Im Zick-Zack-Kurs

Als ich meinen letzten Artikel geschrieben habe, konnte ich nicht wissen, dass sich der FC Augsburg an diesem Tag an einem der zwei wichtigsten Knackpunkte der laufenden Bundesligasaison befand. Am 9. September 2022 war das.

Im Schnelldurchlauf will ich auf den Zick-Zack-Kurs zurückschauen, den der FCA seit dem Saisonstart durchgemacht hat und den auch Trainer Enno Maaßen kürzlich in bemerkenswerter Klarheit beschrieben hat. Vielleicht liefert das Testspiel gegen die Grasshoppers Zürich ja Hinweise darauf, in welche Richtung es weitergeht?

Erfüllung von düsteren Vorahnungen?

Bis zum (Vormittag des) 9. September 2022 war die Lage ziemlich düster: Nach fünf Spielen stand der FCA mit drei Punkten auf Rang 16 der Tabelle. Weniger Punkte hatten die Fuggerstädter nur in ihren ersten beiden Spielzeiten nach dem Bundesligaaufstieg (2011/12 und 2012/13) gesammelt. Besonders bitter schmeckte das 0:4 gegen die Freiburger gleich zum Saisonauftakt. Oder die 0:2-Heimniederlage gegen die Konkurrenz von Hertha BSC. Auch, weil mit Michael Gregoritsch und Marco Richter ehemalige Augsburger Treffer beisteuerten, die man sich so sehnlich für den FCA gewünscht hätte. Rein psychologisch war das nochmal ne Nummer schwerer zu ertragen.

Mitunter lag die Negativ-Serie auch am Lazarett, das der FCA vor allem in der Defensive vorzuweisen hatte. Oxford konnte erst gar nicht in die Saison starten. Uduokhai fiel wie Winther nach nur wenigen Spieltagen länger aus. Dazu gesellten sich kürzere Krankheitsphasen bei Gumny, und schon war fast die komplette Fünferkette ausgehebelt, die Maaßen bis dahin hatte spielen lassen. Da kam auch wieder hoch, dass die Geschäftsführung unsere lang gehegten Wünsche, jemanden für die rechte Abwehrseite zu verpflichten, nicht erhört hatte. „Ich hoffe nur, dieser lauwarme Transfersommer, der er letztlich war, rächt sich nicht“, hatte ich geschrieben. Leider sah es zu diesem Zeitpunkt ganz so aus.

Enno Maaßen beschrieb diese düstere Auftaktphase treffend so:

„Wir sind bescheiden in die Saison gestartet – auch aufgrund von langwierigen Verletzungen. Es hat etwas gebraucht, bis wir uns gefunden haben.“

Enrico Maaßen im Interview mit der AZ vom 17.11.2022
Ex-Augsburger Marco Richter hatte beim 2:0-Auswärtssieg seiner Hertha in der WWK-Arena gut lachen. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Und es hat „Zack“ gemacht

Ab dem (Abend des) 9. September stieg die Kurve aber plötzlich steil an. Den Ausschlag gab das wilde Spiel in Bremen, das nach gehaltenem (ungerechtfertigtem) Elfer durch unseren giftigen Giki mit 1:0 an den FCA ging, der fortan mit Viererkette spielte. Sensationell auch der 1:0-Heimsieg gegen die Bayern, das Niederringen der Schalker in Unterzahl und spätem Siegtreffer durch Hahn (2:3). Was das für ein Push fürs Team gewesen sein muss! Ich liebte diese Phase. Und bekam manchmal ein schlechtes Gewissen, weil ich kürzlich ja noch ziemlich dunkle Befürchtungen geäußert hatte. Aber da ließ ich mich natürlich gerne eines Besseren belehren!

Doch spätestens auf Schalke begann schon die manchmal unnötige Kartensammelei. Allein gegen Wolfsburg (1:1) setzte es davon sechs. Dadurch sicherte sich der FCA nicht nur den (bis heute besetzten) Spitzenplatz unter den Bundesligisten, sondern Kapitän Gouweleeuw und Bauer auch gleichzeitig ihre fünfte Gelbe, sodass der FCA ohne nominelle Innenverteidigung nach Köln (2:3) reisen musste. Das kompensierte Maaßen aber erneut mit Kreativität und das Team lieferte sich trotz dünnster Personaldecke einen munteren Schlagabtausch mit den Domstädtern. Dass der FCA nie aufhörte, Chancen kreieren zu wollen, freute mich trotz Niederlage.

