Datenscouting: Was ist das eigentlich?

Im Profifußball wird heute immer mehr mit Daten gearbeitet. Für uns Fans wird das am sichtbarsten, wenn uns zu Hause vor dem Fernseher zur Halbzeit z. B. die Pass-, Zweikampf- oder Ballbesitzquoten der spielenden Teams angezeigt werden oder wir uns nach dem Spiel online, z. B. beim Kicker, über die Statistiken informieren können. Daten kommen aber auch bei der Spiel(er)beobachtung, also beim Scouting, zum Einsatz.

Zu diesem Thema startet hiermit eine kleine „Daten-Serie“, die in Kooperation mit Createfootball entstanden ist. Lest nachfolgend den ersten Teil (1/3), in dem mir Mitgründer Mats verrät, wofür Datenscouting gut ist, warum er manchmal mehr weiß als viele Fußballfreaks und ob er schon mal für den FCA gearbeitet hat. Die beiden nächsten Teile widmen sich dann voll und ganz unserem FCA und wir werden erfahren, was die Daten in der Analyse zum Spiel gegen Hoffenheim hergeben (2/3). Außerdem interessiert uns natürlich brennend, wie es aus Datensicht um unser Spiel bestellt ist (Spoiler: nicht gut) und was womöglich auch personell passieren muss, damit es wieder besser wird (3/3).

Also schaut fleißig FCA gegen Hoffenheim am Wochenende (auch wenn das mit dem Profifußball ja gerade ein ganz heikles Thema ist), damit ihr eure Eindrücke mit der Datenanalyse abgleichen könnt, und seid gespannt auf die kommenden Folgen!

Createfootball hat sich dem Ansatz des Datenscoutings verschrieben und will damit u. a. Fußballvereine unterstützen, bei Team(s) und Spielern Stärken und Schwächen zu erkennen, und mögliche Lösungen anbieten, auch im Transferbereich. (Bild: Createfootball)
Mats, du bist Mitgründer von Createfootball, euer Geschäftsmodell besteht aus „Datenscouting“. Was kann man sich darunter vorstellen?

Erstmal danke für die Einladung! Wir beschäftigen uns bei Createfootball hauptsächlich mit den Themen Datenscouting und Kaderplanung im nationalen wie internationalen Fußball. Wir haben einen Podcast, einen Blog und sind auch bei Instagram, wo wir unsere Community mit Insights versorgen.*

Dabei steht bei uns immer die Objektivität im Fokus, um Teams, Spieler und Performances neutral und fundiert zu bewerten. Wir arbeiten bereits mit einigen Klubs, Berateragenturen und Medien zusammen.

Wie seid ihr auf die Idee für euer Unternehmen gekommen? Wie wird man Datenscout?

Uns hat es gereizt, Leistungen einfach besser und objektiver einschätzen zu können. Quirin [der zweite Firmengründer] und ich schauen unwahrscheinlich viele Spiele, gerade auch international. Und doch fällt es schwer, ein genaues Urteil über einen Spieler zu fällen, beispielsweise den Linksverteidiger vom spanischen Club SD Huesca.

Nach und nach haben wir gemerkt, wie groß die Marktlücke in der Fußballwelt ist, haben Konzepte erarbeitet, wie man das Scouting durch Daten deutlich effizienter gestalten kann und uns schließlich selbstständig gemacht.

Wenn man allerdings mit Daten arbeitet und diese interpretieren kann, ist dies kein Problem mehr. So findet man immer wieder Spieler wie eben jenen Javí Galan, der vollkommen unter dem Radar schwimmt – und in einem eher schwachen Team stark performt. Über 5.3 erfolgreiche Dribblings mit einer Erfolgsquote von 71% suchen ligaweit auf der linken Außenbahn seinesgleichen! Ich behaupte, dass nicht viele Fußballfreaks das wissen – deswegen spielen die Daten bei uns eine so gewichtige Rolle.

„Wir erheben die Daten nicht selbst, sondern interpretieren sie.“

Mats von Createfootball
Wie kann man sich einen ganz normalen Arbeitstag bei euch vorstellen?

Unser Arbeitsalltag ist extrem abwechslungsreich und macht deswegen unglaublich viel Spaß. Kein Tag ist wie der andere und wir werden stetig vor neue Herausforderungen gestellt, für die wir Lösungen suchen. Scoutingaufträge von Proficlubs, Telefonate mit Brancheninsidern, Podcastaufnahmen, Datenaufbereitungen für TV-Anstalten und frische Content-Erstellung für unsere Community… Ein Mix aus allem!

Ihr erhebt ja selber keine Daten, sondern bekommt sie von Wyscout und InStat, richtig? Gibt es da Unterschiede zwischen den Anbietern?

Richtig, wir erheben die Daten nicht selbst [wie es eben die Datenanbieter Wyscout oder InStat tun], sondern interpretieren sie. Mit uns bekommen Vereine kein Tool hingestellt, sondern datenbasierte Lösungsvorschläge, die professionell von uns erarbeitet wurden. Hinzu kommt, dass wir auf sämtliche Algorithmen verzichten und nur mit Rohdaten operieren, d.h. wir wissen ganz genau, worin Stärken und Schwächen eines Spielers begründet liegen und müssen nicht mutmaßen.

Zwischen den Anbietern bestehen große Unterschiede, da die Daten unterschiedlich erhoben werden. Gerade deshalb ist es für uns von Vorteil, auf beide zurückgreifen zu können, um sie gegenzuprüfen und die Stärken beider Tools gewinnbringend zu nutzen.

„Jeder Spieler weltweit lässt sich anhand von Daten grob skizzieren.“

Mats von Createfootball
Welche Vorteile bietet ein datenbasierter Ansatz bei der Analyse von Fußball? Seht ihr evtl. auch Nachteile?

Sehr viele! Wenn man Daten nicht fehlinterpretiert, lassen sich daraus viele Schlüsse ziehen, wie ein Team oder ein Spieler agiert. Jeder Spieler weltweit lässt sich anhand von Daten grob skizzieren. Das ist etwas, was auch Videoscouts gelingt, die allerdings mehrere Spiele begutachten müssen. Wir sehen den größten Vorteil darin, die Daten als ersten Filter zu setzen, um die Spieler zu finden, die grundsätzlich den Vorstellungen entsprechen, um dann im nächsten Schritt die Körpersprache und das Verhalten zu scouten. Dies sind schließlich Aspekte, über die die Daten keinerlei Auskunft geben.

Wer zählt zu eurer Kundschaft? Mit welchen Fragen kommt sie auf euch zu?

Zu unseren Kunden zählen mehrere Profivereine – insbesondere aus dem Ausland. Die Fragestellungen beziehen sich sowohl auf das Spielerscouting als auch auf eine komplette Analyse des derzeitigen Kaders. Bei den Medien geht es häufig um eine Preview, was man von beiden Teams erwarten kann, wo sie auffällige Stats aufweisen und wo offenbar Schwächen vorherrschen.

Habt ihr auch schon mal mit dem FCA zusammengearbeitet?

