Maier, Mert, Mentalität

Während der FCA derzeit noch auf die Europapokal Plätze schielen darf, geht der sorgenvolle Blick der Bochumer ausschließlich in den Tabellenkeller. Dort stehen sie auf dem 17. Platz und brauchen daher zählbares – in jeder ausstehenden Bundesligapartie. Mit dem nötigen Ernst werden sie daher sicherlich die Partie gegen den FCA angehen.

Erste Halbzeit – Mit der Führung im Nacken

Jess Thorup veränderte die Startelf im Vergleich zum Bayern-Spiel nur zwangsläufig und notdürftig: Für den gesperrten Zesiger rutschte Keven Schlotterbeck in die Verteidigung.

Die Augsburger direkt mit der ersten Großchance der Partie: In der achten Minute traf Alexis Claude-Maurice jedoch nur das Außennetz. Auch in der Folge drängte der FCA auf den Führungstreffer: In der 16. Minute dann der Ballverlust von Bochums Masouras am eigenen Strafraum, Claude-Maurice auf den zentral stehenden Essende – dessen Abschluss fälschte Bernardo unhaltbar für VfL-Keeper Horn ab.

Bochum zeigte umgehend eine Reaktion und kam in Minute 20 zu der ersten gefährlichen Torannäherung: Passlack setzte den Ball jedoch knapp links neben den Augsburger Kasten. In der 33. Spielminute zeigte Finn Dahmen eine Weltklasse Reaktion, als er Sissokos Abschluss in spektakulärer Manier abwehren konnte. Kurz vor dem Pausenpfiff dann fast das 2:o für den FCA: Ordets klärte den Kopfball von Jakic in höchster Not auf der Linie. Puh, durchatmen.

Zweite Halbzeit – Auf Maier folgt Mert

Wer jetzt dachte, die Augsburger treten mit breiter Brust auf den Rasen nach dem Pausentee – der sah sich getäuscht. Der sah dann eher die Bochumer mit ordentlich Schwung aus der Kabine auf den Rasen zurückkehren: Erst konnte Dahmen einen Freistoß von Masouras abwehren, dann köpfte Sissoko an die Latte.

In der 60. Spielminute ein Slapstick Gegentor und damit ein heißer Anwärter für das Kacktor des Monats -gekürt von Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs. Konnte Dahmen den Kopfball von Hofmann nach Flanke von Passlack in der 60. Minute noch an die Latte klären, prallte der Ball dann auf dem Rückweg an den Kopf des Keepers und von dort ins Tor. Ausgleich für den VfL und ein absolut unglückliches „Kack“-Gegentor für Finn Dahmen und den FCA.

Dies gab den Bochumern natürlich Aufwind und diese waren drauf und dran, das Spiel zu drehen: Ordets verpasste eine Flanke von Krauß, Masouras Kopfball ging knapp rechts vorbei. Von den Augsburgern lange Zeit nichts mehr zu sehen. In der 61. Spielminute wechselte Jess Thorup verhängnisvoll, doch das ahnte er in diesem Moment sicherlich nicht: Für Freddy Jensen kam Arne Maier, um das Mittelfeld zu stärken.

Ebenjener Maier kam zur ersten nennenswerten FCA-Chance in Halbzeit zwei, sein Schuss wurde jedoch abgeblockt. Drei Minuten später dann wieder Mittelfeldmann Maier im Fokus: Maier und Bernardo schauen nur auf den Ball, Maier will klären und trifft den Bochumer unglücklich auf der Wade. Schiedsrichter Petersen ahndete das Foul erstmal mit der gelben Karte, nach Eingriff des VAR und nach Ansicht der Videobilder zeigte Petersen Maier dann jedoch glatt rot. Ob hier die gelbe Karte eine klare Fehlentscheidung war und „dunkel-gelb“ nicht auch noch gerade so in Ordnung ging? Für mich zumindest fraglich . Bitter für den FCA! Und ein leichtes Bayern-Déjà-vu aus der Vorwoche hing auch mit in der Luft. Mit 10 Mann in dieser Schlussphase – gibt leichtere und dankbarere Aufgaben.

Coach Thorup sah sich dann erneut zum Wechseln gezwungen, diesmal erfolgreicher, will man im Nachgang nun attestieren: Für die agilen Claude-Maurice und Marius Wolf kamen sodann die Nachwuchskräfte Mert Kömür und Henri Koudossou.

