Im Hintergrund

Der FC Augsburg hat sich entschieden, trotz der nominell drittbesten Saison der Vereinsgeschichte, personelle Veränderungen in der sportlichen Führung vorzunehmen. Er hat damit auch für Stirnrunzeln gesorgt, gerade in Bezug auf die Personalie Marinko Jurendic. Für uns Augsburger ungewöhnlich: auch außerhalb von Augsburg werden die Entwicklungen wahrgenommen und z.B. Calcio Berlin fanden die Jurendic-Entlassung unverständlich.

Richtig ist: Jurendic kam vor zwei Jahren als Nachfolger von Stefan Reuter zum FC Augsburg und hatte seitdem die Verantwortung für den sportlichen Bereich des FCA inne und berichtete in dieser Funktion direkt an Alleingeschäftsführer Michael Ströll. Somit kann sich Jure zuschreiben, für zwei der besseren Saisons des FCA mitverantwortlich gewesen zu sein.

So sieht es zumindest in der Außendarstellung und ganz vereinfacht aus. Ich mag nun an dieser Stelle ein Beispiel herausnehmen. Dies soll zeigen, dass wir von außen kaum verstehen werden, wie groß Jures oder auch der Einfluss anderer Personen auf das große Ganze wirklich sein mag. Unter Jures Transfers fällt die Verpflichtung von Chrislain Matsima vom AS Monaco – der TOP-Transfer des letzten Sommers. Aber wie kam er wirklich zu Stande. und warum wurde er getätigt?

Kaderanalyse

Der Verpflichtung des Innenverteidigers ging eine grundsätzliche Kaderanalyse voraus. Hierbei sind beim FC Augsburg mindestens 4-5 Personen in der Vergangenheit beteiligt gewesen. Hierzu gehören außer dem Leiter Sport Marinko Jurendic, Geschäftsführer Michael Ströll, Trainer Jess Thorup außerdem recht sicher Christoph Janker und Heinz Moser, als Kernmitarbeiter rund um den Augsburger Kader.

Diese Gruppe hat entsprechend zusammen entschieden, wie viele Planstellen es grundsätzlich gibt. Wie viele Innenverteidiger es grundsätzlich braucht, hängt unter anderem vom Spielsystem des Trainers, den vorhandenen Innenverteidigern und deren Verfügbarkeit als auch von einer grundsätzlichen Kaderstrategie ab (z.B. lieber mehr, aber dafür evtl. unzufriedene Spieler). Bis hierin ist dann nichts grundsätzliches Geniales passiert. Man kam schlicht zu dem Ergebnis, dass noch ein Innenverteidiger nicht verkehrt wäre.

Woher kommen mögliche Kandidaten?

Mit dieser Entscheidung im Hintergrund wird nun die Maschine angeworfen. Grundsätzlich hat ein Bundesligist viele Quellen zur Verfügung, um mögliche Spieler für seinen Kader zu verpflichten. Einerseits hat jede beteiligte Person ein eigenes Netzwerk und kann aus diesem Netzwerk schöpfen. Vielleicht hat man mit einem Spieler in der Vergangenheit schon zusammengearbeitet und kennt sich.

Netzwerk ist dann auch ein Thema, wofür es mit der Scouting-Abteilung einen ganzen Bereich gibt, der dieses laufend erweitert und die Abhängigkeit von Einzelpersonen reduziert. Hier sei für den Fall Matsima bewusst vermerkt, dass der FCA im letzten Sommer einen neuen Chefscout verpflichtetete: Babacar Wane. Wane kennt sich vor allem in Frankreich sehr gut aus. Welche der aus Frankreich heraus verpflichteten Spieler er gescoutet hat, wissen wir nicht genau. Eine klare Häufung ist allerdings schon zu erkennen. Mittlerweile gibt es zusätzlich hochwertige Datenanalysen (Stichwort: Moneyball), die helfen, geeignete Fußballer zu identifizieren, die man vielleicht so nicht auf dem Schirm hatte. Neben diesen drei bisher genannten Quellen, versuchen die Spieler über ihre Berater aber auch selbst Entwicklungen zu beeinflussen und Berater versuchen Spieler direkt bei Vereinen zu platzieren.

Die Idee, Chrislain Matsima beim FC Augsburg zu platzieren, kann man nun nach einer Saison schlicht als genial betrachten. Aber woher kam sie? Wir wissen es schlicht nicht mit Sicherheit. Die Verpflichtung von Wane und sein Einfluss sprechen aber eher dafür, dass Jures Einfluss auf die Verpflichtung nicht allzu groß war.

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen

Und wer nun denkt, hier hört der Prozess schon auf, der hat sich geschnitten. Der FCA fand zwar an dieser Stelle Chrislain Matsima als geeignet. Aber gab es nur einen Kandidaten für den Innenverteidiger-Posten? Oder warum hat man sich am Ende für Matsima entschieden?

Einerseits war er für den FCA grundsätzlich wirtschaftlich darstellbar. Andererseits hat man bei Matsima ein Leihgeschäft mit Option abgeschlossen und so das wirtschaftliche Risiko für den Verein deutlich reduziert für den Fall eines Fehlschlags.

Hier traue ich mir nach vielen Jahren der Beobachtung zu, diese Entscheidung für eine Leihe mit Option Michael Ströll, dem alten Vertrags-Zocker, zuzuschreiben. Es gibt wohl kaum einen gewiefteren Manager in der Bundesliga, wenn es um Wirtschaftliches geht. War das am Ende ausschlaggebend?

Gesamtbild

Marinko Jurendic wird in den letzten Tagen vor allem bzgl. seiner Transfers und der Kaderzusammenstellung äußerst positiv bewertet. Dies greift mir zu kurz. Ich glaube sein Einfluss wird hier überschätzt. Warum kam zum Beispiel Matsima zum FCA? Weil er der beste Kandidat war, den Jure selbst identifiziert hatte? Hat er ihn überhaupt identifiziert? Oder hatte der FCA schlicht Glück bei einem Spieler den man unter Vertrag genommen hatte, weil man erstmal nur eine Leihe abschließen wollte?

Der FCA hat seit Jahren den sportlichen Bereich umgebaut und personell verändert. Marinko Jurendic und Heinz Moser waren hier nun einige der Personalien neben Wane und Janker. Und Jurendic hatte hier mit Sicherheit positiven Einfluss auf einige Entscheidungen. Auf der anderen Seite muss man Jurendic auch die grundsätzliche Richtungsentscheidung zuschreiben, im Winter die Offensive nicht mehr gestärkt zu haben. Mergim Berisha kam verletzt zum FCA, was Jurendic bekannt war. Ansonsten holte man niemanden mehr dazu.

Es scheint, Ströll und Krapf haben sich eine solide Meinung gebildet, wie der FCA für die Zukunft besser aufgestellt werden kann und geben sich nicht mit Klassenerhalt um Klassenerhalt zufrieden. Ohne mehr Einblicke in das Innenleben zu erhalten, ist man als Fan darauf angewiesen den Verantwortlichen zu vertrauen. Die Abläufe sind dabei zu komplex, um sich ein einfaches Urteil bilden zu können. Die Sorge, dass nun die gesamte Transfer-Kompetenz des FCA, mit Jurendic den Verein verlässt, ist aber wohl unbegründet. Die Frage ist ja weiterhin, wer als Jures Nachfolger hier nun für Verbesserungen sorgt.

Die Wette des FC Augsburg

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Als Fußballfan lässt man sich schnell von den letzten Ergebnissen seines Teams einnehmen. Der FCA hat zum Saisonende erneut einige Spiele in Folge verloren. Das Team von Jess Thorup konnte an stärkere Phasen zuvor nicht mehr anknüpfen. Es ging ihm schlicht die Luft aus. Der kurzfristigen Logik des Fußball-Business folgend, könnte man annehmen, dass die Entlassungen von Jess Thorup und Marinko Jurendic diesem Saisonabschluss geschuldet sind.

Gerade bei Jess Thorup kommt dem Saisonabschluss vielleicht auch eine höhere Bedeutung zu, als man vermutet. Ja, die Saison war insgesamt sehr solide. Mancher in Augsburg würde sogar sagen, sie war sehr gut. Und hier liegt an sich liegt vielleicht das grundsätzliche Problem, gegen das die Vereinsführung anzuarbeiten hat.

Das Augsburger Selbstbild

Anspruch und Wirklichkeit gehen beim FCA seit einigen Jahren auseinander. Der FCA hat vor der Zeit von Jess Thorup regelmäßig gegen den Abstieg gespielt und Trainer um Trainer verschlissen. Der sportliche Bereich war abseits der Person Stefan Reuter nicht stabil und eine Fortentwicklung war nicht zu erkennen. Wirtschaftlich hatte dies Auswirkungen, denn durch die fehlende Entwicklung auch von Einzelspielern konnten nicht ausreichend Transfererlöse erzielt werden, um größere Sprünge zu machen.

Hier hat sich nach den Verkäufen von Ermedin Demirovic, Arne Engels und Co. etwas geändert. Zudem ist der FCA sehr gut durch die Corona-Krise gekommen und steht wirtschaftlich auf einem sehr soliden Fundament. Im Umfeld? Es wird sich weiterhin viel auf die Schultern geklopft bei jedem Klassenherhalt. Jess Thorup sagte noch kürzlich, der Klassenerhalt sei immer das erste Augsburger Ziel. Dies sehen nicht alle im Verein so. Sie schauen nach Mainz und Freiburg und hängen die Latte für den FCA mittlerweile höher. Manch Verantwortlicher des FCA hat Mut und den Anspruch, den FCA sportlich aggressiver weiterzuentwickeln.

