Konstanz im Kasten!

Gerade erst ist Finn Dahmen gegen Union Berlin wieder zum „Man of the Match“ von den FCA Fans gewählt wurden. Finn hatte einen Elfmeter gehalten und dem FCA so am Ende des Tages zumindest einen Punkt bewahrt. Die Mannschaft von Jess Thorup ist damit seit 5 Spielen ungeschlagen und findet ihren Flow. Finn Dahmen im Tor mit ihr. Gerade erst ist er in die WhoScored-EIf des Monats November aufgetaucht. Nur Kane, Sané und Grimaldo hatten besseres durchschnittliche Scores im abgelaufenen Monat.

In der Woche vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt nahm Finn sich dankenswerterweise die Zeit, mir meine Fragen zu seiner ersten Phase in Augsburg zu beantworten. Das Resultat könnt ihr nachfolgend lesen. Spoiler Alert: Finn Dahmen überzeugt nicht nur auf dem Rasen. Ich hoffe auf Konstanz im Augsburger Tor. Mit Finn Dahmen hat der FCA eventuell einen wichtigen Ankerspieler für die nächsten Jahre gefunden. Mit Konstanz auf der Torhüter-Position ist der FCA bisher sportlich am erfolgreichsten gewesen.

Andy: „Fangen wir am Anfang an. Im Sommer hast Du dich entschlossen nach 15 Jahren in Mainz nach Augsburg zu wechseln. Was waren deine Beweggründe, dich für den FCA zu entscheiden?“

Finn: „Ich hatte ausgiebig Kontakt mit den Verantwortlichen beim FCA und das Konzept in Augsburg hat mich überzeugt. Der FCA ist ein etablierter Bundesligist und ich habe hier meine Chance gesehen zum Stammtorhüter in der Bundesliga zu werden. Dazu habe ich mich direkt wohlgefühlt und Augsburg ist eine schöne Stadt. Es hat einfach viel für mich gepasst, warum ich mich dann auch für den Wechsel entschieden habe.“

Andy: „Nach deiner Ankunft ging der Start für die Mannschaft in die Hose. Ihr seid im Pokal ausgeschieden und am ersten Spieltag gegen Gladbach gab es direkt 4 Gegentore. Wie war deine Gefühlslage in dieser Phase?“

Finn: „Wir hatten eine gute Vorbereitung abgeliefert und die Stimmung war gut. Trotzdem lief es einfach nicht. Aber man kann aus so einer Phase auch viel mitnehmen und mittlerweile sind wir auf einem guten Weg.“

Andy: „Dennoch war in dieser Phase nicht alles schlecht. Ihr habt gegen Mainz gewonnen und in manchen Partien auch gut mitgespielt. Am Ende musste Enno Maaßen dennoch recht früh gehen und mit Jess Thorup ist jetzt ein neuer Trainer an Bord. Wie hast Du diesen Wechsel wahrgenommen?“

Finn: „Es war nun leider nicht der erste Trainerwechsel, den ich erlebt habe. Das ist nie schön, aber es gehört zum Geschäft dazu. Enno war auch einer der Verantwortlichen, der mich davon überzeugt hat, nach Augsburg zu kommen und ich hatte mit ihm auch ein gutes Verhältnis. Am Ende war es für ihn schade, dass er gehen musste. Ein Trainerwechsel kann aber auch positives auslösen und das sieht man gerade bei uns ja auch.“

Finn Dahmen klärt mit Vehemenz. (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

Andy: „Hat es dich überrascht, dass Jess Thorup auch erstmal dich als Torhüter in Frage gestellt hat und nicht sofort an Dir als Stammtorhüter festgehalten hat, nachdem er in Augsburg ankam?“

Finn: „Nein, überhaupt nicht. Es hätte mich eher überrascht, wenn er mir – ohne mich zu kennen, und mit mir vorher zu tun gehabt zu haben – sofort das Vertrauen ausgesprochen hätte. Es ist ganz normal, dass sich ein neuer Trainer alles ganz genau anschaut. Jess Thorup ist ein Trainer, der viel mit seinen Spielern spricht und man merkt ja nun nach dieser ersten Phase, dass die Abläufe immer besser greifen.“

Andy: „Mittlerweile ist der Fokus mehr auf der Defensive und in der Abwehr scheint sich auch eine Stammformation gefunden zu haben. Wie hilfreich ist das für Dich da hinten drin?“

Finn: „Natürlich ist es für die Abläufe wichtig, dass es ein festes Grundgerüst in einer Mannschaft gibt, das wir mittlerweile auch gefunden haben. Das tut mir und der ganzen Mannschaft gut.“

Andy: „Du hast nach dem Spiel gegen Union Berlin auch geäußert, dass Du mit einem großen Selbstbewusstsein in die Partie gegangen bist. Zusätzlich scheinen deine Leistungen in den letzten Wochen sich auch verbessert zu haben. Woher kommt das?“

Finn: „Das ist eine ganz normale Entwicklung. Auch für mich ist es eine neue Situation Woche um Woche Bundesliga zu spielen. Dazu haben wir uns mittlerweile als Mannschaft gefunden und sind ja nun auch 5 Spiele ungeschlagen. Da findet jeder Einzelne seine Routinen und das sieht man.“

Andy: „Elfmeter scheinen für dich etwas Besonderes zu sein. Du hast jetzt schon drei in diesem Kalenderjahr gehalten und man konnte dein Selbstbewusstsein vor dem Elfmeter von außen erkennen. Führe uns durch deinen Prozess!“

Finn: „Ich wollte den nächsten Elfmeter unbedingt halten und ich habe mich in dem Spiel sehr gut gefühlt. Klar, ich bekomme vor dem Spiel Infos welcher Schütze welche Präferenz hat und ich hatte mich auch schon vor dem Spiel entschieden, welche Ecke ich in dieser Situation nehmen würde. Schön, dass es diesmal geklappt hat. Die Schützen entscheiden sich ja auch gerne mal um, weil sie genau wissen, dass wir uns anschauen, wie sich regelmäßig verhalten. Diesmal war das Glück auf meiner Seite.“

Augen zu und durch: Finn Dahmen hatte zuletzt einige Möglichkeiten sich auszuzeichnen und diese auch genutzt. (Photo by Leon Kuegeler/Getty Images)

Andy: „Nun bist Du eher ein kleinerer Torhüter und die Größe ist weiterhin gerne etwas, woran man Torhüter misst. Wie ist deine Sicht zu diesem Thema?“

Finn: „Es gibt mittlerweile einige Keeper von internationalem Format, die nicht viel größer oder sogar kleiner sind als ich selbst. Yann Sommer, Marc-André ter Stegen oder früher Iker Casillas kommen mir in den Sinn. Klar, als großer Torhüter hast Du mehr Spannweite zum Beispiel bei Fernschüssen. Aber als kleinerer Keeper bist Du beweglicher und schneller unten in manchen Situationen. Am Ende kommt es auf die richtige Technik an, um Situationen im Spiel zu lösen.“

Andy: „Es wird insgesamt immer wieder hervorgehoben, dass ihr eine tolle Truppe habt. Woher kommt das aus Deiner Sicht?“

Finn: „Ich war in Mainz Teil vieler toller Teams und jetzt hier in Augsburg ist es nicht anders. Jeder Einzelne stellt das Team in den Vordergrund und wir haben auch keine Stinkstiefel dabei, die für Unruhe sorgen.“

Andy: „Wie wichtig ist für dich ein erfahrener Teamplayer wie Tomás Koubek auf der Bank?“

Finn: „Nicht nur mit Tomás sondern insgesamt unter den Torhütern auch mit Marcel und den Trainern ist es eine tolle Truppe. Wir haben eine gesunde Konkurrenz untereinander, haben aber auch gemeinsam Spaß und unterstützen uns kameradschaftlich.“

Andy: „Das stimmt doch alles positiv. Welche Ziele hast Du noch für diese Saison und wie wichtig sind in diesem Zusammenhang die vielgenannten „Clean Sheets““?