Maier sieht nach VAR-Eingriff rot: ein Bärendienst (Photo by Christof Koepsel/Getty Images)

Mit einem Mann mehr auf dem Feld spielte der VfL weiter munter nach vorne und presste den FCA in die Defensive. So traf Pannewig in der 89. Minute nur den Pfosten. Dies sollte sich knapp eine Minute später rächen. Tietz, bis dahin blass geblieben, sah den freien Raum und Mert Kömür heransprinten. Ein toller Pass von Tietz folgte, den Kömür eiskalt und frei stehend vor Horn einnetzte. Dies war tatsächlich ein Treffer aus dem sprichwörtlichen Nichts. Die in Vielzahl angereisten Augsburg-Fans im vonovia Ruhrstadion außer Rand und Band.

Der FCA musste dann neun lange Minuten zittern, so lange ging die angezeigte Nachspielzeit. Für mich ein paar Minuten zu lang. Die Bochumer zwar geschockt, aber gewillt, die Partie zumindest noch auszugleichen. Pannewig drehte gleich zweimal auf, doch Dahmen war zur Stelle. Nach neun endlosen Zusatzminuten dann der erlösende Schlusspfiff und die Ratlosigkeit der Bochumer, wie dieses Spiel noch verloren gehen konnte, während die Augsburger diese sagenhafte Einzelleistung von Mert Kömür und den Sieg an der Castroper Straße feierten.

Klassenerhalt geschafft – und nun?

Rechnerisch hat der FC Augsburg nach dem 29. Spieltag den Klassenerhalt sicher. Herzlichen Glückwunsch an die Mannschaft um Coach Thorup, an die Mannschaft hinter der Mannschaft und all die 12. Männer und Frauen, die es mit dem Club halten. Der erste Meilenstein der Saison ist erreicht und unser Mindestziel, unser oberstes Ziel, der Klassenerhalt, ist fix. Was kommt nun noch vom FCA, in Anbetracht dessen, dass der FCA letztes Jahr zu mehr nach erreichtem Klassenerhalt nicht mehr in der Lage war?

Der FCA steht nun mit 42 Punkten und einer Tordifferenz von -7 auf dem zehnten Tabellenplatz – punktgleich mit dem BVB und SV Werder Bremen. Auf den sechsten Tabellenrang und damit das „internationale Geschäft“ sind es lediglich drei Punkte Rückstand. Bei noch auszuspielenden fünf Partien und 15 zu vergebenden Punkten. Das Restprogramm ist hierbei nicht wirklich dankbar: Am nächsten Sonntag empfangen die Augsburger die Frankfurter Eintracht, die derzeit auf Tabellenplatz drei residieren. Am 31. Spieltag geht es dann in der Leverkusener BayArena gegen den Tabellenzweiten. Die letzten drei Partien der Saison spielt der FCA zweimal zuhause – erst gegen Holstein Kiel, bevor zum Saisonabschluss Union Berlin in der WWK-Arena empfangen wird. Während es bei Union vermutlich um nichts mehr geht, wird Holstein Kiel bis zur letzten Minute um den Relegationsrang kämpfen. Und was die Kieler alles können, wenn sie an sich glauben, haben wir eindrücklich kurz vor Weihnachten 2024 aus nächster Nähe gesehen.

Mit der Leistung vom Bochum-Spiel wird gegen unseren nächsten Gegner Frankfurt nicht viel drin sein. Zwar ist Frankfurt durchaus schlagbar, wie beim 2:0 Sieg der Werderaner am 28. Spieltag gesehen; allerdings hat die Eintracht mit Hugo Ekitiké einen absoluten Ausnahmestürmer in ihren Reihen, der immer gefährlich ist. Die Offensivreihe generell ist gut eingespielt. Wichtig ist es, dass der FCA nicht wieder nach einer Führung drei Gänge zurückschaltet und versucht, zu verwalten. Diese Lethargie wurde zuletzt eher bestraft, als dass sich diese ausgezahlt hätte. Mutigere Wechsel können jetzt, nachdem der Klassenerhalt fix ist, getätigt werden, dem Nachwuchs kann jetzt eine Chance geboten werden, Bundesligaluft zu schnuppern.