Bislang nicht, wir sehen aber gerade beim FCA einige Punkte, an denen man ansetzen könnte, zum einen in der Spielausrichtung und zum anderen im Scouting.

Was wünscht ihr euch für die Zukunft eures Unternehmens bzw. der Datenanalyse im Fußball?

Wir sind der Überzeugung, dass Fußball gestaltet werden sollte. Deswegen haben wir auch unseren Namen gewählt. Vereine sollten eine klare Vorstellung davon haben, welche Transferpolitik sie verfolgen, wie sie Fußball spielen wollen und wohin der Verein innerhalb der nächsten Jahre entwickelt werden soll. Und nach dieser Vorstellung sollten sie ihr Personal auswählen. Dabei unterstützen wir mit unserer Expertise.

Von daher wünschen wir uns ganz eindeutig, dass mehr Vereine den Nutzen der Datenanalyse erkennen und so die Wahrscheinlichkeit von guten Investments erhöhen. Darüber hinaus wollen wir insbesondere im deutschsprachigen Raum Fußballfans mit unserem Ansatz begeistern.

Danke, Mats, für deine Antworten. Einige unserer Leser*innen und FCA-Fans konntest du damit sicherlich schon begeistern.   

Zum Schluss wollen wir zum Datenscouting, wie es uns Mats erklärt hat, also festhalten: Es handelt sich dabei um einen Ansatz, mit dem es möglich werden soll, anhand der Interpretation von statistischen Rohdaten

  • die Leistung eines Spielers oder Teams einzuschätzen, d. h. festzustellen, worin seine Stärken und Schwächen liegen und wie diese sich entwickelt haben,
  • Schlüsselspieler in einem Team auszumachen und ihre Werte zu vergleichen
  • und bestätigte Abgänge wie Neuzugänge einzuschätzen und sogar auf vielleicht (noch) weniger bekannte Spieler zu stoßen (wie eben Galan von Huesca), die dann für einen möglichen Transfer in Frage kommen könnten.

Schwächen aufdecken und sie abstellen? Das klingt wie Musik in den Ohren von uns FCA-Fans, die wir uns Woche für Woche doch nichts sehnlicher wünschen. Mal sehen, wie das Spiel am Samstag gegen Hoffenheim in der Datenanalyse beurteilt wird und welche Team- und Spielerstats besonders positiv oder negativ herausgestochen sind.

Ich als alte Daueroptimistin hoffe für den FCA natürlich auf möglichst positive Werte, ein möglichst positives Spiel und Ergebnis (obwohl ich natürlich weiß, dass das in der aktuellen Phase nicht sehr wahrscheinlich ist). Heja!

* Die 43. Folge des Podcasts, „Alle 18 Bundesligisten im Daten-Check“, kann ich übrigens sehr empfehlen. Ab Minute 51:00 wird der FCA besprochen. Und was soll ich sagen. Gut kommt er nicht weg…

Doomsdays beim FCA

Aus dem Englischen übersetzt heißt „Doomsday“ „jüngstes Gericht“. Die Idee vom Jüngsten Gericht stammt aus Religionen wie dem Christen- oder Judentum und ist eng mit der Vorstellung der Auferstehung verknüpft. Natürlich wollen wir in der Rosenau Gazette nicht über Religion schreiben, sondern über Fußball. Und auch das Bild, wie der FCA vor dem jüngsten Gericht steht und dort über seine Auferstehung (oder eben seine ewige Verdammnis) entschieden wird, ist erstmal ein bisschen übertrieben.

Nicht von der Hand zu weisen ist allerdings, dass die letzten fünf bzw. sechs Spieltage gegen die Top-Mannschaften der Bundesliga für den FCA Wochen der Wahrheit gewesen sein werden. An ihnen entscheidet sich – und das eben vielleicht ein bisschen finaler als sonst –, wo wir uns aktuell verorten können (und müssen), wohin die weitere Reise geht und wahrscheinlich auch mit welchem Personal. Auch wenn nach wie vor an Trainer Heiko Herrlich festgehalten wird. Fester als es vielleicht so manchem Fan – mich eingeschlossen – lieb ist, wie gerade am Freitag mitgeteilt wurde.

Die Vorausschau auf den letzten dieser „Spieltage of Doom“ (danke, Andy, für die Idee), an dem wir am Sonntag (22. Spieltag, 21.02., 13:30 Uhr) gegen Bayer 04 Leverkusen antreten, will ich dazu nutzen, um auch nochmal kurz auf die anderen Spiele dieser „schicksalhaften“ Serie (Leipzig, Wolfsburg, Dortmund, Union und Bayern) zurückzublicken. Und auch darauf, was mir bei den Spielen Kopfzerbrechen bereitet, aber auch Hoffnung gemacht hat.   

#FCAB04: Formschwach gegen endspurtschwach

Als Letztes geht’s jetzt also gegen Bayer. Am vergangenen Spieltag hatte die Elf von Peter Bosz gegen hartnäckige Mainzer durch einen Doppelschlag spät den 2:2-Ausgleich kassiert und damit Punkte im Kampf um die CL-Ränge liegengelassen. Einen Rückschlag musste Leverkusen auch im Achtelfinale des DFB-Pokals vor zwei Wochen hinnehmen. Zwar war die Werkself, die sich schon in der regulären Spielzeit gegen Rot-Weiß Essen zahlreiche Chancen erarbeitet hatte, zunächst in der 105. Minute mit 1:0 in Führung gegangen. Allerdings hielt der Viertligist wacker dagegen, schaffte bis zum Ende der Verlängerung tatsächlich noch das 2:1 und machte damit seinem Ruf als „Pokalschreck“, der zuvor schon Bielefeld und Düsseldorf aus dem Turnier gekickt hatte, alle Ehre.

Der Leverkusener Mannschaft wird mittlerweile auch eine Tendenz nachgesagt, „Probleme im Endspurt“ zu haben und „in den Schlussminuten Siege zu verspielen“. Ein noch aktuelleres Beispiel dafür: Leverkusens Auftritt in der Europa League gegen Young Boys Bern. Obwohl Bayer in einer schier unglaublichen Aufholjagd einen 0:3-Rückstand (!) tatsächlich noch in ein 3:3 verwandelte, fing es sich tatsächlich noch das 4:3. Und wann? Na klar, wieder einmal spät, in der 89. Minute.

Damals noch für andere Teams an der Seitenlinie: mittlerweile ist Peter Bosz seit einer Weile in Leverkusen während Heiko Herrlich in Augsburg aktiv ist. Beide kennen sich aus früheren Begegnungen gut. (Foto via imago)

Trotz dieser Endspurtschwäche hat es sich Bayer spätestens seit dem 5. Spieltag im oberen Tabellendrittel der Liga gemütlich gemacht. Zweimal führte es die Tabelle in dieser Saison sogar an. Zu Buche steht aktuell Platz 5 mit 36 Punkten, mit einem Drei-Punkte-Puffer nach oben und unten. Da stehen aktuell Wolfsburg bzw. Dortmund.