Finn: „Mir ist wichtig, dass wir als Team möglichst viele Punkte sammeln. Die „zu Null“-Spiele kommen dann von ganz alleine. Vielleicht ja schon am Sonntag.“

Andy: „Danke Dir, Finn, und weiterhin viel Erfolg!“

Im Winter ist es zu kalt

Als Masaya Okugawa im Sommer zum FCA gewechselt war, habe ich mich besonders gefreut. Kam doch mit ihm ein japanischer Spieler nach Augsburg. Japan ist eines der Reiseländer, in dem ich zwar noch nie war, das ich aber besonders gerne mal bereisen würde. Nachdem ich schon in der Vergangenheit immer mal wieder gerne mit Spielern über ihre Heimat gesprochen hatte, wollte ich dies gerne mit Okugawa fortsetzen. Und Masaya nahm sich auch die Zeit, sich mit mir zusammen zu setzen und meine neugierigen Fragen zu beantworten. Lest selbst, was ich über Japan gelernt habe:

Andy: Hallo Masaya, du spielst nun schon seit 8 Jahren in Österreich und Deutschland Fußball. Was war die größte Veränderung damals?

Masaya: Da gibt es einiges, das Essen zum Beispiel. Was mich aber immer noch am meisten irritiert – und zwar jedes Mal, wenn ich aus Japan wieder her komme – ist der Rechts-Verkehr. In Japan gibt es wie in England Linksverkehr und ich muss mich immer erst umgewöhnen.

Andy: Du kommst ursprünglich aus Koka. Was kannst Du uns über deine Heimatstadt erzählen?

Masaya: Koka ist keine besonders große Stadt. Das mag ich. Dazu ist es die Stadt der Ninjas und es gibt einige Ninja-Sehenswürdigkeiten. Ninjas sind cool.

Andy: Später hast Du in Kyoto Fußball gespielt. Was magst Du uns über Kyoto erzählen?

Masaya: Kyoto ist eine sehr touristische Stadt und es gibt viele Tempel und Sehenswürdigkeiten. Es ist durch die vielen Touristen immer recht voll. Als ich dort gelebt habe, habe ich das ein oder andere besichtigt an meinen freien Tagen, aber ich bin nicht so der große Tempelgänger. In meiner Freizeit mag ich es lieber Aktivitäten zu unternehmen.

Andy: Japan ist berühmt für seine Kulinarik. Was sind deine Lieblingsgerichte?

Masaya: Ich esse gerne Sushi an Geburtstagen oder bei Feierlichkeiten. Rahmen sind für mich als Sportler nichts. Sie sind zu fett. Aber was ich jeden Tag essen könnte, sind Udon-Nudeln. Die mag ich wirklich gerne.

Andy: Wie steht es an der Dessert-Front? Hast Du dich in der ganzen Zeit auch für Mehlspeisen begeistern können oder magst Du japanische Süßspeisen lieber?

Masaya: Kaiserschmarrn mag ich sehr gerne. Den gab es in Österreich immer als Snack und das war ein Highlight. Aber ich mag auch Mochi.

Andy: Für mich auch typisch japanisch sind Videospiele. Ist das etwas – nachdem Du Aktivitäten magst – was Du in deiner Freizeit gerne spielst?

Masaya: Ich bin da nicht der absolute Crack, aber Zelda und Anime-Spiele wie Dragonball spiele ich ab und zu ganz gerne.

Andy: Wenn wir schon bei japanischen Freizeitaktivitäten sind, wie steht es mit Karaoke?

Masaya: Oh, Karaoke. Das macht ja jeder. Es gibt in Japan Boxen unterschiedlicher Größen, die man mietet. Ich habe das ungefähr 2x im Monat mit Freunden gemacht und man muss auch nicht unbedingt selbst singen. Die Boxen sind sehr günstig zu mieten, weshalb Karaoke schon Schulkinder regelmäßig machen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass man wie in Deutschland zum Beispiel beim Einstand bei einem neuen Team, vor dem ganzen Team singen muss. Vor Gruppen aufzutreten ist mir eher unangenehm. Aber japanisches Karaoke im kleinen Kreis mag ich sehr gerne.

Masaya Okugawa im Einsatz für die japanische U19 (Photo credit should read HOANG DINH NAM/AFP via Getty Images)

Andy: Bleiben wir bei Freizeitaktivitäten. Wie findest Du Onsen? (Anm. d. Red.: Die Japaner nennen ihre heißen Quellen „Onsen“. Die Onsen sind eine der angenehmen Nebenerscheinungen von Japans bewegter Erde, Folge seiner Lage auf dem Pazifischen Feuerring)

Masaya: Onsen sind toll. Sehr entspannt. Man kann sich einmieten wie in Hotels und sich treiben lassen. Das Wasser ist angenehm warm. Das ist genau mein Ding.

Andy: Thermalquellen kennen wir hier auch. Kommen wir auf einen grundsätzlichen Unterschied zwischen Deutschland und Japan zu sprechen: die Kommunikationskultur. Wie kommst Du mit der unterschiedlichen Art zu kommunizieren mittlerweile zurecht?

Masaya: Das bleibt für mich immer noch ein bisschen befremdlich. In Deutschland wird sich eher auf die Einzelperson konzentriert, während in Japan das Wir im Vordergrund steht. Dazu kommunizieren wir zurückhaltender und sehr demütig. Wir entschuldigen uns immer als Erstes. Ich versuche in Deutschland etwas direkter zu kommunizieren, aber ich kann auch nicht aus meiner Haut.

Andy: Gibt es noch etwas, das du mir über Japan erzählen willst?

Masaya: Ich wollte schon immer wissen, warum es in Deutschland keine Kotatsu gibt. Ein Kotatsu ist ein beheizbarer Tisch. Als Japaner sitzen wir ja mehr auf dem Boden und nicht auf Stühlen und bei diesen Tischen kann man seine Hände und Beine unter eine Decke stecken und das Ganze wird beheizt. Das ist das Beste. Hier sind die Winter noch kälter als in Japan und trotzdem gibt es keine Kotatsu. In Deutschland ist es im Winter einfach zu kalt und ungemütlich.

Andy: Wie feiert ihr denn Weihnachten und den Jahreswechsel?

Masaya: Weihnachten wird bei uns nicht in dem Umfang gefeiert und es gibt auch kein Feuerwerk zum Jahreswechsel. In der Phase des Jahres haben aber alle frei und wir verbringen gemütliche Tage bei Essen und Spielen mit unseren Familien. Es ist eine sehr schöne Zeit. Wenn Du einmal nach Japan reisen willst, dann im Winter. Das ist meine liebste Zeit.

Andy: Das werde ich beherzigen. Auf was freust Du dich denn dann, wenn Du wieder aus Japan nach Augsburg zurück kommst? Was gefällt Dir hier?

Masaya: Ich mag die Augsburger Altstadt mit ihren alten Häusern. Auch auf der Maxstr. bin ich gerne, weil es dort verkehrsberuhigt ist und man entspannt bummeln kann.

Andy: Danke Dir für die vielen Einblicke! Ich wünsche Dir noch eine tolle Zeit in Augsburg!