Mert Kömür und Henri Koudossou stehen stellvertretend für diese Zunft- sie könnten in die Startelf rotieren. Am vergangenen Samstag wäre der Wechsel Kömür für Jensen sinnvoller und mutiger gewesen, als Arne Maier für Jensen. Mert Kömür hat sich bei Jess Thorup für das späte Vertrauen bedankt, während Arne Maier der Mannschaft einen Bärendienst geleistet hat.

Was jetzt bleibt, ist die Möglichkeit, befreit aufzuspielen und die Spiele ohne Druck und Zittern um den Klassenerhalt für sich zu nutzen. Dinge, die man so bisher nicht ausprobieren konnte, können erprobt werden, zum Beispiel taktische Aspekte. Wechsel, die ggf. zu mutig gewesen wären, können nun erfolgen. Ohne natürlich die Bundesliga nicht mehr ernst zu nehmen (Hallo, Niederlage gegen Wolfsburg – mit 8:1 am 34. Spieltag aus dem Jahr 2019, ich hab dich im Blick).

Ob es für den FCA tatsächlich ins internationale Geschäft gehen muss und man damit nächstes Jahr eine Doppelbelastung hat – man blicke sorgenvoll nach Heidenheim in dieser Saison – beantwortet für sich jeder anders und jeder für sich selbst. Ich denke, sollten die Augsburger dies diese Saison aufgrund ihrer Leistungen erreichen, ist das eine fette Belohnung und ein Kompliment für die konstant (!) gute Leistung seit der Winterpause. Ob die Saison dann automatisch weniger wert ist, wenn es das internationale Geschäft schlussendlich doch nicht wird? Ich glaube nicht.

Europa oder Abstiegskampf?

Wo landet der FC Augsburg am Ende der Saison? Aktuell ist diese Frage sehr schwierig zu beantworten. Ist doch nicht mal klar, wo der FCA momentan steht. Rein nüchtern betrachtet: 21 Punkte, Platz 13. Tabellenmittelfeld. Nur: Was ist diese Platzierung wert? Steckt der FCA im Abstiegskampf oder darf man schon (leicht) nach oben schauen? Diese Antwort ist gar nicht so leicht zu beantworten.

Einerseits hat die Thorup-Elf komfortable neun Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz 16 und nur vier Zähler Rückstand auf Rang acht, der diese Saison für Europa reichen könnte. Denn die beiden europäisch besten Länder erhalten einen zusätzlichen Champions-League-Startplatz – plus die zwei Plätze für die Europa League & Conference League. Derzeit liegen Italien und Deutschland vorn. Laut aktueller Bundesligatabelle wären damit die achtplatzierten Hoffenheimer in der Conference-League-Quali.

Andererseits hat der FCA tatsächlich genau so viele Punkte auf dem Konto als zum selben Zeitpunkt der Vorsaison. Und da war es bis in die letzten Minuten der Saison unklar, ob es für den Klassenerhalt reicht. Es ist immer noch surreal, dass es die aktuell so brillant aufspielenden Stuttgarter nicht geschafft haben, zu Hause die schon geretteten Hoffenheimer zu schlagen.

Die Vier-Klassen-Bundesliga

Um die Leistung des FCA ein bisschen einzuordnen, lohnt der Blick auf die Konkurrenz. Die Bundesliga ist zurzeit eine Vier-Klassen-Gesellschaft, die sich wie folgt zusammensetzt.

  • 1. Die Titelkandidaten: Leverkusen, Bayern
  • 2. Die Europaanwärter: Stuttgart, Dortmund, Leipzig, Frankfurt, Freiburg
  • 3. Das Mittelfeld: Hoffenheim, Bremen, Heidenheim, Wolfsburg, Gladbach, Augsburg, Bochum, Union Berlin
  • 4. Die Kellerkinder: Köln, Mainz, Darmstadt

Die Grenzen sind fließend. Union Berlin blickt freilich eher gen Keller als Hoffenheim. So oder so liegen im Mittelfeld zwischen Platz 9 und 14 nur drei Punkte. Einige dieser Mittelfeldteams orientieren sich eher am Abstiegskampf. Für Bremen, Heidenheim, Bochum und den FCA geht es gewiss erst mal um den Klassenerhalt. Mit dem wollen Gladbach, Hoffenheim und Wolfsburg eigentlich gar nichts zu tun haben, sie schielen auf die europäischen Plätze. Diese hatte Union die letzten Jahre im Dauerabo, da wirkt Abstiegskampf fern.

