Abgegrätscht

1:0 hat der FCA am Freitag in Bielefeld gewonnen. Offensiv hielt sich das Feuerwerk erneut sehr in Grenzen. Dafür konnte Bielefeld noch weniger Akzente setzen als unsere Augsburger und so geht der Sieg in einer umkämpften Partie dann wohl in Ordnung. Zweimal nacheinander gepunktet. Eine Seltenheit. Aber auch taktisch mit funktionierenden Matchplänen. Als Augsburger reibt man sich verwundert die Augen. Hat die Mannschaft ihr Gleichgewicht gefunden?

3er vs 4er Kette

Die offensichtlichste Änderung war in diesen beiden Partien die von Markus Weinzierl verordnete Systemumstellung hin zur 3er Kette. In den Anfangsformationen der Spiele fanden sich so dann sowohl Oxford, Gouweleeuw als auch Uduokhai wieder. Gegen Bielefeld musste Uduokhai verletzt raus und für ihn kam Winther. Das System blieb. Und mit ihm die defensive Stabilität.

Daniel Caligiuri war sich für kein Tackling zu schade und ist auf der rechten Schiene momentan die Optimalbesetzung (Photo by Martin Rose/Getty Images)

Zwei Spiele lang keine einfachen Fehler in der Abwehr, die direkt zu Gegentoren führten. Basierend auf dieser defensiven Stabilität versetzt sich die Mannschaft in die Lage zu punkten. Auch deshalb, weil hierdurch die Schwächen auf den defensiven Außen kaschiert werden. Mit Daniel Caligiuri hat man einen guten rechten Schienenspieler und auch Iago oder Mads Pedersen fühlen sich offensiver deutlich wohler. Die Systemfrage scheint vorerst geklärt.

Pressing vs. zu große Offenheit

Markus Weinzierl hat immer wieder verkündet, dass dem System keine zu hohe Bedeutung zuzumessen ist. Aus meiner Sicht scheint auch den Pressingabläufen mehr Gewicht als dem System selbst zuzukommen. Gegen Bielefeld wurde genau hier in der Halbzeit nachjustiert und ab Halbzeit 2 etwas aggressiver gepresst. Das wichtigste dabei bleibt, dass die Pressingabläufe so gut funktionieren, dass sie nicht einfach überspielt werden können und in ihrem Rücken keine großen Lücken entstehen.

Gregerls wichtigste Rolle momentan: den Druck auf den Gegner immer hochhalten. Es gelingt sehr oft. (Photo by Martin Rose/Getty Images)

Hier scheint die Mannschaft Fortschritte zu machen. Gerade die Pressingabläufe sind ein Erfolgsgarant. Die Offensivspieler wissen, dass die Körner im Zweifel nicht für 90 Minuten reichen müssen und geben im Anlaufen des Gegners alles. Auch Bielefeld wurde in ungewollte länge Bälle gezwungen, konnte sich kaum hieraus befreien und gewann dann auch wenig zweite Bälle. Da macht es dann für den Gegner wenig Spaß. Und nicht nur, weil man verliert.

Zweikampfführung

Die schlechten und ungewollten Spieleröffnungen erlauben es der Mannschaft dann, gut in die Zweikämpfe zu kommen und Bälle zu erobern. Das Spiel des Gegners wird berechenbarer. Bälle werden antizipiert und abgefangen. Im Zweifel wird der Gegner auch mal gelegt. Gerade gegen Bielefeld hat der FCA keine Gefangenen gemacht. 5 gelbe Karten standen am Ende zu Buche. Beschweren durfte man sich diesmal über keine davon. Die Partie war für Bielefeld sichtlich unangenehm zu spielen. Der FCA hat es Ihnen so schwer gemacht, wie es sich für eine Augsburger Mannschaft gehört. Diese Bissigkeite und Aggressivität, die schon oft als einer der Augsburger Grundwerte bezeichnet wurde, ist zurück. Ich habe es geliebt.

Mads Pedersen beim Tackling. Ich liebe es. (Photo by Martin Rose/Getty Images)

Torgefährlichkeit

Alleine vom Spiel mit dem Ball in Richtung gegnerisches Tor war dann am Ende – mal wieder – nicht viel zu sehen. Der FCA ist weiterhin nicht in der Lage einen Gegner herzuspielen und eine Vielzahl von Chancen selbst zu kreieren. Selbst gegen Arminia Bielefeld. Das Team von Markus Weinzierl hat nun aber hierfür eine Lösung gefunden, die auch schon gegen Union Berlin funktioniert hat. Durch die Pressingabläufe und die aggressive Zweikampfführung, werden die Bälle höher – heißt näher zum gegnerischen Tor – erobert. Gegen Bielefeld war es Iagos Ballgewinn auf Höhe der Mittellinie der das Tor einleitete. Dadurch werden die Wege kürzer und man kann den Gegner überrumpeln. Bei der Qualität unserer Abschlussspieler, diesmal in Person von Daniel Caliguiri, der immer noch einen feinen Ball Richtung Tor auf Lager hat, kommen wir dann doch ab und zu zum Torerfolg. Und das reicht dann diesmal zum Sieg.

Geht es so weiter?

Und damit scheint der FCA nun eine Formel gefunden zu haben, die mit dem vorhandenen Spielermaterial, zu erfolgreichen Ergebnissen führen kann. Trotzdem stellt sich vor der Partie gegen Mainz 05 – so sie denn in Anbetracht der Mainzer Corona-Infektionen stattfindet – erneut die Systemfrage. Traut Markus Weinzierl Frederik Winther die Rolle des 3. Innenverteidigers zu? Gerade nun da die Mannschaft im Gleichgewicht angekommen scheint, wird durch die Personalsituation die Frage aufgeworfen, ob man in dieser Formation weiterhin antreten kann. Ich würde mir wünschen, dass wir bei diesem System bleiben. Sollen sich doch die direkten Gegner im Abstiegskampf überlegen müssen, wie sie dieses Bollwerk knacken. Sich die Zähne ausbeißen. Ihr frustriertes Gemeckere auf dem Platz ist Musik in meinen Ohren. Und die gesammelten Punkte geben die nötige Zuversicht für den Abstiegskampf. Den Kampf hat die Mannschaft sichtbar angenommen. Dafür bin ich heute dankbar.

Macht den Karren wieder flott

Markus Weinzierl stand für den FC Augsburg am Samstag gegen Freiburg, bei der (vielleicht vermeidbaren) 1:2 Heimniederlage nicht am Seitenrand. Corona hatte ihn erwischt und er ist weiterhin in Quarantäne. Es ist müßig zu diskutieren, ob es etwas geändert hatte. Was sicher ist: schon nach den Partien gegen Leverkusen und Gladbach war er in die Kritik geraten. An vielen Stellen wird sich gefragt, wo denn die sportliche Entwicklung geblieben ist. Der FC Augsburg ist weiterhin das Maß an fehlender Konstanz. In diesem Zusammenhang ist das Team unschlagbar. Natürlich fällt dies auch auf den Trainer zurück. Wer aber trägt hierfür neben ihm die Verantwortung?

Keiner übernimmt Verantwortung

Teaminterne Prozesse im Fußball sind eine komplizierte Angelegenheit. Versuche ich selber kurz vor Ende des Spiels den Lucky Punch zu landen oder spiele ich lieber nochmal ab? Oft ist beim Fußball die Teamleistung mehr als nur die Summe aller Einzelleistungen. Spieler müssen sich für das Wohl des Teams hinten an stellen. Das Team muss Vorrang haben. Dafür muss jeder Verantwortung für das Team übernehmen und das persönliche Vorankommen vielleicht auch hinten anstellen.

Der Trainer und sein Team sind in diesem Zusammenhang das regulierende Kollektiv. Sie müssen glaubhaft das langfristige Wohl des Teams im Auge haben und auch schwierige Entscheidungen z.B. bzgl. Startelfnominierungen treffen. Und das Team bestehend aus vielen Einzelspielern muss diesen Entscheidungen Folge leisten. Nun sieht das beim FCA schon seit längerem nicht nach einem eingespielten Team aus. Nach individuellen Fehlern fehlt das gegenseitige Aufbauen. Es fehlen die Antreiber. Es fehlt, das Spieler auch nach außen sichtbar Verantwortung übernehmen. Es wird noch nicht einmal benannt, wer im Mannschaftsrat ist. Selbst im Trainerteam wird die Verantwortung weggeschoben. Reiner Maurer sagte in der Pressekonferenz vor dem Spiel: “Ich fühle mich genau so verantwortlich, wie wenn der Markus dabei ist.” War er halt nur nicht. Kollektives Wegducken.