Sicherheit gibt es sowieso nicht

Wenn man sich den Personalwechsel des FCA aus dieser Perspektive betrachtet, dann ist dieser ein Zeichen dafür, dass die Führung des FCA ihren Überzeugungen folgt. Von außen mag man sich fragen, ob man diese Überzeugen auch teilt. Aber Konsequenz kann man Krapf & Ströll in dieser Situation nicht absprechen.

Derweil muss man sich fragen, was der FCA mit Thorup und Jurendic aufgibt. Jurendic war verantwortlich für den Kader. Aber welchen Einfluss hatte er am Ende? Der FCA hat im Scouting Veränderungen vorgenommen, und einige der französischen Neuzugänge mögen auch hierauf zurückzuführen sein. Auf der anderen Seite hat man in Stuttgart Michael Ströll selbst die Ablöse von Ermedin Demirovic verhandeln sehen. Entscheidungsvorgänge im Verein sind von außen schwierig zu beurteilen.

Mit Thorup verliert der FCA einen sehr sympathischen, ruhigen und integrativen Charakter an der Seitenlinie. Ich mag Thorup persönlich und finde seinen Abschied schade. Auf der anderen Seite hätte ich mir so oft mehr Mut gewünscht. Mehr Minuten für die Jungen. Mehr offensive Kräfte. Was versuchen. Nicht nur reagieren. Und diesen Teil von Thorup, das Schwinden des Offensive Mindset, werde ich nicht vermissen.

Wie die nächste Saison mit beiden gelaufen wäre, weiß man auch nicht. Thorup stand zum Winter schon mal auf der Kippe. Wenn am Ende die Überzeugung fehlt, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt für einen Wechsel. Mit Enno Maaßen war man nochmal in die neue Saison gegangen. Man hätte es sich schenken sollen.

Am Anspruch messen

Nun kann ein Wechsel auf diesen Positionen auch nicht dazu führen, dass der FCA in der nächsten Saison unbedingt auf einem europäischen Platz landen muss. Die Augsburger Verantwortlichen, und das ist für die Branche und für Augsburg untypisch und riskant, haben den Druck auf sich selbst deutlich erhöht. Sie sind an ihren eigenen Ansprüchen zu messen.

Aber wie wären die? Die eigenen Jugendspieler sollten deutlich größere Rollen bekommen. Gute Neuigkeiten für Mert Kömür, Noki Banks und Co. Auf der anderen Seite muss der FCA im Sommer die offensive Qualität im Kader deutlich erhöhen und es muss der Anspruch sein, mehr Torgefahr erzeugen und Tore schießen zu können. Die Herausforderung wird – mal wieder – die Balance. Man wird in der Bundesliga nichts ohne defensive Stabilität. Man gewinnt keine Spiele ohne Tore. Der FCA ist hier weiter auf der Suche.

Nach Jahren der Selbstzufriedenheit halte ich die Entscheidung – abseits von persönlichem Wehmut – für verständlich. Ich habe andauernd Mut eingefordert. Ich will eine größere Rolle für die eigene Jugend. Es ist der richtige Weg. Hoffentlich dann auch mit den richtigen Personen. Aber ich gestehe: ein bisschen aufgeregt bin ich schon, was das nun wird! Der FCA geht mit der Entscheidung eine Wette ein. Geht sie am Ende auf?

Der FCA und die Schiedsrichter

Das mit dem FCA und den Schiedsrichtern ist eine besondere Beziehung. Nach dem Spiel gegen Kiel musste sich der DFB erneut entschuldigen, denn die Elfmeterentscheidung war offensichtlich falsch. Weder wurde sie vom Schiedsrichter richtig entschieden, noch griff der VAR ein. Der FCA geriet 0:1 in Rückstand und verlor schlussendlich das Spiel. Und leider war dies in dieser Saison kein Einzelfall.

Das Fass bei den Verantwortlichen war schon ein paar Wochen früher übergelaufen. Nach dem Spiel gegen den FC Bayern hatte Marinko Jurendic geäußert, den VAR in der jetzigen Version abschaffen zu wollen, weil er bei gelben Karten und damit dem Platzverweis von Cedric Zesiger nicht eingreifen durfte. Zesiger ging ein großes Risiko in diesem Zweikampf ein und hatte schlicht Pech. Der Schiedsrichter entschied falsch, der VAR konnte nichts machen. Aber hätte es denn überhaupt etwas gebracht, wenn er eingreifen hätte können? Gegen Kiel hat man in einer ähnlichen Konstellation gesehen, dass man eine klare Fehlentscheidung im Kölner Keller nicht immer erkennt.

Ich bin schon lange dafür, den VAR schlichtweg zu begraben. Die Argumente liegen seit langem auf dem Tisch. Und ehrlich gesagt nervt es etwas, dass sich der FCA erst nach dem Spiel gegen die Bayern positionierte. Der VAR macht den Fußball nicht besser und gehört längst weg. Der VAR steht sinnbildlich dafür, dass es im professionellen Fußball in Deutschland nicht möglich ist, zu echten Änderungen zu kommen, obwohl objektiv und faktisch die Lage eindeutig ist.

Besonders betroffen in 2024/25

Der FCA ist laut der wahren Tabelle der Club, der in dieser Saison am meisten unter falschen Schiedsrichterentscheidungen und dem VAR leidet. Es gab massiv Fehlentscheidungen, bei denen auch der VAR nicht half. Eine Auswahl – abseits der oben genannten – ohne Garantie auf Vollständigkeit:

  • Im Heimspiel gegen Bremen hätte es Handelfmeter für die Augsburger geben müssen. Der VAR wies darauf hin, der Schiedsrichter gab ihn trotzdem nicht. Die erste Sauerei.
  • Im Heimspiel gegen Mainz 05 sah Samuel Essende zu Recht rot. VAR und Schiedsrichter übersahen die vorausgegangene Aktion von Dominik Kohr und die zwingende rote Karte für den Mainzer gab es folglich nicht. Die zweite Sauerei.
  • Jetzt in der Rückrunde kassierte der FCA gegen Hoffenheim einen Handelfmeter der keiner war. Im Nachhinein wurde sich entschuldigt. Die dritte Sauerei.

Alle Spiele sind nur deshalb aufgeführt, weil der FCA am Ende verlor oder unentschieden spielte und Punkte liegen ließ. In anderen Spielen gab es auch Fehlentscheidungen, war aber schlicht froh, dass es am Ausgang nichts änderte und so blieben die Szenen zumindest bei mir nicht haften.

Marinko Jurendic fand zuletzt deutliche Worte zum VAR (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Grundsätzlich eher schwache Schiedsrichterleistungen

Die Auflistung zeigt allerdings etwas Grundlegenderes: der FCA, als Club des Mittelfelds, wird eher selten von den Top Schiedsrichtern der Liga gepfiffen. Ich vertrete an dieser Stelle einmal die Annahme, dass der FCA durchschnittliche Schiedsrichterleistungen in der Bundesliga erlebt. Und wenn man sich die Quote der relevanten Fehlentscheidungen anschaut, dann ist diese hoch. Schlussfolgernd kann man an dieser Stelle dann auch feststellen, dass die Schiedsrichterleistungen im Durchschnitt schlecht sind, wenn bezüglich so vieler, spielentscheidender Szenen falsch entschieden wurde.

Deutschland war mal das Land der Top-Schiedsrichter. Zur FIFA Club WM fährt genau noch einer. Andere Länder entsenden mehrere Schiedsrichter, Deutschland nicht. Auch international wurde entsprechend erkannt, dass die Schiedsrichterzunft in Deutschland mittlerweile hinterher hinkt. Wenn Marinko Jurendic den Finger in die offensichtliche und relevantere Wunde gelegt hätte, wäre die Frage aufgekommen, warum die Schiedsrichter zusammen mit ihren Asssistenten so viele offensichtliche Fehler machen.

 Weiterhin Verklärung

Offen ansprechen mögen die Clubs das Problem wohl nicht, auch aus Sorge vor der Behandlung auf dem Platz am folgenden Wochenende. Reformtätigkeit intern und „echte Änderungen“ sind derweil nicht erkennbar. Die Fehlentscheidungen sind seit längerem zu beobachten und auch in dieser Saison nicht weniger geworden. Mir geht es auch gar nicht darum, einzelne Schiedsrichter bloßzustellen.

Ich glaube, dass der VAR dem Fußball schadet, in dem er Spiele verzögert, und die Entscheidungsqualität, die tendenziell etwas erhöht ist, diesen Effekt nicht aufwiegt. Und mir geht es darum, dass wir den VAR nicht so dringend bräuchten, wenn die Schiedsrichter grundsätzlich besser wären. Und das sollten doch alle gemeinsam wollen: bessere Schiedsrichterleistungen. Dann ist aber auch mal die Zeit gekommen, die Verklärung zu beenden und die Verbesserung aktiv voranzutreiben. Vielleicht auch so, dass es in Augsburg ankommt.

