer Vargas, Gruezo und Gumny sind noch nicht zurück, Iago erkältungsbedingt auch nicht. Individuelles Training absolvierten Gouweleeuw, Jensen, Berisha und Dorsch und auch Pedersen und Baumgartlinger mussten langsamer treten.

Mergim Berisha kann es nach seinem vergebenen Elfmeter gegen Bochum nicht fassen. (Photo by Alexandra Beier/Getty Images)

Entsteht da wieder ein Lazarett? Muss Maaßen erneut flexibel aufstellen, weil ihm auf einzelnen Positionen die Spieler ausgehen (bzw. er dort einfach nicht genug hat)? Darum brauchen wir uns keine Sorgen machen. Denn es sieht so aus, als werden nahezu alle – außer die Langzeitverletzten Strobl und Hahn – im Trainingslager Anfang des Jahres mittrainieren können. Auch Niklas Dorsch, der Ende Januar in Dortmund vielleicht sogar schon sein Comeback feiern kann.

Positive Vorzeichen

Im Testspiel gegen den Schweizer Erstligisten Grasshoppers Zürich habe ich neben der sich verbessernden Personallage noch weitere positive Aspekte gesehen, auf denen sich aufbauen lässt und die Hoffnung machen, dass der FCA Ende Januar einen erfolgreicheren Restart in die Bundesliga erwischt als noch Anfang August.   

Erst einmal gewannen unsere Fuggerstädter mit 3:0. Klingt trivial, ist es angesichts der geschilderten Leipzig-Erfahrung oder einer nicht sehr erfolgreichen Testspielphase vor Saisonbeginn aber nicht. Zudem stand dem FCA, dem einige Spieler fehlten, auf dem verschneiten Trainingsgelände der Tabellensiebte der Schweizer Liga nahezu in Stammbesetzung gegenüber.

Arbeiten an der Form

In der ersten Hälfte gelang Freddy Winther, Lukas Petkov und Arne Maier jeweils ein Treffer. Für mich waren das auch die Akteure, die abgesehen von ihren Toren am meisten herausstachen. Winther, der zuletzt ohne Einsatz im Kader blieb, durfte sein Können als Linksverteidiger über die vollen 90 Minuten unter Beweis stellen, was gerade dann relevant werden könnte, wenn – wie im Moment – Iago fehlt und Pedersen in der Viererkette auf die rechte Seite beordert wurde.

Arne Maier gehörte beim Testspiel gegen Grasshoppers Zürich zu den Besten. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Schade, dass das FCA TV bei Winthers Tor und auch bei dem von Petkov, der auf dem linken Außenflügel zum Einsatz kam, streikte. Den Treffer von Maier, der maßgeblich auf ein Dribbling und eine schöne Flanke von Petkov zurückging, konnten wir Fans dann jedoch wieder live miterleben. Maier, der zuletzt oft nur von der Bank kam, spielte ebenfalls durch, wirkte spritzig und wach und bekam einige kluge Pässe in die gefährliche Zone. Das macht definitiv Lust auf mehr und lässt hoffen, dass er zum Bundesliga-Restart im zentralen Mittelfeld zu alter Form zurückfindet.

Chancen für Altgediente und junge Hüpfer

Nach der (wetterbedingt kurzen) Pause vertraute Chefcoach Maaßen weiter seiner Startaufstellung. Nur Tomáš Koubek ersetzte Rafał Gikiewicz zwischen den Pfosten. Dabei zeigte Koubek – wie schon in den vier Partien, in denen er unsere Nr. 1 vertrat – gute Leistungen, konnte sogar einen (wenn auch dürftig getretenen) Strafstoß halten und sich gegenüber potentiellen Interessenten weiter empfehlen.

Nach einer Stunde durften sich dann die jungen Wilden aus dem eigenen Stall ausprobieren. Zehnter, der dieses Jahr seinen ersten Profivertrag unterschrieben hatte, kam für Petkov. Ivanovic aus der U23 sprang für Niederlechner in der linken Sturmspitze ein. Und Kömür aus der U19 ersetzte Baumgartlinger auf der rechten Seite. Die letzten zehn Minuten durften dann auch noch Müller (für Demirović) und Wessig (für Rexhbecaj) aus der Zwoten ran, wobei sich gerade der bullige Müller einige Bälle sehenswert erkämpfte und im Zusammenspiel mit Ivanovic und/oder Maier gut harmonierte.

Nachwuchsarbeit und Fehleranalyse

In Testspielen ist es natürlich nichts Ungewöhnliches, dass Nachwuchsspieler die Chance bekommen, sich zu zeigen. Das war auch unter früheren Trainern so. Auch könnte man jetzt unken, dass der Durchbruch von Lukas Petkov in dieser Saison weniger mit gezielter Nachwuchsarbeit als vielmehr mit der Tatsache zusammenhängt, dass es nach dem Ausfall von André Hahn schlichtweg niemand anderen auf der Außenbahn gab. Dafür sehe ich aber keine Anhaltspunkte. Enno Maaßen, der ja unter anderem für die Förderung von Nachwuchskräften geholt wurde, scheint diese in der Tat konsequenter zu verfolgen als seine Vorgänger. Und das ist auf mittel- bis langfristige Sicht verheißungsvoll. Vielleicht auch schon kurzfristig für den kommenden Bundesliga-Restart.

Auch gegen die Züricher gab es zwar wieder so manche Unkonzentriertheit in der Defensive, wodurch sich einige gefährliche Torchancen ergaben, die die Schweizer – zum Glück für den FCA und anders als andere Gegner – aber nicht nutzten. Trotzdem bin ich guter Dinge, dass spätestens das Trainingslager den Augsburger Defensivkräften genug Zeit bietet, sich (wieder) besser aufeinander einzuspielen. Bei dauernd wechselnden Konstellationen und der erst kürzlich erfolgten Rückkehr von Reece Oxford konnte das verständlicherweise kaum gelingen.

Außerdem gefällt mir, dass Maaßen, wie wir gesehen haben, solche Defizite und Entwicklungen immer sehr klar benennt und sie so auch bearbeitet werden können. Vielleicht hat das im nächsten Testspiel am Freitag gegen den FC Heidenheim ja schon ein kleines Bisschen geklappt. Ich werde wieder dabei sein.

Punktuell Ersatz, aber kaum Verstärkung

Im August ist in Bayern Urlaubszeit. Auch ich war unterwegs. Mit dem Kanu auf allerlei deutschen Flüssen. Dabei habe ich aber auch ein bisschen Urlaub genommen von unserem FC Augsburg. Nach dem verpatzten Saisonauftakt gegen Freiburg wollte ich eine Weile einfach nichts hören und sehen. Den Kopf in den Sand zu stecken, hilft aber natürlich auch nichts. Das wissen wir FCA-Fans nur zu gut. Und so will ich, was unseren Lieblingsverein angeht, wieder etwas konstruktiver sein und mal versuchen, die zurückliegende Transferperiode zu bewerten. Top oder flop? Gehen wir’s an.

Heißer Sommer?

Am 1. Juli öffnete das Sommertransferfenster, am 1. September um 18.00 Uhr schloss es und dauerte dieses Jahr sogar einen Tag länger als sonst. Der Anfang Juni frisch zum Verein gestoßene Enno Maaßen musste sich wahrscheinlich erst einmal mit dem vorhandenen Kader auseinandersetzen. Daher blieb die Augsburger Wechselgerüchteküche am Anfang noch ziemlich kalt. Eiskalt, wenn ihr mich fragt. Verglichen mit der Konkurrenz.