Gegen Mittelfeldkonkurrent Gladbach gab es zuletzt einen Sieg: Phillip Tietz köpft zum zwischenzeitlichen Ausgleich. (Photo by Lars Baron/Getty Images)

Wegweisende Partie in Bochum

Nun geht es für den FCA nach Bochum. Eine Mannschaft, die ich vor der Saison klar zu den Abstiegskandidaten gezählt habe. Und die für mich auch noch nicht wirklich raus ist aus dem Abstiegskampf. Aber: Ist das der FC Augsburg? Das Spiel in Bochum ist bei dieser Frage ein wegweisendes. Ein Sieg gegen den VfL und man darf träumen. Vom Klassenerhalt. Von einer entspannten Saison. Oder von mehr. Eine Niederlage und man sollte gar nicht erst anfangen, von mehr zu reden.

Das schöne dabei: Der FCA hat es selbst in der Hand, was das diesmal für eine Saison wird. Passend dazu hat RoGaz-Kollege Andy fünf Faktoren für eine spaßige Rückrunde ausgemacht.

Da ist die Führung

Fußballerisch konnte das der FC Augsburg weder in Mainz noch in Bochum von sich behaupten. In dem Satz verbirgt sich aber noch etwas anderes. Das Thema Führung. Mannschaftsführung, Vereinsführung, Führung des Teams durch den Trainer. In diesen Punkten hat der FCA in der letzten Woche wertvolle Fortschritte gemacht, finde ich. Warum, versuche ich im Folgenden näher zu klären. Außerdem müssen wir uns natürlich auch mit dem kommenden Gegner, dem VfB Stuttgart, beschäftigen. Weil gegen ihn gilt es jetzt, den Anflug neu erlangter bzw. wiederentdeckter Führungskraft nicht gleich wieder entwischen zu lassen.

Tiefpunkt in Mainz

Über das Spiel des FCA am vergangenen Freitag in und gegen Mainz ist schon viel gesagt und geschrieben worden. In der Presse, in den sozialen Medien und auch wir von der Rosenau Gazette haben uns dazu geäußert. Andy verfasste z.B. einen Katastrophenbericht aus Mainz, Kicker und Augsburger Allgemeine schrieben von „Debakel“ und „Desaster“ und auch bei Facebook, Twitter und Co. regten sich die FCA-Fans – angesichts der blutleeren Spielweise der Mannschaft – völlig zu Recht auf. (Ob das so ausfällig und beleidigend hat passieren müssen, wie es teilweise eben passiert ist, sei einmal dahingestellt.)

Komplett am Boden – und später an der Decke – war unser Gikie, nachdem er in Mainz zum vierten Mal hinter sich greifen musste. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Natürlich hat sich auch der Club zu Wort gemeldet. Melden müssen. Weil auch er wusste, dass mit der neuerlichen klaren Niederlage gegen einen vermeintlich schlagbaren Gegner ein neuer Tiefpunkt erreicht war. (Von den ganzen Negativrekorden, die der FCA gerade einen nach dem anderen bricht, einmal ganz zu schweigen.) Gleich nach dem Spiel gab es die bis dahin explosivste Wutrede von Betonmischer Rafal Gikiewicz. Auch Trainer Markus Weinzierl fand die Mannschaftsleistung, eher nüchtern ausgedrückt, „nicht akzeptabel“. Nur die Führungsetage ließ mit einem Statement – eine gefühlte Ewigkeit! – auf sich warten. Wir alle wollten schließlich schnellstens wissen, ob es stimmt, dass die Luft für Sportdirektor Stefan Reuter wirklich dünner wird, was mit Weinzierl passiert oder wer womöglich schon in der Warteschlange steht.