Zum Zuschauen verdammt

Breit ist der Kader des FC Augsburg. Dazu sind fast alle Spieler fit. Außer Reece Oxford fehlt im Moment niemand langfristig. Eine seltene Situation bei einem Bundesligisten. Wenn man dazu noch aus 4 Spielen 8 Punkte holt und nicht verliert, bewegt sich wenig im Kader. Dies hat nun vor der Länderspielpause bedeutet, dass einige Spieler überhaupt nicht mehr zum Einsatz gekommen sind und sich nicht mal mehr im Kader wiederfanden. Ein Blick auf die Spieler, die man am wenigsten in dieser Situation erwartet hätte:

Patric Pfeiffer

Felix Uduokhai wollte den FCA verlassen. Jeffrey Gouweleeuw wurde mitgeteilt, dass sein Vertrag nicht mehr verlängert würde. Anfang der Saison hat man sehnlichst darauf gewartet, dass Patric Pfeiffers Rot-Sperre aus Darmstadt endlich abgesessen wäre, so dass er schnellstmöglich dem FCA sportlich helfen könnte. Einige Wochen später spielen Uduokhai und Gouweleeuw wieder in der Innenverteidigung. Selbst während einer Sperre von Uduokhai kam Maxi Bauer zum Einsatz. Pfeiffer schafft es derweil noch nicht mal in den Kader. Ich bin vor der Saison fest davon ausgegangen, dass Pfeiffer ein fixer Bestandteil des Teams sein würde. Wie man sich doch irren kann.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass auch Freddy Winther keine Einsatzchancen in Augsburg bekommt, durch die Fülle von Innenverteidigern.

Dion Beljo

Mergim Berisha ließ man im Sommer auch deshalb ziehen, weil man mit einem gewissen Selbstbewusstsein davon ausging, dass man auf den Abgang vorbereitet sei. Dion Beljo kam im Winter aus Kroatien zum FCA und lieferte in der Rückrunde schon einige Tore ab. Nur ist Beljo momentan nicht gefragt, denn ihm wurde von Sommer-Transfer Philip Tietz der Rang abgelaufen. Tietz ist auch körperlich präsent und stark im Festmachen von langen Bällen. Tietzi, der gerüchteweise bei Nagelsmann für die Nationalmannschaft zumindest in Betracht kam, ist in der Form seines Lebens und Beljo kommt schlicht nicht vorbei. Das Glück des einen ist das Pech des anderen. Ich glaube trotzdem, dass Beljos Zeit noch kommt.

Irvin Cardona und Nathanael Mbuku

Im Winter zusammen mit Dion Beljo gekommen, um für die Offensive mehr Optionen zu schaffen. Beide sind momentan keine Option. In Einzelgesprächen hat ihnen Jess Thorup erklärt, warum es momentan nicht reicht. Gerade die gute Form von Freddy Jensen und die offensive Variabilität von Sven Michel machen beiden einen Strich durch die Einsatzrechnung. Cardona kam in der abgelaufenen Saison in der Rückrunde zumindest zum Einsatz. Kann man bei Mbuku schon von einem Fehlgriff sprechen? Für beide keine zufriedenstellende Situation.

David Colina hängt im Kader hinter Iago und Mads Pedersen fest. Wie lange noch? (Photo by Christian Kaspar-Bartke/Getty Images)

David Colina

Iago wollte wechseln und Mads Pedersen hat im Sommer seinen Vertrag verlängert. Nun gab es keinen Interessenten, mit dem Iago und der FCA über einen Wechsel überein gekommen wären. David Colina hat es nun erwischt, denn mit den beiden etablierten Kräften kann er nicht mithalten und so reicht es – solange die Kollegen gesund sind und Iago weiterhin beim FCA spielt – noch nicht einmal für den Kader. Talente zu kaufen, nur um sie dann doch nicht zu entwickeln, ist dann auch nicht der richtige Weg. Ob wir beim FCA noch herausfinden, welches Potential in Colina steckt? Ein Winter-Abgang von Iago könnte hier die Türe öffnen.

Arne Maier

Ja, Arne Maier ist momentan verletzt. Aber auch in seiner letzten Partie vor der Verletzung war er nicht im Kader. Ganz ehrlich: Wenn sollte man für ihn momentan nicht nominieren? Sven Michel? Es ist schwierig, weil Maier auch an Arne Engels, dem belgischen Wunderkind, nicht vorbeikommt. Engels liefert auch in begrenzter Einsatzzeit genug positive Momente und hat eines der Spiele unter Jess Thorup eigenhändig gedreht und verbreitet viel Hoffnung. Maier dahingegen hat mal wieder -auch systembedingt – seinen Platz eingebüßt. Kann er erneut überraschen und zurückkommen?

Systemfrage

Die große Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt: welche sportliche Ausrichtung präferiert Jess Thorup? Ändert sich etwas durch die Hinzunahme eines neues Co-Trainers? Bis jetzt hat sich an der taktischen Ausrichtung des Teams kaum etwas getan. Die Länderspielpause bietet sich natürlich dafür an, neue Systemvarianten einzustudieren, gerade weil beim FCA nicht übermäßig Spieler auf Länderspielreise sind.

Gerade für die verteidigende Zunft stellt sich die spannende Frage, ob Jess Thorup es in Betracht zieht, 3er Kette spielen zu lassen. Dies scheint in der Kaderplanung der Maaßensche Plan gewesen zu sein. Ansonsten wird es im Kader einen Abgang von klassischen Schienenspielern und Innenverteidigern geben müssen, für die man schlicht nicht mehr die geplante Verwendung hat (und Robert Gumny wird weiter als klassischer Rechtsverteidiger zum Einsatz kommen).

Auf die Systemfrage aufbauend wird sich auch zeigen, welche der oben genannten Spieler überhaupt eine Zukunft in Augsburg haben. Der Augsburger Kader ist zu groß und Marinko Jurendic hat mir im Gespräch gesagt, dass dieser weiter ausbalanciert werden soll. Man braucht nun kein Prophet sein, um anzunehmen, dass drei der oben genannten Spieler im Februar nicht mehr in Augsburg unter Vertrag stehen werden. Nur welche werden es sein?

Erfahrungsschwund

Wenn man sich den Augsburger Kader anschaut, dann wird man erschlagen von der Vielzahl der Spieler. Noch nicht mal alle Spieler schaffen es in den Spieltagskader und auch prominente Namen wie Arne Maier gegen Wolfsburg kommen nicht zum Zug. Und dennoch fehlt es dem Kader an einem speziell: Erfahrung. Dies liegt daran, dass man in Augsburg über das letzte Jahr so viele Spieler mit massig Bundesligaerfahrung hat gehen lassen und – rein in Bezug auf diese Erfahrung – keinen Ersatz verpflichtet hat.

Die Erfahrungsabgänge

Wir müssen hier jetzt nicht bei Daniel Baier anfangen. Ich verfolge diese Welle einmal bis zu Florian Niederlechner zurück, der im letzten Winter zu Hertha BSC gewechselt ist, nachdem ihm Hertha einen Zweijahresvertrag angeboten hatte und der FCA aber nicht zu Potte kam trotz auslaufendem Vertrag. Niederlechner hatte zum Zeitpunkt seines Wechsels 181 Bundesligaspiele auf dem Buckel. 3,5 Jahre war er für den FCA aktiv und kam in dieser Zeit auf 27 Bundesligatore.

In der Rückrunde kündigten sich dann weitere Abgänge an. Daniel Caligiuri kam unter Enno Maaßen nicht mehr zum Zug und sein Vertrag wurde in Augsburg nicht verlängert. 372 Bundesligaspiele hat Caligiuri absolviert und war zu Beginn seiner Zeit beim FCA ein Leistungsträger, bevor seine Bedeutung immer mehr schwand. Von seiner Erfahrung her konnte ihm beim FCA niemand das Wasser reichen.