Nach der anfänglichen Kühle tat sich aber noch etwas und allmählich konnte man das mittlerweile schon bekannte FCA-Schema beobachten: Weil der Verein versucht, möglichst wenig vorher durchsickern zu lassen, hört man über die Medien erst nichts und dann innerhalb kürzester Zeit plötzlich ganz viel. Von der Gesprächsaufnahme über die Vertragsmodalitäten bis hin zur offiziellen Bekanntmachung. Im Grunde lief es bei den „größeren“ Ins und Outs des diesjährigen Sommers, die ich euch jetzt vorstellen will, wieder exakt so.

Zugänge

Mergim Berisha

Einen Tag vor dem Deadline-Day sicherte sich der FCA die Dienste von Stürmer Mergim Berisha, der leihweise für ein Jahr von Fenerbahce Istanbul kommt. Die Torgefährlichkeit des 24-Jährigen hatte zwar in seiner vergangenen Süper Lig-Saison gelitten. Aber genau um seine Bilanz durch Spielpraxis wieder aufzubessern und sich den Wunsch Bundesliga zu erfüllen, schloss sich der Mittelstürmer, der auch als hängende Spitze und Vorlagengeber fungieren kann, dem FC Augsburg an. Der hat mit seiner Leihgabe, die ihm um die 300.000 Euro kostete, einen guten Deal gemacht. Er könnte sich in der aktuell schwächelnden Offensive bezahlt machen. In der Form, die Berisha 2020/2021 bei RB Salzburg gezeigt und die ihm u.a. auch zum Titel des U21-Europameisters verholfen hat, könnte das klappen. Zudem braucht der robuste Stürmer, zu dem ihr hier weiteren Gazetten-Content findet, Hilfe aus dem Mittelfeld.

Ermedin Demirović

Berisha stößt in der Sturmspitze auf seinen möglichen Partner Ermedin Demirović, der im Tausch mit Michael Gregoritsch als erster Sommertransfer vom SC Freiburg gekommen war und beim FCA einen Vertrag bis 2026 unterschrieben hat. Der bosnisch-herzegowinische Nationalspieler lernte seine neuen Teamkollegen noch im Trainingslager kennen. Seine Stärken, u.a. den direkten Weg zum Tor, konnte er in den ersten Spielen aber noch nicht ausspielen. 1,5 Schüsse pro Spiel in den vergangenen vier Spielen, in denen Demi zur Startelf gehörte, sind für einen „echten“ Neuner gelinde gesagt viel zu wenig. Diese Harmlosigkeit vor dem Tor stellt zur Verteidigung des gebürtigen Hamburgers, der wie Berisha 24 ist, allerdings kein individuelles Problem dar. Es ist ein Teamproblem. Womöglich lässt sich das mit Berisha als zweiter Sturmspitze neben Demi zumindest lindern. Dieser soll seinen neuen Kollegen übrigens gut aufgenommen haben.

Elvis Rexhbecaj

Im Grunde aus der Not heraus geboren wurde der Transfer von Elvis Rexhbecaj. Nur vier Tage, nachdem Ende Juli feststand, dass Leistungsträger Niklas Dorsch wegen eines Mittelfußbruches im defensiven Mittelfeld länger ausfallen wird, tütete das Management um Stefan Reuter den Neuzugang vom VfL Wolfsburg für ca. 1,7 Mio. Euro plus Boni ein. Die relativ kurze Reaktionszeit muss man hier lobend hervorheben. Und auch, dass der 24-jährige Deutsch-Kosovare im Mittelfeld vielseitiger als „nur“ als Ersatz für Dorschi einsetzbar ist. Nämlich auch im zentralen und offensiven Mittelfeld, wie das z.B. in Bochum, Elvis‘ letzter Leihstation, der Fall war. Auch beim FCA übernahm er in den vergangenen Ligaspielen und im Pokal zum Teil diese Rolle. Jedoch noch nicht allzu erfolgreich. (Zu) viele Pässe kamen nicht an, einige Male fehlte der Biss, um in den Zweikampf mit dem Gegner einzusteigen. Trotzdem kann sich Elvis, zu dem ihr hier noch mehr von uns lesen könnt, auch nach Dorschis Rückkehr durchaus zur soliden Ergänzung im (gesamten) Mittelfeld mausern. Nicht umsonst wurde er längerfristig bis 2026 verpflichtet.

Julian Baumgartlinger

Dagegen wurde der 34-jährige Routinier Julian Baumgartlinger zunächst nur für ein Jahr verpflichtet. Bis zum 1. Juli 2022 ist Bayer 04 Leverkusen sein letzter Arbeitgeber gewesen. Zwar hat der Österreicher ganze 239 Bundesligaspiele vorzuweisen und bringt auch ordentlich Erfahrung aus seinem Nationalteam mit. Allerdings ist auch die Verletzungshistorie des defensiven Mittelfeldmanns nicht von schlechten Eltern. In seiner letzten Saison bei der Werkself stand er insgesamt keine 90 Minuten (!) auf dem Platz. Daher halte ich die kurze Vertragsdauer für sinnvoll, um darüber hinaus kein Risiko mit Verletzungen einzugehen. Wenn die Gesundheit hält, kann Baumgartlinger mit seiner Erfahrung und Ausstrahlung durchaus eine wertvolle Ergänzung auf der Sechserposition sein. Weitere Details zu ihm findet ihr hier.

U19-Linksverteidiger Aaron Zehnter hat im Juni einen Profivertrag bekommen – und nach der Saison vielleicht ein paar Einsatzminuten. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Weitere Zugänge

Neben diesen „echten“ Neuzugängen in der heißen Phase der Transferperiode gibt es auch Personalien, die schon vorher bekannt waren. Schon im Februar sicherte sich der FCA ablösefrei die Dienste des damaligen Fürthers Maximilian Bauer (22). Als Profiteur von der Verletzung von Felix Uduokhai und Reece Oxford hat er sich in der Innenverteidigung inzwischen zum Stammspieler aufgeschwungen, obwohl er ursprünglich nur als Backup gedacht war. Der gebürtige Niederbayer würde sich über mehr Konkurrenz sogar freuen. Dass Arne Maier (23), der nach Leihe von Hertha BSC für angeblich 5 Mio. verpflichtet wurde, im zentralen Mittelfeld unverzichtbar ist, muss ich, glaube ich, nicht weiter erklären. U19-Linksverteidiger Aaron Zehnter (17) bekam im Juni von Stefan Reuter einen Profivertrag unterbreitet, während die Leihe von Rechtsaußen Lukas Petkov (21) beim SC Verl endete. Beide Youngsters dürfen sich zumindest Kurzeinsätze im Seniorenteam erhoffen. Auf Torwart Benjamin Leneis (23), ebenfalls nach Leihe an den Lech zurückgekehrt und nun vierter Torhüter, trifft das hingegen nicht zu.