Beim FCA zeigt die Formkurve dagegen klar nach unten. Seit drei Spieltagen stehen wir jetzt mit 22 Punkten auf Rang 13. Allerdings ist der Abstand zum Relegationsplatz inzwischen auf vier Punkte zusammengeschrumpft, aus den letzten sieben Spielen sprangen nur magere drei Punkte heraus. Dass es der FCA am Sonntag mit einem harten Brocken zu tun bekommt, zeigt auch der Direktvergleich. Noch nie hat der FCA in der Bundesliga gegen Bayer gewinnen können, unentschieden gingen nur 6 der bisher 19 Spiele aus. Die letzten fünf Partien gingen sogar alle verloren:

26.10.2020: Bayer 04 Leverkusen – FC Augsburg 3:1 
23.02.2020: Bayer 04 Leverkusen – FC Augsburg 2:0 
28.09.2019: FC Augsburg – Bayer 04 Leverkusen 0:3
26.04.2019: FC Augsburg – Bayer 04 Leverkusen 1:4
08.12.2018: Bayer 04 Leverkusen – FC Augsburg 1:0

Im Dezember 2018 saß bei Leverkusen übrigens noch Heiko Herrlich auf der Trainerbank, während beim FCA noch Manuel Baum die Geschicke lenkte. Obwohl Herrlich mit Bayer am 22.12.2018 noch einen Sieg gegen die Hertha eingefahren hatte, entschied sich die Geschäftsführung nur einen Tag später für die Trennung. „Rudi Völler begründete die Entscheidung gegen Herrlich mit der ‚Stagnation in der Entwicklung des Teams […]‘“, was so manchem FCA-Fan bekannt vorkommen dürfte. Herrlich leitete in seinen knapp eineinhalb Jahren bei der Werkself 64 Spiele. Nach ihm übernahm Peter Bosz. Dem darf Herrlich am Sonntag in der Arena die Grußfaust entgegenstrecken.

Voraussichtliche Aufstellung

Der Kicker stellt die folgende Aufstellung in Aussicht:

Gikiewicz – Oxford, Gouweleeuw, Uduokhai – Strobl, Gruezo – Framberger, Pedersen – Caligiuri, Benes – Hahn

Giki zwischen den Pfosten ist natürlich gesetzt. Felix Udoukhai hat seine Grippe inzwischen auskuriert und könnte damit neben Abwehrjeff Jeffrey Gouweleeuw und Reece Oxford in die Dreierkette und Startelf zurückkehren. Marek Suchy, der letzte Woche gegen Leipzig eingesprungen ist, müsste sich dann mit der Bank begnügen. Erfreulich ist, dass Raphael Frammi Framberger nach längerer Verletzungspause auf die rechte Außerverteidigerposition rücken könnte. Seinen Gegenpart übernimmt wohl wieder Mads Pedersen. Auch bei den restlichen Positionen deutet vieles darauf hin, dass Herrlich sie wie gegen Leipzig besetzen wird: Carlos Gruezo und Tobias Strobl ins zentrale Mittelfeld, Lászlo Bénes und Daniel Caliguiri auf den offensiv(er)en Außen und André Hahn davor als zentraler Angreifer. Auch wenn Oxford, Pedersen und Cali aktuell angeschlagen sind, sollten sie bis Sonntag wieder fit sein.

Tipps der Redaktion

Andy: 0:3 – Wir finden offensiv wieder keinen Zugang zum Spiel und defensiv bleiben die individuellen Fehler. Der Trend ist nicht unser Freund.

Andi: 0:2 – der FCA igelt sich hinten ein und fängt sich nach offensiver Ideenlosigkeit irgendwann das 0:1. Wenn die Mannschaft dann gefordert ist, nach vorne zu spielen, sorgt Leverkusen für die Entscheidung.

Irina: 1:3 – gegen Leverkusen gab’s noch nie was zu holen!

Franzi: 1:1 – Aus mir spricht (mal wieder) die Optimistin. Offensiv lassen wir Leverkusen kaum zum Zug kommen. Für ein Gegentor reicht’s trotzdem. Aber auch wir setzen effektivere Impulse nach vorne und kommen zu unserem Treffer. Ein Punkt bleibt hier!

#RBLFCA: Angriffsstärke(r) erst zum Schluss

Schon beim Blick auf die Startformation gegen RB Leipzig (21. Spieltag, 12.02., 2:1) war klar: Bei Heiko Herrlich standen alle Zeichen auf Abwehr. Und zwar so sehr, dass er Flo Niederlechner auf die Bank setzte und mit Reece Oxford noch einen weiteren (Innen-)Verteidiger brachte. In der Tat ging die Augsburger Defensive in der ersten halben Stunde effektiv und mitunter auch recht hart ans Werk. Oxford, Gouweleeuw und Suchy waren bis dahin alle schon mit Gelb verwarnt worden. Die gelbe Karte gab’s in der 34. Minute dann auch für unseren starken Mann zwischen den Pfosten, Rafal Gikiewicz. Aber nicht wegen Foul am Gegenspieler, sondern wegen Meckerns über den Schiedsrichter, der auf Strafstoß gegen den FCA entschied, nachdem Oxford beim Klärungsversuch Leipzigs Mukiele wohl, aber nicht final auflösbar leicht berührt hatte. Nach wiederholtem Elfmeter stand es in der 38. Minute dann 1:0 für RB, das fünf Minuten später auf 2:0 erhöhte.

Giki sieht gelb für seine berechtigen Einwände. Jeder Fliegenschieß führt gerade zu Elfern gegen uns. (Photo by Clemens Bilan – Pool/Getty Images)

Zu diesem Zeitpunkt saß ich schon recht zerknirscht vor dem Fernseher. Sicher, gegen eine giftige, torgefährliche Mannschaft wie Leipzig darf man durchaus mit 0:2 hinten liegen. Zumal nach einem Elfer und einem mehr oder weniger individuellen Abwehrfehler. Sorgen machte mir aber vor allem die Art und Weise, wie wir in Ballbesitz agierten. Kaum ein Pass kam nach Balleroberung beim Mitspieler an, selbst Standards wie Freistöße oder Ecken, von denen der FCA immerhin vier (sogar eine mehr als RB!) hatte, wirkten verstörend unkoordiniert. Dabei heißt es doch immer, Standards würden oft geübt!?

In der Halbzeitpause machte dann noch folgender Tweet von Max Kirchi die Runde:

Von diesen genau 0.0 xGoals in der ersten Hälfte war ich vollends bedient. Und weil ich auch in der zweiten Halbzeit zunächst keine Besserung erkennen konnte, schaltete ich nach ’ner Stunde aus Frust vorzeitig ab (obwohl ich das nie mache!). Dass sich danach noch etwas für uns tat, konnte ich nicht ahnen. Im Nachhinein ärgerte ich mich ein bisschen über mein Abschalten. Aber ob ich jetzt zugeschaut hatte oder nicht – mich freute es jedenfalls, dass nach der Doppeleinwechslung von Marco Richter und Flo Niederlechner in der 79. Minute offenbar doch noch ein bisschen Offensiv-Schwung in die Partie gekommen war. Und der FCA durch einen Elfer, verwandelt durch Routinier Cali, noch zum Anschlusstreffer.