Im Laufe der Rückrunde zeichnete sich auch ab, dass Rafal Gikiewicz nicht auf die notwendige Anzahl an Pflichtspielen kommen würde, die er benötigte, damit sich sein Vertrag verlängerte. Entsprechend ging auch die Zusammenarbeit zwischen dem charismatischen Keeper und dem FCA zu Ende. 169 Erstligaspiele hatte Gikiewicz gesammelt, der in Deutschland in der Bundesliga etwas ein Spätstarter war. Am Ende war es wohl auch Gikis Extravaganz, die dazu führte, dass der FCA die Zusammenarbeit nicht fortführen wollte.

Erneut verletzt und die Karriere beendet: Julian Baumgartlingers Erfahrung steht dem FCA nicht mehr zur Verfügung. (Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Pech hatte Julian Baumgartlinger. Baumgartlinger ist ein starker Typ, den der FCA gerne noch weiter gehalten hätte. Baumgartlinger jedoch verletzte sich spät in der Saison und verkündete darauf hin sein Karriereende, anstatt beim FCA vielleicht noch ein Jahr dranzuhängen. So bleibt es am Ende bei 255 Bundesligaspielen und einer tollen Karriere.

Ähnlich sieht es bei einem weiteren Spieler aus, bei dessen Verabschiedung zum Ende der vergangenen Saison mir die Tränen gekommen sind. Die Rede ist natürlich von André Hahn, einem der besten, der für den FCA im letzten Jahrzehnt gespielt hat. Auch Hahn verletzte sich schwer und der Verein nahm darauf hin Abstand den Vertrag zu verlängern. Hahn kam auf genau 250 Bundesligaspiele und sein Name wird in Augsburg immer mit großem Respekt ausgesprochen werden.

Gerade noch inne gehalten

Zwei weitere Abgänge standen im Sommer im Raum, die zum einem weiteren Schwund von Erfahrung gesorgt hätten. Einerseits wurde Jeffrey Gouweleeuw mitgeteilt, dass sein Vertrag nicht über 2024 hinaus verlängert wird. Gouweleeuw verletzte sich in der Vorbereitung und fand evtl. auch deswegen keinen interessierten Verein, der ihn nun schon vorzeitig verpflichtet hätte. Im Sommer hätte der FCA ihm wohl keine Steine in den Weg gelegt. Gouweleeuw hat mittlerweile über 200 Bundesligapartien für den FCA absolviert und ist gerade wieder in der Innenverteidigung nicht aus der Mannschaft wegzudenken.

Neben Gouwleeuw spielte über 86 Minuten gegen Wolfsburg Felix Uduokhai. Uduokhai hatte seinen Vertrag erst nach einigem hin und her um ein Jahr verlängert und hatte eigentlich vor, den FCA im Sommer zu verlassen. Uduokhai hat mittlerweile über 120mal in der Bundesliga gespielt und ist schon jetzt zu den erfahrenen Kräften in Augsburg zu zählen. Auch in seiner Person hätte der FCA viel Routine auf dem Niveau der Bundesliga verloren.

Erfahrung ist notwendig

Ein großer Fokus beim FC Augsburg liegt darauf, Spieler zu entwickeln. Um dies in Ruhe tun zu können, kommt es allerdings auf die richtige Mischung in der Mannschaft an. Nach Jeffrey Gouweleeuw prangt hier erfahrungsseitig ein größeres Loch, das sich erst mit der Zeit schließen kann. Erfahrung und Abgebrühtheit auf den Rasen zu bringen, die dann auch dafür sorgen, dass man sich – wie in dieser Saison öfters gezeigt – durch Rückstände nicht aus der Ruhe bringen lässt, ist daher ein Thema auf dem ein Augenmerk liegen wird. Nicht zu Unrecht ist Gouweleeuw mittlerweile wieder sportlich unangefochten im Einsatz auch wenn er sich öffentlich fragwürdig geäußert hat.

Elvis bringt die Erfahrung von über 140 Bundesligaspielen auf den Rasen (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Gerade wenn man sich die Besetzung des defensiven Mittelfelds anschaut, dann spielt Erfahrung eine Rolle. Elvis Rexhbecaj kommt auch deshalb zum Zuge, weil er deutlich mehr Bundesligaerfahrung hat als seine Kollegen. Niklas Dorsch machte in diesen Tagen gerade einmal sein 50. Spiel in der Bundesliga. Arne Engels kommt auf gerade einmal über 20 Spiele. Rexhbecaj hat im Alter von gerade 26 Jahren schon über 140 Bundesligaspiele angesammelt. Er hat eben viele Situationen schon gesehen und ist nicht so schnell zu verunsichern.

Ich hatte vor der Saison prognostiziert, dass auf Jeff eine wichtige Rolle entfallen wird. Nun da Stefan Reuter und Enno Maaßen den Verein verlassen haben, macht es eventuell auch Sinn die Entscheidung bzgl. einer möglichen Verlängerung seines Vertrags zu überdenken. Auf der anderen Seite wird es wichtig werden, evtl. den ein oder anderen Veteranen noch dazu zu holen und den Kern der erfahrenen Spieler in der Mannschaft zusammenzuhalten. Denn abseits der Erfahrung sieht es momentan schon so aus, als ob der FCA eine gesunde Mischung an Spielern beinander hätte, die nun gemeinsam die nächsten Schritte machen kann. Nach vorne und nicht zurück.

Unter dem Radar

In diesen Tagen hat eine Person beim FC Augsburg betont, dass der Cheftrainer die wichtigste Personalie für einen professionellen Fußballclub sei. Die Aussage wurde rund um die Verpflichtung von Jess Thorup von Marinko Jurendic getätigt. Jurendic wollte in diesem Zusammenhang wohl hervorheben, warum es wichtig war, sich für die Entscheidung für einen neuen Trainer Zeit zu nehmen. Jurendic konnte auch schlecht sagen, dass der Cheftrainer die wichtigste Personalie ist nach dem sportlich Verantwortlichen: ihm selbst.

Der Sportdirektor im Fokus

Nach dem Wechsel auf dem Präsidentenposten, vom im Tagesgeschäft eingebundeneren Klaus Hofmann zu Max Krapf, und dem Rückzug von Stefan Reuter in eine beratende Rolle, kann die Debatte nun beginnen, wer beim FC Augsburg für die mittel- und langfristige Entwicklung des Vereins die wichtigste Rolle einnimmt. Einerseits wäre hier der alleinige Geschäftsführer Michael Ströll zu nennen, der gerade im kaufmännischen Bereich die Fäden in der Hand hält und nachhaltig Strukturen aufgebaut hat. Andererseits spricht dies momentan auch gegen Ströll. Der kaufmännische Bereich ist geordnet, die Strukturen sind aufgebaut, der FCA ist wirtschaftlich gesund und läuft.

Umso mehr ist Ströll und der FCA darauf angewiesen, dass Marinko Jurendic seinen Job macht und auch im sportlichen Bereich für Ordnung und eine langfristige Vision sorgt. Als jemand, der neu im Verein ist, muss er zudem lernen, wie der Club tickt und sich Stück um Stück dem Wertegefüge annähern. Jurendic selbst war bis dato auch noch nicht im Auge des öffentlichen Interesses, wie es seine Rolle und Bedeutung vermuten lassen würde. Dies verwundert auch nicht, war doch bei seiner Verpflichtung noch nicht kommuniziert worden, dass Stefan Reuter sich zurückziehen würde. Und es hatte ja auch niemand gedacht, dass er so schnell “die wichtigste Personalie des Vereins” neu zu klären hätte.