Gemischte Vorzeichen


Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Der FC Augsburg hat gegen Bochum gewonnen und mittlerweile 42 Punkte gesammelt. Die Abstände sind weiterhin gering: vom 10. Augsburger Tabellenplatz bis Rang 5 sind es nur 4 Punkte Abstand. So eng wie in dieser Saison geht es in dieser Tabellenregion sonst kaum zu. Frankfurt ist zwar ein guter Gegner am Sonntag, aber schon in der Hinrunde lieferte der FCA eine ordentliche Vorstellung ab und konnte punkten. Für das Heimspiel am Sonntag sollte all das viel Hoffnung machen.

Wer genauer hinschaut, der erkennt allerdings auch Entwicklungen, die Anlass zur Sorge geben. Was beunruhigt mich gerade:

Sportlich ausbaufähig

Die sportliche Leistung gerade in der zweiten Halbzeit gegen Bochum muss Anlass zur Sorge geben. Der FCA gab ein Spiel in Führung aus der Hand und hätte sich am Ende nicht beschweren dürfen, wenn er das Spiel vollends verloren hätte. Ich liebe Heldenaktionen wie die von Tietz und Kömür über alles, aber wenn die Augsburger Europapokalhoffnungen darauf aufbauen, dann wird der Realitätscheck schneller kommen, als uns allen lieb ist.

Ambitioniert, aber ohne neues Ziel

Auch wenn er nun gegen Bochum offiziell erreicht wurde, war der Klassenerhalt schon in den letzten Wochen kein Thema mehr in Augsburg. Da konnte schlicht nichts mehr anbrennen. Ein neues Ziel gibt es aber – zumindest nach außen kommuniziert – nicht. Jess Thorup verweigerte sich erneut auf der Pressekonferenz, Europa offiziell als Ziel auszugeben. Ich stehe dazu: was sollte sonst das Ziel sein?

Wenn man Europa nun nicht erreicht, dann muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, dass man nicht alles dafür getan hat. Wenn man das Ziel ausruft und scheitert, wird einem das unter die Nase gerieben werden. Ich bin für „Immerhin waren wir mutig und haben es versucht“. In den 07 Werten taucht auch Mut auf (auf Platz 5, aber wer glaubt schon an Zufälle).

Freddy Jensen und die Frage nach dem Warum

Freddy Jensen war diese Saison länger verletzt und ist nun wieder fester Bestandteil der Mannschaft. Allerdings läuft sein Vertrag im Sommer aus und wurde noch nicht verlängert. Nun hat wohl ein US-amerikanischer Club Interesse an einer Verpflichtung. Dort ist das Wechselfenster gerade geöffnet. Jensen flog wohl nun unter der Woche zu Gesprächen in die USA, ist aber wohl schon wieder zurück in Augsburg. Ob wir ihn nochmal im Trikot des FCA sehen werden?

In dieser Saisonphase hätte ich erwartet, dass der FCA Jensen zumindest bis zum Saisonende hält, um sportlich das Maximale herauszuholen. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Ich finde diese Geschichte zu diesem Zeitpunkt absolut unpassend. Jensen war in den letzten Spielen Teil der ersten Elf. Er ist Bestandteil einer Mannschaft, die von vielen Spielen zuletzt nur eines verloren hat und auf einem sehr guten Weg ist, sich weiter in der Tabelle vorzuarbeiten. Wenn es in den letzten 5 Spielen um alles geht, und das ist der Traum für Europa zu diesem Zeitpunkt für mich, dann lasse ich einen solchen Spieler gerade nicht in die USA fliegen bzw. denke überhaupt nur darüber nach, ihn abzugeben. Man fragt sich schon, wie Ernst der Verein die momentanen sportlichen Möglichkeiten nimmt.

Symbolisches im Rahmen der Kaderplanung

In eine ähnliche Richtung geht es dann, wenn man in diesen Tagen liest, dass Marinko Jurendic das Interesse des FC Augsburg an Morlaye Sylla bestätigt hat. Warum? Damit sich die momentan vorhandenen Offensivspieler Gedanken um ihre Zukunft machen, anstatt sich auf die aktuelle Situation zu konzentrieren?

Der FC Augsburg hat bisher Personalien grundsätzlich nicht vor ihrem Abschluss kommentiert. Warum wird hiermit nun gebrochen? Noch dazu in dieser Saisonphase? Es ist wohl allen klar, dass im Hintergrund schon am Kader für die neue Saison gearbeitet wird. Wenn man aber in dieser Situation etwas Positives beitragen wöllte, dann vielleicht die Verkündung der ein oder anderen Vertragsverlängerung, z.B. mit Finn Dahmen. Sich an den Spekulationen rund um Neuzugänge zu beteiligen sollte nicht zur Routine werden, gerade jetzt.

Wird diese Saison anders als letzte?

Was über allem hängt: Auch in der letzten Saison klappte in den letzten 5 Partien wenig bis nichts mehr. Man hat frühzeitig den Klassenerhalt gefeiert, man hat sich nicht getraut neue Ziele auszugeben, und man hat am Ende 5mal verloren. Am Ende hat man es dann auf die Kadertiefe und die Verletzungen geschoben, anstatt offen auch mit den eigenen Fehlern umzugehen.

Ja, der FCA ist weiterhin sehr gut unterwegs. Gerade die Rückrunde ist sehr eindrucksvoll und die Rückrundentabelle zeigt bisher, was die Mannschaft im Stande ist zu leisten. Aber umso näher das Saisonende kommt, umso nervöser werde ich. Kann das Team den sportlichen Höhenflug durchhalten? Ich wünsche es mir so sehr. Auf der anderen Seite, sehe ich vielleicht Gespenster. Es wird Zeit, dass die Mannschaft diese verjagt, mit einem starken Heimspiel gegen die Eintracht. Dann kann es diese Saison klappen (und ihr wisst was ich meine).

Dimitrios Giannoulis: ein Volltreffer

Nach dem Abschied von Iago war der FCA im Sommer auf der Suche nach einer Verstärkung für die linke Abwehrseite. Am Ende einigte man sich mit dem ablösefreien Dimitrios Giannoulis auf eine Zusammenarbeit. 28 Pflichtspieleinsätze, und nicht nur wegen des Treffers gegen den FC Bayern, kann man festhalten: Giannoulis ist ein Volltreffer. Er ist flexibel einsetzbar sowohl in einer 4er als auch in der 3er Kette. Er ist schnell, zweikampfstark und kann offensiv Akzente setzen. Im Vergleich zu Iago ist er zudem überaus verfügbar. Insgesamt hat man die gesuchte Verstärkung gefunden.

Die Stimmung ist dann auch gut im Gespräch mit Dimi. Die Laune ist trotz der Niederlage gegen den FC Bayern weiterhin gut, auch weil das Selbstvertrauen nicht gelitten hat. Was er über die Aussichten des FCA in den letzten Spielen denkt, könnt ihr selbst nachlesen:

Andy: Herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Bundesligator am Freitag. Wie hat sich dieser Moment angefühlt?

Dimi: Das war fantastisch. Ich habe mein letztes Tor vor ungefähr fünf Jahren geschossen, und ich hatte dieses Gefühl schon wieder vergessen. Dazu ist das Stadion explodiert, als ich getroffen habe.

Andy: Das Tor ist aus einem Freistoß heraus entstanden, den Jeff geschlagen hat. Ein Kommentar zu eurem Zusammenspiel in dieser Situation?

Dimi: Jeff kann diese langen Bälle so gut spielen. Ich muss hier wenig mehr tun, als ihm ein Signal zu geben, und dann kommen diese Bälle regelmäßig perfekt. Am Freitag auch wieder.

Andy: Und welcher ist dann nochmal dein starker Fuß?

Dimi: (lacht) Mein rechter wohl.

Andy: Wie bitter war jetzt im Nachhinein dann doch die Niederlage gerade nach der zwischenzeitlichen Führung?

Dimi: Insgesamt haben wir uns über die Niederlage geärgert, gerade auch nach der Führung. Dieses Mal war vielleicht auch mehr drin. Wir haben es verpasst die Führung länger zu halten und auch am Ende hatten wir noch Chancen auf den Ausgleich. Auf der anderen Seite war der Platzverweis ein Knackpunkt auch mit dem schnellen Gegentor danach.

Andy: Hast Du eine Meinung zu den Schiedsrichterleistungen der letzten Zeit?

Dimi: Ich mag dazu gar nicht zu viel sagen, aber es könnte natürlich besser sein. Ich habe in der Championship in England in der letzten Saison ohne VAR gespielt und es ist nicht gut, wenn dennoch so viele Fehlentscheidungen Bestand haben.

Andy: Inwiefern siehst Du in dem Spiel gegen die Bayern dennoch eine Weiterentwicklung, gerade wenn Du es mit dem Spiel aus der Hinrunde vergleichst, in dem man am Ende keine Möglichkeiten kreieren konnte?

Dimi: Wir haben uns als Mannschaft deutlich weiterentwickelt seitdem. Einerseits hat man das an der Serie der ungeschlagenen Spiele gesehen. Andererseits haben wir einfach seit dem Winter deutlich mehr noch zusammengefunden. Es sind ja im Sommer viele neue Spieler, gerade auch für die erste Elf, zum Team dazu gestoßen und wir haben Zeit gebraucht. Aber mittlerweile spielen wir als Team deutlich besser und konnten mit Bayern deutlich besser mithalten.