Dieses späte, offensiver ausgerichtete „Aufbäumen“, wie es Heiko Herrlich nannte, machte auch mir Mut. Trotzdem bin ich der Meinung, der Wechsel unserer Offensivleute hätte früher kommen müssen. Und am Montag hörte ich in der „Schlusskonferenz“ vom Rasenfunk Moderator Max dann auch noch das aussprechen, was ich am Freitag schon die ganze Zeit gedacht hatte:

Bei allem, was gut aussieht gegen den Ball – hin und wieder gut aussieht, also ja auch nicht in jedem Spiel – stellt sich ja trotzdem die Frage: Ja, aber was wolltet ihr denn machen? Für den Fall, dass ihr 0:1 hinten liegt? Und da muss ich sagen: Offensiv ist das immer noch so so so so dünn, was der FCA bringt, dass man sich da echt die Frage stellt: Wie wollt ihr Spiele gewinnen?

Max-Jacob Ost vom Rasenfunk in der „Schlusskonferenz“ (15.02.2021)

Ja, das ist wirklich die entscheidende Frage; wie wollen wir Spiele gewinnen… Mit der Dauer-Baustelle „Spiel mit dem Ball“ tun wir uns jedenfalls nach wie vor schwer. Und doch ist uns gerade in der Schlussviertelstunde vereinzelt auch was gelungen. Darauf müssen wir aufbauen! Dagegen finde ich Diskussionen, ob diese oder jene Situation nun auch ein oder doch kein Elfmeter war, wenig hilfreich, weil sie nur von den eigentlichen Problemen ablenken.

#FCAWOB und #BVBFCA: Ideenlos im Mittelfeld

Probleme gab es auch gegen Wolfsburg (20. Spieltag, 06.02., 0:2). Zwar sorgte die solide Defensivarbeit der neu formierten Viererkette des FCA in der ersten halben Stunde dafür, dass die selbstbewussten Wolfsburger kaum zu nennenswerten Chancen kamen. Doch in der 38. Minute wurde der FCA dann eiskalt ausgekontert, der Lupfer von Wolfsburgs Weghorst landete hinter Giki im Tor. In der zweiten Hälfte traf Rechtsverteidiger Ridle Baku gleich drei Mal ins Augsburger Tor – wobei Treffer Eins und Drei nach VAR-Überprüfung aberkannt wurden. Glück für den FCA, dass es am Ende „nur“ 0:2 stand. Denn mit seinen langen Bällen in die Spitze kam der FCA selbst fast nie durchs Wolfsburger Abwehrbollwerk. Daran ändern konnte auch Leihgabe Lászlo Bénes nichts, auch wenn der Zehner bei seinem ersten Einsatz gleich in der Startelf stand und „gute Ansätze“ zeigte.

Ratlosigkeit und Enttäuschung nach dem Spiel gegen Wolfsburg. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Ein guter offensiver Ansatz im Spiel gegen Dortmund (19. Spieltag, 30.01., 3:1) war das frühe 1:0 durch André Hahn nach gekonnt in den Strafraum gebrachtem Ball von Iago und Kopfballverlängerung von Niederlechner. Yesss! Endlich mal ein schön rausgespielter Angriff! Doch der BVB ließ sich vom Gegentor nicht beirren und presste, was das Zeug hielt. Der Kicker schrieb: „Die Zone um Augsburg Strafraum [glich] einem Belagerungszustand.“ Daraus folgte der Ausgleich noch in der ersten Halbzeit, in der zweiten setzte es dann das 2:1 und 3:1 – und das leider auch noch durch Eigentor von Uduokhai.

Jetzt ist ein 1:3 gegen ein Team wie Dortmund wieder nichts Verwerfliches (obwohl der BVB in den letzten drei Spielen selbst sieglos geblieben war…). Besonders alarmierend fand ich gegen den BVB und die Wölfe aber, wie ideenlos es im Mittelfeld zuging, wenn die Abwehrreihen der Gegner sich formiert hatten. Dann hieß es entweder blind vertikal passen (und damit meistens scheitern), quer oder gar nicht passen. Das lässt sich auch gut an den Passzahlen von Gruezo zeigen. Der passte gegen Dortmund lediglich 15-mal (!), gegen den VfL 21-mal. Dagegen passte ein ähnlich zentral aufgestellter Mann wie Dortmunds Delaney fast fünfmal so oft wie Gruezo, nämlich 72 Mal!       

#FCAFCU und #FCAFCB: Hoffnungsvolle Vorzeichen

Dass die Spiele gegen Dortmund und Wolfsburg so sang-, klang- und ideenlos verloren gingen, ließ mich ehrlich gesagt ziemlich ratlos zurück. Denn schließlich war gegen Union Berlin (18. Spieltag, 23.01., 2:1) nach einer schier nicht enden wollenden Torflaute ja endlich der Knoten bei Flo Niederlechner geplatzt! Und das nicht nur einmal, er netzte sogar doppelt ein (17./47. Minute). Nach dem ersten Tor, einem wuchtigen Schuss ins lange Eck, ließ er einen solchen Urschrei los, dass der wohl auch noch im angrenzenden Haunstettener Norden zu hören war. „So viel Energie, die sich da entlädt, muss doch auch den Rest der Mannschaft aufrütteln!“, dachte ich. Anders als später gegen Dortmund oder Wolfsburg galt das gegen Union offenbar auch noch. Wir konnten wichtige drei Punkte mitnehmen!    

Florian Niederlechner beim Torjubel. Hiervon wünschen wir uns mehr. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Auch im Spiel gegen Bayern (17. Spieltag, 20.01., 0:1), quasi der Auftakt der „Doomsdays“ für den FCA, lief es nicht so unheilvoll, wie ich nach der späten 0:2-Niederlage gegen Werder und dem ergebnismäßig klaren 1:4 gegen Stuttgart, das wir ab der 76. Minute (Gelb-Rot gegen Richter) in Unterzahl bestreiten mussten, eigentlich befürchtet hatte. Denn in der zweiten Hälfte ging „den Bayern […] die Dominanz ab, die Münchner hatten nach vorne kaum Ideen mehr“.  Hätte Finnbo den Elfmeter in der 76. Minute verwandelt und nicht unglücklich an den Pfosten gesetzt, hätten wir gegen die eigentlich dauerdominanten Bayern vielleicht sogar einen Punkt eingefahren! Und wer weiß, wie sich das auf die folgenden, im Rückblick ja leider ziemlich unbefriedigenden Partien (Ausnahme: Union) ausgewirkt hätte…

Wunschkonzert zum Schluss

Am Ende angelangt will ich jetzt noch ein kleines Wunschkonzert eröffnen und mir die besten Häppchen der FCA-Doomsdays rauspicken. (Bestimmt gibt’s auch am Jüngsten Tag Musik, Fanfaren oder Pauken oder sowas. So stell ich mir das zumindest vor.) Also: Machen wir’s am Sonntag gegen Leverkusen doch wie Mainz, RWE und YB Bern und schenken ihnen in der Schlussphase, in der sie öfter unkonzentriert zu sein scheinen, mindestens noch den Ausgleich ein. Denn wie wir in Leipzig gesehen haben, können wir auch offensiv. Starten sollten wir damit allerdings schon früher (und beherzter). Vielleicht hat ja schon die Rückkehr von Frammi als spielhungriger, tempostarker Rechtsverteidiger einen positiven Effekt. Und auch der Test am Montag gegen die Kickers aus Würzburg (3:1) hat einige offensive Hoffnungsschimmer aufblitzen lassen, unter anderem ein schön rausgespieltes Tor von Noah Sarenren Bazee. Der sitzt am Sonntag als mögliche Offensivverstärkung übrigens auch auf der Bank.