Kommunikativ und offen

Als ich in Heidenheim vor Ort war und das Spiel – ganz gegen meine Gewohnheiten – von der Pressetribüne aus verfolgte, traf ich im Nachgang zum Spiel erstmals persönlich auf Jurendic. Die Stimmung war gelöst nach Jess Thorups erstem Sieg und Jurendic nahm sich reichlich Zeit für die Journalisten vor Ort. Ich kann hier nun keine konkrete Aussage hervorheben, die mir im Gedächtnis geblieben wäre. Eine gewisse Grundskepsis bei sofort nach Spielen getätigten Aussagen ist sowieso immer angebracht. Man merkt direkt nach Spielen allen Beteiligten eine gewisse Grundanspannung weiterhin an. Seine offene kommunikative Art stach allerdings schon dort hervor.

Umso mehr habe ich mich gefreut, dass “Jure” sich die Zeit genommen hat, um mir meine Fragen zu beantworten und sich mit mir auszutauschen, so dass ich mir selbst einen Eindruck von einer Person und seiner Herangehensweise verschaffen konnte.

Der Teamplayer

Als erstes hatte mich dabei interessiert, warum Jure sich für die Herausforderung beim FCA entschieden hatte. Nach einer ersten Anfrage im Februar und einem Stadionbesuch in Augsburg im Laufe der Rückrunde, vertagte er eine konkrete Entscheidung bis nach der Saison. Mir erscheint in diesem Zusammenhang wichtig, dass es für ihn die richtige Herausforderung zur richtigen Zeit war. Nach 5 Jahren in Zürich, in denen er auch Meister wurde, stellte er nach der Anfrage fest, dass der Weg nach Augsburg kein weiter ist. “Ich musste erstmal googlen, wo Augsburg überhaupt genau liegt. Ich hatte eine grundsätzliche Vorstellung, aber detailliert hatte ich mich mit Stadt und Verein noch nicht beschäftigt. Das habe ich dann im März erstmals gemacht.” Man denkt immer, man kennt sich im Fußballzirkus. In diesem Fall jedoch nicht. Jurendic kam zum ersten Mal mit Michael Ströll und Stefan Reuter in Kontakt, obwohl er grundsätzlich affin mit der deutschen Bundesliga war. Auf der anderen Seite war er wohl überzeugt von seinem eigenen Kompetenzprofil und traute sich den Sprung in die größere Liga zu.

Ich habe wohl gemerkt, wie er bezüglich der Entscheidungsfindung die Rolle seiner Frau und seines Sohns betont hat. Jurendic ist ein Familienmensch, der die eigene Karriere nur im Einklang mit dieser vorantreibt und das macht ihn sympathisch. Auf der anderen Seite betonte er, wie wichtig für ihn in Augsburg die Personen waren, die den Kontakt aufnahmen. Zudem musste das Umfeld passen. Mit Michael Ströll und Stefan Reuter lag er auf einer Wellenlänge und so ist die Entscheidung eine, die abseits des Potentials beim FCA vor allem davon getrieben war, sich in das bestehende Team einzubringen. “Ich habe mir das Ganze dann auch vor Ort angeschaut. Dort wurde das Gefühl, dass ich durch die Gespräche hatte, bestätigt, dass sehr viel Potential vorhanden ist und sehr gute Leute am Werk sind.” Nach dem Saisonabschluss folgte die feste Zusage.

Das Ende der Transferperiode

Jurendic kam erst zum 01.08., weil er in Zürich noch die Vorbereitung auf die jetzige Saison abschließen wollte. Er wollte im Guten gehen und das spricht für ihn. In Augsburg waren derweil schon viele Dinge im Hinblick auf die Saison geregelt. Einerseits hatte man sich entschieden nach ausführlicher Analyse mit Enno Maaßen weiterzumachen, auch wenn der Saisonabschluss verkackt wurde. Andererseits war so manche Kaderentscheidung getroffen worden. Dass sich Stefan Reuters Rolle ändern würde, war allen Beteiligten bewusst. Wie genau, die Rollen gelebt würden, hat sich seitdem gefunden. “Für mich war klar, dass ich die operative Verantwortung im sportlichen Bereich haben würde. Ich wusste, was ein Sportdirektor in Zürich zu tun hat. In Augsburg ist für mich wichtig, dass ich seit Beginn der Gespräche mit den gleichen Menschen im Austausch stehe und wir gemeinsam an den Strukturen arbeiten.”

Einer der ersten Erfolgsmomente: Die Vertragsverlängerung mit Felix Uduokhai (Bild: FCA)

Jurendic erkannte gewisse Lücken, die man noch angehen wollte. Der FCA und in diesem Fall direkt Jurendic selbst, musste erst einmal seine Hausaufgaben auf der Abgangsseite machen, weil es hierfür eine wirtschaftliche Notwendigkeit gab und der Kader auch schon sehr groß war. Gerade nach dem Abgang von Berisha zur TSG Hoffenheim war man wieder in der Lage, Spieler zu verpflichten. “Wir wollten den Kader ausbalancieren. Wir haben Stanic, Sarenren Bazee und Malone zusätzlich zu Berisha transferiert. Zusätzlich wollten wir die Position rechts hinten doppelt besetzt wissen und eine gewisse Breite in der Innenverteidigung schaffen.” Die Transfers von Mbabu und Tanganga waren vorher sondiert worden und konnten so auch in kurzer Zeit noch realisiert werden. Nicht das schlechteste Ende einer Transferperiode.

Keine Ruhephase

Jurendic hatte mit Sicherheit darauf gehofft, dass Ruhe einkehren würde. Sportlich war dies aber nicht der Fall. Eine blamable Pleite im Pokal, ein maues Unentschieden gegen Bochum und diverse Niederlagen, v.a. gegen nicht überzeugende Freiburger und zu Hause gegen Darmstadt, sorgten für Druck von außen, auch wenn rein tabellarisch die Situation noch nicht kritisch war.

Nun hatte der Verein entschieden, mit Maaßen in die neue Saison zu gehen und diese Entscheidung schon nach wenigen Spielen zu revidieren, hätte auf großen Wankelmut und wenig überzeugende Argumente für Maaßen hingedeutet. “Für mich war es wichtig, selbst ein Gefühl für die Situation zu entwickeln, um eine fundierte Meinung zu bilden und Entscheidungen auf einer soliden Grundlage zu treffen. ” Andererseits befand sich der FCA zu diesem Zeitpunkt in einer saisonübergreifend, sportlich schlechten Phase. Aus Jurendic’ Sicht ergab sich das Problem, dass er Maaßen noch nicht gut genug kannte, um schnell zu einem abschließenden Urteil zu kommen.

Wechsel notwendig

Spätestens nach dem Darmstadt-Spiel war dann offensichtlich, was für viele im Umkreis des Vereins schon länger festgestanden hatte: es konnte mit Maaßen nicht weitergehen. “Man muss in solchen Situationen auch eine gewisse Geduld zeigen. In der Länderspielpause haben wir alles in Ruhe angeschaut und sind zu dem Entschluss gekommen, in Anbetracht des Gesamtbilds und unserer Ziele eine Änderung vornehmen zu müssen.” Jurendic, Ströll und Co. stellten Maaßen frei und begaben sich auf die Suche nach einem neuen Trainer. Hierbei stand im Vordergrund, einen Trainer zu finden, der das Anforderungsprofil des Vereins erfüllte.

Jurendic war in der Formulierung des Anforderungsprofils beteiligt. “Wir sind schnell zu der Überzeugung gekommen, dass wir eine Person benötigen, die Erfahrung im erfolgreichen Führen von Mannschaften wie auch in der Entwicklung von Spielern hat.” Mit Jess Thorup – seines Zeichens Meistertrainer in Dänemark und Entwickler einiger Toptalente – sieht es momentan so aus, als ob er einen passenden Trainer gefunden hätte, der nun hoffentlich auch mittel- und langfristig Erfolg in Augsburg hat. “Jess Thorup passt nicht nur gut zu den kurzfristigen Bedürfnissen und Anforderungen an die Mannschaft, die wir identifiziert hatten, sondern auch zur langfristigen Ausrichtung des Clubs, die schon vor meiner Zeit festgelegt wurde.” Erneut: nicht die schlechteste Entscheidungsfindung von allen Beteiligten.