Die lahme Ente

Dieser Prozess endet allerdings nicht beim Trainerteam oder Markus Weinzierl. Unter der Woche gab es eine Medienrunde mit Stefan Reuter. Im Gegensatz zur Pressekonferenz nicht öffentlich. Dazu kommt, dass Stefan Reuter sich zur Zukunft von Markus Weinzierl nicht abschließend äußern will. Weggeduckt hat er sich zuletzt bei Tom Scharnagl bei a.tv. Wo ist das Problem mag sich der ein oder andere fragen? Das Problem ist Markus Weinzierls vertragliche Situation. Sein Vertrag läuft zum Saisonende hin aus und wurde bisher nicht verlängert.

Und am Ende war wieder der Trainer verantwortlich für die fehlende sportliche Entwicklung? (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

In den USA nennt man das eine “lame duck“, übersetzt eine lahme Ente. Damit ist gemeint, dass in diesem Fall der Trainer keine Durchsetzungskraft mehr hat, weil ihm die Rückendeckung fehlt. Die Spieler glauben vielleicht selbst nicht mehr an einen Verbleib des Trainers. Entsprechend folgen sie den Vorgaben und Weisungen vielleicht nicht mehr zu 100%. Bewusst oder unterbewusst spielt dann schon keine Rolle mehr. Es gibt eine Ausrede. Wegducken wurde hiermit legitimiert.

Handelt jetzt, zefix!

Das kann so nicht bleiben. Die Verantwortlichen beim FC Augsburg, Stefan Reuter und Klaus Hofmann in allervorderster Front, müssen sich schleunigst klar werden, was sie von den Leistungen von Markus Weinzierl halten. Ich kann mir kaum vorstellen, dass eine Vertragsverlängerung an Markus Weinzierl scheitern würde. Und wenn, dann wäre das auch ein klares Zeichen. Weinzierls Optionen in der Bundesliga werden auf Sicht äußerst begrenzt sein. Er lebt mittlerweile nur noch von seinen längst vergangenen Augsburger Lorbeeren.

Wenn man von der Arbeit von Markus Weinzierl überzeugt ist, dann ist es Zeit den Vertrag schleunigst zu verlängern und dies sofort zu kommunizieren. Wenn die Überzeugung fehlt, dann ist es jetzt Zeit “Servus” zu sagen. Laut und deutlich. Und mit Überzeugung und Stärke in das letzte Drittel der Saison einzubiegen. Wo liegt hier das Problem?

Die Alternativen

Für mich ist das Problem recht deutlich. Sollte man sich von Markus Weinzierl trennen, dann braucht es eine Alternative. Und um den passenden Trainerkandidaten bestimmen zu können, braucht es ein Anforderungsprofil und bestehende Kontakte. Nach Weinzierls erstem Abgang hatte man sich für Dirk Schuster entschieden, weil er aus wenig viel gemacht hatte in Darmstadt und dort auch die “Augsburger Tugenden” auf dem Platz sichtbar machte. Danach übergab man an Manuel Baum, um die eigene Jugend besser zu integrieren und sich sportlich zu entwickeln. Und seitdem ist keine klare Strategie bei den Trainerverpflichtungen mehr erkennbar. Martin Schmidt war spielerisch auf Umschaltspiel begrenzt und die Mannschaft zerfiel regelmäßig. Zu Heiko Herrlich habe ich damals schon viel geschrieben und lasse das an der Stelle lieber. Ich habe selten eine weniger überzeugende Führungspersönlichkeit erlebt. Reuter, Hofmann und Co. haben in den letzten Jahren eine Trainerfahrkarte nach der anderen geschossen. Alte Bekannte, die dem FC Augsburg jetzt vielleicht auf dieser Position helfen könnten, sind ihnen vielleicht ausgegangen. Deshalb war ja schon im letzten Jahr Markus Weinzierl der letzte Rettungsanker.

Spoiler Alert: Wahrscheinlich wird man Klaus Hofmann in den kommenden Wochen wieder mehr öffentlich wahrnehmen. Es ist der übliche Prozess. (Photo by Stefan Puchner – Pool/Getty Images)

Und was will die Führungsspitze in Augsburg denn von einem Trainer? Defensive Stabilität und Augsburger Tugenden? Ausgeprägtes Ballbesitzspiel mit in Ruhe vorgetragenen Angriffen und hoher Torquote? Alles getragen von mindestens 5 Eigengewächsen? Alles zusammen? Zwischen den Wünschen und Ansprüchen und der Realität scheint eine kleine Lücke zu klaffen. Die fehlende Fokussierung auf Kernaspekte führte in den letzten Jahren zur Beliebigkeit. Wir sind zur grauen Maus verkommen. Negativ in diesem Sinne: die Teams kommen gerne nach Augsburg, weil es nicht mehr ganz so ungemütlich ist, gegen uns zu spielen.

Was es jetzt braucht

Der FC Augsburg muss sich endlich klar werden, was er sportlich will. Eindruck in den USA schinden und eine Marke aufbauen, oder sportliche Lücken für den Klassenerhalt stopfen? Ach, die Transferphase ist schon vorbei. Wie schade. (Ich zügle den Sarkasmus gleich wieder). Trotzdem ist es noch nicht zu spät. Auch in dieser Phase der Saison hat der Club noch alles selbst in der Hand. Sobald er denn weiß, was er will. Klarheit diesbezüglich sollte schnellstens geschaffen werden.

Auf Basis dieser Analysen sind schon jetzt die Kernpositionen im Club zu besetzen. Angefangen beim Trainer und seinem Trainerteam. Und mit vollster Überzeugung und breiter Brust muss der FCA dann das letzte Drittel der Saison angehen. Alle in die Pflicht nehmen. Zusammenhalten. Dann habe ich zumindest viel Hoffnung, dass die Leistungen des Teams konstanter werden und wir die Klasse halten. Ab nächster Saison wird es dann vielleicht etwas besser.

(Alternativszenario – die realistische Variante)

Wir dümpeln weiter so vor uns hin. Gegen Dortmund wehren wir uns vor eigenem Publikum und verlieren knapp genau wie gegen Bielefeld auswärts. Ach, vielleicht holen wir sogar 1 oder 2 Punkte. Das Management und auch Klaus Hofmann werden in den nächsten Wochen – wie vor dem Abgang von Heiko Herrlich – medial präsenter werden. Es wird – erneut – die fehlende sportliche Entwicklung kritisiert werden. Klaus Hofmann wird fluchend ins Kameralicht rücken auf den Tribünen der Republik. Am Ende wird man Markus Weinzierl freistellen und versuchen dem Team einen neuen Impuls zu geben, um die Klasse zu halten. Die Konkurrenz ist dieses Jahr deutlich stärker und so reicht es vielleicht ausnahmsweise nicht oder wir müssen in die Relegation. Die Verantwortlichen werden sagen, dass ja klar war, dass es uns irgendwann erwischen hatte müssen. An diesem Punkt, sollten wir an diesen Zeitpunkt in der Saison zurückdenken. Noch ist es vermeidbar. Und die Verantwortung hört längst nicht beim Trainer auf.

Ich liebe meine Freiheit

Freddy Jensen ist nun schon seit 3,5 Jahren in Augsburg, nachdem er vorher mehrere Jahre bei Twente Enschede in den Niederlanden gespielt hatte. Ursprünglich kommt er aus Finnland. Finnland ist ein faszinierendes Land und ich habe die Gelegenheit in der Länderspielpause genutzt, mit ihm über seine Heimat zu sprechen. Das nachfolgende Interview steht damit in einer Reihe mit den Beiträgen über Jan Moraveks, Alfred Finnbogasons und Michael Gregortischs Heimatorte. Viel Spaß beim Lesen!

Andy: Heute geht es ja wenig ums Sportliche. Wir sprechen gerne mit Spielern über ihre Heimat. Ich kann vorausschicken, ich war noch nie in Finnland. Also werde ich heute viel Neues lernen. Du kommst ja aus Porvoo. Vielleicht erzählst du einfach mal von Porvoo.

Freddy: Porvoo ist eine schöne kleine Stadt ungefähr eine halbe Stunde von Helsinki entfernt. Es hat ungefähr 50.000 Einwohner. Im Sommer ist es eine wirklich schöne Stadt. Es gibt viel Tourismus und einen Fluss (Anmerkung: den Porvoonjoki). Ich bin in Porvoo aufgewachsen. Es ist meine Heimat. Jeder kennt jeden und es ist eine ganz ruhige Stadt. Da man aber in der Nähe von Helsinki ist, wird das auch nicht langweilig.

Andy: Ich habe Fotos gesehen. Für dich ist das wahrscheinlich selbstverständlich, aber in Porvoo gibt es sehr viele rote Häuser. Was hat es mit diesen roten Häusern auf sich?

Freddy: Ich kenne die Geschichte der roten Häusern nicht genau, aber wir nennen sie fågelholk. Kennst du das Wort fågelholk (Anmerkung: Vogelhäuschen)? Das sagen wir immer. Das sind die Vogelhäuschen von Porvoo. Das sind diese alten Häuser von Porvoo und meine Oma hat in einem der roten Häuser früher gewohnt.

Andy: Das sieht wirklich sehr malerisch aus. Man kann sich das gut vorstellen, dass das im Sommer ein wirklich hübscher Anblick ist.