Abgänge

Michael Gregoritsch

Wie schon unter den Zugängen geschrieben, verabschiedete sich unser „Gregerl“ Anfang Juli im Tausch mit Demirovic ins Breisgau. Vor Saisonbeginn gab es nicht wenige, die bei diesem Geschäft leichte Vorteile auf Seiten des FCA sahen. Jetzt, nach fast fünf Spieltagen, muss man leider neidlos anerkennen, dass sich das Blatt eindeutig in Richtung SC Freiburg gewendet hat. Der 1,93 Meter-Hüne ist in Topform. Er hat in fünf Spielen bereits drei Mal selbst getroffen und ein Tor vorbereitet. Dagegen kommt Demi nur auf ein Tor und eine Vorlage. (Wobei das Sonntagsspiel gegen die Hertha hier noch nicht eingerechnet ist.) Natürlich können sich diese Quote noch ändern, aber zum jetzigen Stand kann man Gregoritschs Transfer aus Augsburger Sicht nicht anders als mit einem weinenden Auge beurteilen.

Michael Gregoritsch dreht unter der Ägide von Christian Streich weiter auf – so weh es dem FCA-Herz tut. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Ricardo Pepi

Dass Ricardo Pepi, der erst Anfang Januar für die Rekordsumme von ca. 16 Mio. Euro aus der MLS an den Lech gewechselt war, kurz vor Schließen des Transferfensters noch verliehen wurde, wunderte eigentlich niemanden so recht. Er agierte bisher glücklos, schien in Augsburg immer noch nicht recht angekommen zu sein. Dass er beim niederländischen FC Groningen Spielpraxis und Selbstvertrauen sammelt, ist ihm mehr als zu wünschen. Und trotzdem wirkt diese Entscheidung von Vereinsseite wie ein Fehlereingeständnis. Wie ein Fehler, den man mit der Leihe des 19-Jährigen möglichst wieder ausbügeln will. Mindestens finanziell ist er aber nicht mehr so schnell reparabel. Da ändert auch die mutmaßliche Gebühr von 500.000 Euro nichts im Geringsten. Das ist der mächtig bittere Beigeschmack an der Pepi-Leihe.

Weitere Abgänge

Am Deadline-Day verlieh der FCA außerdem noch Jungstürmer Maurice Malone (22) für ein Jahr zum Wolfsberger AC in die Österreichische Bundesliga. Es ist seine dritte Leihe. Die neu geholte Konkurrenz im Sturm ist aber zu groß für ihn. Zu Austria Lustenau nach Österreich ging es leihweise auch noch für Henri Koudossou, 23-jähriger rechter Mittelfeldspieler aus der U23, der erst im Juni seinen ersten Profivertrag bei Augsburg unterschrieben hat. Auch Felix Götze (24), defensives Mittelfeld, wurde kurz vor „Ladenschluss“ erneut verliehen. Nach Kaiserslautern ist für ein Jahr nun Rot-Weiß Essen an der Reihe, wobei RWE in der Kaufpflicht steht, sollte es den Verbleib in der 3. Liga schaffen. Schon etwas früher hatte es auch Linksaußen Lasse Günther (19) leihweise in die 2. Liga zum SSV Jahn Regensburg verschlagen. Durch die Rückkehr von Ruben Vargas wahrscheinlich ebenfalls vor allem konkurrenzbedingt.

Einige Abgänge wurden auch schon vor Beginn der heißen Transferphase am 1. Juli besiegelt. Von Mittelfeldmann Tim Civeja (20), der sich zum FC Ingolstadt in die 3. Liga ausleihen ließ, weil er in der vergangenen Saison in der ersten Mannschaft keine Einsatzminuten bekommen hatte. Und vom rechten Außenverteidiger Jozo Stanić (23), der leihweise in die erste kroatische Liga wechselte. Darüber hinaus wurde der einjährige Leihvertrag von Andi Zeqiri (23) nicht verlängert. Ebenso wenig wie die Verträge der Urgesteine Jan Morávek (32) und Alfred Finnbogason (33). Mora, der zu seinem Stammverein Bohemians Prag zurückgekehrt ist, soll gegen die Hertha verabschiedet werden. Für Finnbo, der beim dänischen Lyngby BK anheuerte, werden ebenfalls Termine geprüft. Das klingt wie Musik in meinen Ohren!

Fazit

Um es erst kurz zusammenzufassen: Die „großen“ Augsburger Transfers des Sommers sind Berisha (ca. 300.000 Euro, Leihe), Demirovic (0 Euro, Tausch), Rexhbecaj (1,7 Mio. Euro) und Baumgartlinger (ablösefrei) auf der Seite der Zugänge. Schon zuvor wurden Bauer (ablösefrei) und Maier (5 Mio. Euro) verpflichtet. Auf der Seite der Abgänge verzeichnen wir Gregoritsch (0 Euro, Tausch) und Pepi (500.000 Euro, Leihe) sowie eine Reihe von jungen Spielern, deren Verleihgebühren – wenn überhaupt – nicht ins Gewicht fallen dürften.

Auf der In-Seite wirkt das erst einmal ordentlich. Gerade wenn man sich diese Passage aus dem Kicker kurz nach Amtsantritt des neuen Trainers in Erinnerung ruft:

„Maaßen hält den Kader prinzipiell für gut und ausgewogen, auch von der Altersstruktur her. Den Nachwuchs möchte er fördern – das verlangt auch Reuter – und während der Vorbereitung schauen, auf welchen Positionen vielleicht doch Bedarf an Neuzugängen besteht. Am ehesten wohl in der Offensive. ‚Wir wollen niemanden für die Breite. Wenn, dann soll uns ein Neuer besser machen‘, sagte er.“

Passage aus dem Kicker vom 20.06.2022

Dieser Bedarf wurde offenbar in der Offensive gesehen, die daraufhin im Grunde jetzt ja komplett umgekrempelt wurde. Berisha und Demi ins erste Glied als Verstärkung, Florian Niederlechner ins zweite, Pepi und Malone verliehen. Bumm! Allerdings ist Demirovic im Vergleich zu Gregoritsch leider noch keine Verstärkung, sondern allerhöchstens Ersatz. Zusammen mit Sturmneuling Berisha könnte sich das aber bessern.

Dass sich Niklas Dorsch erneut so schwer verletzen würde, konnte niemand ahnen. Den sich dadurch eröffnenden Bedarf im defensiven Mittelfeld hat die Führungsebene schnell mit Rexhbecaj und Baumgartlinger geschlossen. Vor allem Rexhbecaj macht Fortschritte, im Mittelfeld dieser Ersatz zu sein. Da der Österreicher für die 6er-Position zuständig ist, plant man mit Elvis eher zentral. Allerdings ist er hier auch noch keine Verstärkung. Vielmehr hätte man im kreativen Mittelfeld zusätzlich jemanden gebraucht. Wie dünn es auf dieser Position aussieht, zeigt sich an der kürzlichen Verletzung von Freddy Jensen. Und was ist, wenn auch noch Maier ausfallen sollte?

Laut Medienberichten fahndete der FC Augsburg – neben Offensivkräften – durchaus auch nach weiteren Spielern auf dieser Position. Symptomatisch ist hier aber z.B. ein Jens Stage vom FC Kopenhagen, der bereits Anfang des Jahres vom FCA hofiert wurde, den im Sommer allerdings nun Ligakonkurrent Werder Bremen für 4 Mio. Euro zu sich locken konnte. Einfach nur ärgerlich.