Weitere Arbeit notwendig

Und als wir dort so sitzen und uns über den FCA und seinen jetzigen Zustand nach den ersten Thorup-Spielen austauschen, ist es dann auch Jurendic selbst, der eine Baustelle beim FCA direkt anspricht: die Perspektiven der eigenen Jugendspieler. Die Jungprofis Kömür, Zehnter und Lubik sollen ihre Chance bekommen und es ist an Jurendic, den Kader so zu gestalten, dass dies auch funktioniert. Sich vermehrt – mit Heinz Moser zusammen – um die Perspektiven der Jugendspieler zu kümmern, ist bei ihm eine Priorität. “Wir müssen den Kader so planen, dass wir unserem Anspruch als Ausbildungsverein gerecht werden und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben.” Dies sollten positive Signale für den FCA Nachwuchs sein, der in den letzten Jahren etwas zu kurz kam.

Und neben der Arbeit an den Strukturen des FCA im sportlichen Bereich, geht der Blick von Jurendic natürlich auch schon Richtung Wintertransferperiode. “Die Kaderentwicklung ist ein laufender Prozess. Unser Ziel ist es, eine klare sportliche Ausrichtung zu definieren, um die richtigen Spieler hierfür verpflichten zu können.” Kurzfristig geht es nun darum, in Ruhe zu verstehen, welche Art von Spieler Thorup benötigt für sein präferiertes System. Dabei ist Jurendic bewusst, dass der FCA in der jüngsten Vergangenheit viele erfahrene Kräfte abgegeben hat und es wird bei der Analyse auch eine Rolle spielen, ob es hier weiteren Bedarf gibt.

In guten Händen

Nachdem ich nun zweimal die Gelegenheit hatte, Jurendic im persönlichen Austausch zu erleben, habe ich das Gefühl, dass der FCA im sportlichen Bereich in guten Händen ist. Dies liegt nicht nur daran, dass Jurendic nicht im luftleeren Raum agiert und mit Michael Ströll einen gewieften Verhandler und erfahrenen Geschäftsführer an seiner Seite hat. Dies liegt vor allem daran, dass Jurendic einen klaren Blick auf die Situation beim FCA hat, Prioritäten benennen und Entscheidungen begründen kann. Seine offene Art der Kommunikation ist hier ein großes Plus.

Jurendic ist dabei mit Sicherheit – gerade in der Zusammenarbeit mit Thorup – gerade erst dabei, sich einzugroven. Beide brauchen anhaltenden sportlichen Erfolg, damit Ruhe einkehrt. Beiden schadet es wahrscheinlich auch nicht, gewisse Grundprinzipien festzulegen. Was meine ich damit? Ich könnte mir vorstellen, dass man immer mind. einen Bankplatz für einen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs reserviert, damit dieser zum Zuge kommen kann, wenn man – wie gegen Heidenheim in der zweiten Halbzeit – sich in einer eindeutigen Spielsituation befindet. Jurendic wird zudem, mit längerer Vereinszugehörigkeit, schneller in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen. Er weiß dann mehr, was der Verein braucht und wie der FCA basierend auf seinem Wertegerüst handeln sollte. Man mag ihm an dieser Stelle zurufen: Nur Mut, Jure. Viel schwieriger als zuletzt wird es nicht mehr werden und das lief doch bisher schon recht gut.

Auf der Suche nach der sportlichen Identität

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne “Einwurf aus der Rosenau Gazette bei presse-augsburg.de. 

Kaum ein Verein in der Bundesliga (ja, die Hertha ist abgestiegen), hat in den letzten 18 Monaten so viel Bewegung auf den Positionen seiner Entscheider gesehen, wie der FC Augsburg. Erst verkündete Präsident Klaus Hofmann kurz vor dem Saisonabschluss 21/22 seinen Rückzug. Kurz danach erklärte Markus Weinzierl nach dem letzten Spiel, das er nicht für ein weiteres Engagement zur Verfügung steht. Der FCA war schlagartig auf der Suche nach zwei führenden Köpfen.

Erste Unruhewelle

Zuerst besetzte man – nach langem Suchprozess und bei ansteigender Ungeduld im Umfeld – die Trainerposition. Enno Maaßen kam von der Dortmunder U23 und sorgte für Aufbruchsstimmung. Er stand für den Wunsch, dass junge Spieler entwickelt werden sollten. Er stand zudem dafür, seinen Teams Ballbesitzfußball näher zu bringen. Und sein Spielansatz sollte sichtbar intensiv sein.

Im Herbst desselben Jahres fand der FCA einen neuen Präsidenten. Kneipenwirt Max Krapf übernahm die Position. Kommunikativ und stark in der Stadt vernetzt ging er nach seiner Ernennung unmittelbar dazu über, Gespräche mit den unterschiedlichsten Beteiligten zu führen, und sorgte in der Folge dafür, dass sich der ein oder andere mehr mitgenommen fühlte. Sportlich waren zudem unter Maaßen erste Erfolge zu verzeichnen. Es hätte Ruhe einkehren können.

Zweite Unruhewelle

Die weitere Entwicklung wurde dann davon getrieben, dass der FCA sich sportlich breiter aufstellen wollte. Es sollte ein Sportdirektor zur Unterstützung von Stefan Reuter kommen, nachdem Krapf im Tagesgeschäft nicht aktiv eingriff gerade im Vergleich zu Klaus Hofmann. Mit Marinko Jurendic fand man zum 01.08. einen neuen Mann für die Aufgabe. Allerdings kristallisierte sich im Prozess heraus, dass Reuter den Moment nutzen wollte, um selbst in den Hintergrund zu treten. Recht bizarr, wenn man bedenkt, dass ihm beim Abgang von Hofmann noch vorgeworfen worden war, in diesem Zuge seine eigene Macht stärken zu wollen.

In Freiburg war noch alles gut zwischen Maaßen und Jurendic, auch wenn am Ende wieder Christian Streich lachte. (Photo by Neil Baynes/Getty Images)

Der nächste Wechsel wurde unumgänglich, weil Enno Maaßens Team sich selbst immer wieder Beine stellte und Maaßen keine Lösungen mehr fand. Der FCA sah sich gezwungen in der Saison 2023/24, den Wunsch nach Konstanz auf der Trainerposition kurzfristig wieder zu begraben. In der zweiten Länderspielpause im Oktober wurde Maaßen freigestellt und Jess Thorup als neuer Cheftrainer an den Lech geholt.

Gesammelte Abgänge und Visionen

Und wer hätte zu Beginn des Jahres 2022 gedacht, dass nicht einmal 2 Jahre später, weder Stefan Reuter, noch Klaus Hofmann, noch zwei Cheftrainer, die beide den Klassenerhalt gesichert hatten, nicht mehr beim FCA tätig wären. Zusammen mit den gesammelten Abgängen verließen auch viele Ideen und Visionen den Club. Daneben – und das ist ein Thema, welches in Zukunft noch näher betrachten werde – haben auch viele erfahrene Spieler den Club verlassen.

Klaus Hofmann wollte aus dem FCA ein Club formen, der auch international mit Spielern wie Ricardo Pepi für Furore sorgt. Stefan Reuter war ein Verantwortlicher mit ruhiger Hand, der vor allem für Konstanz stand. Die Trainer standen beide für einen aktiven Ansatz in der Spielanlage. Von Enno Maaßen erhoffte man sich, dass er Spieler entwickeln könne, was Weinzierl lieber bleiben ließ.