„Herrlicher“ Fußball beim FCA?

Ja, ich weiß. Wortspiele mit Heiko Herrlichs Nachnamen gibt es schon zur Genüge. Trotzdem kommt heute noch ein weiteres dazu. Denn ich will hiermit einmal den Versuch starten, mir die Spielidee des Trainers ein bisschen genauer anzusehen. Und dabei auch fragen, ob sich inzwischen so etwas wie ein von Herrlich geprägter Spielstil beim FCA abgezeichnet hat. Eben ein „herrlicher Fußball“. Da ist die Überschrift doch durchaus gerechtfertigt, oder?

Spurensuche

Wenn man sich jetzt – wie ich – auf die Suche nach einer „Idee“ begibt, die der Trainer mit der Mannschaft verfolgt. Tja, wo fängt man da an und wo wird man fündig? Ich denke, da gibt es ganz grundsätzlich zwei Fundgruben, in die man sich begeben kann.

Zum einen kann man sich ansehen, was Herrlich darüber gesagt hat, was und wie er spielen lassen will. In seinen Aussagen, die die Medien in Interviews und Pressekonferenzen eingefangen haben, lassen sich sicherlich Spuren von seiner Ideenwelt finden.

Zum anderen müssen wir natürlich auch darauf schauen, was wir auf dem Platz gesehen haben: Wie sieht unser Kader aus? Mit welcher Formation sind wir aufgelaufen? Welche Spielsysteme hat Herrlich spielen lassen? Welche Mittel und Wege haben wir gegen den jeweiligen Gegner gefunden – oder auch nicht?

Schmidts Vermächtnis

Bevor ich zu unserem aktuellen Trainer komme, will ich ein Stück weit zurückgehen und bei seinem Vorgänger Martin Schmidt ansetzen. Charakteristisch für unsere damalige Spielweise unter Schmidt war sicherlich die relative hohe Verteidigung. Das heißt: Wir haben versucht, dem Gegner weit in seiner eigenen Hälfte den Ball abzunehmen und nach gelungener Balleroberung aufs Tor zuzugehen.

Leider hat das nicht allzu oft geklappt. Im Gegenteil: gerade gegen stärkere Gegner nicht, wie z. B. zu Hause gegen den BVB beim 3:5 in der letzten Saison. Da ist diese hohe Verteidigung in ein permanentes Attackieren und Anrennen“ umgekippt, sodass der FCA letztlich „kopflos ins Verderben gerannt ist“. Das schrieb der Kicker damals. Und zwar deshalb, weil wir es eben meistens nicht geschafft haben, den Gegner vom Ball zu trennen. Der konnte dann einfach hinter unsere hochstehenden Verteidiger passen und antrittsschnelle Stürmer wie Haaland oder Sancho auf (leider erfolgreiche) Torejagd gegen uns schicken.

Diese Spielweise, die man im Training auch als Angriffspressing bezeichnet, hat nicht nur für dauerhohe Torgefahr durch den Gegner gesorgt. Weil die Laufwege in unsere eigene Spielhälfte durch das hohe Verteidigen sehr lang waren, ist uns regelmäßig in der letzten halben Stunde auch die Puste ausgegangen. Der Kicker errechnete: Nach der besagten Partie gegen Dortmund hatten wir „schon 18 Punkte nach Führung verspielt, die meisten der Liga“. Zudem hatten wir zu diesem Zeitpunkt schon „17 Gegentore ab der 61. Minute“ bekommen, „der zweitschlechteste Wert hinter Mainz (18)“.

Schmidts Antwort darauf war: „eine Balance“ finden, an der gearbeitet werden müsse. Obwohl er grundsätzlich weiterhin an seinem „Ansatz aus Pressing und Umschaltspiel gegen Teams auf Augenhöhe“ festhielt. Die Chance, an einer neuen Balance zu arbeiten, hat er nicht mehr bekommen. Bekanntlich musste Schmidt keine zwei Monate nach dem BVB-Spiel gehen.

Was Herrlich über seine Idee gesagt hat

Als Herrlich im März 2020 beim FCA übernahm, sei er von Stefan Reuter erst einmal mit desolaten Spieldaten konfrontiert worden: mit der schlechtesten Quote der Liga bei Ballbesitz, (angekommenen) Pässen und gewonnenen Zweikämpfen und dazu dem zweitletzten bzw. drittletzten Rang bei zugelassenen bzw. erspielten Torchancen.

Die Torchancen, zu viele gegnerische und zu wenige eigene, erklärte der neue Trainer dann auch gleich zur Chefsache: „Egal, wo ich war, wir haben uns immer sehr viele Torchancen herausgespielt. Das sind Elemente, die ich hier reinbringen möchte“, wird Herrlich von der AZ zu seinem Amtsantritt beim FCA zitiert. Um dem Problem Ballbesitz beizukommen, wurde offenbar auch schon früh als Ziel ausgegeben: in ungefährlichen Zonen des Spielfelds längere Ballbesitzphasen schaffen.

Heiko Herrlich in Aktion(Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Mehr eigene Torchancen und mehr eigener Ballbesitz waren also schon früh zwei Elemente von Herrlichs Idee für den Augsburger Fußball. Für André Niebler, Co-Trainer mit B-Lizenz für verschiedene Jugendmannschaften des FCA zwischen 2011 und 2017 und Autor einer erst kürzlich veröffentlichten, ziemlich interessanten Analyse zum Umschaltverhalten des FCA, spiegeln sich die Pläne von Heiko Herrlich für diese Saison aber vor allem in einem Zitat wieder:

Ich habe die Überzeugung, dass man sich in allen vier Spielphasen, gegen den Ball, mit dem Ball und in den Umschaltphasen, verbessern muss. Nur auf Standards oder auf Umschaltphasen zu hoffen, macht es auf Dauer schwer.

Heiko Herrlich über seine Spielidee

Demnach sind es für Heiko Herrlich alle vier Phasen im Spiel, auf die fortan der Fokus gelegt werden soll. Also nicht nur wie bisher die Ballbesitzphase des Gegners und die daran anschließenden Umschaltmomente nach Balleroberung. Sondern jetzt eben auch die eigenen Ballbesitz- und Umschaltphasen. Im Gegensatz zu Schmidts Fußball halte ich das für eine ganz neue Facette unter Herrlich.