Andy: Alle Teams wollen sich über die Zeit verbessern. Warum ist es bei euch so gut gelungen?

Dimi: Wir haben es geschafft, uns seit der Winterpause zu refokusieren und noch eine Schippe draufzulegen und das hat geklappt. Ein motivierender Faktor war hier sicherlich auch die Klatsche in Kiel. Diese hat zusätzliche Energien freigesetzt.

Andy: Neu ins Team sind ja im Sommer auch viele Spieler gekommen, die – wie Du – die Bundesliga vorher gar nicht kannten. Warum lief für euch die Integration so gut?

Dimi: Ganz ehrlich: die Stimmung in der Kabine ist einfach toll. Ich glaube, es ist die beste Stimmung in einer Kabine, die ich in meiner Karriere bisher erlebt habe, weil kein Spieler dabei ist, der schlechte Stimmung verbreitet und wir einfach viele tolle Typen im Team haben. Dies hat uns Neuen die Ankunft und Integration natürlich erheblich erleichtert.

Und gleich schlägt es ein… Giannoulis mit rechts zur Führung gegen den FC Bayern. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Andy: Was wusstest Du überhaupt über Augsburg, als Du im Sommer kontaktiert wurdest?

Dimi: Ehrlich gesagt nicht allzu viel. Ich habe dann meinen Kumpel Kostas Stafylidis angerufen und er hat sehr positiv berichtet. Ansonsten wäre ich wohl nicht gekommen.

Andy: Was hat dich abseits des Fußballs am positivsten überrascht

Dimi: Für jemanden, der aus England gewechselt ist: das Wetter. Es regnet nicht so oft wie in England und ist nicht ganz so kalt, wie ich befürchtet hatte. Nicht wie in Griechenland, aber im Vergleich zu England eine echte Verbesserung.

Andy: Für dich hat sich auch auf dem Feld etwas geändert während der Saison. Du hast in England vor allem als Linksverteidiger gespielt und auch so in Augsburg begonnen, bevor ihr dauerhaft auf die 3er-Kette umgestellt habt. Wie groß war die Umstellung für dich?

Dimi: Gar nicht so groß. Ja, in England habe ich vor allem als Linksverteidiger gespielt. Zuvor in Griechenland habe ich aber auch schon in einem ähnlichen System wie unserem jetzigen gespielt. Das ist sogar mein Lieblingssystem und entsprechend hat mich die Umstellung sogar gefreut.

Andy: In diesem System hast Du jetzt auch eine größere Verantwortung, offensiv Akzente zu setzen und mit für Torgefahr sorgen. Hier habt ihr weiter Entwicklungspotential. Wie ist hier deine Sichtweise?

Dimi: Klar wären mehr Tore schön gewesen. Auf der anderen Seite schauen wir auch ganz pragmatisch auf die Ergebnisse und am wichtigsten ist nun mal, dass wir Spiele gewinnen bzw. Punkte sammeln. Und das haben wir in der letzten Zeit ordentlich gemacht.

Andy: Am Samstag geht es wieder nach Bochum, zu einem in der Tabelle unten platzierten Team. Warum läuft es in dieser Partie nicht wieder wie in Kiel?

Dimi: Wir wissen, dass es in Bochum unangenehm zu spielen ist. Gerade zu Hause rufen sie immer wieder starke Leistungen ab. Es geht im Abstiegskampf ja um enorm viel für sie. Aber wir haben seit dem Kiel-Spiel einige gute Auswärtspartien gespielt und auch gewonnen und können mit dieser Situation umgehen. Für mich kommt dazu, dass in Bochum mein Kollege aus der Nationalmannschaft Georgios Masouras spielt. Wir werden uns auf dem Feld des Öfteren begegnen und für mich ist es hier besonders wichtig, dass ich die Oberhand behalte.  

Andy: Die Niederlage gegen die Bayern sollte euer Selbstvertrauen jetzt auch nicht nachhaltig beeinträchtig haben.  

Dimi: Nein, mit Sicherheit nicht. Eher im Gegenteil. Wir haben gegen das wohl beste deutsche Team mithalten und uns unsere Möglichkeiten erarbeiten können. Das bestärkt uns eher noch in unserem Weg.

Andy: Wohin führt euch das Ganze? Bist Du bereit früher aus dem Sommerurlaub zurückzukommen um Qualifikationsspiele für die europäischen Wettbewerbe zu spielen?

Dimi: Wenn es so kommt, wäre es natürlich toll.

Andy: Wie ist es in dieser Saisonphase noch um Europa spielen zu können, anstatt um den Klassenerhalt kämpfen zu müssen?

Dimi: Es ist immer wichtig, Ziele zu haben. Wir müssen uns auf unsere Leistung in jedem einzelnen Spiel konzentrieren und am Ende der Saison werden wir dann sehen, wofür das reicht.

Andy: Ich drücke auf jeden Fall die Daumen und bedanke mich für deine Zeit.

Es kann nur ein Ziel geben

Die Länderspielpause hat zumindest auf der Ergebnisseite die Erfolgskurve des FCA etwas abflachen lassen. Seitdem hat man in Hoffenheim ein Unentschieden erreicht und gegen den FC Bayern zu Hause 1:3 verloren. Gerade das Ergebnis aus dem Bayern-Spiel ist etwas zu deutlich ausgefallen. Im Gegensatz zum Hinspiel kam der FCA auch in der Schlussphase noch zu Chancen. Und Zesigers Platzverweis war überdies sehr hart (und falsch, aber das ist ein anderes Thema). Die Serie von 11 Spielen ohne Niederlage, die am Freitag endete, bleibt dennoch historisch und der FCA braucht sich in dieser Saison weiterhin vor niemandem zu verstecken.

Vorjahresvergleich

Wenn man gerade im Moment auf den Punktestand schaut, dann wird schnell erkenntlich, dass der FCA diese Saison rein punktemäßig wahrscheinlich besser beenden wird als im letzten Jahr. Man hat jetzt schon die 39 Punkte auf der Habenseite, die man zum Ende der Saison 2023/24 hatte. Das reichte am Ende für Platz 11. Das wird in diesem Jahr definitiv nicht der Fall sein. Obwohl der FCA jetzt schon 39 Punkte hat, rangiert man momentan nur auf Platz 11 der Tabelle. Ohne weitere Punkte würde man mindestens noch einen Platz abrutschen, wenn nicht sogar mehr. Das Mittelfeld in der Bundesliga hat sich verbessert, in der Folge müssen die Top Teams mehr Federn lassen. Insgesamt ist die Liga in dieser Saison ausgeglichener als noch in der Saison davor.

Was man im Vergleich mit dem Vorjahr nicht außer Acht lassen darf: die letzten 5 Spieltage kamen im Vorjahr keine Punkte mehr dazu. 5 Spiele verlor man am Ende in Folge. 3 Punkte und 5 Tore hätte der FCA für Europa für gebraucht. Daran ist man am Ende gescheitert.

Die gleiche Rumeierei

Derweil erinnert auch in diesem Jahr die Situation wieder ein bisschen an das Vorjahr. Zumindest die Aussagen zu den Zielen sind genauso wachsweich wie im Vorjahr. Dort hatte man „Europa“ nie offiziell als Ziel ausgegeben, obwohl es absolut in Reichweite war, bis zum letzten Spieltag. Die knappe Niederlage in Leverkusen, die fünfte in Folge, hatte man aus moralischer Perspektive sogar noch als positiven Abschluss gewertet. Derweil hatte man schlicht eine historische Chance verkackt.

Dies wirkt in dieser Saison gar nicht so anders. Sowohl Michael Ströll als auch Jess Thorup sprachen am Freitag vor den DAZN-Mikrofonen weiterhin davon, dass man von Spiel zu Spiel schauen wolle, um am Ende zu sehen, wo man raus kommt. Ich kann es ehrlich gesagt nicht mehr hören. Es sind noch 6 Spiele zu spielen, 3 Punkte Rückstand auf Platz 7. Ja, Platz 7 reicht nur, wenn Stuttgart unter die ersten 6 kommt und den DFB-Pokal gewinnt, aber irgendwas ist ja immer. Dies scheint mir zumindest nicht komplett unrealistisch. Insgesamt hat der FCA in dieser Saison weiterhin eine realistische Chance auf Europa und muss sie nun „nur noch“ nutzen.

Ich möchte es in die Welt brüllen: Wofür sonst außer für Europa wollt ihr diese Saison noch spielen?. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Eine realistische Chance?

Es sind also momentan 3 Punkte Rückstand auf Platz 7 und 5 Punkte auf Platz 6. Der Trend ist dabei ein Augsburger Freund. Wenn die Mannschaft weiter punktet, wie sie das in der Rückrunde bisher getan hat, dann ist das alles in Reichweite. Zu Beginn der Rückrunde hatte man 8 Punkte Rückstand auf Platz 7 und 9 Punkte Rückstand auf Platz 6. Wenn es entsprechend so weitergeht, dann kann man die Rückstände entsprechend noch aufholen.

In der letzten Saison war zudem das Restprogramm anspruchsvoller als in diesem Jahr. Der FCA spielt in den letzten sechs Partien noch gegen Bochum und Kiel. Auch die Partie gegen Union Berlin ist machbar. Bleiben Partien gegen Stuttgart und Frankfurt, in denen man im Optimalfall etwas mitnimmt. Und eventuell geht es für Leverkusen zum Zeitpunkt der Partie nicht mehr um viel. Alles in allem sollte man bei diesem Restprogramm realistisch 10+ Punkte holen können.