Wohin geht die Reise?

Gerade sportlich entstand durch die Wechsel kurzfristig ein Vakuum. Sowohl Michael Ströll, der letzte Verantwortliche aus der alten Garde, als auch Max Krapf sind nicht die Fußball-Experten. Krapf hat zu seinen Podcast-Zeiten bei taktischen Analysen immer gerne an die Kollegen übergeben, Ströll hat zwar selbst gespielt, seine Expertise liegt aber v.a. im kaufmännischen Bereich. Mit Jurendic und Heinz Moser hat man zwei dazu geholt, dazu kommt nun mit Jess Thorup ein neuer Trainer. Mit Timon Pauls hat zudem der Chefscout den Club verlassen und wechselte (Trommelwirbel) zur Hertha. Anscheinend steht er auf Unruhe im Umfeld.

Sportlich ist nun die Frage, wie das große Ganze aussehen soll. Krapf hatte in seinen ersten Monaten schon erwähnt, dass er gerne sehen will, dass Spieler auch mit Gewinn verkauft werden. Wirtschaftlich ist der FCA hierauf wohl auch angewiesen, um mit vergleichbaren Clubs auf Augenhöhe zu bleiben. Bei Berisha hat dies auch gleich im Sommer gut funktioniert. Auch bei Ricardo Pepi konnte man den Schaden kurzfristig minimieren und langfristig sogar noch ein bisschen Potential über eine Beteiligung am Weiterverkauf sichern.

Pro “Heimatverein”

Ist aber “Ausbildungsverein” der richtige Begriff, für das Zielbild beim FCA? Sollen Spieler kommen, um auch wieder zu gehen? Es ist schön, wenn das klappt, aber es sollte nicht das Zielbild sein. Die Spieler sollten gerne in Augsburg ihre “beste” Zeit haben. Sie sollten sich wohlfühlen und Topleistungen abliefern. Für manchen wird es zu mehr reichen. Andere werden hoffentlich bleiben und sesshaft werden. Es muss auch wieder Fälle wie den von Daniel Baier geben und nicht nur wild der nächste Baba gesucht werden.

Spieler sollten, wenn fit, gerne ihre Karrieren in Augsburg beenden können. Mir ist das zu viel Familien-Marketing und zu wenig Familiengefühl, wenn man sich das im Moment anschaut. Gerade aber das ruhige Umfeld und die Stadt mit ihrer hohen Lebensqualität sollten Spieler anlocken, die nicht den ganz großen Trubel wollen. Wenn ihnen der Club dann eine gewisse Wertschätzung entgegenbringt, die in der Vergangenheit auch immer mal wieder vermisst wurde (Stichwort: Verabschiedungen), dann werden wir auch wieder große Abgänge sehen, aber auch konstante Leistungsträger, die nicht nach mehr suchen. Dann wird auch für den ein oder anderen Spieler der FCA wieder zur Heimat. Und der FCA ist nicht nur für die Menschen auf den Rängen der “Heimatverein”.

Entscheidungsfaktor

Man möchte sich schon wieder nur auf den sportlichen Bereich fokussieren beim FC Augsburg. Zu spannend ist die Phase unter Jess Thorup. Zwischendurch will ich weiterhin einen Blick auf Themen abseits des Rasens werfen. Am Ende der abgelaufenen Saison war eines der heißen Themen der mögliche Investoreneinstieg bei der DFL, der deutschen Fußballliga, der auch durch die Sitzung in der letzten Woche immer noch ein Thema ist. Der Einstieg platzte damals, die Clubs stoppten das Verfahren und der FCA war mittendrin. Und das war dann in dieser Form zumindest ein bisschen unerwartet. Es folgt ein kurzer Rückblick, der zeigt, welchen Einfluss der FCA im Ligaverbund mittlerweile hat.

Hintergründe zum Investoreneinstieg bei der DFL

Gedankenspiele bzgl. eines Investoreneinstiegs gab es eine ganze Weile, bevor das Thema entscheidungsrelevant wurde. Aus den Gedankenspielen wurde über die abgelaufene Saison hinweg ein konkreter Plan. DFL-Interimsgeschäftsführer Oliver Leki hielt den Einstieg für notwendig. Über den Einstieg sollte ein Teil der zukünftigen Einnahmen der DFL, hauptsächlich Fernsehgelder, für einen Einmalbetrag an ein Private Equity Unternehmen verkauft werden, dass im nächsten Schritt ausgewählt werden sollte. Andere Ligen hatten es vorgemacht, in Deutschland wählte man den Weg des schlechten Imitats. In Frankreich bedauert man die Entscheidung mittlerweile. Dafür waren gewisse Einflussmöglichkeiten abzugeben. Aus den Beiträgen sollten zweierlei Ausgaben – sehr vereinfacht meinerseits – getätigt werden. Einerseits sollte die DFL selbst gerade im Streaming und Multimedia-Bereich zukunftstauglich gemacht werden. Andererseits wäre der größte Teil der Einnahmen den Clubs zu Gute gekommen, quasi zur freien Verfügung. Gerade die Clubs, die sich in wirtschaftlicher Schieflage befinden, hatten hieran ein großes Interesse.

Meinungsbild abseits der DFL

Die Fans lehnten die Idee eines Investoreneinstiegs mehrheitlich ab. 2/3 aller Anhänger waren gegen einen Einstieg, bezogen auf den FCA sogar fast 3/4. Der Kicker hatte eine entsprechende Umfrage durchgeführt. Das Thema war sichtbarer Mittelpunkt von Fanprotesten Die von Leki angeführte Notwendigkeit war natürlich teilweise Quatsch, gerade abseits der multimedialen Zukunftstauglichkeit. Zudem gibt es auch keine komplett gleichgerichteten Interessen zwischen Private Equity Investor und Liga. Die Liga sollte eine langfristigere Strategie verfolgen als der Investor und zudem die Rolle des Fußballs über gewinnorientierte Strukturen hinaus begreifen. Sozialverträglichkeit ist ein Stichwort, dass man in diesem Zusammenhang nicht gelesen hat.

Wann kann man sich in Augsburg mit dem FC Bayern identifizieren? Wenn Fans der Bayern (wie die des BVB auch) gegen den Investoreneinstieg bei der DFL protestieren. (Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Insgesamt war so das Meinungsbild außerhalb der DFL-Gremien in der Mehrheit gegen den Investoreneinstieg gerichtet. Selbst die Clubs hatten viele Fragen vorgebracht, um die Pläne der DFL aufzuklären. Etwas, was in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht in ausreichendem Maße vorhanden war: Transparenz. Ein möglicher Investorendeal wurde hinter den Kulissen von den DFL-Verantwortlichen angebahnt und selbst den Clubs wurden nicht alle Informationen für die Entscheidung zur Verfügung gestellt. Skepsis sah man vielerorten, auch wenn man von außen vor der Abstimmung nicht gedacht hätte, dass die Vereinsvertreter den Prozess stoppen würden. Zu süß wirkte die Aussicht auf einen schnellen Geldregen.

Entscheidung vor dem Saisonende

Die Abstimmung über den Investoreneinstieg fand dann auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der DFL am 24.05. statt. Der Zeitpunkt war natürlich geschickt gewählt, denn die Bundesliga befand sich in der spannendsten Endphase seit vielen Jahren und das Thema drohte deshalb unterzugehen. Es brauchte eine 2/3 Mehrheit der Clubs, damit der Prozess weiter vorangetrieben würde.