Freddy: Die schönste Stadt der Welt.

Andy: Und wir reden nicht über Augsburg. Was Porvoo ja auch besonders macht: in Porvoo sprechen ca. 30 Prozent der Menschen Schwedisch als Muttersprache., wie Du ja auch. Wie ist das in so einer Stadt, die zweisprachig funktioniert?

Freddy: Es gibt eine finnische Schule und eine schwedische Schule. Eigentlich ist das ganz normal im Süden von Finnland. Da hast du immer Leute, die Finnisch sprechen und welche, die Schwedisch sprechen. Deswegen habe ich auch viele Freunde, die kein Schwedisch sprechen, aber auch viele Freunde, die eigentlich nur Schwedisch sprechen. Für mich war das immer cool. Da konnte ich immer Finnisch reden mit jedem und auch Schwedisch. Auch in der Mannschaft in Porvoo waren sowohl Jungs die Finnisch und auch Schwedisch gesprochen haben. Für mich ist das ganz normal, dass Leute auch nur Finnisch reden. Mein Opa spricht nur Finnisch, also haben wir mit ihm nur Finnisch geredet. Mit meinen Eltern oder meinem Bruder ist es nur Schwedisch.

Andy: Man wächst mittlerweile mehrsprachiger. Dazu kommt Englisch, weil in Finnland w vieles im Fernsehen auch nicht übersetzt wird.

Freddy: Ja, das ist ein großes Problem in Deutschland. Ich habe auch Englisch gelernt, um „Friends“ zu gucken. Da habe ich Englisch gelernt, nur um die Serie anzuschauen. Aber ja, in Finnland macht man das nicht, dass man die Serien übersetzt. Aber hier in Deutschland macht ihr das. Warum macht ihr das? Das macht es schwieriger Englisch zu lernen.

Andy: Und die Qualität macht es nicht besser, das kann man auch dazu sagen.

Freddy: Dann hast du Johnny Depp mit „Oh Nein, was machst du?“

Jubel ist eine universelle Sprache. (Photo by JUSSI NUKARI/Lehtikuva/AFP via Getty Images)

Andy: Zurück zu Porvoo. Was hat man für Hobbies in Porvoo? Geht man Fischen?

Freddy: Also in der Jugendzeit habe ich Fußball, Floorball und Handball gespielt. Und mit meinen Freunden habe ich natürlich auch Eishockey gespielt. Eishockey ist sehr groß in Finnland. Grundsätzlich hast Du in Finnland natürlich überall die schönen Seen. Viele Leute fischen oder jagen. In Finnland kannst du immer etwas in der Natur machen.

Andy: Wenn man dich jetzt in der Natur aussetzen würde, glaubst du, du würdest aufgrund dessen, was du über die Natur gelernt hast in deinem Leben, zwei Tage überleben können?

Freddy: Easy! Ich würde da 20 Jahre überleben. Kein Problem! Es ist einfacher, als in der Stadt zu leben.

Andy: Das heißt, du bist gerne in der Natur und du suchst jetzt auch immer noch die Natur? Ist dir das eine Hilfe im Alltag, ab und zu mal in den Wald zu gehen?

Freddy: Ja, das interessiert mich sehr. Augsburg ist eine schöne Stadt. Man kann hier gut essen und Kaffee trinken. Aber ab und zu muss ich ein bisschen raus aus dem Stadtleben und dann gehe ich in den Wald laufen oder einfach irgendwohin mit meiner Freundin z.B. in die Berge. Das ist einfach schön für mich und ich finde meine innere Ruhe.

Andy: Wenn wir von innerer Ruhe sprechen: Alfred Finnbogason hat das vor Kurzem in einem Interview gesagt: nur weil er aus Island kommt, empfindet er trotzdem Kälte. Es ist nicht so, dass er es nicht kalt findet. Wie ist das bei Dir?

Freddy: An Weihnachten war ich in Finnland und da war es minus 22 Grad oder so. Ja, das ist schon kalt, aber für mich ist das auch normal. Ich bin mit der Kälte aufgewachsen. Da muss man nur die Mütze und die Handschuhe anziehen, dann geht das. Und dann haben wir natürlich die Saunas. Dann gehst du in die Sauna, dann ist alles gut.

Andy: Nun kommt ja im Winter zur Kälte auch noch die Dunkelheit. Wie sind hier deine Erfahrungen?

Freddy: Selbst für mich ist es ab und zu schwer in Finnland im Dezember und Januar. Da hast du vielleicht drei oder vier Stunden etwas Licht und dann ist es wieder komplett schwarz. Es ist schon krass. Ich habe auch ein kleines Haus in Lappland und da ist ein zwei Stunden ein kleines Licht. Viele Leute sagen, ich will nach Finnland für zwei Wochen. Dann sage ich immer „Nein, mach das nicht“. Selbst für mich ist es schwer, wenn ich in Lappland bin für zwei Wochen. Dann flippe ich aus. Aber für jemanden, der aus Mitteleuropa kommt, reichen drei bis fünf Tage.

Andy: Mit was bist du in deiner Kindheit als Frühstück aufgewachsen?

Freddy: Purro (Anmerkung: Haferbrei). Jeden Morgen in den ersten 20 Jahren meines Lebens war das immer morgens mein Frühstück: Haferbrei. Nur Haferbrei.

Andy: Süß oder nicht süß?

Freddy: Nicht süß. In Finnland gibt es nur etwas Süßes, wenn man zu einem Brunch geht. Beim Frühstück zuhause macht das niemand so. Niemals!

Andy: Was gibt es sonst in Finnland besonderes zu essen, was es hier nicht gibt?

Freddy: Elchfleisch. Und Rentierfleisch.

Andy: Schmeckt dir das? Findest du das lecker?

Freddy: Super. Ja, das ist wirklich gut. Sehr teuer, aber wirklich gut. Aber sonst… Finnland ist jetzt kulinarisch nicht so ausgefallen, das es vieles gibt, was es in Deutschland nicht gibt.

Andy: Das heißt, wenn du nach Hause kommst, was steht dann regelmäßig auf dem Tisch?

Freddy: Also wenn ich nach Hause gehe, dann gibt es immer das Essen von Mama Jensen. Wir essen sehr viel Fleisch in Finnland. Nicht so viel Pasta und Reis, sondern viel mit Fleisch und Gemüse. Wir sind ein sehr fittes Land. Deswegen viel Fleisch und Gemüse.

Andy: Jetzt hast du vorhin schon gesagt, dass Porvoo relativ nah bei Helsinki ist. Mal angenommen, ich würde sagen „Freddy, ich mache einen Wochenendtrip nach Helsinki jetzt am Wochenende.“ Dann würdest du sagen „Mach unbedingt diese drei Dinge.“

Freddy: Die Hauptstadt ist immer etwas Besonderes. Helsinki ist auch ein Stück Heimat für mich. Es ist eine große Stadt, aber mit dem Herz einer kleinen Stadt. Als erstes gehst Du nach Löyly. Da ist eine öffentliche Sauna. Da kannst du im Eiswasser schwimmen. Wenn du in der Sauna bist, dann siehst du das ganze Meer und den Strand von Helsinki. Sehr cool. Danach auf nach Stockmann. Das ist das Herz von Helsinki. Da läufst du nur durch die Stadt und findest automatisch etwas Cooles. Und zum Abschluss gehst du noch irgendwo in ein Pub. Und dann bestellst du ein Bier und zahlst 15 Euro für das Bier und denkst dir so „Was ist das teuer“, aber das gehört auch dazu.

Freddy Jensen in Augsburg auf der Lauer. Wohin wird sein Weg führen? (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Andy: Du bist ja relativ jung zum FC Twente in die Niederlande. Was war abseits des Fußballs kulturell die größte Umstellung für dich?

Freddy: Ich war 15 und in Finnland war Fußball eher ein Hobby für mich . Es machte Spaß Fußball zu spielen, aber du denkst nicht direkt „Das hier ist mein Job und ich werde jetzt ein professioneller Fußballspieler.“ Aber dann bei Twente hat man schon sehr schnell gemerkt, dass alle Spieler bei den Profis spielen wollen und dass es sehr schnell gehen kann im Profifußball. In einer Woche bist du Alles und in der nächsten bist du Nichts. Das war schon eine schwierige Zeit, das erste Jahr. Und das hat meine Einstellung verändert, was es bedeutet ein Fußballer zu sein. Aber es hat gut geklappt und ich bin mit 17 bei den Profis gelandet und habe viele Spiele gespielt. Das war eine schöne Zeit.

Andy: Holländer sind ja dafür bekannt sehr direkt zu kommunizieren. Skandinavier sind dagegen vergleichsweise zurückhaltend und diplomatisch. Hat dich das überrascht?