Was wir auf dem Platz davon gesehen haben

Trotzdem liegt die große Stärke des FCA nach wie vor im Umschaltspiel bei gegnerischem Ballbesitz. Zu diesem Ergebnis kommt auch die neuerliche DFB-Analyse. Sie nimmt dazu jeweils zwei Szenen aus dem Spiel gegen die Hertha und Schalke mit aufschlussreichen Bildfolgen genauer unter die Lupe. (Ich fasse die Szenen nur kurz zusammen. Schaut sie euch für Genaueres gerne selbst an.)

Einmal, wie die Spieler das Umschalten vorbereiten: durch wenig Raum zwischen den Ketten und druckvolles Anlaufen des gegnerischen Spielers, der zu einem Rück- oder Querpass gezwungen wird. Und einmal, wie sie nach erfolgreicher Balleroberung umschalten: durch variables Spiel nach vorne (je nachdem, wo der Ball erobert wurde, durch die Mitte oder über außen) und schnelles Aufrücken.

In der Analyse heißt es außerdem, der FCA agiere in der Ballbesitzphase des Gegners inzwischen „in einem klassischen 4-4-2-Mittelfeldpressing“, verteidigt also nicht mehr ganz so hoch. Ein Nebeneffekt dieses verschobenen Mittelfeldpressings ist sicherlich, dass die Puste hintenraus wieder öfter gereicht hat. Nicht umsonst waren wir in der Schlussphase bisher überraschend stark und hatten, wie der FCA selbst schreibt, Bis(s) zum Schluss. Die acht eigenen Treffer in der Schlussviertelstunde nach dem 13. Spieltag sprechen laut der DFB-Analyse auch für „eine mental und athletisch topfitte Mannschaft“.

Topfit zum Siegtreffer. Gegen Bielefeld hat es schon geklappt. (Photo by Thomas F. Starke/Getty Images)

Doch die DFB-Analyse versteift sich aus meiner Sicht zu sehr auf die Stärken des FCA. Die Schwächen deutet sie nur an. Da heißt es: Neben dem (neuen) Mittelfeldpressing komme auch das (alte) Angriffspressing hin und wieder zum Einsatz, z. B. bei Rückstand, wenig verbleibender Spielzeit oder gleichwertigen Gegnern. Bielefeld zum Beispiel. Das sei aber bisher nicht ganz so vielversprechend gewesen. Angesichts unseres schwachen Auftritts in Bielefeld, bei dem Herrlich personalbedingt mit Dreierkette und Caligiuri auf der linken (!) Außenbahn hat spielen lassen, kann man das so unterschreiben.

Auch das Ziel, mehr eigenen Ballbesitz (und daraus eigens initiierte Tore) zu generieren, ist in der Praxis noch nicht ganz aufgegangen. Zwar seien genau dafür „neue Veteranen“ wie Caligiuri und Strobl geholt worden, die zusammen mit den „Altgedienten“ wie Gouweleeuw oder Khedira Erfahrung und Übersicht mitbringen sollten. (Warum dazu nicht auch unser „alter Veteran“ Dani Baier getaugt hätte, ist eine andere Frage…) Und auch der miserable Wert von einst hat sich verbessert. Doch gerade in eigenem Ballbesitz fehlen noch Kreativität und Ideen, wie man dem Gegner in der Vertikalen ein Schnippchen schlagen kann. Die neue, offensivere Richtung in Bewegung und Denke ist noch nicht ganz bei der Mannschaft angekommen.   

Was wir für die weiteren Spiele erwarten (dürfen)

Wenn ich die zusammengetragenen „Hinweise“ auf Heiko Herrlichs Spielidee jetzt Revue passieren lasse, kann ich vielleicht Folgendes festhalten. In den kommenden Spielen wird es (ihm) darum gehen:

  1. Die (alte) Stärke des FCA, das Umschalten und die Balleroberung, weiter ausbauen.
  2. Die (neue) Stärke des FCA, die mentale und athletische Fitness auch in der Schlussphase, aufrechterhalten.
  3. Den angestoßenen Prozess, das Spiel mit dem Ball, weiter vorantreiben. Um auch tiefer stehende Gegner zu überwinden, sich auch abseits von Umschaltphasen Chancen zu erarbeiten und so schließlich öfter zum Torerfolg zu kommen.

Vielleicht hat Heiko Herrlich auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den VfB Stuttgart am Sonntag gerade diesen dritten, noch ausbaufähigen Punkt gemeint, als er von seiner Mannschaft – in ungewohnt direkter Manier – forderte, sie müsse jetzt ihre Leistung steigern und „den nächsten Schritt gehen“.

Ob uns das gelingt, wird aus meiner Sicht auch davon abhängen, ob sich die Mannschaft mittelfristig überhaupt damit identifizieren kann, öfter in Ballbesitz zu sein und daraus eigene Aktionen zu kreieren. Ob sie sich in dieser neuen Rolle wohlfühlt, einmal nicht der Außenseiter in Dauer-Lauerstellung zu sein, sondern selbst den Takt vorzugeben. Und ob bei dieser Mission auch alle mitziehen. (So wie umgekehrt für erfolgreiches Umschalten auch bei allen der Wille vorhanden sein muss, das eigene Tor zu verteidigen.)

Gegen den VfB Stuttgart gingen nicht alle Pläne auf. (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Am Wochenende beim 1:4 gegen den VfB war dieser Wille zum Angriff leider nur streckenweise, nur in Ansätzen zu erkennen. Nach dem Gegentreffer in der 10. Minute und in den Minuten nach dem Seitenwechsel. Nach toller Vorlage von Vargas erzielte Richter dann auch prompt den Anschlusstreffer.

Und auch der Wille zum Verteidigen, unsere alte Dauerstärke, hatte sich stellenweise verflüchtigt. Wir attackierten nicht konsequent genug im Mittelfeld, ließen uns dort (mit zugegebenermaßen teils genialen Pässen wie von Kempf vor dem 0:2) überspielen und schienen uns gerade in „unserer“ Schlussphase fast aufgegeben zu haben. Darauf deutet jedenfalls hin, dass sich beim 1:4 niemand für den späteren Torschützen Didavi verantwortlich fühlte. Zum Beispiel versuchte Udoukhai nicht einmal mehr, den reingehenden Ball durch ein letztes Reinrutschen noch aus dem Tor zu fischen. Und nach dem Treffer ließen auffällig viele FCA-Spieler sprichwörtlich die Köpfe hängen. Immer eine vielsagende Geste, finde ich.

Von herrlichem Fußball – im herkömmlichen Sinne – kann beim FCA also noch keine Rede sein. Zu viele offene Baustellen gibt es. Trotzdem hat sich beim FCA unter Heiko Herrlich meiner Meinung nach inzwischen so etwas wie eine „herrliche“ Spielidee abgezeichnet. Wenn auch nur ganz leicht und vor allem langsam. Dass die Mannschaft sich diesen Stil, mehr eigene Spielkontrolle auszuüben und sich dabei zugleich auf alte Tugenden zu stützen, mit der Zeit aneignen kann, da bin ich optimistisch. Denn ich finde, er steht ihr.