Klartext in der Führungsetage

Am Dienstagabend war es dann soweit. In einem Interview ließ Vereinspräsident Klaus Hofmann verlauten, dass es keine Personaldiskussion gibt auf Führungsebene. Die sportlich Verantwortlichen, allen voran Reuter und Weinzierl, bleiben also (vorerst). Das wird diejenigen enttäuscht haben, die sich Armin Veh oder zumindest jemand anderen als neuen Sportdirektor gewünscht hatten. Hofmann machte aber auch klar, dass es nach Mainz mal (wieder) so richtig Krach gegeben hat:

„Wir haben in den vergangenen Tagen alles hinterfragt. Das fängt bei mir an. So eine Phase hilft auch, dass mal alle Dinge, die über einen längeren Zeitraum unausgesprochen waren, auf den Tisch kommen. Und zwar auf allen Ebenen und in alle Richtungen.“

Präsident Klaus Hofmann am 26.10.2021 in der Augsburger Allgemeinen

Hofmann ist jemand, an dem sich die Geister scheiden. Gerade in letzter Zeit rückte auch er immer wieder in den Fokus der Kritik. Zu impulsiv, zu despotisch und zugleich zu ahnungslos in Bezug auf Fußball sei er. Die von ihm beschriebene Aussprache, dass unter allen Beteiligten Klartext geredet wurde, und zwar über alles und jeden (ihn eingeschlossen!), halte ich aber für eine ausgesprochen gute und wichtige Sache. Schließlich macht es doch auch außerhalb des Fußballs eine gute Führung aus, wenn sie ihrem Personal die Möglichkeit gibt, auch unangenehme, schon länger schwelende Dinge anzusprechen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und sich dabei auch selbst nicht auszunehmen. Das hat Hofmann getan und somit – zumindest nach außen hin – Führungsqualität bewiesen.

Nach Mainz hat sich Klaus Hofmann mit seinem Personal ausgesprochen. Wie es gute Chefs tun. (Foto: Stefan Puchner – Pool/Getty Images)

Klar ist natürlich auch, dass Hofmanns Führungskräfte genauestens „unter Beobachtung“ stehen. Seine Kooperationsbereitschaft und sein Rückhalt sind nicht bedingungslos. Das wissen die Betroffenen nur zu gut. Schauen wir mal, wie lange die Schonfrist ist, die ihnen eingeräumt wurde. Sprechen wir in ein bis zwei Wochen nochmal…

Weckruf vor Bochum

Den ersten Test hatte das Personal des FCA dann am Mittwoch in der 2. DFB-Pokal-Runde in Bochum zu bestehen. Zum Spiel selber mag ich wieder gar nicht so viel sagen. (Das hat Irina schon vortrefflich gemacht.) Zu einzelnen Eindrücken vor und während der Partie aber schon.

Einen ersten Schlüsselmoment hat aus meiner bzw. unserer Sicht die Pressekonferenz mit Markus Weinzierl und dem wiedergenesenen Alfred Finnbogason am Vortag hergegeben. Von Beginn an betonte der Trainer, dass nicht nur, aber vor allem die Führungsspieler in der Pflicht stehen, auf und neben dem Platz Verantwortung zu übernehmen. Er reagierte damit auf die Kritik von Kapitän Jeff Gouweleeuw nach dem Mainz-Spiel, es werde im Team manchmal zu wenig untereinander geredet. „Dann soll er reden!“, entfuhr es Weinzierl sichtlich gereizt. Auf die Frage nach der Stimmung im Team (eigentlich an Finnbo gerichtet), war es ihm später wichtig, noch Folgendes loszuwerden:

„Die Stimmung in der Mannschaft ist gut. Und unser Verhältnis ist auch gut. Und ich hab auch vollstes Vertrauen in die Führungsspieler. Aber nochmal, in solchen Phasen, wenn’s nicht läuft, dann müssen die auch die Verantwortung in der Mannschaft übernehmen und die gute Stimmung und die Trainingsleistung dann auf dem Platz auch rüberbringen. Ich erwart dann einfach auch, wenn wir Dinge nicht 100%ig gut machen, dass die Führungsspieler dann das Ganze auch in die Hand nehmen und da auch meine Verantwortung, ja, ich ihnen übergebe.“  

Markus Weinzierl auf der PK am 26.10.2021 auf FCA TV

Wendepunkt in Bochum?

Klarer als Weinzierl hier kann man eine Erwartung, einen Auftrag kaum formulieren. Die Führungsspieler – das sind neben Kapitän Gouweleeuw auch Finnbogason sowie die restlichen Spieler des fünfköpfigen Mannschaftsrats, Flo Niederlechner, Daniel Caligiuri und Rafal Gikiewicz. Sie sollen den Auftrag also vor allen anderen entgegennehmen. Dass er sogleich beherzigt und in die Tat umgesetzt wurde, hat man am Mittwochabend im Ruhrstadion vor allem beim Elfmeterschießen gesehen.