In der letzten Saison hat man vieles auf die Verletztensituation und die Kaderbreite geschoben. In dieser Saison ist auch hier der Trend ein deutlich erfreulicher. Es sind mehr und mehr Spieler von Verletzungen zurück gekommen. Mergim Berisha steht zum ersten Mal zur Verfügung seit seiner Rückkehr im Winter. Auch auf anderen Positionen sollten die Rückkehrer das Team in der Breite eher verstärken. Ein weiterer Grund, die Erwartungen nicht zu niedrig zu hängen.

Ambition wofür?

Im Interview mit DAZN hat Jess Thorup nicht nur das Ziel Europa nicht bestätigt, sondern betreibt auch weiterhin Schönfärberei, wenn er immer wieder vom ersten Ziel „Klassenerhalt“ spricht. Zu diesem Zeitpunkt kann das keine Rolle mehr spielen. Einerseits tut der FCA nicht gut daran, vor der Saison als Ziel den Klassenerhalt als Mindestziel zu formulieren. Das kann die Organisation nur hemmen. Andererseits, wird in diesem Jahr niemand in Augsburg im Juni die Saison rekapitulieren und sagen: „Wow, das war toll, weil wir erneut die Klasse gehalten haben“.

Der FCA hat im zweiten Jahr in Folge die Chance Europa anzugreifen, und in den kommenden Wochen werden wir sehen, ob der Club sich in diesem Zusammenhang weiterentwickelt hat. Im Winter ist wohl viel über Ambition geredet worden. In der jetzigen Situation muss es allen daran gelegen sein, diese historische Chance diesmal zu nutzen. Klappt es am Ende? Wir werden sehen. Für den FCA ist es in dieser Saison noch möglich, Großes zu erreichen. Zusammen als Club wieder durch Europa zu reisen. Die Mannschaft und alle Beteiligten sollte das Privileg dieser Chance erkennen, sie öffentlich anerkennen und gemeinsam im Umfeld alles Mögliche mobilisieren, um gemeinsam diese Chance zu ergreifen. Es kann zu diesem Zeitpunkt der Saison kein anderes Ziel mehr geben.

Durchhaltevermögen

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Es ist Hochstimmung beim FC Augsburg. 10 Spiele in Folge ist man mittlerweile ungeschlagen, und hat damit einen neuen Vereinsrekord aufgestellt. Zuletzt hatte man nach 10 Jahren wieder auswärts beim BVB gewonnen und direkt einen Heimsieg gegen Wolfsburg nachgelegt. Mit 38 Punkten wird in Punkto Abstiegskampf keine Sorge mehr aufkommen. Man kann dem Team und den sportlich Verantwortlichen nur Respekt für die Leistungen zollen und zum bisherigen Saisonverlauf gratulieren. Kurz vor Weihnachten hätte das noch kaum jemand für möglich gehalten.

Die Leistungen sind dabei nicht vom Himmel gefallen, sondern basieren auf einem starken Fundament. In den 1,5 Jahren, in denen Marinko Jurendic nun beim Club ist, hat sich etwas getan. Und viele seiner Maßnahmen hatten den gewünschten Effekt und führen nun sportlich zu den gezeigten Ergebnissen.

Der Trainer

Jurendic und Co. hatten sich nach einer ganz schwachen Phase zu Beginn der vorherigen Saison entschieden, Enno Maaßen den Laufpass zu geben. Konzeptionell war seine Art des Fußballs teilweise erfrischend, allerdings war seine Kommunikation am Ende unglücklich und auch sein Umgang mit den erfahrenen Spielern ungeübt. Deshalb entschied man sich in Jess Thorup für einen Trainer mit Erfahrung, dessen Ausstrahlung immer ruhig und professionell ist. Seine Art des Fußballspiels – allem voran das „Offensive Mindset“ – löste direkt von Beginn an Euphorie aus.

Die Honeymoon-Phase zog aber auch bei Jess Thorup vorüber. Gute Auftritte wechselten sich mit schlechten ab. Gerade nach desolaten Auswärtsauftritten wirkte Thorup enttäuscht und auch ein bisschen ratlos. Das Spiel in Kiel kurz vor Weihnachten war besonders denkwürdig. Danach war im Umfeld eher die Frage, wann man sich von Thorup trennt als ob. Es ist dem FCA hoch anzurechnen, dass man dieses Mal in Bezug auf den Trainer sich auch von äußeren Einflüssen nicht zu sehr hat leiten lassen. Im Zweifel zur Konstanz zu tendieren war „früher“ in Augsburg öfter der Fall, teilweise mit sehr positiven Resultaten wie in der ersten Weinzierl-Phase. Thorup könnte den FCA nun zu ähnlichen Erfolgen führen. Und die Geduld hätte sich ausgezahlt.

Der Kaderumbruch

Es war – positiverweise – im Sommer viel Bewegung im Kader. Der FCA hatte sich von vielen Spielern getrennt, die ganz offen schon länger mit einem Abschied vom FCA liebäugelten. Eine Einheit mit gemeinsamen Zielen war so vorher grundsätzlich nur schwerlich zu erreichen. Nachdem im Sommer mit Felix Uduokhai und Ermedin Demirovic zwei Leistungsträger wechselten, deren Absichten lange bekannt waren, zog es im Winter auch Ruben Vargas weg vom FCA.

Cedric Zesiger ist direkt für den FCA zum Leistungsträger geworden. Bemerkenswert! (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Der Verein ging damit ein hohes Risiko ein. Einerseits musste er viele Spieler sportlich ersetzten. Andererseits wackelte die Mannschaftsstruktur gehörig. Gerade sportlich haben die Verantwortlichen die Situation grundsätzlich sehr überzeugend gelöst. Von Uduokhai spricht man nicht mehr. Zu gut sind Matsima und mittlerweile Zesiger angekommen. Auch Schlotterbeck und Banks liefern regelmäßig ab. Die Erinnerung an Ruben Vargas verblasst sehr deutlich hinter den Leistungen von Alexis Claude-Maurice, den man ablösefrei an Bord nahm. Einzig Ermedin Demirovic‘ Impact im Sturm ist nicht 1:1 zu ersetzen gewesen, aber auch dort hat man im Winter mit der Rückholaktion von Mergim Berisha etwas getan. Eventuell zahlt sich auch hier die Geduld noch aus?

Die Ambition

Eins scheint beim FCA dabei grundsätzlich angekommen zu sein: Nur weil man immer wieder Personen austauscht, ändert sich noch nichts. Trainer um Trainer kamen und gingen in den letzten Jahren. Immer wieder fand man sich im Abstiegskampf wieder. Immer enger wurde es mit dem Klassenerhalt. Unter Enno Maaßen war es dann schieres Unvermögen der Stuttgarter Konkurrenz, das den FCA rettete. Auch letztes Jahr hat sich unter Jess Thorup gezeigt, wie schwer es ist, die Zielsetzung des Teams zu verändern und über die eigene Ambition des Klassenerhalts hinaus Erfolg zu haben.

Gerade nach dem Spiel in Kiel ist im Winter wohl auch viel geredet worden. Über Anspruch und Ambition zum Beispiel. Und über die harte und konstante Arbeit, die es Spiel für Spiel braucht, diese auch zu erreichen. Geändert hat sich der Zungenschlag. In diesen Tagen hört man beim FCA immer noch, dass man von Spiel zu Spiel denkt. Es ist eine der größten Floskeln der Fußballwelt. Auf der anderen Seite klingt es etwas anders. Nach dem Kiel-Spiel bedeutet es eben vor allem, dass man in jedem Spiel eine gute, konstante Leistung abrufen will. Und es gelingt mittlerweile mehr, auch weil im Hintergrund eine solide Ambition, nach oben zu schauen anstatt nach unten, verborgen liegt. Und der identifizierte Weg nach oben liegt eben in wöchentlichen konstanten Leistungen Spiel für Spiel. Manchmal sind die Veränderungen sehr klein, aber trotzdem äußerst bedeutend.

Ausblick

Der weitere Weg ist für den FCA schwer vorherzusehen. Serien reißen über kurz oder lang immer. Das Momentum wird sich verändern und es wird sich zeigen, wie das Team von Jess Thorup damit umgeht. Aber auch, wenn die Kurve etwas abflacht, dann ist doch Hoffnung angebracht. Einerseits hat Jess Thorup erneut gezeigt, dass er lernfähig ist und eine Mannschaft über Strecke führen kann. Andererseits sind die Aktivitäten von Marinko Jurendic im Hintergrund als sehr erfreulich zu werten.

Dennoch ist nicht alles Gold was glänzt. Der FCA hat im direkten Vergleich der Saisons nicht allzu viele Punkte mehr auf dem Konto als in der Vorsaison. Die Durststrecke zwischendurch war schwierig. Dass dabei einige Spieler aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum mitmischten, war zwischenzeitlich das einzig Erfreuliche. Hier geht aber auch immer noch mehr. Warum Mert Kömür gegen Wolfsburg nicht noch kam? Man weiß es nicht. Der mannschaftliche Erfolg überlagert hier doch einiges. Momentan lädt der FCA wieder zu Träumen ein. Jetzt heißt es weiter durchzuhalten, damit sie dieses Jahr in Erfüllung gehen.