Lauwarmer Sommer

An den relativ niedrigen Ausgaben (s.o.) sieht man, dass der FCA erpicht darauf war, im Sommer keine allzu großen Transfersummen zu verausgaben. Sein anfängliches Argument war ja auch: Der Kader sei gut und ausgewogen. Dass einige Mannschaftsteile wie z.B. das zentrale Mittelfeld aber Nachholbedarf hatten, wurde zu Saisonstart offensichtlich. Auch für die anderen. Dadurch konnten sie den FCA womöglich in seiner Verhandlungsposition schwächen. Von ihm in seiner „Not“ höhere Preise verlangen. Letztlich hat sich die sportliche Leitung wahrscheinlich aber selbst in diese schwierige Lage manövriert. Mit dem 16 Millionen-Transfer von Pepi hat sie suggeriert, Geld zu haben, das die Konkurrenz womöglich jetzt von ihr verlangt. Das sie mittlerweile aber nicht mehr hat und auch nicht in vergleichsweise „billige“, aber notwendige Transfers wie Stage stecken kann. So müssen die Löcher in der Zentrale und auf der Rechtsverteidigerposition ungestopft bleiben. Ich hoffe nur, dieser lauwarme Transfersommer, der er letztlich war, rächt sich nicht.

Der Dritte im Bunde

Nicht wenige von uns FCA-Fans sitzen seit Tagen vor den Endgeräten und hoffen inständig darauf, dass unser Lieblingsclub vor Schließen des Transferfensters noch zuschlägt. Gestern verbreitete sich auf Social Media dann (endlich) eine neue Nachricht. Nicht einmal einen Tag später machte sie der FC Augsburg offiziell: Mergim Berisha, Mittelstürmer in Diensten von Fenerbahce Istanbul, wird bis Saisonende leihweise an den Lech kommen. Gegen eine Gebühr von kolportierten 300.000 Euro mit Kaufoption. Griaß di, Mergim! Herzlich willkommen in unserer schönen Stadt!

Aber mit wem bekommen wir es da eigentlich zu tun? Und wie kann Berisha dem FCA weiterhelfen?

Von Oberbayern nach Salzburg

Die Fußballerkarriere von Mergim Berisha nimmt schon recht früh konkrete Formen an. 1998 im oberbayerischen Berchtesgaden geboren, kickt der heute 24-Jährige zunächst für den benachbarten FC Bischofswiesen, zu dem er bis heute eine gute Beziehung pflegt. Mit zehn Jahren zieht es den Sohn kosovo-albanischer Eltern dann ins österreichische Salzburg, wo er ab 2008 neben dem Gymnasium auch die Fußballakademie von RB Salzburg besucht und dort alle Jugendmannschaften durchläuft.

Zu seinem Profidebüt kommt Berisha mit knapp sechzehneinhalb Jahren im November 2014 beim FC Liefering, dem „Farmteam“ des RB Salzburg, das damals noch erstklassig spielt. Sein Profieinstand hätte für den Jungspund nicht besser laufen können. Zum 3:0-Sieg seiner Mannschaft steuert er gleich mit seinem ersten Ballkontakt den dritten Treffer bei.

Sozusagen aufgezogen im RB-Stall, unterschreibt Mergim Berisha seinen ersten Profivertrag dann auch fast folgerichtig bei Salzburg.

Geballte Erfahrung als Leihspieler

Gerade in seinen Anfangsjahren als Fußballprofi kann Mergim aber auch außerhalb Salzburgs reichlich Erfahrung sammeln. Im Sommer 2017 wird er für eine Saison an Ligakonkurrent LASK Linz verliehen, der damals von Oliver Glasner trainiert wird. Dort erledigt er, bevor er einen Bänderriss erleidet, seinen Stürmerjob so gut, dass ihn der heutige Frankfurt-Coach gerne behalten hätte. Doch im Folgejahr verleiht Berishas Arbeitgeber ihn weiter. Erst an Zweitligaaufsteiger FC Magdeburg, wo er jedoch keine Rolle spielt. Daher geht es Anfang 2019 zurück in die österreichische Liga zum SCR Altach, wo der Stürmer nun nachhaltig auf sich aufmerksam macht. In dieser Zeit wird er auch erstmals für die deutsche U21-Nationalmannschaft nominiert.

Davon wohl beeindruckt, holen die Salzburger Berisha 2020 wieder zu sich. Die ersten Monate kann sich der mittlerweile 21-Jährige zwar noch nicht recht gegen seine Konkurrenz durchsetzen. In der Saison 2020/2021 gelingt ihm dann aber der endgültige Durchbruch. Mit der österreichischen Meisterschaft, dem Cup und der U21-Europameisterschaft flattert Berisha ein Titel nach dem anderen ins Haus. Ganz zu schweigen von seinen sechs Einsätzen in der Champions League in jener Spielzeit. Nach insgesamt 13 Jahren, in denen Berisha Salzburger Luft geschnuppert hat, wechselt er 2021 schließlich in die Türkei zu Fenerbahçe Istanbul, mit dem er es zu weiteren sechs Europa-League-Einsätzen und zur Vizemeisterschaft bringt.  

Ausgewählte Daten und Fakten

Gerade Berishas Leistungen in CL und EL sind es, die der FC Augsburg in seine Pressemitteilung eingebaut hat (und mit denen er natürlich auch die Qualität des Spielers unterstreichen will): Berisha kann

für RB Salzburg in der Champions League in sechs Spielen sechs Torbeteiligungen (vier Tore, zwei Vorlagen) sowie für Fenerbahce in der Europa League in sechs Begegnungen drei Scorerpunkte aufweisen.“

Pressemitteilung des FCA zum Berisha-Wechsel vom 31.08.2022

Selbst wenn einige wenige Spieler im aktuellen Kader ebenfalls CL-Erfahrung vorweisen können, z.B. Daniel Caligiuri, André Hahn oder Neuzugang Julian Baumgartlinger, so ist Berishas Scorer-Quote hier schon ziemlich phänomenal.

Auch sonst lassen sich die Daten des 1,88 m großen Rechtsfußes durchaus sehen. Gerade in solchen „Hochphasen“, in denen er nicht hinter der Konkurrenz zurückstecken musste oder ihn Verletzungssorgen plagten. 2016/17 bei Liefering z.B. brachte es Berisha in 30 Spielen auf 14 Tore und zwei Vorlagen. In seiner Linzer Zeit kam er in 20 Spielen immerhin auf sechs Tore und fünf Vorlagen. Für Altach sammelte er bei 34 Einsätzen sogar 16 Treffer und 10 Assists. Für mich kein Wunder, dass Salzburg seinen Spieler nach dieser Phase wieder zurückhaben wollte, um selbst von seinen Leistungen zu profitieren.

Mergim Berisha bindet im 2. Gruppenspiel der U21-EM gegen die Niederlande zwei Gegenspieler. (Photo by ATTILA KISBENEDEK/AFP via Getty Images)

Die Saison 2020/2021 stellt für Mergim Berisha entsprechend einen Höhepunkt in seiner Karriere dar, der sich auch in den Aufzeichnungen widerspiegelt. Dort stehen in 42 Einsätzen für die roten Bullen (Liga, Cup, EL und CL) insgesamt 22 Treffer zu Buche, zu denen noch 14 Vorlagen hinzukommen. Die U21-Europameisterschaft und der Titelgewinn dürften ein weiteres Highlight gewesen sein. Im ersten Gruppenspiel, beim 3:0 gegen Ungarn, legte Berisha als hängende Spitze für Teamkollege Ridle Baku sogar einen Treffer auf. Während des Turniers spielte er sich, ob zentral oder auf links außen, außerdem mit unseren beiden Mittelfeldmännern Maier und Dorsch warm. Womit er in Augsburg nun der dritte im Bunde ist, der sich U21-Europameister nennen darf.