Die Riege der Führungsspieler hat sich zunächst einmal vergrößert. Michael Gregoritsch, der in dieser Saison die meiste Zeit auf der Bank verbracht hat, schwor das Team auf den kommenden Showdown ein. Dann trat Jeff, der Kapitän, zum ersten Elfmeter an. Es folgte Finnbo, der dem Augsburger Spiel schon mit seiner Einwechslung neuen Aufwind verliehen hatte. Als Drittes voran ging Tobias Strobl, wohl derjenige, dem die wenigsten zugetraut hätten, dass er (so sicher) verwandelt. Den vierten legte sich dann Gregerl bereit, Mister Motivator. Dass Arne Maier, der 22-jährige, am Ende vergab, ist bitter. Dass er aber antrat, um – wie die anderen – Verantwortung fürs Team zu übernehmen, spricht wiederum für ihn. (Eine Überlegung wäre es aber durchaus wert gewesen, die Reihenfolge der Schützen zu ändern, sodass am Anfang UND am Ende einer der geforderten Führungsspieler gestanden hätte…)

Hoffen und Bangen als Team. Das haben die Spieler des FCA in Bochum beim Elfmeterschießen (wieder) erfahren. (Quelle: Twitter @FC Augsburg)

Vielleicht ist das nur meine Sicht, aber ich finde, das Bochumer Elfmeterschießen war die ideale Plattform für die Spieler im Allgemeinen, um näher zusammenzuwachsen, und für die Führungsspieler im Besonderen, um ihre Aufgabe neu und verstärkt wahrzunehmen. Und vielleicht hat genau das nun einen entscheidenden, nachhaltigen Effekt – (auch) auf Ebene der Spieler.

Stuttgart auf die Pelle rücken

Und wie empfangen wir nach diesem Pokalaus, das es trotz allem ja immer noch ist, am Sonntag den VfB Stuttgart in der Liga? Wie der FCA hat es der VfB am Mittwoch nicht ins Achtelfinale des DFB-Pokals geschafft. Allerdings war es bei den Schwaben weit weniger knapp als bei uns. Sie haben daheim doch recht klar mit 0:2 gegen den 1. FC Köln verloren. Allerdings hatte das Spiel bei ihnen keine Überlänge. Physisch könnte das ein leichter Vorteil für die Elf von Trainer Pellegrino Matarazzo sein.  

Aktuell stehen die Stuttgarter mit vier Punkten Vorsprung vor dem FCA auf Tabellenplatz 13 (FCA: Platz 16, 6 Punkte). In den letzten beiden Spielen gegen Union Berlin und Borussia Mönchengladbach hat der VfB nur zwei Punkte mitnehmen können.

Prinzipiell haben die Fuggerstädter in ihrer Bilanz leicht die Nase vorn. Von bisher 16 Bundesligapartien haben sie 8 gewinnen können, während der VfB – bei einem Unentschieden – nur 7 Begegnungen für sich entscheiden konnte. Uns Augsburgern ist natürlich noch wärmstens das 6:0 vom 30. Spieltag der Saison 2018/19 in Erinnerung. Das bedeutete für den FCA nicht nur den höchsten Bundesligasieg seiner Vereinsgeschichte. Damit besiegelte er auch das Ende von Markus Weinzierls 7-monatigem Engagement als Stuttgarter Trainer.

Unvergessen: Das 6:0 des FCA am 20.04.2019 gegen den VfB Stuttgart. (Foto: xemx via Imago)

Für ihn, als heutiger Augsburger Übungsleiter, habe diese Zeit keine Bedeutung mehr, sagte Weinzierl auf der Pressekonferenz am Freitag. Vielmehr stimme ihn die Leistung aus der zweiten Hälfte in Bochum sehr positiv, um genau daran anzuknüpfen. Das Team hat „die Handbremse rausgenommen, auch im Kopf“. Der FCA will versuchen, in der Tabelle näher an den VfB „ranzurücken“. Auch der Mann an Stuttgarts Seitenlinie traut den Augsburgern einiges zu:

„Wir erwarten einen Gegner, der mit viel Energie auftreten wird. Nach einem 0:2-Rückstand am Mittwochabend im DFB-Pokal hat sich der FC Augsburg zwischenzeitlich auf ein Remis zurückgekämpft.“

Stuttgarts Trainer Matarazzo am 29.10.2021 auf VFB.de

Das Personal

Sicher nicht mit dabei am Sonntag um 15:30 Uhr in der WWK Arena ist für den FCA erneut Felix Uduokhai. Wie Weinzierl auf der PK erklärte, sei zu seinen muskulären Problemen nun noch eine Sehnenbeteiligung gekommen. Höchstwahrscheinlich nicht zur Verfügung stehen werden nach Mittwoch auch die beiden Angeschlagenen Noah Sarenren Bazee (Außenbanddehnung im Knie) und Iago (Probleme an der Hand). Zumindest wieder im Kader stehen nach mehrwöchiger Verletzung bzw. Krankheit wohl Niklas Dorsch, Flo Niederlechner und Freddy Jensen. Wie genau deren Einsatzfähigkeit aussehen wird, ließ Markus Weinzierl aber noch offen. Mads Pedersen ist für Sonntag wohl wieder einsatzbereit. Dementsprechend könnte die Aufstellung folgendermaßen aussehen:

Gikiewicz – Gumny, Gouweleeuw, Oxford, Pedersen – Strobl, Maier – Hahn, Caligiuri, Vargas – Zeqiri 

Beim VfB Stuttgart ist aktuell die Offensive personell recht stark ausgedünnt. Z.B. fehlt Stürmer Sasa Kalajdzic verletzungsbedingt schon längere Zeit. Genauso wie Silas Katompa Mvumpa auf der rechten Außenbahn. Auch für Linksaußen Erik Thommy, beim FCA ausgebildet, fällt ein Wiedersehen mit seinem früheren Verein flach.  

Zum Abschluss

Mir ist mehr als bewusst, dass die aktuelle Lage beim FCA ernst ist. Sehr ernst. Und dass sein 350. Bundesligaspiel, das er gegen den VfB Stuttgart absolvieren darf, zum Schlüsselspiel werden könnte bzw. schon längst ist. Ich bin aber keine Freundin von Schwarzmalerei. Lieber will ich den Blick auch mal auf andere Dimensionen lenken, die vielleicht nicht gleich so ins Auge stechen wie die „harten“ (für uns natürlich wenig schmeichelhaften) Fakten wie Tore und Punkte. Das wollte ich mit der Perspektive auf die „Führung“ erreichen, bei der sich in der letzten Woche, so zumindest mein Eindruck, etwas zum Positiven verändert hat.

Denn oft ist es ja so, dass es erst das kleine Rädchen braucht, damit das große wieder läuft. Und vielleicht muss(te) so auch erst die Führungsfrage geklärt werden, damit es dann auch wieder zahlen- und faktenmäßig heißt: „Da ist die Füüühruuung!“ Am liebsten wäre mir das natürlich gleich am Sonntag.

Luxusprobleme allerorts

Morgen steht unser Spiel in Köln an. Köln ist in dieser Saison zumindest aus sportlicher Perspektive nicht zu beneiden. Auch nach den letzten beiden Siegen zu Beginn der Rückrunde steht der Effzeh, wie man den Verein in Köln liebevoll nennt, immer noch auf dem letzten Tabellenplatz. Es wird für die Kölner wohl ein Abstiegskampf bis zum letzten Spieltag und für uns morgen auch keine einfache Partie.

Allerdings gibt es in Köln etwas, dass ich aus Augsburger Perspektive sehr gerne sehen würde. Der FC ist einer von nur sechs Vereinen in der Bundesliga, der noch selbst über 100% seiner Anteile verfügen kann. Im Gegensatz dazu haben wir in Augsburg 99% unserer Anteile damals an Walther Seinsch und seine Investorengruppe verkauft. Im Zuge seines Rückzugs hat dieser seine Anteile an Klaus Hofmann und Buddies weitergereicht. Ohne diesen Anteilsverkauf und die entsprechenden Finanzmittel daraus, würde es den FC Augsburg in der heutigen Form nicht geben. Allerdings scheint dies eine Einbahnstraße zu sein und ich halte diese Einbahnstraße für sehr gefährlich. Die Gründe hierfür möchte ich nachfolgend gerne etwas ausführlicher darlegen.