Für diese Sturm- und Drangphase seiner Schützlinge findet der Trainer folgende Worte:

„Nach der anspruchsvollen Startphase haben wir uns als mentalitätsstarkes Team präsentiert und wirklich gute Spiele gezeigt und eine Euphorie rund um den Verein erzeugt. Der mittlere Teil der Hinrunde hat gestimmt; Leistung und Punkteertrag waren im Einklang.“

Enrico Maaßen im Interview mit der AZ vom 17.11.2022
So sehen Bayern-Besieger aus! (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Von Leipzig aus auf Talfahrt

20. Oktober 2022. Nach dem 9. September stellt dieses Datum den zweiten Knackpunkt in der bisherigen Saison dar. Denn da brachte der FC Augsburg das Kunststück fertig, zu Hause gegen die Leipziger Dosen einen 3:0-Vorsprung zu verspielen (3:3). Nach Iagos leichtfertigem Doppel-Gelb brach die Ordnung in der Defensive auseinander, was RB zum Anschluss verhalf. Mental besonders schwierig muss es für die Spieler aber gewesen sein, dass die Gegentore 2 und 3 in den letzten beiden Minuten fielen und der sicher geglaubte Heimsieg noch flöten ging.

Ob es nun tatsächlich an diesem späten Leipziger Nackenschlag lag oder nicht. Klar ist jedenfalls, dass die Augsburger Kurve nach dem Leipzig-Spiel (wieder) massiv abfiel und der FCA weitere 4 Partien ohne Sieg blieb. Vorläufiger Tiefpunkt war schließlich das Sechspunkte-Spiel daheim gegen (Mit-)Abstiegskandidat Bochum (0:1). Darin kulminierte erneutes Verletzungspech (Gouweleeuw und Gruezo mussten früh raus), eine verunsicherte Abwehr (der in die Startelf zurückgekehrte Oxford verschätzte sich beim Gegentor) und eine uninspirierte Offensive (Berisha vergab einen Strafstoß leichtfertig, der den Ausgleich bedeutet hätte). Puh. Das mussten Spieler und auch wir Fans in der Pause vor der WM erstmal verarbeiten.

Der Chefcoach geht in dieser dritten Phase mit seinem Team nicht ganz so hart ins Gericht, sieht aber auch in den Ergebnissen das Problem:

„Im letzten Teil der Hinrunde haben wir zumeist sehr ansprechende Leistungen gezeigt, können aber mit der Punkteausbeute nicht zufrieden sein. Vor allem das Leipzig-Spiel, bei dem wir 3:0 geführt haben und doch noch 3:3 gespielt haben, ist sinnbildlich hierfür.“

Enrico Maaßen im Interview mit der AZ vom 17.11.2022

Wohin zeigt die Leistungskurve?

Jetzt ist diese erste Pause also vorbei. Der Bochum-Schock hoffentlich verdaut. Am Montag startete das Mannschaftstraining. Was gleich auffiel: In der ersten Trainingswoche fehlten wieder eine ganze Reihe von Spielern oder trainierten individuell. Die WM-Fahrer Vargas, Gruezo und Gumny sind noch nicht zurück, Iago erkältungsbedingt auch nicht. Individuelles Training absolvierten Gouweleeuw, Jensen, Berisha und Dorsch und auch Pedersen und Baumgartlinger mussten langsamer treten.

Mergim Berisha kann es nach seinem vergebenen Elfmeter gegen Bochum nicht fassen. (Photo by Alexandra Beier/Getty Images)

Entsteht da wieder ein Lazarett? Muss Maaßen erneut flexibel aufstellen, weil ihm auf einzelnen Positionen die Spieler ausgehen (bzw. er dort einfach nicht genug hat)? Darum brauchen wir uns keine Sorgen machen. Denn es sieht so aus, als werden nahezu alle – außer die Langzeitverletzten Strobl und Hahn – im Trainingslager Anfang des Jahres mittrainieren können. Auch Niklas Dorsch, der Ende Januar in Dortmund vielleicht sogar schon sein Comeback feiern kann.

Positive Vorzeichen

Im Testspiel gegen den Schweizer Erstligisten Grasshoppers Zürich habe ich neben der sich verbessernden Personallage noch weitere positive Aspekte gesehen, auf denen sich aufbauen lässt und die Hoffnung machen, dass der FCA Ende Januar einen erfolgreicheren Restart in die Bundesliga erwischt als noch Anfang August.   

Erst einmal gewannen unsere Fuggerstädter mit 3:0. Klingt trivial, ist es angesichts der geschilderten Leipzig-Erfahrung oder einer nicht sehr erfolgreichen Testspielphase vor Saisonbeginn aber nicht. Zudem stand dem FCA, dem einige Spieler fehlten, auf dem verschneiten Trainingsgelände der Tabellensiebte der Schweizer Liga nahezu in Stammbesetzung gegenüber.