Noch nicht fertig

Es ist Länderspielpause und auch in Augsburg kehrt ein bisschen Ruhe ein. Der FCA steht dennoch mehr im Fokus als sonst. 10 Spiele hat man in Serie nicht mehr verloren, zuletzt gegen Wolfsburg und in Dortmund gewonnen. Fortschritte sind auf dem Feld aber auch in der Tabelle sichtbar. Im Vergleich zur guten letzten Saison steht man noch ein bisschen besser da, zumindest was die Punkte angeht. Jess Thorup ist Stand jetzt der FCA-Cheftrainer mit dem höchsten Punkteschnitt in der Bundesligageschichte des Vereins. Es ist ein guter Zeitpunkt, um sich mit dem ruhigen Dänen zusammenzusetzen, der einerseits noch positiver wirkt als sonst, andererseits aber auch klar macht, dass man immer noch ambitioniert ist in dieser Saison.

Andy: Was macht ein gutes Fußballteam aus, außer dass es 10 Spiele am Stück nicht verliert?

Jess: Man merkt es an den alltäglichen Abläufen. Bei einem guten Team fühlt sich jeder zugehörig. Jeder will mehr und will den nächsten Schritt machen und keiner klinkt sich aus.

Andy: Wie unterscheidet sich dieses Team von anderen guten Teams, die Du im Laufe deiner Trainerkarriere trainiert hast?

Jess: Es hat eine Weile gedauert, aber dieses Team hat eine klare Identität in der defensiven Stabilität gefunden. Klar, jedes Team will offensiv Akzente setzen. Es gibt aber immer etwas, was Teams besonders auszeichnet. Hier ist es gerade nun die mannschaftlich geschlossene Arbeit gegen den Ball.

Andy: Im Sommer gab es einen großen Umbruch im Kader. Hat dieser verhindert, dass die Mannschaft sich schon früher so gefunden hat?

Jess: Der Umbruch hatte einen großen Einfluss. Das waren viele Wechsel im Sommer und es ist unser Ziel, dass dies nicht jede Transferphase so ist. Wenn das in jeder Transferphase in diesem Umfang der Fall wäre, kann schwerlich Kontinuität entstehen.

Andy: War dir von Vornherein klar, dass der Kern dieses Teams die defensive Stabilität ist?

Jess: Nein, das habe ich nicht von Anfang an erkannt. Wir probieren ja immer viele Dinge aus und versuchen dazu zu lernen. Wir hatten gegen den Ball lange große Probleme und deshalb mussten wir etwas verändern. Mit ein bisschen Abstand war es dann im Winter so, dass wir entschieden haben, auf die Defensive einen besonderen Fokus zu legen.

Andy: Inwiefern war das letzte Spiel in Kiel mit dieser deutlichen Niederlage in Kiel vielleicht sogar förderlich, weil Veränderungen von der Mannschaft besser angenommen wurden?  

Jess: Diese Niederlage hat auf jeden Fall einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen. Wir hätten aber in jedem Fall im Winter Anpassungen vorgenommen, weil wir defensiv schon vorher Themen hatten. Nach dem Spiel gegen Kiel war aber jedem klar, dass wir vieles überprüfen müssen, und im Nachhinein war das auch hilfreich für den Prozess.

Andy: Mittlerweile könnt ihr auch Gegner kontrollieren, wo das im Herbst noch nicht möglich war. Woran liegt das?

Jess: Das Wichtigste im Fußball sind Erfolgserlebnisse. Nach den Spielen gegen Union und Werder hat sich die Stimmung gedreht und durch den Stimmungswechsel haben die Spieler auch das Zutrauen gefunden, mit dem Ball anders zu agieren.

Andy: Wie viel der derzeitigen Erfolge basiert auf Konstanz und wie viel auf neuen Ideen, die über die Zeit entstehen?

Jess: Einerseits ist es wichtig auf einem Fundament aufzubauen, das wir mit der defensiven Stabilität nun gefunden haben. Andererseits haben wir immer neue Ideen – auch von Spiel zu Spiel – die wir ausprobieren und umsetzen. Und da setzen wir sowohl für die Mannschaft als auch für Einzelspieler immer wieder Impulse, um uns stetig zu verbessern.   

Andy: Im Herbst und Winter kam ja auch viel Kritik an deiner Person auf. Wie gehst Du damit um?

Jess: Ich kenne die Abläufe im Fußballgeschäft ja nun schon viele Jahre und versuche Meinungen von außerhalb des Vereins auszublenden. Ich fokussiere mich auf meine Arbeit und die Themen, die ich selbst verändern kann.

Andy: Glaubst Du, dass es grundsätzlich so ist, dass Vereine, die diese schwierigen Phasen gemeinsam überwinden können, langfristig erfolgreicher sind?

Jess: Davon bin ich zu 100% überzeugt. Ich stehe selbst für diese Kontinuität, auch in der Mannschaft und im Staff. Der nächste Trainer macht es auch nicht unbedingt besser und kurzfristige Impulse verpuffen schnell. Ich mag das in Augsburg, dass hier Kontinuität auch eine der Vorgaben ist.  

Andy: Intern wird es dennoch das ein oder andere kritische Wort gegeben haben?  

Jess: Natürlich. Ich tausche mich fast täglich mit meinen Chefs aus und wir besprechen auch die kritischen Themen gemeinsam. Das ist für uns auch wichtig, damit wir ein gemeinsames Verständnis der Lage haben und insgesamt die richtigen Schritte unternehmen.

Andy: Auch in der Arbeit mit der Mannschaft bist Du nicht alleine, sondern hast ein Trainerteam mit dem Du zusammen arbeitest. Jetzt wird mit Lars Knudsen im Sommer schon der dritte Co-Trainer den FCA erneut verlassen, weil er anderswo eine tolle Chance erhält (Knudsen wird Trainer der dänischen U21 Nationalmannschaft). Wie sehr schmerzen diese Abgänge bei aller Freude für die Kollegen?

Jess: Klar ist das schade. Ich habe die Kollegen nicht zum FCA geholt, damit sie möglichst bald wieder gehen. Auf der anderen Seite gehören diese Wechsel dazu und sind auch für uns eine Möglichkeit, erneut zu überprüfen, welche Qualifikationen wir im Trainerteam haben wollen. Hier machen wir jetzt für den Sommer unsere Hausaufgaben, um uns gegebenenfalls sogar zu verbessern.

In welche Richtung soll es für den FCA laut Jess in dieser Saison noch gehen? Hoch! Wofür das dann noch reicht? Wir werden sehen. (Photo by Stuart Franklin/Getty Images)

Andy: Wenn wir nun einmal auf den Rest der Saison schauen: Ihr werdet definitiv die Klasse halten. Darüber brauchen wir gar nicht mehr zu sprechen. Kann es denn überhaupt noch ein anderes Ziel geben in dieser Situation als Europa?

Jess: Ich verstehe deine Frage. Auf der einen Seite weiß ich sehr zu schätzen, wie sehr die Augsburger Fans sich über Europa freuen würden und ich bin selbst mit einer gewissen Ambition nach Augsburg gekommen. Auf der anderen Seite wollen wir unsere Ziele lieber greifbarer formulieren und die Augen noch nicht auf den Horizont richten. Unser Fokus liegt jetzt zuerst auf den nächsten Spielen. Und wenn die nächsten Spiele weiter gut laufen, dann werden wir schon sehen, wohin uns das führt.

Andy: Auch in der letzten Saison war man früh gesichert und dann war irgendwie die Luft raus. Warum wird es diese Saison anders sein?

Jess: In der Nachschau waren wir einfach noch nicht so weit. Einerseits hatten wir letzte Saison dann viele Verletzungen und konnten das in der Breite nicht auffangen. Andererseits kennen wir die Situation nun grundsätzlich schon. Ich bin optimistisch, dass wir es dieses Jahr besser machen.

Andy: Ein Faktor ist vielleicht an dieser Stelle auch, dass die Jungs in dieser Saison aus dem Nachwuchsleistungszentrum deutlich involvierter sind. Wie beurteilst Du das?

Jess: Das hat der Verein als konkrete Zielsetzung ausgegeben. Mit Henri, Mert und Noki haben wir dieses Jahr drei Spieler im Kader, die schon sehr viele Einsätze hatten und die der Mannschaft auf unterschiedlichste Weise helfen konnten. Wir bekommen die Brücke aus dem Nachwuchsleistungszentrum immer besser hin, auch was die Integration der Jungs in den Trainingsbetrieb angeht. Auch Felix Meiser war z.B. jetzt mehrmals im Kader dabei und ich glaube sowohl der Verein als auch jeder der Jungs ist auf einem guten Weg.

Andy: Greift Dir Kritik dann auch zu kurz, wenn es z.B. nach dem Spiel in Wolfsburg heißt, Mert Kömür hätte hier eingewechselt werden müssen?

Jess: In der einzelnen Wechselsituation überlegen wir immer, welcher Spieler der Mannschaft mit seinen Fähigkeiten am besten helfen kann. Da gibt es dann auch keinen Jugend-Bonus und keine Geschenke. Am Samstag haben wir in der Situation Möglichkeiten gesehen, dass uns Steve Mounié mehr helfen kann als Mert und das kann am kommenden Wochenende schon wieder anders sein. Und ja, da sollte man das Gesamtbild nicht aus den Augen verlieren.