Nachdem es sich bei Bundesligavereinen um millionenschwere Wirtschaftsunternehmen handelt, besitzen die Anteile an diesen Unternehmen mittlerweile einen erheblichen Wert und stellen quasi das Tafelsilber eines Vereins da. In Köln gab es deswegen im Herbst 2017 eine Initiative, die dafür kämpfte, dass  nach einem Satzungsänderungsantrag die Vereinsmitglieder in einen Anteilsverkauf mit eingebunden hätten werden müssen. Dieser Satzungsänderungsantrag ist leider auf der Mitgliederversammlung abgelehnt worden. Die Mitglieder werden bei potentiellen Anteilsverkäufen bis 25% der Anteile weiterhin nicht eingebunden.

Auch bei anderen Vereinen wird darüber diskutiert sich potentiellen Investoren zu öffnen. So hat nicht unlängst der VfL Bochum beschlossen seinen Profibereich in eine Kapitalgesellschaft auszugliedern, um nach diesem vorbereitenden Schritt, Anteile an der Kapitalgesellschaft an einen Investor verkaufen zu können. Dieser soll natürlich zum Vereinsleitbild passen und sich am besten nicht einmischen wollen.

Sind die Anteile erstmal weg, dann gibt es kaum noch einen Weg zurück. Dies gilt sowohl im guten wie im schlechten. Den negativen Fall kann man bei den Münchner Löwen beobachten. Sie haben sich mit Hasan Ismaik einen Investor ins Boot geholt, den sie nach einigen Streitereien gerne wieder loswerden würden. Allerdings verfügt der Verein nicht über die finanziellen Mittel, um Ismaik seine Anteile abkaufen zu können. Ismaik hält 60 Prozent der Anteile von 1860 und erst die finanziellen Probleme des Vereins haben dazu geführt, dass Ismaik an Bord geholt wurde. Der Schrecken wird sobald kein Ende nehmen.

Einen positiven Fall einer solchen Investorentätigkeit können wir bisher in Augsburg beobachten. Der FCA erwirtschaftet mittlerweile Millionengewinne (8 Millionen EUR im abgelaufenen Geschäftsjahr). Allerdings werden die Millionen von der Kapitalgesellschaft erwirtschaftet, die zu 99% Klaus Hofmann und Buddies gehört. Also steht dieser Gewinn am Ende wirtschaftlich auch den Investoren zu. In der Jugend des FCA kommt davon erstmal nichts an. Der Verein wird darüber hinaus auch nicht in die Lage versetzt, seine Anteile zurückzukaufen. Solange der Laden läuft und die handelnden Personen gleich bleiben, scheint die Lage stabil zu sein. Allerdings kann ja vieles im Leben ganz schnell gehen und schon findet man sich in einer Lage wieder, wie die Münchner Löwen.

Oder wie Hannover 96. Dort ist Martin Kind mittlerweile so lange am Verein beteiligt, dass die 50+1 Regel von ihm ausgehebelt werden kann.  Wenn Klaus Hofmann nur lange genug seine Beteiligung halten wird, dann wird er in Augsburg auch über diese Möglichkeit verfügen. Wobei, wer kontrolliert schon die Einhaltung der 50+1 Regel? Wird bei den Vereinen wirklich nachgeschaut, ob im Alltag ein Vereinsvertreter in den offiziellen Organen der Kapitalgesellschaften die Stimmmehrheit der Vereinsmitglieder in der Praxis zur Kontrolle oder Gestaltung im Alltag umsetzt? Natürlich nicht. In Augsburg hat kein Vereinsvertreter einen offiziellen Posten z.B. in Geschäftsführung oder Aufsichtsrat der KGaA. Und wenn Klaus Hofmann sich wundert, wie RB Leipzig die Lizenz erhalten hat, so wundere ich mich, warum er nicht strukturell beim eigenen Verein anpackt.

Langfristig geht es sportlich auf und ab. Köln pendelt immer mal wieder zwischen erster und zweiter Liga. Die rosigen Zeiten werden wahrscheinlich auch in Augsburg nicht ewig halten. Hoffen wir, dass wir dann nicht nur wirtschaftlich mit Bedacht agiert sondern auch strukturell die richtigen Weichen gestellt haben.

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