Arbeiten an der Form

In der ersten Hälfte gelang Freddy Winther, Lukas Petkov und Arne Maier jeweils ein Treffer. Für mich waren das auch die Akteure, die abgesehen von ihren Toren am meisten herausstachen. Winther, der zuletzt ohne Einsatz im Kader blieb, durfte sein Können als Linksverteidiger über die vollen 90 Minuten unter Beweis stellen, was gerade dann relevant werden könnte, wenn – wie im Moment – Iago fehlt und Pedersen in der Viererkette auf die rechte Seite beordert wurde.

Arne Maier gehörte beim Testspiel gegen Grasshoppers Zürich zu den Besten. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Schade, dass das FCA TV bei Winthers Tor und auch bei dem von Petkov, der auf dem linken Außenflügel zum Einsatz kam, streikte. Den Treffer von Maier, der maßgeblich auf ein Dribbling und eine schöne Flanke von Petkov zurückging, konnten wir Fans dann jedoch wieder live miterleben. Maier, der zuletzt oft nur von der Bank kam, spielte ebenfalls durch, wirkte spritzig und wach und bekam einige kluge Pässe in die gefährliche Zone. Das macht definitiv Lust auf mehr und lässt hoffen, dass er zum Bundesliga-Restart im zentralen Mittelfeld zu alter Form zurückfindet.

Chancen für Altgediente und junge Hüpfer

Nach der (wetterbedingt kurzen) Pause vertraute Chefcoach Maaßen weiter seiner Startaufstellung. Nur Tomáš Koubek ersetzte Rafał Gikiewicz zwischen den Pfosten. Dabei zeigte Koubek – wie schon in den vier Partien, in denen er unsere Nr. 1 vertrat – gute Leistungen, konnte sogar einen (wenn auch dürftig getretenen) Strafstoß halten und sich gegenüber potentiellen Interessenten weiter empfehlen.

Nach einer Stunde durften sich dann die jungen Wilden aus dem eigenen Stall ausprobieren. Zehnter, der dieses Jahr seinen ersten Profivertrag unterschrieben hatte, kam für Petkov. Ivanovic aus der U23 sprang für Niederlechner in der linken Sturmspitze ein. Und Kömür aus der U19 ersetzte Baumgartlinger auf der rechten Seite. Die letzten zehn Minuten durften dann auch noch Müller (für Demirović) und Wessig (für Rexhbecaj) aus der Zwoten ran, wobei sich gerade der bullige Müller einige Bälle sehenswert erkämpfte und im Zusammenspiel mit Ivanovic und/oder Maier gut harmonierte.

Nachwuchsarbeit und Fehleranalyse

In Testspielen ist es natürlich nichts Ungewöhnliches, dass Nachwuchsspieler die Chance bekommen, sich zu zeigen. Das war auch unter früheren Trainern so. Auch könnte man jetzt unken, dass der Durchbruch von Lukas Petkov in dieser Saison weniger mit gezielter Nachwuchsarbeit als vielmehr mit der Tatsache zusammenhängt, dass es nach dem Ausfall von André Hahn schlichtweg niemand anderen auf der Außenbahn gab. Dafür sehe ich aber keine Anhaltspunkte. Enno Maaßen, der ja unter anderem für die Förderung von Nachwuchskräften geholt wurde, scheint diese in der Tat konsequenter zu verfolgen als seine Vorgänger. Und das ist auf mittel- bis langfristige Sicht verheißungsvoll. Vielleicht auch schon kurzfristig für den kommenden Bundesliga-Restart.

Auch gegen die Züricher gab es zwar wieder so manche Unkonzentriertheit in der Defensive, wodurch sich einige gefährliche Torchancen ergaben, die die Schweizer – zum Glück für den FCA und anders als andere Gegner – aber nicht nutzten. Trotzdem bin ich guter Dinge, dass spätestens das Trainingslager den Augsburger Defensivkräften genug Zeit bietet, sich (wieder) besser aufeinander einzuspielen. Bei dauernd wechselnden Konstellationen und der erst kürzlich erfolgten Rückkehr von Reece Oxford konnte das verständlicherweise kaum gelingen.

Außerdem gefällt mir, dass Maaßen, wie wir gesehen haben, solche Defizite und Entwicklungen immer sehr klar benennt und sie so auch bearbeitet werden können. Vielleicht hat das im nächsten Testspiel am Freitag gegen den FC Heidenheim ja schon ein kleines Bisschen geklappt. Ich werde wieder dabei sein.

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