Position und Spielertyp

Wie schon angeklungen, agiert Berisha auf dem Feld als klassischer Mittelstürmer, der aber auch auf den Rechts- und Linksaußenpositionen sowie als hängende Spitze eingesetzt werden kann. Nicht umsonst hat ihm der FC Augsburg die Rückennummer 11 überlassen. Bei Altach spielte er z.B. ausschließlich als Mittelstürmer, in Liefering dagegen am häufigsten dahinter. Bei Salzburg trat er oft mit zweiter Sturmspitze (meist mit Patson Daka) auf, die hinter sich einen zentral offensiven Mittelfeldspieler hatte, der beide bediente. Die vielen Vorlagen zeigen aber auch, dass der Augsburger Neuzugang auch „Bedienung“ kann. In Salzburg kam er vereinzelt sogar im offensiven oder rechten Mittelfeld zum Einsatz, was bedeutet, dass er in der Offensive recht flexibel einsetzbar ist.

Neben guter Ballkontrolle und Schusstechnik, die sich u.a. auch bei Standards bewährt, ist auch Berishas Beitrag zur Defensive, frühes und gezieltes Pressing sowie klärende Aktionen, nicht zu unterschätzen. Die robuste Physis kommt dem 1,88-Meter-Mann dabei zugute. Man kann sich gut vorstellen, wie er im Sechzehner dadurch so manchen Gegner in Zaum halten kann. Reuter drückt das, wie ihr es im Tweet nachlesen könnt, so aus: „Mit seiner Körpergröße und Wucht wird er unser Spiel nach vorne beleben“.

Fazit

Rein formal betrachtet, kann Neuzugang Mergim Berisha in der Tat allerhand eindrucksvolle Prädikate vorweisen: Champions und Europa League-Spieler, U21-Europameister, mehrfacher österreichischer Meister und Cupsieger. Eindruck machen auch die Offensivbilanzen vor allem der Stationen, an denen es richtig rund für den 24-Jährigen lief. Liefering, Altach, Salzburg. Zudem halte ich die Vertragskonditionen, die ausgehandelt wurden – 1 Jahr Leihe für mutmaßliche 300.000 Euro mit anschließender Kaufoption –, für einen fairen Deal. Es sieht tatsächlich nach „viel Leistung für wenig Geld“ sowie nach Soforthilfe aus, die Management und Trainer ja zur Bedingung für Neuzugänge gemacht hatten. Außerdem muss Berisha in Augsburg nicht ganz von Null anfangen, da er Maier und Dorsch aus einer Zeit bei der U21 kennt. Genauso sieht er es laut seinem ersten Statement auch. Die Startbedingungen könnten also durchaus schlechter sein.

Bei all den Positionen, die Berisha einnehmen kann, wird es praktisch aber immer darauf ankommen, die Verbindung zum Mittelfeld herzustellen. Auch wenn vorstellbar ist, dass er, z.B. zusammen mit Ermedin Demirovic, in einer körperlich robusten Doppelspitze auftritt und beide als gegenseitige Vorlagengeber fungieren können, braucht es dennoch – wie das bei Salzburg der Fall war – unbedingt Nachschub aus dem zentralen Mittelfeld oder von den Außenbahnen. Ich glaube, da schreibe ich nichts Neues. Uns allen ist diese Lücke in den vergangenen Spielen wahrscheinlich nicht verborgen geblieben. Hier stimmt mich allerdings zuversichtlich, dass Ruben Vargas auf dem linken Flügel wieder einsatzfähig ist und auch die anderen verletzten Offensivkräfte wie z.B. Freddy Jensen bald wieder auf den Platz zurückkehren, um ihrerseits, so gut es eben geht, Brücken ins Mittelfeld zu bauen.

Für die Eingewöhnungsphase hier bei uns in Augsburg alles Gute, Mergim! Und wenn, Ruben, Arne, Demi und du dann eingespielt seid, dann klappt es bestimmt auch bald mit einer Neuauflage deines Europa League-Tors des Turniers! (Noooo pressure 😊)

RoGaz Kaderanalyse 2022: Tor

Der FC Augsburg steckt mitten in der Saisonvorbereitung. Trainingsauftakt unter der Leitung unseres neuen Chef-Coaches Enrico Maaßen war vor rund dreieinhalb Wochen. Es folgten u.a. vier Testspiele. Das letzte gegen den tschechischen Erstligisten Dynamo Budweis fand im Trainingslager statt, das der FCA am Sonntag im Österreichischen Scheffau bezogen hat. Seitdem wird fleißig für das erste Pflichtspiel am 31. Juli trainiert. In der ersten DFB-Pokal-Runde geht es für unsere Fuggerstädter zum Niedersächsischen Regionalligisten Lohne. Zeit für uns von der Rosenau Gazette, den Kader für die kommende Saison bis dahin ins Visier zu nehmen. Von hinten nach vorne starten wir mit den Pfosten, die die Welt bedeuten: mit dem Tor.

Stammspieler

Rafał Gikiewicz

In unserem letzten Kadercheck war Rafał Gikiewicz noch die unumstrittene Nummer 1 im Augsburger Tor. Eine bärenstarke Saison 2020/2021 mit einer ganzen Palette an Glanzparaden hatte ihn dazu gemacht. Auch der Zusammenschnitt der vergangenen Spielzeit zeigt nochmal, wo die Stärken des heute 34-jährigen Polen liegen. Zweifellos in seiner Klasse auf der Linie, die er am besten ausspielen kann, wenn er mit Vorrücken solange wartet, bis der Gegner im Strafraum zum Abschluss kommt. Und Giki dann technisch stark und reaktionsschnell parieren kann.

Der „Beton“ begann aber auch zu bröckeln. Auch wenn Gikiewicz wieder alle 34 Bundesligaspiele über die vollen 90 Minuten bestritt, haperte es des Öfteren an der Abstimmung mit Jeff und Co. in der Innenverteidigung. Abschläge gerieten manchmal bedrohlich kurz und auch vermeintlich haltbare, gegnerische Bälle ließ Rafa wegen nicht immer optimalen Stellungsspiels ins Netz. Gerüchte, dass sich der FCA in Gesprächen mit Bielefelds Stefan Ortega befinde, kamen in der Rückrunde auf. Auch über eine Rückkehr von Marwin Hitz wurde in den Medien laut nachgedacht.