Allerdings wird das nur klappen, wenn sie das auch wirklich will. Damit meine ich auch Herrlich selbst, der genauso wie sein Team in der Pflicht steht, diesen Willen, diesen geforderten Hunger ins Spiel hinein zu vermitteln. Oder was meint ihr?

Heja!

Von (FC)B nach (FC)A


In unserer Serie #ImmernochOriginal1907 berichtet heute Franzi von ihren Erinnerungen an die Anfänge ihres Fußball-Fantums. Allgemeine Infos zur Serie und Aktion gibt es hier. Vorher hatten schon IrinaStefanStephan, Sebastian und Andy berichtet. Ihr habt auch eine Augsburger Fangeschichte zu erzählen? Dann meldet euch gerne bei uns und haltet die Serie am Leben (kontakt@rosenau-gazette.de).

Schon lange habe ich nicht mehr so intensiv über mich, den Fußball und den FC Augsburg nachgedacht. Warum auch? Über selbstverständliche Dinge denkt man in der Regel ja auch nicht nach. Beim Nachdenken bin ich jetzt aber auf eine ganze Reihe toller Erinnerungen gestoßen. Erinnerungen, die in meinem Gedächtnis vergraben waren, jetzt aber wieder total präsent sind. Und mich dazu ganz euphorisch werden lassen: Was habe ich mit und durch den FCA nicht schon alles erlebt! Dafür, dass ich meine Erlebnisse hier aufschreiben und mit euch teilen darf, will ich dem Team der Rosenau Gazette und vor allem Andy vielmals danken. Ein fettes Merci!

Dank Mama zum Fußball

Angefangen hat alles mit der EM 1996 in England. Damals war ich 10, Berti Vogts Bundestrainer und auf dem Platz standen Fußball-Schwergewichte wie Andi Köpke, Matthias Sammer oder Jürgen Klinsmann. Aus meiner heutigen Sicht war es damals vor allem meine Mama, die immer bestens über den Spielplan und den nächsten Gegner Bescheid wusste und in der ganzen Familie Vorfreude auf das nächste Match verbreitete. So fieberten (das Elfmeterschießen im Halbfinale gegen England!) und litten (das immer größer werdende Lazarett!) wir alle bis zum erlösenden Golden Goal vor dem Fernseher mit.

Zu meinem Geburtstag bekam ich dann auch ein Buch. England 96. Ich konnte nicht aufhören, es auch noch Wochen nach dem Turnier immer wieder durchzublättern und den Weg der Mannschaft bis zum Finalsieg immer wieder aufs Neue mitzuerleben bzw. durchzumachen. Ab da hatte mich der Fußball gepackt.

Der FC Bayern als Startrampe

Nun war die EM vorbei. Die Lust auf Fußball aber noch lange nicht. Darum machte meine Mama – wie vielleicht viele andere in den 1990er Jahren, als der Fußball plötzlich einen neuen Aufschwung erlebte – den Vorschlag, doch mal ins Stadion zu fahren. Aber nicht in das des FCA, sondern des FCB. Augsburg kannte ich damals hauptsächlich von den Besuchen meiner „Stetten-Oma“ in – ja genau, Haunstetten. Und den FCA von meinem Papa, einem gebürtigen Augsburger, der manchmal im Witz sagte, wir könnten doch auch mal dorthin fahren. Ob er das wirklich als Witz gemeint hatte und nicht doch eher Lust gehabt hätte, den Verein seiner Heimatstadt zu sehen? Ich weiß es nicht.

Was ich aber sicher sagen kann: Anstatt in die Rosenau fuhren wir ins Olympia-Stadion. Dort sahen wir u. a. am 10. Mai 1997 Bayern vs. Freiburg (0:0), ganz familienfreundlich von den Sitzrängen aus. Während die Partie damals völlig unbefriedigend für mich ausgegangen war (die ganze Rückfahrt nach Kaufbeuren saß ich niedergeschlagen auf der Rückbank), wurde sie durch Klinsis „Tonnentritt“ im Nachhinein berühmt. Um mich fürs Stadion vorzubereiten, strickte ich z. B. einen eigenen, ziemlich holprig geratenen FCB-Schal, legte eine Autogrammkarten-Sammlung an und überredete meine Mama zu einem Bravo Sport-Abo.

Meine Mama, ich und meine Schwester (von links) im Münchner Olympia-Stadion Mitte-Ende der 1990er. Entsprechend totschick sind unsere Klamotten. (Foto: privat)

Zur Bravo Sport habe ich noch eine kleine Anekdote: Irgendwann machte ich bei einem Gewinnspiel mit, bei dem man das Tabellentreppchen richtig tippen musste. Das war keine Kunst, denn Platz 1 und 2 konnten sich rein rechnerisch auch nach dem Spieltag nicht verändern. Darum hatten neben mir auch viele andere den richtigen Tipp abgegeben. Doch ich wurde letztendlich als Siegerin ausgelost – und gewann 3.333 DM. Was für ein Haufen Geld für eine 13-Jährige! Doch nicht nur das bekam ich, sondern auch noch Besuch von zwei Bravo Sport-Leuten, eine bebilderte Doppelseite und – nicht zu glauben – Liebesbriefe. Das ist vor allem deshalb so unglaublich, wenn man sich die Fotos von damals anschaut. Doch die erspare ich euch an dieser Stelle lieber *grins*.

Augschburger Mädel

2005 zog es mich aus dem Allgäu zum Studium nach Augsburg. Im darauffolgenden Jahr feierte ich dann endlich mein Debut in der Rosenau – nachdem der FCA den Aufstieg in die 2. Liga schon verfrüht klargemacht hatte. In dem Spiel, zu dem ich mich mit meinem Papa traf (auch für ihn war es das erste Mal in der Rosenau!), ging es also um nichts mehr. Entsprechend grau sind meine Erinnerungen daran.

Was sich dafür umso mehr in mein Gedächtnis einprägte: Wie jemand den Spielstand an der Anzeigetafel per Hand änderte, wie er sich nach getaner Arbeit wieder auf seinen weißen Plastikstuhl setzte. Wie ich später lernte, war das unser „Tafelmann“, der Wagner Josef (Gott hab’ ihn selig). Allein schon wegen ihm musste man den FCA mögen! Und genau das tat ich immer mehr.

Nach einer fünfjährigen „Pause“ zwischen 2001 und 2006, in der mir Musik und Band offenbar wichtiger waren als Fußball (vielleicht auch nur gezwungenermaßen, weil meine Bandkollegen einfach so gar nichts mit Fußball anfangen konnten und mich deswegen auch immer hänselten: „Franzi, du immer mit deinem Fußball!“), war meine frühere Begeisterung für den FCB gänzlich abgeflaut. Allerdings war meine frühere Fußballbegeisterung auch notwendig, damit ich sie überhaupt wiederentdecken konnte – diesmal und seitdem aber nur noch für den FCA.