Freddy: Im Fußball ist das immer so. Da ist es immer sehr direkt. Man sagt, was man will und was einen stört. Für mich war das auch in meinem jungen Alter normal, dass Menschen, Trainer und Staff sehr direkt sind und sagen, was sie wollen und was ich machen sollte. Einfach ist das auch. Das macht deinen Kopf frei. Du weißt genau, was sie wollten und was du tun sollst. Das hilft auch. Aber ja, wenn ich finnische Leute mit den Holländern vergleiche, dann sind die Holländer schon ein bisschen direkter als die Skandinavier.

Andy: Was ich auch faszinierend fand, als ich mich ein bisschen eingelesen habe, ist, dass wohl die Finnen die glücklichsten Menschen auf der Erde sind. Und Du hast schon in deinem Einstandsinterview über dich selbst gesagt, dass Du ein entspannter Typ bist. Hilft Dir diese Einstellung?

Freddy: Ich weiß nicht, ob mir das hilft oder nicht, aber so bin ich. So bin ich auch immer schon gewesen. Ich werde an mir auch nichts verändern. Ich bin ein relaxter Typ. Ich werde meine Persönlichkeit für niemanden ändern. Das ist, wer ich bin.

Andy: Okay, Schlussrunde. Jetzt bist du über den FC Twente in Augsburg gelandet und mittlerweile seit 3,5 Jahren da. Was nimmst du von hier mit, wenn Du den Verein dann vielleicht doch einmal verlässt?

Freddy: Ich mag, dass die Leute wirklich das Leben in der Stadt genießen – sei es beim Mittagessen draußen auf der Terrasse oder auf der Straße. Das war schon immer mehr ein südeuropäisches Ding. In Finnland gehen viele Menschen aus, um sich bis zum Blackout zu betrinken. Das können die Deutschen auch, aber andererseits können sie auch einfach nur ausgehen und ein nettes Mittagessen genießen, ein Glas Wein trinken und um fünf Uhr nach Hause gehen. Und auch die Direktheit der Menschen ist hilfreich. Da gibt es nicht viele Obs und Abers und Wenns. Irgendwann werde ich die Stadt und den Club verlassen, aber ich werde sie sicher auch vermissen

Andy: Wie Du auch jetzt manches aus Finnland vermisst?

Freddy: Bald lebe ich seit 10 Jahren im Ausland, was verrückt ist. Es gibt Dinge, die ich nicht an Finnland geschätzt habe, weil ich sie für selbstverständlich erachtet habe. Am Ende liebe ich Finnland wirklich sehr. Und ich liebe die Tatsache, dass es nur 5,5 Mio. Einwohner sind und nicht 83 Mio. wie in Deutschland. Das sind die kleinen Dinge für mich. Ich war niemals ein Großstadtjunge. So bin ich nicht. Ich mag meinen Freiraum und ich mag die Freiheit. Wenn ich – wir haben ein Sommerhaus auf einer Insel – wenn ich da mit einem Traktor fahren will, dann fahre ich mit dem Traktor. Das sind Kleinigkeiten, die ich jetzt vermisse, und die ich wahrscheinlich für selbstverständlich genommen habe, als ich in Finnland war. Einfache Dinge, wie meine Familie zu sehen, denn ich sehe sie vielleicht nur zwei oder drei Mal im Jahr. Es gibt gute und schlechte Dinge, wenn man in einem anderen Land lebt. Aber die guten Erinnerungen und Erfahrungen nimmst du mit. Und die schlechten lassen dich stärker für dein Heimatland fühlen.

Andy: Das ist wahrscheinlich ein ziemlich guter Schluss für das Interview

Freddy (lachend): Ja, lass uns aufhören. Finnland ist das größte und glücklichste Land. Hoy!

Randnotizen:

  • Erin Mayer hat ihre Ergebnisse zur kulturellen Eigenart der Kommunikation in unterschiedlichen Ländern in ihrem Buch “The Culture Map” festgehalten. Das Holländer eine direkte Kommunikation pflegen, ist ein Ergebnis ihrer Arbeit. Genau wie die zurückhaltende Art der Kommunikation in Skandinavien.
  • Wenn Ihr denkt, Eisbaden klingt interessant, schaut euch mal Videos von Wim Hof an.
  • Wer glaubt, proteinreiche, fleischlastige Ernährung ist der einzige Weg zu einem langen Leben, der sollte ich auf Netflix schleunigst die Folge von “Um die Welt mit Zac Efron” in Sardinien anschauen.
  • Noch nicht genug Zeit heute hier verdödelt? Angry Birds stammt auch aus Finnland. Lies sich nicht galant im Interview unterbringen, aber könnte für die weitere Unterhaltung heute sorgen.

What the Gregerl?!

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de. Zudem möchte ich gerne auf unsere laufende T-Shirt Aktion #Neigschaut hinweisen und für eure Teilnahme werben!

2:0 gegen Union Berlin zu Hause. Was wie ein hehrer Wunsch vor dem Wochenende klang, wurde am Samstag Wahrheit. Dem FC Augsburg gelang durch den souveränen und verdienten Heimsieg gegen ein in dieser Saison erneut beeindruckendes Berliner Team der erhoffte Befreiungsschlag. Und während Dietmar Hamann André Hahn zum Spieler des Spieltags ernannte, stach aus meiner Sicht ein anderer Spieler noch mehr hervor: Michael “Gregerl” Gregoritsch. Zeit für einen kurzen Blick darauf, wie es hierzu kommen konnte.

Explosion und Niedergang

Es ist schon paradox. Michael Gregoritsch wirkte für eine Saison lang wie der beste Offensivspieler in der Augsburger Mannschaft. Direkt nach seiner Ankunft im Sommer 2017 sah es so aus, als ob er eines der fehlenden Puzzleteile im Augsburger Spiel wäre. 13 Tore im ersten Jahr waren eine Hausnummer. Aber nach diesem ersten Honeymoon-Jahr ging es bergab, wenn auch zuerst schleichend. Neben den Leistungen litten später auch die Einsatzminuten und Gregerl zog es vor, dem Augsburger Chaos im Winter 2019/20 zu entfliehen und sich in Schalke ins dortige Chaos zu stürzen. Im Sommer 2020 kehrte er nach Augsburg zurück. Mit mäßigem Erfolg. Und auch in dieser Saison hielt sich die Euphorie lange in Grenzen. Und die Hoffnung auf Besserung hatte ich schon fast aufgegeben.

Zwar durfte Gregerl vor der Winterpause Einsatzzeiten sammeln und gerade mit dem späten Ausgleich gegen die Hertha seine Vollstreckerqualitäten unter Beweis stellen. Die Einsätze kamen allerdings zu einer Zeit, als Markus Weinzierl in der Sturmspitze keine Alternativen mehr hatte. Allesamt vielen die weiteren Kandidaten für einen Einsatz in der Mitte aus. Und selbst zu diesem Zeitpunkt musste sich Gregerl auch noch hinten anstellen und durfte z.B. gegen Fürth erst von der Bank ran. Mir persönlich kam es zudem so vor, als ob – nach der Verpflichtung von Andi Zeqiri im Sommer und Ricarcdo Pepi im Winter – und der Genesung von Niederlechner und Finnbogason seine Einsatzchancen im Winter auf dem Tiefpunkt angelangt wären. Selten habe ich eine Situation fälscher eingeschätzt.

Das “Comeback”

Umso größer war die Überraschung, als zum Auftakt der Rückrunde gegen Hoffenheim der Name Gregoritsch in der Startaufstellung auftauchte. Und dort in den folgenden Partien nun immer wieder zu finden war. 60, 68, 74 und nun gegen Union Berlin die kompletten 90 Minuten durfte Gregerl jeweils ran. Die 90 Minuten gegen Union waren seine ersten 90 Minuten seit dem vierten Spieltag der Vorsaison. Und Gregerl zahlte immer zurück. Durch ihn wurde es nicht nur gefährlich, er besitzt im Moment die in Augsburg heißeste Währung nach defensiver Stabilität: eine ordentliche Chancenverwertung. Auf kaum etwas ist ein Team wie der FCA mehr angewiesen, dem es in dieser Saison äußerst schwer fällt, eigene Chancen zu erspielen. 5 Tore in den letzten 9 Partien, teilweise nur mit Kurzeinsätzen, sind in diesem Zusammenhang nicht nur überragend sondern unverzichtbar.