Andy: Das Gesamtbild sowohl bei den Jugendspielern als auch tabellarisch spricht momentan für sich. Deshalb könnte ich mir vorstellen, dass im Sommer auch wieder Gerüchte zu deiner Person aufkommen, gerade auch weil Du im letzten Jahr nur um 1 Jahr verlängert hast bis 2026. Ist das ein Thema für dich?  

Jess: Damit beschäftige ich mich momentan gar nicht. Ich fühle mich in Augsburg zusammen mit meiner Familie sehr wohl und will hier noch viel erreichen.  

Andy: Gibt es konkret etwas, dass der FCA bei den Rahmenbedingungen noch verbessern kann?

Jess: Ich mag hier gar nicht über einzelne Dinge sprechen. Für mich ist wichtig, dass der Verein seine Identität auch nach vielen Jahren erster Liga nicht aus den Augen verliert. Obwohl der Fußball ein großes Geschäft ist, ist beim FCA alles sehr familiär, man steht eng zusammen und versucht sich gemeinsam zu verbessern. Das sollte auf jeden Fall so bleiben.

Andy: Bei Dir sticht heraus, wie gut Du selbst kommunizieren kannst und immer jeden mitnimmst. Wo liegt hier dein Geheimnis?

Jess: Kommunikation ist mit das wichtigste Thema. Ich versuche selbst, mit den Menschen so umzugehen, wie ich mir das für mich selbst wünsche. Ich bin vor allem offen und ehrlich, und dann weiß jeder woran er ist, egal um wen es sich dabei handelt. Jedem muss klar werden, dass er dazu gehört und dass wir alle zusammenarbeiten. Dazu kommt, dass ich ein ruhiger Typ bin, der Themen durch seine Erfahrung einordnen kann.

Andy: In diesem Sinne mag ich mich selbst für deine Zeit bedanken und freue mich darauf, wenn wir hoffentlich bald offiziell über Europa reden.

Was für ein Rookie!

Der FC Augsburg verlor zuletzt 6 Spiele in Folge nicht mehr. Zudem spielte er in diesem Jahr schon 4 mal zu null. Klar, Verteidigung ist eine Teamaufgabe. Manche Spieler stechen hier hervor, und keiner so sehr wie Chrislain Matsima, der für den Monat Januar die Bundesliga Auszeichnung Rookie des Monats erhielt. Matsima ist mittlerweile aus der Elf des FCA in der 3er Kette nicht mehr wegzudenken. Defensiv konsequent und fehlerfrei, setzt er mittlerweile auch den ein oder anderen offensiven Akzent. Insgesamt ist er mit seinen 22 Jahren schon jetzt ein kompletter Innenverteidiger, der sich über die Saison hinweg in seinen Leistungen stark steigern konnte. Es war ein guter Zeitpunkt, um in dieser Woche mit ihm über all dies zu sprechen:

Andy: 6 Spiele ohne Niederlage, 4 Clean Sheets und Bundesliga Rookie des Monats Januar. Wie gut lief dein Jahresstart bisher?

Chris: Das war ein sehr guter Start. Dazu kommt ja auch noch, dass ich einen permanenten Vertrag ab dem Sommer hier in Augsburg unterschrieben habe. Und als Team haben wir Resultate abgeliefert und ein anderes Gesicht gezeigt. Im ersten Teil der Saison haben wir viele Tore kassiert und jetzt stehen wir definitiv defensiv stabiler. Jetzt wollen wir auf diesem positiven Pfad bleiben.

Andy: Das Team scheint insgesamt ein neues Level an defensiver Stabilität gefunden zu haben. Woran liegt das aus deiner Sicht?

Chris: Wir haben uns im Winter viel unterhalten und auch Teambuilding betrieben, um Fehler abzustellen und defensiv konsistenter zu werden. Nach dem Spiel in Kiel war klar, dass wir eine Reaktion zeigen müssen.

Andy: Konntet ihr so aus dem Kiel-Spiel in der Rückschau sogar etwas positives mitnehmen? 

Chris: Das kann man so sehen. Uns muss klar sein, dass es in der Bundesliga keine einfachen Spiele gibt, auch nicht gegen Kiel. Wir müssen immer 100% Leistung abrufen. Dies ist uns seitdem besser gelungen. Und das Spiel in Kiel hat hier schon unsere Wahrnehmung geschärft.

Andy: Nachdem Du nun seit dem Sommer in der Bundesliga bist: Welche Unterschiede hast Du zwischen der Ligue 1 und der Bundesliga erkannt?

Chris: In der Ligue 1 sind die Spiele grundsätzlich enger, weil Mannschaften defensiver agieren. In der Bundesliga wird höher attackiert und gepresst und der Spielangang ist grundsätzlich offensiver.

Andy: War das für dich eine große Umstellung nach deinem Wechsel?

Chris: Nein, ich habe in Monaco unter Niko Kovac und Adi Hütter gespielt, die beide diese Denkweise aus Deutschland mitgebracht hatten. Entsprechend war das für mich nicht komplett neu und der Wechsel in die Bundesliga hat auch deshalb Sinn für mich gemacht.

Andy: In eurem jetzigen System ist auch ein Element, dass die Innenverteidiger bei Gelegenheit mit dem Ball vorrücken, um die erste Pressingkette des Gegners zu überspielen. Wie wohl fühlst Du dich, wenn Du mit Ball auf den gegnerischen 16er zuläufst?

Chris: Ich glaube ich kann hier meine Stärken gut für die Mannschaft einbringen und mag diese offensiven Momente. Ich hoffe, dass ich hier auch noch mehr Impulse setzen kann.

Andy: Nun seid ihr eine starke Gruppe an Innenverteidigern mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen. Wie ist hier deine Wahrnehmung der Situation?

Chris: Für mich ist das eine Stärke. Wir haben sehr viel Qualität in dieser Gruppe. Wenn mal einer ausfällt, dann verliert die Mannschaft nicht an Qualität und durch die Konkurrenzsituation pushen wir uns gegenseitig. Dazu haben wir mittlerweile Automatismen entwickelt und es funktioniert immer besser zusammen.

Andy: Was wusstest Du grundsätzlich über Augsburg vor dem Sommer?

Chris: Ich habe in der Vergangenheit schon Spiele vom FCA geschaut. Nathanael Mbuku ist ein enger Freund von mir und ich habe den FC Augsburg deshalb auch schon vor der Saison immer mal wieder verfolgt.

Andy: Ich habe in einem Interview gelesen, dass Du die französische Küche der deutschen vorziehst. Hast Du Spätzle probiert und was ist deine Meinung?

Chris: Speziell meine Frau mag die Spätzle sehr. Ich auch, aber sie mag sie noch lieber. In der Vereinskantine gibt es immer mal wieder regionale Gerichte zu essen und die sind alle gut. Aber die französische Küche bleibt klar vorne.

Andy: Abseits des Essens: Du hast zu Anfang des Gesprächs betont, dass es für dich eines der positiven Erlebnisse des Jahresstarts war, langfristig in Augsburg zu unterschreiben. Welche Rolle spielt die feste Verpflichtung für dich?

Chris: Das war sehr wichtig für mich. Bei Verträgen mit Kaufoption weiß man nie, was im Sommer passiert. Diese Klarheit nun sehr früh zu haben, ist sehr gut für mich, weil ich mich nun einfach auf den Fußball konzentrieren kann.

Matsima im Trikot der französischen U17 Nationalmannschaft. (Photo by Srdjan Stevanovic/Getty Images)

Andy: Du bist regelmäßiger U-Nationalspieler in Frankreich. Wie wichtig ist es für dich, dass deine Leistungen auch dort gesehen werden und Du weiterhin nominiert wirst?

Chris: Sehr wichtig. Ich spiele seit einigen Jahren regelmäßig in den U-Nationalmannschaften und in Frankreich gibt es viele Top-Talente. Um sich gegen die anderen Talente durchzusetzen, musste ich meinen Platz bei einem guten Verein in einer Top Liga finden und das ist mir glücklicherweise gelungen. Wir fahren im Sommer zur U21 EM und eines meiner Ziele ist es für dieses Jahr dort mit Frankreich etwas zu gewinnen.

Andy: Bis dahin ist ja noch ein bisschen hin. Wenn Du auf deine bisherige Saison zurückblickst seit Du angekommen bist: In welchem Bereich hast Du dich bisher am meisten verbessert?

Chris: Die wesentliche Verbesserung meinerseits liegt definitiv im mentalen Bereich. Über 90 Minuten 100% konzentriert zu spielen, auch wenn Fehler passieren oder wir zurückliegen, ist ein wichtiger Schritt für mich. Hier bin ich mittlerweile deutlich stabiler geworden.

Andy: Die Ambition des FCA spielte wohl im Winter auch eine wichtige Rolle, als ihr euch auf die zweite Halbserie eingestimmt habt. Welche Ambition habt ihr noch bis zum Saisonende?