Mit so viel guter Laune wie im Trainingslager hat man Giki zuletzt selten gesehen. Strahl weiter so! (Quelle: @FC Augsburg auf Twitter)

Zwar haben sich die Gerüchte nicht bewahrheitet – Ortega ist jetzt Nummer 2 bei ManCity, Hitz gesetzt beim FC Basel. Sie zeigen aber, dass Gikis ehemaliger Stammplatz zu wackeln begonnen hat. Jüngst im Interview räumte er selbst ein, dass er seine Koffer packen würde, wenn sich die Verantwortlichen für einen Neuzugang im Tor entscheiden. Bzw. vielleicht schon gegangen wäre, wenn Enrico Maaßen nicht frischen Wind mitgebracht hätte. Genau darauf kommt es beim Polen jetzt an. Sich das Spielsystem des neuen Trainers anzueignen, in dem er – im Vergleich zu vorher – höher stehen muss. Um sich stärker am Spielaufbau zu beteiligen und Anspielstation zu sein. Allerdings zeigt sich Giki nicht erst im Trainingslager ungemein lernwillig und extrem gut gelaunt:

„Ich freue mich sehr, dass ich mit 34 neue Sachen lernen kann und ich bin wirklich zufrieden.“

Rafał Gikiewicz im Interview mit FCA TV nach dem Spiel gegen Sandhausen am 8. Juli 2022

Sollte es Gikiewicz gelingen, die Vorstellungen von Maaßen umzusetzen, wird er sich den Status als unangefochtene Nummer 1 bis zu seinem Vertragsende 2023 wieder zurückholen. Gelingt das allerdings nicht und Rafal kann sich nicht wie gewünscht ins Aufbauspiel integrieren, dann ist auch noch ein kurzfristiger Wechsel auf der Stammtorhüterposition denkbar. Die Verantwortlichen werden seinen Trainingsfortschritt daher genau beobachten.

Ergänzungsspieler

Tomáš Koubek

Wie schon in der Vorsaison kam Tomáš Koubek 2021/2022 auf genau null Pflichtspieleinsätze und damit nicht im Ansatz an der zwar nachlassenden, aber doch steten Nummer 1 vorbei. Trotzdem ließ sich der 29-Jährige Tscheche, der 2019 bekanntlich für satte 7,5 Mio. € geholt worden war, nicht beirren. In den Testspielen gegen Schwaben Augsburg, Sandhausen und seine Landsmänner aus Budweis durfte sich Koubek jeweils in der zweiten Hälfte beweisen. Beim 1:1-Gegentreffer gegen Sandhausen aus spitzem Winkel sah er allerdings nicht ganz glücklich aus, weil er für meinen Geschmack ein Stück zu weit rauskam. Ansonsten finde ich es als Außenstehende schwierig, seinen sportlichen Status Quo zu beurteilen. Gerade auch in Testspielen.

Klar ist jedenfalls, der FCA hat grünes Licht für einen Wechsel des bisherigen Ersatzkeepers gegeben. Was angesichts seines mutmaßlich gut dotierten Vertrags, der noch bis 2024 läuft, nachvollziehbar ist. Gerüchte, Frankreich winke Koubek wieder, haben sich jedoch nicht bestätigt. Bisher hat sich kein Abnehmer gefunden. FALLS sich bis zum Schließen des Transferfensters am 1. September aber noch einer findet, wird Stefan Reuter hoffentlich so schnell wie möglich einwilligen. Und idealerweise noch ein anständiges Sümmchen für ihn raushandeln. (Aber bitte kein zu anständiges, nicht, dass der Deal am Ende platzt…)   

Daniel Klein
Die Youngsters „Katze“ Klein und Marcel Lubik beim gemeinsamen Torwarttraining am Wilden Kaiser. (Quelle: @FC Augsburg auf Twitter)

Dass ein Weggang von Koubek aus finanzieller (und sportlicher) Sicht zu verkraften wäre, liegt an Daniel Klein. Der heute 21-Jährige, der im Juli 2021 von der TSG Hoffenheim II kam und bis 2025 unter Vertrag steht, hat nun seine erste FCA-Saison hinter sich. Zwar stand er erst zwei Mal im Profikader – Anfang Januar, als er Tomáš Koubek auf der Bank ersetzte. Er spielte aber vor allem in der Rückrunde regelmäßig für die Zwote in der Regionalliga, wo er in seinen 12 Einsätzen fast immer die volle Spielzeit mitnahm. Einzige Ausnahme war die Partie in der Rosenau gegen Unterhaching, in der der Jugendnationalspieler wegen Notbremse früh Rot sah.

Man hat den Eindruck, in Klein wird (spätestens seit Enno Maaßen) viel Zeit investiert. Dass er eifrig trainiert und für sein Alter sehr selbstbewusst agiert. Im Testspiel gegen den VfB Eichstätt stand er dann auch in der ersten Hälfte zwischen den Pfosten und hat dort einen passablen Job abgeliefert. Da unter Maaßen bekanntlich die Jugend stärker gefördert werden soll und offenbar auch wird, ist es für die anstehende Spielzeit daher durchaus denkbar, dass die ehemalige Nummer 3 im Tor in der Hierarchie vorrücken könnte. Das hat kürzlich auch die Viererkette berichtet, die einen Mann direkt im FCA-Trainingslager hat. Abhängen wird Kleins Vorrücken aber auch von den möglichen Transferaktivitäten rund um seinen Kollegen Koubek.   

Benjamin Leneis

Nicht annähernd eine Chance auf die dritte Torhüterposition hat dagegen wohl Eigengewächs Benjamin Leneis. 2015 zur U17 unserer Fuggerstädter gestoßen und 2018 mit dem ersten Profivertrag ausgestattet, ließ sich der gebürtige Münchner letztes Jahr im Gegenzug zu Kleins Verpflichtung in die dritte Liga zum FC Magdeburg verleihen. Das Ziel: Spielpraxis. Obwohl die Leihdauer wohl nicht unbedingt auf ein Jahr festgelegt war, kehrte der 23-Jährige nach nur einer Saison an den Lech zurück. Ein Innenbandriss hatte ihn wochenlang ausgebremst. Nur einmal, im Viertelfinale des Landespokals, durfte er sein Können zeigen. Dementsprechend wurde aus dem Plan, in Sachsen-Anhalt mehr Profiluft zu schnuppern, nichts.

Auch wenn er gegen die Eichstätter im Testspiel in der zweiten Halbzeit für Klein eingewechselt wurde, fand er im aktuellen Trainingslager keine Berücksichtigung. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass Leneis im Kampf um die Torhüterpositionen in der kommenden Saison keine Rolle spielen wird. Vielmehr könnte sich an die letzte noch eine weitere Leihe anschließen, um die restliche Vertragsdauer bis 2024 sinnvoll zu überbrücken. Selbst wenn Koubek seinen Platz räumen sollte.

Beim FC Magdeburg lief es für Benjamin Leneis nicht wie erhofft. (Photo by Karina Hessland/Getty Images)

Perspektivspieler

Marcel Łubik

Als der FCA verkündete, wen er ins Trainingslager mitnimmt, war neben Jugendspielern wie Josué Mbila oder Fabio Gruber, die bereits in den Testspielen auf sich aufmerksam machen durften, von einem weiteren Namen zu lesen: Marcel Łubik, Stammtorwart unserer Augsburger U19, der letzte Saison aus der eigenen U17 kam. Der 18-jährige Deutsch-Pole hatte entscheidenden Anteil daran, dass der FCA das erste Mal seit 29 Jahren die Meisterschaft in der A-Junioren-Bundesliga Süd/Südwest feiern und ins Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft einziehen konnte. In den beiden Halbfinals gegen Hertha BSC, die beide verloren gingen, musste Łubik zwar insgesamt fünf Mal hinter sich greifen. Trotzdem steckt in dem Nachwuchstorwart eine Menge Potential, mit dem er sich perspektivisch nun auch bei Maaßen empfehlen kann. Möglicherweise stattet man den jungen Keeper nach dem Vorbild von Teamkollege Aaron Zehnter sogar mit einem Profivertrag aus, wenn sich auf den Positionen 2 und 3 noch etwas tun sollte.