Gregerl liefert ab und macht sich unverzichtbar. (Photo by Alexandra Beier/Getty Images)

Für Markus Weinzierl sind sie allerdings wohl nur die Spitze des Eisbergs. Das Spiel seiner Offensivkräfte ist sehr von deren Verhalten gegen den Ball geprägt. Hier fällt Gregerl in keinster Weise ab gegenüber Kollegen wie Niederlechner und Co. wenn im aggressiven Pressing die gegnerischen Abwehrspieler und Torhüter aus dem Konzept gebracht werden. Das erste Tor gegen Union wurde auf diese Weise erzwungen. Dazu kommt Gregerls Rolle im Spiel mit dem Ball. Hier ist er ein einflussreicher Faktor auf mindestens zwei Arten. Einerseits hat er die ehemalige Rolle Caiubys in Weinzierls System eingenommen. Bei langen Bällen leitet er diese per Kopf weiter. 6 Kopfballduelle gewann er gegen Union. Kein Spieler gewann bei den Augsburgern nur annähernd so viele. Wenn der Ball am Boden gespielt wird, kommt seine spielerische Klasse zum Tragen. 43 Ballkontakte bei zwei Torschussvorlagen waren es am Samstag. Kein Offensivspieler des FCA hatte hier mehr vorzuweisen. Nicht nur kann der FCA im Moment auf Gregoritschs Tore nicht verzichten, auch aus dem Offensivspiel des FCA ist er kaum mehr wegzudenken.

Harte Arbeit zahlt sich aus

Andere Beobachter des FCA sind über die jetzige Entwicklung wenig verwundert. Sie hätten sie vielleicht nur schon früher vermutet (und haben nicht wie ich jetzt im Winter die Hoffnung aufgegeben). Gregoritsch konnte im Sommer mit der Nationalmannschaft Selbstvertrauen tanken und mit seinem Siegtreffer gegen Nordmazedonien ein weiteres persönliches Highlight seiner Vita hinzufügen. Er sah selbst keinen Grund sich lange darauf auszuruhen. Beim FCA stieg er im Sommer früher wieder ins Training ein, als er hätte müssen. Wechselgerüchten erteilte er eine Absage, in dem er klar machte, dass er seine Chance in Augsburg suchen wolle.

Und nicht nur in der zurückliegenden Hinrunde sondern grundsätzlich seit seiner Rückkehr nach Augsburg gab es keinerlei nach außen getragene Unruhe mehr zu verzeichnen. Markus Weinzierl machte erst vor kurzem klar, dass er Gregerl klar kommuniziert hatte, welche Anforderungen seinerseits zu erfüllen sind und das Gregerl hart gearbeitet hat, um diese nun erfüllen zu können. Gregerl und der FCA ernten nun die Früchte dieser Arbeit.

Und jetzt?

Wichtig ist nun auch, dass seit Samstag seine Leistungen auch endlich deutlichst mit dem sportlichen Erfolg der Mannschaft verknüpft sind. Dies hilft auch Trainer Markus Weinzierl, der selbst vertraglich nur bis zum Sommer gebunden ist und spätestens nach dem Spiel gegen Leverkusen wieder ordentlich in der Kritik stand. Es zeigt, dass er es immer noch versteht, Spieler wie Gregoritsch in die Erfolgsspur zurückzuholen und darauf basierend ein funktionierendes Team auf den Platz zu schicken.

Gregerl kann noch lange in Augsburg herausragen. (Photo by Adam Pretty/Getty Images)

Und so ist Gregoritschs Zukunft in Augsburg auch etwas mit der von Weinzierl verknüpft. Noch bis 2023 läuft sein Vertrag und im Sommer kann der FCA letztmalig eine Ablöse kassieren. Meine Hoffnung wäre, dass sowohl die Mannschaft im allgemeinen und Gregoritsch im speziellen in den nächsten Wochen die gute Leistung gegen Union Berlin bestätigen. Weinzierl genau wie Gregoritsch verlängert. Und im Falle von Gregoritsch in Augsburg erkannt wird, was man an diesem Menschen hat. Die Leidenschaft und Emotionalität, die Gregoritsch mitbringt, sollten wir ihm nicht vorwerfen sondern als positives Merkmal anerkennen. Es ist ihm eben nicht scheißegal. War es ihm wohl noch nie.

Und wenn sie nicht gestorben sind…

In Augsburg brauchen wir Spieler, die nicht schon an den Ruhestand oder direkt den nächsten Wechsel denken, sondern bereit sind sich langfristig in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Michael Gregoritsch hat für mich das Zeug dazu, in diesem Team über die nächsten Jahre ein Führungsspieler zu sein, der diese Truppe zusammenhält. Er ist im besten Alter dafür. André Hahn hat am Samstag Alfred Finnbogason als Top Scorer des FCA in der Bundesliga abgelöst. Gregerl hat hier das Potential beide in den kommenden Jahren zu überholen. Es könnte insgesamt eine der wundersamsten und schönsten Karrierewendungen werden, an die ich mich erinnern kann. Und sie würde so wundervoll nach Augsburg passen. Aber egal, was nach dem Spiel gegen Union Berlin auch noch passieren wird: über das Leistungsvermögen des Michael Gregoritsch sollte sich keiner mehr wundern.

Neigschaut

Kick-Off. Mir kommt es so vor, als ob die Rückrunde nun nach der Länderspielpause erst so richtig los geht. Ein Punkt gegen Frankfurt, ansonsten aber erneut ein deprimierender Start. Das kann nur zu zwei Dingen führen: Depression oder die verbissene Hoffnung auf Besserung. Bei mir ist es eindeutig letzteres. Betonen mag ich den verbissenen Aspekt. Es ist Zeit Fußballdeutschland erneut zu zeigen, was in uns steckt. Die restliche Liga damit zu ärgern, dass wir immer noch da sind und vielleicht erneut ein “größerer” Club in die zweite Liga muss.

In letzter Zeit gehen mir die Reaktionen auf den FCA, die wir immer wieder und wieder erleben seit wir in der Bundesliga sind, gehörig auf den Keks. Da wurde etwas über den Investoreneinfluss fabuliert als wir Ricardo Pepi verpflichtet haben (als ob sich dort nachweisbar etwas geändert hätte in den letzten Jahren). Da wird uns immer noch abgesprochen, dass wir in dieser Liga eine Berechtigung haben. Meine Güte, beschäftigt euch doch bitte mit den wirklichen Problemfällen. Ihr habt doch noch nicht mal dem Leipziger Konstrukt Einhalt gebieten können.

Aber mit Rationalität ist man an dieser Stelle noch nie weit gekommen. Wir sind immer gut damit gefahren, dass wir den Augsburger Weg gegangen sind. Zusammengehalten haben. Bescheidene Ansprüche hatten (zumindest in den meisten Fällen). Und wussten, dass ohne Einsatz und harte Arbeit gar nichts, aber auch wirklich gar nichts, geht. Und dann konnten wir es uns auch erlauben, anderen wenig Beachtung zu schenken und über uns selbst zu lachen. Leichtigkeit, wenn es allzu schwer ist. #keineSau war der Höhepunkt. #Neigschaut ist jetzt. Mit der Zustimmung von Gregerl selbst werden wir sein Lachen auf T-Shirts packen. Werden unsere Courage schnappen und der Liga erneut ins Gesicht grinsen. Zusammen alles geben, und erneut hoffen, das es reicht. Der Erlös der ganzen Aktion geht an Gregerls Spendenverein TOR.CHANCE. Weil Augsburg zusammen hält. Mal wieder. Ich garantiere persönlich dafür, dass bei uns kein Cent dieser Aktion hängen bleibt.

Die T-Shirts sind wie immer Bio und Fair. Und Jede(r), die über den Shop in den nächsten zwei Wochen vorbestellt, ist sicher dabei. Die Vorbestellfrist geht bis zum 17.02.2022. Danach braucht es Glück und etwas Hoffnung auf ein Restexemplar. Bitte beachtet ausdrücklich, dass es nach der Vorbestellung ca. 3 Wochen dauert, bis die Shirts bei euch sind. Wir geben uns in jedem Falle Mühe alles schnellstmöglich umzusetzen.

Wer möchte denn nicht direkt dem Rest der Liga ins Gesicht grinsen und sagen: Neigschaut.

Über den Fußball hinaus

Die Meinung der Fans geht dann doch ab und zu unter, wenn es um gesellschaftlich wichtige Themen außerhalb des Platzes geht. Deshalb haben wir uns entschlossen mit FanQ zu kooperieren, um auch den Fans des FC Augsburg die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung bzgl. wichtiger gesellschaftlicher Themen einzubringen. Heute geht es dabei um Nachhaltigkeit. Vielleicht wollt ihr euch hierzu den folgenden Text von FanQ durchlesen und an der eingebetteten Umfrage teilnehmen. Es würde uns freuen, wenn die Meinung vieler Fans des FC Augsburg in die Umfrage einfließen würde!

Eines der größten Themen unserer Zeit ist Nachhaltigkeit und, damit verbunden, nachhaltiges Verhalten innerhalb unserer Gesellschaft. Diese Gewissheit ist mittlerweile in fast allen Bereichen des Lebens angekommen und betrifft natürlich auch den Sport und seine Akteure. Auch im Fußball ist es gewünscht und erwartet, dass sich Vereine und Verbände nachhaltig verhalten, sei es ökologisch oder bei sozialen Themen wie Diversität und Inklusion. Das gilt natürlich auf allen Ebenen, für den Bundesliga-Verein sowie für den Kreisliga-Trupp des Nachbardorfes. Es gibt eine Verantwortung, im Business-Sprech auch gerne CSR (Corporate Social Responsibility) genannt.