Chris: Die Abstände sind gering. Klar schauen wir nach der letzten Serie eher nach oben, aber auch nach unten kann es schnell gehen. Wir wollen bewusst nur von Spiel zu Spiel schauen und keinen Gegner zu leicht nehmen. Unser Ziel ist es, möglichst viele Spiele zu gewinnen und unser Selbstvertrauen weiter aufzubauen. Und dann werden wir am Ende der Saison schon sehen, wofür das noch reicht und wie weit wir uns noch nach oben vorarbeiten können.

Andy: Habt ihr vor diesem Hintergrund gefühlt gegen Leipzig Punkte liegen gelassen oder einen Punkt gewonnen?

Chris: Gegen Leipzig war das ein typisches 50/50 Spiel. Am Ende des Spiels hatten beide Teams Möglichkeiten, um das Spiel für sich zu entscheiden. Vielleicht waren wir in der zweiten Halbzeit ein bisschen näher dran. Das letzte Quäntchen – ein eigenes Tor – hat gefehlt. Das Spiel gibt uns dennoch viel Selbstvertrauen für die kommenden Aufgaben, weil wir gegen ein Top-Team mindestens ebenbürtig waren.

Andy: Gegen Gladbach gilt es nun eine andere Serie zu beenden: die von 3 sieglosen Spielen. Was müsst ihr hierfür tun?

Chris: Einerseits ist Gladbach sehr gut in Form und wir müssen zuerst auch hier wieder defensiv stabil stehen. Dazu müssen wir offensiv eine Schippe drauflegen und auch mal wieder selbst Tore schießen. Ohne eigene Tore kannst Du kein Spiel gewinnen.

Andy: Danke Chris für deine Zeit und viel Erfolg für die anstehenden Aufgaben.

Der Januar des Noahkai Banks

Spieler der Stunde trifft es wohl ganz gut. Ein bisschen hat es gedauert, bis sich Noahkai Banks eingewöhnt hatte im Profiteam des FCA. In der Zeit vor der Winterpause reichte es zumindest für Kadernominierungen, aber das Bundesligadebüt musste noch warten. Im Januar überschlugen sich nun die Ereignisse. Noahkai spielte gegen Stuttgart lange auf Grund Maxi Bauers früher Verletzung, kam sowohl gegen Union und Bremen rein und durfte letztendlich gegen Heidenheim starten. Hier machte er seine Sache sehr gut. Dass der FCA drei der vier Partien gewann, rundet das persönliche Gesamtbild ab. Ein guter Moment um mit dem Youngster aus der eigenen Jugend zu sprechen.

Andy: Wie gut lief die Zeit seit der Winterpause bisher für Dich?

Noahkai: Ganz ehrlich: das hätte ich mir nicht besser erträumen können.

Andy: Dann lass uns doch mal bei dem Spiel gegen Stuttgart beginnen. Maxi Bauer hatte sich ja eine Gehirnerschütterung geholt, es aber erst nochmal probiert. Wann hast Du realisiert: Heute ist der Tag meines Bundesligadebüts?

Noahkai: Erstmal habe ich das nicht realisiert, weil Henri (Koudossou, Anm. d. Red.) und ich wurden ja beide zum Warmmachen geschickt. Maxi hatte es dann ja auch nochmal versucht. Als er dann zum zweiten Mal lag, und mir der Athletik-Trainer auf die Schulter tippte, da wurde mir dann klar, dass ich jetzt ins Spiel kommen werde. Da ging der Puls dann auch mal kurz hoch.

Andy: Gegen Stuttgart habt ihr dann noch verloren, aber für dich war es bestimmt trotzdem ein besonderer Tag. Wann hast Du realisiert: Das war jetzt der Debüttag?

Noahkai: Ich bin mit meiner Mutter und meinem kleinen Bruder nach Hause gefahren, aber es war ein bisschen wie im Film. Realisiert habe ich es da noch nicht, dass ich zum ersten Mal Bundesliga gespielt hatte. Das kam dann irgendwann später, als ich eine Nacht drüber geschlafen hatte.

Andy: Dann folgten zwei weitere Spiele gegen Union und Bremen, in denen Du in beiden hereinkamst. War das vorher abgesprochen oder war das auch eine Überraschung?

Noahkai: Nein, das wusste ich vorher auch nicht. Es war natürlich toll, dass ich dann gleich mehrmals ran durfte.

Andy: Dabei hast Du sowohl links als auch rechts in der Innenverteidigung gespielt. Macht das für Dich einen Unterschied?

Noahkai: Nein. Ich habe in der Jugend schon auf beiden Seiten gespielt und für mich ist es egal auf welcher Seite ich eingesetzt werde.

Andy: Der Höhepunkt war dann sicher das Heimspiel am Wochenende gegen Heidenheim. Wann wusstest Du Bescheid, dass Du von Anfang an spielen durftest und wie war da die Gefühlslage?

Noahkai: Der Trainer hat mit mir am Freitag gesprochen und es mir gesagt. Da bin ich dann schon etwas nervös geworden und habe die Nacht von Freitag auf Samstag nicht gut geschlafen. Wenn Du startest, bereitest Du dich auch nochmal ganz anders auf das Spiel vor. Aber sobald ich auf dem Platz war und das Spiel losging, war die Nervosität sofort wieder weg.

Andy: Die Statistiken bestätigen, dass da keine große Nervosität sichtbar war. Wie gehst Du grundsätzlich mit Druck um?

Noahkai: Ich mache mir keinen Druck. Ich spiele seit ich klein bin Fußball und habe Vertrauen in meine Fähigkeiten. Und ich selbst versuche auch möglichst wenig über meine Leistungen nachzulesen.

Andy: Die Vorbereitung auf einen Startelfeinsatz ist wahrscheinlich trotzdem eine andere. Wie sieht das konkret aus?

Noahkai: Man schaut sich natürlich an, gegen wen man spielt. Gegen Heidenheim war klar, dass Paul Wanner mir auf dem Feld begegnen wird. Da schaut man sich dann das ein oder andere Video an, um sich vorab über Tendenzen des Gegenspielers zu informieren. Mir war z.B. auch vorher bewusst, dass Sirlord Conteh extrem schnell ist.

Auf das Duell mit Conteh hatte sich Banks gezielt vorbereitet. (Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Andy: Wie war im Nachgang zum Spiel das Feedback, außer dass Du viele Nachrichten erhalten hast, und deine tollen Statistiken überall geteilt wurden?

Noahkai: (lacht) Ja, es waren mehr Nachrichten als sonst. Ich habe im Nachgang auch mit Jess Thorup und Marinko Jurendic gesprochen, die mir Feedback gegeben haben. Das war für mich das wichtigste Feedback.

Andy: Was wurde hier konkret thematisiert?

Noahkai: Die Konzentration über das gesamte Spiel hinweg war ein Thema, über das wir gesprochen haben. Fehlervermeidung ist hier sehr wichtig, da die Fehler auf der Position ja sehr schnell zu Gegentoren führen können.

Andy: Ihr habt ja mittlerweile eine erhöhte Tendenz aus der Innenverteidigung mit vor zu rücken und euch ins Offensivspiel mit einzubringen. Wie werden diese Vorstöße ausgelöst und was ist der Gedanke dahinter?

Noahkai: Ja, das machen wir mittlerweile öfter. Dabei gibt es keinen festen Auslöser, sondern es kommt auf die individuelle Spielsituation an. Wenn wir so die erste Kette überspielen können, dann ergreifen wir die Chance gerne.

Andy: Wenn Du insgesamt auf diese Saison zurückschaust, wie beurteilst Du deine Entwicklung selbst und woran machst Du des fest, dass Du – nachdem Du zuerst nicht für den Kader berücksichtigt wurdest – mittlerweile öfter im Kader standest und jetzt auch regelmäßig spielen durftest?

Noahkai: Ich habe mich deutlich weiterentwickelt und gesteigert. Es war schon eine Umstellung für mich im Profiteam. Ich bin froh, dass sich die Steigerung auch in den Einsatzzeiten widerspiegelt und ich eine Chance nach der nächsten bekommen habe.  

Andy: Kannst Du das konkret festmachen, in welchen Bereichen Du dich am meisten gesteigert hast?

Noahkai: Die Strafraumverteidigung ist einer der Bereiche. In der Jugend wurde hier deutlich mehr mannorientiert gespielt, jetzt bei den Profis wird hier raumorientiert gespielt. Hier haben mir die erfahrenen Spieler wie Jeff (Gouweleeuw, Anm. d. Red) immer wieder wichtige Tipps gegeben. Dazu bin ich in meiner Zweikampfführung cleverer geworden.

Andy: Insgesamt seid ihr ja eine sehr starke Innenverteidiger-Gruppe. Wie gehst Du mit dem Konkurrenzkampf um?

Noahkai: Ich finde das positiv. Wir müssen jeder immer 100% geben und pushen uns gegenseitig und profitieren alle davon.

Andy: Was ist unter diesen Voraussetzungen in dieser Saison noch für dich möglich?

Noahkai: Ich will mich weiter steigern und möglichst viele Einsatzminuten bekommen.

Andy: Und was ist für das Team noch drin, nach diesem Wechselbad der Gefühle bisher?

Noahkai: Als erstes müssen wir von Spiel zu Spiel schauen, dass wir unsere Leistung bestätigen und die Serie aufrechterhalten. Darüber hinaus haben wir natürlich ambitionierte Ziele und wollen möglichst viel erreichen.

Andy: Danke für die Zeit und ich drücke die Daumen für alle Ziele.

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