Fazit

Auf der Torhüterposition ist für die kommende Saison 2022/2023 definitiv mehr Bewegung drin als in der letzten. Waren die Verhältnisse zwischen Stamm- und Ergänzungsspielern letztes Jahr noch glasklar, könnten sich in den nächsten Wochen durchaus noch Änderungen ergeben. Je nachdem, ob Gikiewicz sich seinen Status als Nummer 1 zurückholen kann, ob sich ein Interessent für Koubek findet und ob der junge Klein schon reif für die zweite Position hinter dem Stammkeeper ist. Perspektivisch muss man auch Łubik – nicht nur bei einem verändertem Torhütergefüge in der ersten Mannschaft – auf dem Schirm haben.

Da ich aber davon ausgehe, dass Giki sich mit seinem Ehrgeiz, seiner Disziplin und seinem neu erlangten Enthusiasmus durchbeißen wird, wird sich der Kader höchstens auf den Positionen hinter ihm verändern. Aber selbst wenn, halte ich die Torwartposition – im Gegensatz zu manch anderer Position in der Mannschaft – für keine, um die wir FCA-Fans uns Sorgen machen müssen.

Goldjunge Enrico Maaßen

Drei Wochen ist es her, dass der FC Augsburg Enrico Maaßen erst mündlich, dann schriftlich als neuen Chefcoach verpflichtet hat. Einige haben die Zwischenzeit genutzt, um Portraits oder Trainerprofile über den 38-jährigen gebürtigen Wismarer anzufertigen. Sehr früh auch der FCA.

Vereine wählen dieses Format gerne, um die Öffentlichkeit mit den wichtigsten Daten und Fakten zu ihrem neuen Mitarbeiter zu versorgen. Dass dabei dessen Karriereerfolge und Vorzüge oft im Vordergrund stehen, dürfte niemanden groß verwundern. Schließlich handelt es sich auch bei solchen Mitteilungen um einen Teil der externen Kommunikation, in der der Club seinen neuen Trainer in einem möglichst guten Licht präsentieren möchte (und damit auch sich selbst). Daher habe ich es nicht ganz verstanden, dass sich Pitt Gottschalk, Chefredakteur bei Sport1, kürzlich ausgerechnet am Trainerportrait unserer Fuggerstädter so gerieben hat. Aber sei’s drum, das soll hier nur eine kleine Randnotiz bleiben.

Auch wir von der Rosenau Gazette haben uns nochmal intensiver auf die Suche nach Material zur Person „Enno“ Maaßen gemacht. Wir wollen aber kein ‚klassisches‘ Portrait abliefern. Sondern vielmehr sehen, wie unser neuer Coach sich selbst beschreibt. Und auch, wie sein fußballerisches Umfeld das bisher getan hat. Ob da auch was Negatives dabei ist? Ihr werdet es sehen 😊

Maaßen über sich selbst

Wenn man Enrico Maaßen über sich sprechen hört (oder liest), stößt man immer wieder auf zwei Selbsteinschätzungen. Einerseits sei er ein sehr familiärer Mensch, der aus seiner Familie – er hat Frau und zwei Kinder – viel Kraft schöpft. Nicht umsonst ist es ihm auch bei uns in Augsburg wichtig, seine Familie möglichst bald nachzuholen. Selbst mit seinen Eltern und Schwiegereltern fährt er – nicht selten zur Verwunderung anderer Hotelgäste – gerne in den Urlaub, wie er jüngst am PK-Mikro verriet.

Die familiäre Seite des 38-Jährigen ist andererseits flankiert mit einer riesigen Leidenschaft für den Fußball. Und das nicht nur während der Arbeitszeit, sondern 24 Stunden am Tag. Ein Fußballverrückter ist er, sagte er schon zu Beginn seiner Trainerzeit 2014/2015 beim Niedersächsischen Oberligisten SV Drochtersen/Assel (D/A). Bei seinem Amtsantritt als U23-Trainer in Dortmund beschrieb er seine Fußballverrücktheit so:

„Als Trainer ist es natürlich schwer, das komplett beiseite zu schieben. Ich bin schon jemand, der das mit Haut und Haaren lebt.“

Enrico Maaßen im BVB-Interview vom 20.09.2020

Wenn sich Enno als Trainertyp einordnen soll, kommt man spätestens seit seiner Dortmunder Zeit nicht um den ganzheitlichen Trainer herum. Was er damit meint: Sich nicht nur auf einen Mannschaftsteil, z.B. die Defensive, zu konzentrieren und davon ausgehend Tore aus dem Umschaltspiel heraus zu erzielen (wie es der FCA ja lange praktiziert hat). Vielmehr legt er sowohl Wert auf die Defensive, die stabil sein soll, und das Spiel gegen den Ball, das mit einer hohen Pressinglinie geführt wird und sich ggf. flexibel am Gegner orientiert. Als auch auf die Offensive, das Spiel mit dem Ball, durch das mit variablem Positionsspiel und Kreativität möglichst viele Torchancen kreiert werden sollen. Zu diesem ganzheitlichen Trainer habe er sich mit der Zeit entwickelt.

Wie unser neuer Chefcoach selbst sagt, erledigt er seine Arbeit im Team auch mit einer positiven Grundstimmung, Ruhe, Empathie und Transparenz: Er sei grundsätzlich jemand, der

„sehr ruhig ist, der auch nah dran ist, dem es wichtig ist, eine gute Atmosphäre in der Mannschaft zu haben, keine Wohlfühlatmosphäre, aber eine, wo jeder gerne zum Training kommt, wo jeder weiß, da gibt’s ne gewisse Transparenz auch, dass jeder weiß, woran bin ich.“

Enrico Maaßen im BVB-TV vom 04.08.2020

Der FCA über Maaßen

An vielen Stellen konnte man bereits nachlesen, dass der FCA in Person von Sportgeschäftsführer Stefan Reuter Enrico Maaßen als seine absolute Wunschlösung auf dem Trainerstuhl bezeichnet. Das wurde er auch auf Maaßens Antritts-PK nicht müde zu betonen. Reuter zeigte sich rundum von ‚seinem‘ neuen Trainer beeindruckt: von dessen Kaderkenntnis, von dessen Spielidee, von dessen Energie und Willen, sich zu verbessern, den man permanent spüren könne. Maaßens Selbstbeschreibung als „positiv Verrückter“ hat Reuter schon vor der PK übernommen.

Auch von unseren Spielern hört man, dass sie ihren neuen Übungsleiter schätzen, „seinen Plan“. Niklas Dorsch, dessen Genesung nach seinem Schlüsselbeinbruch extrem schnell vorangeht (Thank God!), attestiert Maaßen im neuen Kicker – wie schon Reuter – „Freude“ und „Hunger auf Erfolg“, dass er sehr kommunikativ sei und das Team ums Team mit ins Boot hole. Man merkt, die Attribute fangen langsam an, sich zu wiederholen.  