FanQ will in Zusammenarbeit mit Sports for Future und dem SID herausfinden, welche Erwartungen Fans an die verschiedenen Akteure im Sport haben, welche Verantwortungen erfüllt werden und welche erfüllt werden sollten. Wie zufrieden seid ihr mit dem bisherigen Engagement und welche Verbesserungen würdet ihr euch wünschen? Hierüber könnt ihr jetzt auch bei uns direkt abstimmen:

Im Anschluss an die groß angelegte Umfrage werden die Ergebnisse wissenschaftlich ausgewertet und über zahlreiche Medien gestreut werden, aber auch direkt Entscheidungsträgern in Politik und Sport vorgelegt. Gemeinsam soll ein so aussagekräftiges Bild entstehen, dass die Stimme der Fans bei dem wichtigen Thema Nachhaltigkeit von den richtigen Menschen gehört und ernstgenommen wird.

Keine Ausreden mehr

1:5 aus Sicht des FC Augsburg hieß es nach der Partie in Leverkusen am Samstagnachmittag. Auch in der Hinrunde gab es schon eine deutliche Abreibung und der geneigte Fan fragte sich am Samstag vielleicht, ob es sich bei der Partie um ein Déjà-vu handelte. Zu frappierend waren die Parallelen im Spielverlauf. Zu ähnlich sind weiterhin die Probleme der Mannschaft. Immer noch fehlt es an der nötigen defensiven Stabilität, immer noch bricht die Mannschaft in der Endphase einer Partie komplett auseinander. Derweil wir mittlerweile eine halbe Saison weiter sind und keiner mehr Ausreden vorzubringen braucht.

Der Trainer

Markus Weinzierl hat in Augsburg die sportliche Verantwortung für das Auftreten der Mannschaft auf dem Platz. Jedes Ergebnis ist auch ein Spiegel seiner Arbeit. Am Samstag entschied er sich mit 4er Kette in die Partie zu gehen, stellte nach dem zweiten Gegentor allerdings schnell auf 5er Kette um. Es ist müßig sich zu fragen, ob die 4er Kette grundsätzlich eine beschissene Idee war, oder ob die Mannschaft schlicht nicht in der Lage war Weinzierls Vorgaben umzusetzen. Beides fällt direkt auf den Trainer und sein Team zurück. Die Mannschaft kann anscheinend ganz grundsätzlich manche Probleme auf dem Platz nicht lösen.

Zeit den Finger nicht mehr nur auf andere zu richten. Markus Weinzierl ist in der Pflicht die sportliche Wende beim FC Augsburg einzuleiten. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Dazu geht ihr dann auch der notwendige Zugriff aufs Spiel ab. Man würde die Jungs ja gerne bissig in den Zweikämpfen sehen. Im ersten Schritt müssten sie dann erstmal Zweikämpfe führen. Sportlich sind einige der letzten Partien dann doch ein Offenbarungseid. Gegen Leverkusen defensiv. Zum Hinrundenende gegen Fürth offensiv. Es passt grundsätzlich nicht viel und es stellt sich die Frage, wie lange man den Thesen der sportlichen Entwicklung glauben schenken mag. Augsburger Tugenden my ass.

Der Manager

Stefan Reuter hat sein Schicksal mit der Rückholaktion von Markus Weinzierl auch mit dem Trainer verknüpft. Ein erneuter Misserfolg in dieser Hinsicht wäre für ihn nach einer Kette unglücklicher Trainerentscheidungen kaum mehr zu rechtfertigen. Dazu kommt ein weiteres Argument: er hatte anscheinend auch die wirtschaftlichen Mittel, um kräftig in die Mannschaft zu investieren. Der Pepi Transfer ist der eindrückliche Beweis. Nun hat man sich im Winter bisher entschieden im Sturm und z.B. nicht auf den Außenverteidigerpositionen nachzulegen. Wer Robert Gumny rechts in der ein oder anderen Situation wieder irrlichtern sah, der mag hinterfragen, ob der Kader auf jeder Position bundesligatauglich ist.

Alle Reklamationen nützen nichts. Wohl alle sportlichen Entscheidungen in Augsburg sind auf ihn zurückzuführen. (Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Mit der langfristigen Formierung dieses Kaders ist gerade auch der Manager verantwortlich für die Situation in der wir uns gerade befinden. Es sei darauf hingewiesen, dass es im Kader des FCA momentan kaum verletzte Spieler gibt. Mit Iago ist gegen Leverkusen gerade mal ein Startplatzkandidat ausgefallen. Die Liste derer, die keine Berücksichtigung im Kader fanden ist mittlerweile recht lang. Hat sich der Manager an vielen Ecken geirrt oder wo klemmt das Puzzle? Es liegt an ihm Lösungen zu finden.

Die Spieler

Und am Ende sind wir alle darauf angewiesen, dass es die Spieler auf dem Platz richten. Diese punkten weiterhin durch die Bank mit Unkonzentriertheiten und kapitalen Fehlern. Selbst Giki spielte in einer Szene gegen Leverkusen dem Gegner den Ball direkt in den Fuß. Vom Rest der Abwehr möchte ich gar nichts erst anfangen. Die Leverkusener durften dazu mit Tempo auf die Augsburger Abwehr anlaufen, hatten dann viel Platz und Freiräume und es war doch sehr leicht, die Augsburger Abwehrbemühungen auszuhebeln. In mancher Situation kann man sich sicher sein, dass das Verhalten der Spieler nicht die Vorgabe des Trainers war. Warum bekommen sie ihre Leistungen nicht auf dem Rasen abgerufen? Wo hakt es? Es liegt an jedem einzelnen Spieler für sich selbst nach Lösungen zu suchen und sich zu bessern. Und einen positiven Einfluss auf die Mannschaft im Gesamten auszuüben.

Alles in allem keine schöne Situation gerade. Der letzte Sieg des FC Augsburg ist nun schon wieder eine Weile her und einige Unentschieden zwischen durch vernebeln vielleicht etwas den Blick. Mit Unentschieden kommt man nicht weit. Der FC Augsburg ist auch darauf angewiesen, dass er bald mal wieder ein paar Spiele gewinnt. Nach den letzten Partien möchte man sich fragen, wie das klappen soll. Defensiv löchrig, offensiv ohne große Ideen oder auch nur erkennbar einstudierte Abläufe (außer bei Standards) tut sich die Mannschaft schwer. Scheiß egal, wer Schuld ist: alle Beteiligten sind in der Verantwortung ihr möglichstes zu tun, um den Bock umzustoßen. Ich träume vom großen Knoten der platzt und wäre sehr froh, wenn das nicht bald ein Albtraum wird. Den Ernst der Lage sollten alle jetzt möglich schnell begreifen.

Lieber Favoritenschreck als Favorit?

Kurz nach Rückrundenauftakt darf ich heute hier den ersten Gastbeitrag des Jahres präsentieren, der von Christian Orth stammt. Seit einem 1:1 gegen Schweinfurt im Jahr 2002 ist Christian Orth FCA-Fan. Im Hauptberuf ist er Journalist beim Bayerischen Rundfunk (Twitter: @Chrismedial).

Weihnachten. Pepi-Hype. Rückrundenauftakt. Da fühlt sich das grauenvolle 0:0 in Fürth zum Abschluss der Hinrunde richtig weit weg an. Aber ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie Niklas Dorsch nach Abpfiff im rot-grünen „Heim“-Trikot völlig entnervt vom Platz der Playmobilwiese stapft. Und das völlig zurecht. Der FCA hatte es beim wohl sicheren Absteiger nicht nur verpasst, einen der einfachsten Dreier der Saison einzufahren. Nein, so uninspiriert wie die Mannschaft spielte, packe ich in der Regel meine Weihnachtsgeschenke ein.  

FCA: Lieber Favoritenschreck als Favoritenrolle?

Ob im „Feuer und Flamme“-Podcast oder unter meinen FCA-Kumpels – nachher waren sich auch schnell alle einig: Enttäuschend, aber keine Überraschung. Die Favoritenrolle liege dem FCA einfach nicht. Gegen die Mannschaften, die ganz unten stehen, spiele der FCA immer schlecht und hole einfach wenig Punkte. Aber wie oft habe dieselbe Mannschaft schon gegen die Top-Teams überrascht? Genau – Top gegen Top, Flop gegen Flop. Dieses Narrativ gibt es schon sehr lange. Und seit Jahren bin ich selbst Überträger dieses Gerüchts. Ich habe die passende Antwort stets parat, wenn ich mal wieder gefragt, wie es denn sein könne, dass mein Herzensclub SCHON WIEDER gegen Dortmund gepunktet und gegen den Tabellenletzten SCHON WIEDER verloren hat?