Ab da ging es mit mir und dem FCA also richtig los. Und meine sechs tollen Jahre, die ich in Augsburg verbrachte, sind aufs Engste mit meinem Verein verbunden. Aber auch mit den Leuten, mit denen ich meine neue, wiederentdeckte Begeisterung teilen konnte. Da war z. B. meine Mitbewohnerin, mit der ich regelmäßig in der Kurve stand, als es auch für Nicht-Dauerkarten-Besitzer*innen immer noch Tickets für den Block gab. Oder die Crew um Korbi, die ich leider erst zum Ende meines Studiums kennenlernte, mit der ich aber umso mehr unvergessliche Momente verbinde. Allein unsere Treffen vor dem Spieltag im Unicum, im 1516 oder in der (ersten) Schwarzen Kiste, bevor es dann mit der 3er ins Stadion ging. Zucker! Oder unser Ausflug nach Kaiserslautern, wo wir am Abend das Nachtleben, am nächsten Tag den Betzenberg unsicher machten.

Im Fanzug nach Bremen (“Abteiiiiiil!”) trafen wir auch den damaligen Augsburger OB und fragten ihn aus einer (Bier-)Laune heraus nach einem Foto. (Foto: privat)

Ein Highlight war für mich auch die Fahrt mit dem Fanzug nach Bremen zum DFB-Pokal-Halbfinale gegen Werder. Für unschlagbare – wie konnte es anders sein – 19,07 Euro. Allein die Fahrt war so ereignisreich, da hätte es eigentlich gar kein Spiel mehr gebraucht. Mit unserem Abteil hatten wir es grandios getroffen. Unseren Schlachtruf („Abteiiiiiiiiil!“) brüllten wir uns auch noch nach der Fahrt zu. Die ganze Hin- und Rückfahrt amüsierten wir uns prächtig. Im Zug gab es sogar einen Partywagen, in den es uns regelmäßig verschlug. Dort sichteten wir auch den damaligen Augsburger OB Kurt Gribl. Ohne das eine oder andere Bierchen wären wir wahrscheinlich gar nicht auf die (Schnaps-)Idee gekommen, mit ihm ein Foto zu machen. Schließlich war auch er nur einer von vielen hundert Fans, die im Zug nach Bremen reisten, um den FCA siegen zu sehen. Ein frommer Wunsch, wir verloren 0:2, aber das war völlig wurscht. Pokal-Halbfinaleeee!

In meine Zeit als Augschburger Mädel (das sang ich manchmal, wenn die „Augschburger Jungs“ erklangen und ich mir dachte: „Hey, ich bin kein Junge.“) fiel auch der Aufstieg in die erste Liga. Auch wenn es von Seiten „älterer“ Fans oft heißt, der Aufstieg in die zweite Liga sei viel bedeutender gewesen, so war er für mich ein weiterer Moment, an den ich mich gar nicht oft genug zurückerinnern kann.

An jenem 8. Mai 2011 fanden wir uns früh in der Arena ein. Schon seit Tagen mit der leisen Vorahnung, dass heute Großes passieren könnte. Und das tat es. Unvergessen ist der Moment, als Stephan Hain in der 85. Minute den Ball zum 2:1-Siegtreffer ins Tor einschob. Ich kriege jetzt noch feuchte Augen, wenn ich daran denke. Nicht umsonst wurde Hains Treffer auch zum FCA-Tor des Jahrzehnts gewählt. Was nach Abpfiff passierte – unbeschreiblich. Da war es nur ein klitzekleiner Aspekt, dass sich die Aufstiegsparty dann in die Innenstadt auf den Rathausplatz verlagerte. Und wir nochmal zusammen mit der Mannschaft, die an den Fenstern des Sparkassen-Gebäudes erschien, feiern konnten!

In Berlin konnten wir unsere Aufstiegshelden nochmal so richtig feiern. (Foto: privat)

Das Auswärtsspiel gegen die Hertha in Berlin war dann nur noch die Kür, das Sahnehäubchen – und eine einzige, verlängerte Aufstiegsparty.

Von (FC)B nach (FC)A

Nach der Saison 2010/11 war also nicht nur FCA in der ersten Liga gelandet, sondern auch ich studienbedingt in der oberbayerischen Kleinstadt Eichstätt. Seitdem wurde es immer schwieriger für mich, regelmäßig ins Stadion zu kommen. Die Zugverbindung ist von hier aus – eigentlich egal wohin – ziemlich sscchh- wierig. Dass ich seltener im Stadion bin, heißt aber nicht, dass meine Bindung zu Schwaben, Augsburg oder dem FCA abgerissen ist. Im Gegenteil.

Zwar habe ich nach fast zehn Jahren die manchmal grantigen Eichstätter*innen ziemlich liebgewonnen und inzwischen auch gelernt, den kuriosen Dialektmix zu verstehen, den manche sprechen. Zustande kommt der durch die Grenzlage Eichstätts in (Ober-)Bayern nahe (Mittel-)Franken und Bayerisch-Schwaben. Einen höheren Stellenwert haben hier trotzdem die beiden ersten Regionen: Wenn man in eine größere Stadt will, fährt man nach Ingolstadt, München oder Nürnberg. Fußballerisch ist man entweder 60er, leidet mit dem FCN oder supportet den VfB Eichstätt in der Regionalliga. Augsburg? FCA? Fährt kaum wer hin, findet kaum wer gut.

Aber genau wie Irina schon schrieb: Zwar bin ich geografisch jetzt weiter weg von Augsburg, bin seltener da. In meiner Identifikation habe ich mich ihm aber noch nie so nah gefühlt. Das macht der (Dauer-)Aufenthalt in der „Ferne“, „im Exil“. Hier bin ich „die Schwäbin“, die sich spätestens beim Sprechen (mit ihrem rrrrollenden R) als solche enttarnt. Hier bin ich eine der wenigen, die sich den FCA ausgesucht hat (oder umgekehrt, wie Stefan meint). Aber genau deshalb bin ich nach wie vor stolz darauf (oder vielleicht noch nie so stolz gewesen), zu sagen: „Ja der FCA eben! Was sonst?“  

Wenn ich mir meinen Text jetzt nochmal so ansehe, fällt mir auf, dass er ziemlich viel Persönliches enthält. Aber genau das zeigt mir, dass der FCA seit vielen Jahren ein fester Teil von mir ist. Ob ich will oder nicht. Selbst als ich beim Weggang von Daniel Baier kurz überlegt habe, alles „hinzuschmeißen“. Ging nicht. Und auch meine frühere Bayern-Liebe, die hier ebenfalls einen Platz bekommen hat, kann ich nicht leugnen (obwohl ich das manchmal gern täte). Denn erst sie hat mir meinen Weg zum FCA geebnet.

Die Serie A ist besser als die Serie B, A-Ware ist besser als B-Ware und ein A in der Schule ist besser als ein B. Wer will da bestreiten, dass es nicht auch von (FC)B nach (FC)A steil aufwärts für mich gegangen ist? Nur der FCA.

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