Medien über Maaßen

Beim Blick in die Medien- und Bloglandschaft kommen dagegen noch ein paar weitere Facetten hinzu. In einem sehr frühen Interview auf Blog trifft Ball – Maaßen hatte damals als gerade 30-Jähriger bei D/A angeheuert – heißt es schon, er sei ein Trainertalent. Auch beschreibt der Interviewer seinen Gesprächspartner als ziemlich entspannt. Ennos Lockerheit sei ansteckend, wobei er immer wieder um Contenance und Bescheidenheit bemüht sei, z.B. als er bezweifelt, schon jetzt, während seiner ersten Trainerstation in Niedersachsen, einen „so wertvollen Lehrgangsplatz“ wie den des Fußballlehrers zu bekommen.

Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Im August 2020 durfte sich Maaßen schließlich dann doch noch über seinen Fußballlehrer freuen, nachdem er sich schrittweise – über die B- und A-Lizenz – dazu hochgearbeitet hatte. Unter anderem deswegen sei er auch ein Vielbeschäftigter. 2015 war er nicht nur gelernter KfZ-Mechaniker und Sport- und Fitnesskaufmann. Daneben bildete er sich auch immer wieder erfolgreich weiter. Mit einem Sporttherapie-Fernstudium und seit Beginn seiner Trainerlaufbahn, die bis zum Schritt in den Hauptberuf beim Regionalligisten SV Rödinghausen 2018 immer noch nebenherlief, eben auch durch Trainerlehrgänge.

Bei all seinen Aktivitäten sei Maaßen trotzdem penibel, ein Perfektionist:

„Einer, der überall schraubt – sei es das Geschehen auf dem Rasen oder die Außendarstellung und externe Kommunikation. Wie er in der Öffentlichkeit zitiert wird, segnete er in Dortmund immerzu selbst ab – und regelte die sportlichen Geschäfte auf ähnliche Art und Weise.“

Der Kicker über Enno Maaßen am 09.06.2022

Frühere Weggefährten über Maaßen

Und da wären wir mit dem BVB, in dessen Diensten Maaßen seit 2020 als U23-Trainer stand, bei früheren Stationen angekommen, an denen er ebenfalls Eindruck hinterlassen hat. Was die Offiziellen beim BVB und Rödinghausen über ihn sagen, kommt einem nur allzu bekannt vor. Wunschtrainer, hier wie da. Bei Franz Pfanne, Mittelfeldspieler, den Maaßen aus Rödinghausen zu Dortmund gelotst hat, kommt nochmal unverkennbar der Perfektionist und Fußballverrückte zum Vorschein:

„Enrico ist ein Trainer, der sich wirklich über alles Gedanken macht. Also wirklich über alles. Egal ob auf dem Platz oder daneben. Der ist so fußballverrückt, das ist echt krass.“

Franz Pfanne über Maaßen im Schwatzgelb-Blog vom 20.02.2021

Besonders spannend fand ich aber auch Einschätzungen aus Fanforen. Für den DortmunderJungen z.B. war Maaßen schon längst vor seiner Verpflichtung bei den Schwarz-Gelben ein Traum. Für Molsiris danach dann ein absoluter Glücksgriff. Und TheKillingJoke imponiert, wie er das Team mitgenommen hat.

Ein Post eines Hansa Rostock-Anhängers, der früher mit dem gebürtigen Mecklenburger in der B-Jugend kickte, ist mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben. Denn er enthält so vieles davon, wie auch spätere Weggefährten – wie wir jetzt gesehen haben – Maaßen beschrieben haben:

„Ich kenne ihn noch aus der B Jugend in Grevesmühlen. Dort haben wir 1 Jahr lang zusammen gespielt. Er war damals schon ein sehr euphorischer Typ, der als Spieler schon das Spiel gelenkt hat und in der Halbzeit hin und wieder taktische Ideen hatte und generell komplett fussballverrückt war.“

User Draven_ im TM-Forum vom 06.01.2019

Stimmt’s oder stimmt’s nicht?

Sofern man den Selbst- und Fremdbeschreibungen von und zu Enrico Maaßen glauben mag, dürfen wir uns in Augsburg die nächsten drei Jahre über ein wahrliches menschliches und fußballerisches Genie an der Seitenlinie freuen. Die Frage, die sich jetzt aber noch stellt, ist: Stimmen diese Lobeshymnen auf ihn oder nicht? (Die Nähe der Überschrift zur Lieblingskategorie unseres Gregerls im FCA-TV-Format „Was woisch“ ist hier natürlich rein zufällig gewählt 😊.) Ich versuche das zum Schluss noch ein bisschen einzuordnen.

Maaßens Fußballverrücktheit – gerade in seiner ‚Freizeit‘ – ist schwierig zu beurteilen. Aber gerade die Aussagen der früheren (Mit-)Spieler finde ich überzeugend. Auch dass Maaßen sich als ganzheitlicher Trainer begreift, zu dem er geworden ist, leuchtet mir anhand seiner bisherigen Laufbahn komplett ein. Bei D/A ließ er ergebnisorientiert noch hauptsächlich umschalten. In Rödinghausen verlagerte sich sein Fokus auf die Offensive, während beim BVB die individuelle Spielerentwicklung hinzukam. Und dazu gab ihm der Erfolg einfach recht.

In der Tat wirkt Maaßen in Interviews sehr ruhig, sehr besonnen, sehr klar auf mich. Ich höre ihm gern zu. Daher kann ich es gut nachvollziehen, wenn beim FCA schon jetzt der Prozess des Mitnehmens angefangen hat. Den Maaßen selbst ja auch initiiert hat, indem er nicht nur gleich die Mannschaft kennenlernen wollte, sondern auch alle weiteren Player im Verein und drumherum. Schon jetzt fühlen sich viele (wieder) mitgenommen von diesem „Menschenfänger“, wie es die Viererkette kürzlich ausgedrückt hat. Die von Maaßen gleich selbst zum Hintergrundgespräch mitgenommen wurde.

Aber (und hier kommt das vorläufig einzige und sehr kleine Aber): Dass Maaßen das Wort „gemeinsam“ auf der PK so oft genannt hat, wirkte auf mich irgendwie gekünstelt. Fast wie ein einstudierter Teil der aktuellen FCA-Kommunikation, die ja mehr denn je, hat man den Eindruck, um die Wiederherstellung eines Miteinanders auf allen Ebenen bemüht ist. Vor anderen Kameras oder in anderen Zeitungen hat Maaßen das meines Wissens nach nicht so oft betont. Zumindest nicht im Zusammenhang mit dem gesamten Verein, sondern eher mit dem Mannschaftszirkel.

Trotzdem habe ich es Maaßen abgenommen. Vielleicht hat ja auch seine penibel geplante Außendarstellung Wirkung gezeigt? Egal. Ich finde ihn mitreißend. Vielversprechend. Vertrauenserweckend. Allerdings kann erst die nächste Zeit zeigen, ob die angestrebte Gemeinsamkeit zwischen allen Vereinsteilen auch wirklich praktiziert wird. Sollte das aber gelingen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass für den FCA mit Maaßen, diesem Goldjungen, wirklich goldene Zeiten anbrechen. Egal, ob Klaus Hofmann seine Aussage von neulich ironisch gemeint hat oder nicht.

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