Irgendwie geisterte mir diese Frage und das dazugehörige Narrativ zwischen den Jahren im Kopf herum. Ist der FCA gegen die Top-Teams wirklich so gut? Und gegen Absteiger und solche, die sich darum bewerben, wirklich so schlecht? Sitzt die halbe Fan-Szene einem Mythos auf? Die Antwort ist: Ja. Das habe ich in einer kleinen Analyse zwischen den Jahren herausgefunden.

10 Jahre Bundesliga in einer Analyse

Ich habe mir die Abschluss-/Kreuztabellen der 10 Bundesliga-Saisons auf der Webseite des Kicker angesehen. Dann habe ich händisch folgende Daten gesammelt: die Gesamtpunktzahl, die Platzierung, die Top3-Teams jeder Saison, die letzten 3 Teams, die Ergebnisse in direkten Duellen. Aus den Ergebnissen gegen die Top3 und die Abstiegs-/Relegationsplätze (schon ein Wahnsinn, dass wir in diesen 10 Jahren am Ende nie abgestiegen sind!) habe ich verschiedene Mittelwerte errechnet: einen generellen Punkteschnitt über die 34 Spieltage hinweg und jeweils einen spezifischen Punkteschnitt gegen die Top3, die Last3 und gegen Aufsteiger (dazu später noch mehr).

Nun zu den Ergebnissen. Erstens: Der FCA hat in allen zehn Bundesligajahren gegen die letzten drei Mannschaften (1,82) deutlich mehr Punkte geholt als im Gesamtdurchschnitt (1,15). Der FCA war also gegen Platz 16, 17 und 18 immer deutlich erfolgreicher als im Durchschnitt aller Spiele.

Ergebnis 2: In fast jeder Saison hat der FCA gegen die letzten drei in der Tabelle mehr Punkte geholt als gegen die Top-Teams. Nur in einer Saison war es andersherum – und aus dieser legendären Saison stammt wohl auch der Mythos: 2014/2015. Der FCA schaffte es in die Europa League, weil die Mannschaft am letzten Spieltag auswärts beim Top-Team Gladbach mit 3:1 gewann. 12 Punkte sammelte der FCA in dieser Saison gegen Bayern, Wolfsburg & Gladbach, nur 9 gegen Paderborn, Freiburg & den HSV.

Die Annahme „Gegen Top-Teams performt der FCA besonders gut, gegen die schlechtesten Teams der Tabelle besonders schlecht“ ist statistisch also ziemlich falsch. Sieht man sich die einzelnen Runden genauer an, wird klar, wie falsch die Annahme ist. Es gibt Saisons, in denen der FCA gegen die Top-Teams regelrecht untergeht: 12/13 (0), 17/18 (1), 19/20 (1). In derselben Saison holte der Club gegen die Last3-Vereine jeweils 11 Punkte.

Besonders gut läuft es gegen die letzten drei der Tabelle, wenn der HSV (3 Mal Last3, 12 Punkte) oder Hannover (2 Mal Last3, 12 Punkte) am Ende unten stehen. In der Saison 13/14 gewann der FCA sogar fast alle Spiele gegen die letzten drei Teams. Das war mit 52 Punkten übrigens die erfolgreichste Saison, ein Jahr später reichten 49 für die Europa League. Zur Vollständigkeit: Lieblingsgegner bei den Top-Teams ist übrigens Dortmund (8 Mal unter den Top3, 10 Punkte).

Sind es die Partien gegen die Aufsteiger?

Ich habe diese Analyse zum Rückrundenstart in einer Kurzfassung zunächst bei Twitter gepostet. Andreas Schmid von der Rosenau-Gazette hatte einen spannenden Erklärungsansatz für den Mythos:

Erster Impuls: stimmt. Zweiter Impuls: ist der FCA gegen Aufsteiger wie Frankfurt, Hertha oder Stuttgart automatisch immer Favorit? Anyways, ich habe auch das noch überprüft. Dazu habe ich einen spezifischen Punkteschnitt gegen Aufsteiger errechnet und wieder mit dem generellen Punkteschnitt verglichen. Ergebnis: Es ist nicht eindeutig, es stimmt ein bisschen. Ganz besonders für die Jahre zwischen 2015 und 2018.

Fazit

All das sagt natürlich nichts über die Qualität des FCA-Spiels aus, sondern nur über die Punkteausbeute. Spielerisch ist der FCA gegen Bayern und Dortmund wirklich oft überraschend gut, gegen Abstiegskandidaten dagegen fast nie. Die Mannschaft hat einfach Probleme, das Spiel selbst zu machen – vor allem gegen Gegner, die es selbst ebenfalls nicht können oder wollen. Nur das sind im Normalfall die Teams, die unten drin sind. An einem Dezembertag vor leeren Rängen gegen Fürth also zum Beispiel. Spaß machen diese Partien weder mir noch Niklas Dorsch, statistisch holt der FCA aber viel mehr Punkte als vermutet.  

Hinten zwickt es immer noch

Weihnachten ist vorbei und im neuen Jahr sind wir auch alle angekommen. Pünktlich am 01.01. bis zum Ende des Monats hat das Transferfenster in Deutschland wieder geöffnet. Wie ist die Lage im Kader? Wie wird der FC Augsburg agieren? Abseits natürlich von Ricardo Pepi, der den FCA in die bundesweite Öffentlichkeit katapultiert hat. Viel wird nun auch davon abhängen, wie viel Zaster nun noch auf dem Festgeldkonto schlummert. Aber träumen wird man wohl trotzdem noch dürfen.

Der Kader

Es lässt sich wohl ausschließen, das im Tor etwas passiert (außer Tomas Koubek erhält ein Monsterangebot, um uns zu verlassen). Giki hat zwar keine Paradehinrunde gespielt, bleibt aber als Nummer 1 unumstritten. Koubek dahinter hat sich zum perfekten Ersatzmann entwickelt. Und hinter den beiden lauert das ein oder andere Talent auf seine Chance. Somit ergibt sich momentan kein Handlungsbedarf.

Anders sieht es dann schon in der Abwehr aus. Einerseits gab es in kaum einem Mannschaftsteil so viele Ausfälle und Verletzungen. Felix Uduokhai stand kaum auf dem Feld. Auch Jeff Gouweleeuw und Reece Oxford mussten immer wieder pausieren. Andererseits traten hier auch die meisten größeren Fehler auf. Gerade Robert Gumny wirkt manchmal fehl am Platze, auch weil er ungewohnte Rollen, entweder in der Innenverteidigung oder in einer 3er Kette, bekleiden musste. Nur links hinten waren Iago und Mads Pedersen stabile Ankerpunkte.

Robert Gumny ist eine Kernpersonalie. Sieht in Weinzierl eher hinten oder rechts? Entsprechend ergibt sich der Bedarf auf dem Transfermarkt. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Im Mittelfeld wurde nun zum Ende der Hinrunde das große Lob über Niklas Dorsch ausgeschüttet. Dorschi fehlte allerdings auch viel in der Hinrunde, ihn setzte eine Grippe länger außer Gefecht. Auch Arne Meier neben ihm musste des Öfteren passen. Mit Dorsch und Meier auf 6 und 8 scheint der FCA allerdings seine 1A Besetzung gefunden zu haben. Dahinter wird es allerdings dünn. Moravek ist wie immer oft verletzt. Strobl hat sich das Kreuzband gerissen. Und Carlos Gruezo findet seine Rolle und Form nicht.

Mit Blick auf die Offensive sind dem FCA immer wieder Stürmer ausgefallen. Niederlechner, Finnbogason und auch Zequiri kämpften mit der Gesundheit. Der Kader war trotzdem tief genug, um die Ausfälle immer wieder auffangen zu können. Am Ende hat sogar Gregerl wieder getroffen. Insgesamt ist es dem Team allerdings immer wieder schwer gefallen Tore zu erzielen.

Was der FCA tun sollte

Der FCA sollte einen Innenverteidiger verpflichten. Weinzierl scheint die 3er Kette fest im Repertoire behalten zu wollen. Gumny ist für mich rechts besser aufgehoben. Mit Kevin Vogt war man im Sommer schon recht weit. Wenn Weinzierl Gumny eher hinten zentral, z.B. in einer 3er Kette, sieht, dann braucht es eine Verstärkung rechts (z.B. Danny da Costa). Ich würde präferieren, Gumny wieder auf rechts einzusetzen und einen erfahrenen Innenverteidiger dazuzuholen. Wenn es jetzt im Winter mit Vogt klappen sollte, dann würde ich diesen Transfer befürworten.

Die offensive Harmlosigkeit ist das größte Problem des FCA in der Hinrunde gewesen, nachdem man die großen Zusammenbrüche wie u.a. in Mainz abgestellt hatte. Gegen Fürth konnte man zum Abschluss der Hinrunde gegen das schlechteste Team der Liga kein Tor erzielen. Dem FCA fehlt es offensiv an Unterschiedsspielern, die an einem solchen Tag das eine, entscheidende Tor erzielen können. Auch hier hatte man im Sommer grundsätzlich schon den richtigen Riecher. Ritsu Doan jetzt im Winter zu verpflichten, wäre weiterhin eine sehr gute Idee, auch deshalb weil bei Ricardo Pepi Geduld trotz des Hypes eine gute Idee wäre. Pepi muss sich in Deutschland akklimatisieren. Und mit Vorlagen gefüttert werden.

Ritsu Doan könnte offensiv den Unterschied machen. Eindhoven weiß das und hat entsprechende Preisvorstellungen. (Photo by Koji Watanabe/Getty Images)

Dem Club wäre zudem nahezulegen, direkt am Anfang der Transferperiode Gas zu geben. Es geht ja bekanntlich schon am 08. Januar weiter. Sollten Neuzugänge dem Club noch in dieser Saison helfen sollen, dann müssten sie gleich zu Anfang kommen. Auf der Abgangsseite könnte man auf die Idee kommen, den Kader bei Gelegenheit etwas auszudünnen. Hier würde ich zu Vorsicht raten. Omikron könnte Personalprobleme in der Rückrunde deutlich verschärfen und hier wäre vielleicht am falschen Ende gespart.

Umsetzung

In der Realität ist die Lage leider etwas komplexer. Auch andere Vereine werden Corona-bedingt zurückhaltend bei Transferabgängen sein. Dazu kommen die aufgerufen Ablösesummen und Gehaltswünsche. Deshalb wäre es sehr gut nachvollziehbar, wenn der FCA die oben dargestellten Wünsche nicht einfach umsetzen könnte. Der FCA hat für Pepi nun schon einen großen Batzen Kohle investiert. Wirtschaftlich besteht daher wahrscheinlich nicht mehr allzu viel Handlungsspielraum. Dies könnte es notwendig machen, Spieler abzugeben oder mit den Neuzugängen etwas zu warten, bis sich die Preise in notwendige, realisierbare Regionen bewegen.

Allerdings ist es gerade im Winter so, dass der FCA schon den ein oder anderen schlauen Schachzug gemacht hat. In dieser Phase weiß Stefan Reuter meist besonders genau, wie er vorzugehen hat. Ich bin daher zumindest vorsichtig optimistisch, dass der FCA in der Rückrunde nicht nur durch die anhaltende sportliche Entwicklung sondern auch durch den ein anderen Transfer noch stärker aufgestellt sein wird als in der Hinrunde. Nicht nur durch Ricardo Pepi. Wenn das mal nicht Hoffnung macht für 2022.

Höher, schneller, weiter!?


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Die Corona Pandemie hält das Land weiterhin auf Trab und auch der Fußball ist davon betroffen. Für den Beginn der Rückrunde wurde kurzfristig davon ausgegangen, dass alle Spiele komplett ohne Zuschauer ausgetragen werden. Presse Augsburg berichtete noch am 21.12.2021 unter der Überschrift: “FC Augsburg-Geschäftsführer Michael Ströll: Klub wird vielleicht nicht ohne staatliche Hilfen auskommen”. Man konnte fast glauben, der Verein nage nun am Hungertuch und müsste sich einschränken. Immerhin geht uns allen die Pandemie nach dieser langen Zeit auf die ein oder andere Weise an die Substanz.

Vielleicht rufen wir uns an dieser Stelle kurz ins Gedächtnis, was bisher schon geschah. Wie alle anderen Vereine wurde auch der FC Augsburg im Frühjahr 2020 überraschend von der Corona-Pandemie getroffen. Heiko Herrlich wurde engagiert und war dann erstmal Lockdown-Trainer bevor er zu Zahnpasta- Heiko wurde. Der FCA war schon damals, einer der Clubs, die unter anderem mit dieser Aktion negativ das Bild des Fußballs in der Öffentlichkeit besetzten. In der Zwischenzeit klangen dann auch mal zurückhaltende Töne durch. Michael Ströll sagte in der Augsburger Allgemeinen: „Jeder muss in den vergangenen Monaten festgestellt haben, dass höher, schneller, weiter nicht immer das richtige Mittel und vor allem in Krisenzeiten enorm gefährlich ist.“ Der Club organisierte Impfaktionen und half Bedürftigen.

Schon im letzten Frühjahr waren dennoch viele den Regeln überdrüssig geworden und hielten diese nur noch teilweise ein. Im Speziellen wurde der FC Augsburg wegen eines Jubelfotos von der DFL verwarnt. Und Corona war noch nicht vorbei, da tönte Klaus Hofmann schon: “Wir würden auch ein zweites Corona überstehen”. Die Spieler buchten fleißig ihre Weihnachtsurlaube (vornehmlich nach Dubai, wenn es denn überhaupt weg ging) und kamen nun teilweise mit unschlüssigen Tests oder infiziert zurück. Es darf wohl kritisch gefragt werden, ob diese Reisen in Zeiten der Pandemie und mit der Vorbildrolle, die hochbezahlten Profisportlern automatisch zufällt, unbedingt notwendig waren.

In diesen Zeiten hat sich der FC Augsburg nun entschieden, den 18jährigen Ricardo Pepi für ungefähr 15 Millionen Euro vom FC Dallas zu verpflichten. Die Details der Ablöse bleiben wie immer unter Verschluss, es war allerdings von einer Ratenzahlung zu lesen. Pepi, der ein hochtalentierter Stürmer und Unterschiedsspieler in der Offensive ist, ist vornehmlich eine Wette auf die Zukunft. Er muss sich nun im Winter in Deutschland und in der Bundesliga akklimatisieren. Er ist – vorerst – der teuerste Transfer der FCA-Geschichte und lässt den FCA in eine andere Dimension vorstoßen. Immerhin hatte man den VfL Wolfsburg ausgestochen. Auch Bayer 04 Leverkusen und der FC Bayern München sollen neben Clubs aus der Premier League interessiert gewesen sein. Insgesamt ein Kracher, den Hofmann, Reuter und Ströll da schon zu Anfang des Jahres präsentieren.

Mit der Verpflichtung von Ricardo Pepi stößt der FCA in eine andere Größenordnung vor (Photo by Emilee Chinn/Getty Images)

Wie soll man diesen Transfer nun interpretieren? Die Pepi-Verpflichtung ist absolut “höher, schneller, weiter”. Von außen wurde in den letzten Tagen vielfach hinterfragt, wie der FC Augsburg einen solchen Transfer überhaupt stemmen kann. Nach der Ströllschen wirtschaftlichen Tiefstapelei, ist die Verpflichtung in der Außendarstellung kaum zu verargumentieren. Naja, außer David Blitzer hat den Geldkoffer geöffnet. Aber zu welchen Konditionen und unter welchen Bedingungen? Insgesamt, kann man feststellen, dass der FCA in Zeiten der Omikron-Welle kein Zeichen der wirtschaftlichen Zurückhaltung gesetzt hat. Gerade das Gegenteil. Wenn man nun den Transfer als Zeichen des Optimismus auslegen sollte, dass Corona weiterhin keine allzu weitreichenden wirtschaftlichen Folgen für den Club bedeutet, dann ist die Frage legitim, warum Michael Ströll es im Dezember für notwendig hilft, öffentlich wirtschaftlich tiefzustapeln um Druck auf die Politik auszuüben. Die Außenwirkung war damals schon schwierig und wirkt heute vollkommen deplatziert.

Meine Interpretation der Lage ist, dass der FC Augsburg auf Grund des enormen Potentials des Spielers bereit war, seine eigenen wirtschaftlichen Möglichkeiten neu zu definieren. Die Position des Stürmers ist seit Jahren nur sehr schwer zu besetzen und erfordert immer hohen wirtschaftlichen Aufwand. Im Oktober hatte Klaus Hofmann erst dargestellt, wie positiv sich die Eigenkapitallage des Clubs seit 2014 entwickelt hatte. Dies geht zurück auf die extreme Sparsamkeit in der Fuggerstadt, die vor Corona über Jahre immer zu positiven Ergebnissen geführt hatte. Und so war man in der Vergangenheit schon nicht immer darauf angewiesen, jeden Spieler sofort weiterzuverkaufen (man denke an Philipp Max, der länger als vermutet blieb) und musste nicht immer positive Transferbilanzen vorweisen. Nun setzt man mit der Pepi-Verpflichtung das nächste Duftzeichen und die Konkurrenz wundert sich, wie das in Augsburg passieren konnte.

Die Ursache ist derweil recht eindeutig zu identifizieren: In jedem Fall ist der FCA immer noch voll dabei, im kapitalisierten Wettbewerb des Profifußballs. Wo man in der Öffentlichkeit zuletzt auch mal etwas kritische Töne anklingen ließ, verweigert man sich den Mechanismen des Marktes nachweislich nicht. Auch die Außenwirkung in der jetzigen Zeit wird anscheinend in Kauf genommen. Aber das kommt wohl davon, wenn sich der Verein nachhaltig weiter in der ersten Liga stabilisieren will. Und dann sehen wir doch die Entwicklung und auch den Pepi-Transfer als ein positives Zeichen, dass das dann zumindest gelingt.

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