Diese fand die DFL-Führung nicht. Die 36 Vereine der ersten und zweiten Bundesliga hatten nicht mit der nötigen Mehrheit der weiteren Anbahnung eines Private Equity Investoreneinstiegs zugestimmt. „Dieser Prozess ist mit dem heutigen Tag zu Ende“, sagte Hans-Joachim Watzke. Die DFL ist nun gezwungen, über andere Alternativen für ihre Zukunft nachzudenken, oder – wie in den letzten Tage bekannt wurde – einen neuen Versuch in Richtung Investoreneinstieg zu starten. Ein Verein, der gegen den DFL-Vorschlag stimmte: der FC Augsburg.  

Einfluss des FC Augsburg

FCA Geschäftsführer Michael Ströll stand kurz nach der Entscheidung dem Rasenfunk für ein Interview zur Verfügung, das Eingang in ein überaus ausführliches und informatives Tribünengespräch fand. Er machte dort klar, dass auch er die Notwendigkeit sieht, dass sich die DFL zukunftsfähiger aufstellt. Er sieht hier aber auch weitere Finanzierungsoptionen, die nun in der Breite diskutiert werden müssten. Fragen, die sich aus Sicht von Michael Ströll stellen sind dabei: Was wollen wir als Verbund der 36 Clubs? Welche Strategie wollen wir?

Es wird spannend, wann und in welcher Form die DFL diese Fragen weiter angehen wird. Wahrscheinlich wird nun zuerst die nächste TV-Rechtevergabe vorbereitet. Für den FCA ist die Positionierung spannend. Ist man doch selbst ein Club, bei dem 99% der Anteile von Investoren gehalten werden, bzgl. derer man aber mehr Unabhängigkeit anstrebt. Eine Entscheidung pro Investor hätte hier die Glaubwürdigkeit beschädigt. Hinzu kommt, dass einige Vereine ihre wirtschaftlichen Probleme mit einem Geldsegen ausgleichen hätten können. Der FCA hat solche Probleme momentan nicht und kann seinen hart erarbeiteten Wettbewerbsvorteil erhalten. Unter dem Radar hat der FCA diese Situation geschickt für sich genutzt. Chapeau!

Interessant ist es in jedem Fall, dass auch neben dem FCA einige Clubs den Investorendeal abgelehnt haben, aus welchen Gründen auch immer. Manche der zustimmenden Clubs werden intern diskutieren müssen, wie sie die Zustimmung teilweise gegen Mitgliedervoten geben konnten. Festzustellen ist: Nach 12 Jahren Bundesliga ist der FCA in der Gruppe der Clubs ein mit entscheidender Faktor der ernst zu nehmen ist und der dabei seine Mitglieder nicht verrät. Ich habe mir den Tag rot im Kalender angestrichen, um ihn den Nörglern von außerhalb beizeiten vorhalten zu können. Für die FCA Verantwortlichen muss es die Aufgabe sein, hieran nun weiter anzuknüpfen. So sind die veröffentlichten Werte dann nicht nur ein Marketingkonstrukt.

Ein verrücktes Debüt

Die Vorzeichen waren schon einmal schlechter, wenn neue Trainer eine neue Station angetreten haben. Die Zeichen standen sogar recht gut für Jess Thorups erstes Spiel in der Fußballbundesliga. Kommen wir zuerst zu den äußeren Umständen. Es war zwar ein Spiel Ende Oktober, aber das Wetter enttäuschte nicht. Die Sonne schien zu Beginn des Spiels noch ins Stadionrund, auch zu dieser späten Anstoßzeit. Das Wetter war mild und die Konditionen optimal für einen Bundesligaeinstand.

Auch ansonsten gab es schon Trainer, die bei ihrem neuen Club auf kompliziertere Konditionen getroffen haben. Einerseits ist der Kader der Augsburger fast vollständig fit, es fehlten nur wenige Spieler wie Ruben Vargas verletzungsbedingt. Auch steht der Club nicht im Tabellenkeller. Man hat schon gewonnen diese Saison und es ist noch nicht 5 vor 12. Dazu ist die Kulisse in Heidenheim im besten Sinne „beschaulich“. Von den Rängen wird zwar Lärm gemacht, aber es ist kein Vergleich mit Kulissen wie in Frankfurt oder Dortmund. Einschüchternd hätte das heute nicht wirken sollen.

Sportlich wenig Entwicklung

Bei dem, was dann auf dem Rasen zu beobachten war, war dann auch von der gegenüberliegenden Tribüne aus zu erkennen, dass Neutrainer Jess Thorup nicht zufrieden war. Da half dann auch sein Auftreten im blauen Anzug nichts: seine Mannschaft kassierte das 0:1 nach einem Standard, das 0:2 nach einer adretten Heidenheimer Kombination, die von seiner Mannschaft passiv hingenommen wurde. Die Standards waren auch vorher schon gefährlich. Finn Dahmen konnte sich bei einer früheren Ecke mit einem Klasse-Reflex zeigen.

Als Anhänger des FC Augsburg rieb man sich in der Mitte der ersten Hälfte verwundert die Augen. Einerseits hatte sich an der Aufstellung des Teams nur marginal etwas geändert. Thorup schickte das Team erneut in einem 4-2-2-2 auf den Rasen und rotierte nur marginal. Dorsch durfte anstatt Engels ran, Jensen ersetzte den verletzten Vargas. Die Mannschaft spielte nicht nur taktisch wie unter seinem Vorgänger. Auch auf dem Rasen blieb die Passivität und die individuellen Fehler.  Der Gästeblock verstummte zeitweise. Der Trainereffekt hatte sich früh abgenutzt. Ernüchterung kehrte ein.

Zum Haare raufen zwischendurch, bevor die Hände zum Jubeln erhoben wurden. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Ungeahnte Wende

Aber Fußball ist eben doch eine unberechenbare Angelegenheit. Es begann erst unscheinbar. Erst stand Tietz nach einer Jensen-Ecke völlig blank und nutzte die Chance. Danach nutzte der FCA einen zweiten Ball nach einem Einwurf und Tietz legte auf Pedersen ab, der eiskalt vom Straftraumrand vollendete. Auf einmal war Heidenheim verunsichert. Unbedacht hatte man den FCA zurück ins Spiel kommen lassen. Kleindiensts gelbe Karte war in dieser Phase symptomatisch. In all diesem Durcheinander eroberte der FCA direkt nach dem Anpfiff erneut den Ball, Jensen legte von rechts herein und Demirovic rutschte den Ball ins Tor. 3:2 für den FCA nach 40 Minuten. Was ein Ritt und Wahnsinn.

Zu Beginn der zweiten Hälfte ist für den FCA alles beim Alten, wenn es darum geht, Konstanz ins eigene Spiel zu bekommen und defensiv sicher zu stehen. Das war auch nach den Gegentoren nicht immer sattelfest. Man mochte allerdings nicht prophezeien, wohin dieses Spiel sich noch entwickeln würde.

Offensives Mindset

Insgesamt wirkte das Ganze dann weiterhin nicht wie aus einem Guss. Der FCA ließ Heidenheimer Spieler auch in der zweiten Halbzeit frei vor Torhüter Dahmen auftauchen. Auch im eigenen 6er Raum war man in manchen Situationen weit weg von den Gegenspielern. Auf der anderen Seite waren die ersten Abweichungen zu den letzten Maaßen-Spielen zu beobachten. Uduokhai wagte sich nach 56 Minuten bei einem Dribbling offensiv mit nach vorne und sorgte für Unruhe. In der Folge hatten dann Tietz und Jensen jeweils gute Chancen um für die Augsburger weiter zu erhöhen. Zur Entscheidung kam es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Die Unterhaltsamkeit fand dann nach einer Ecke den Augsburger Höhepunkt, als Felix Uduokhai zum 4:2 aus Augsburger Sicht erhöhte. Erwähnenswert weiterhin im Spielverlauf: Arne Engels durfte später auf rechts für Freddy Jensen ran und eben nicht zentral. In der 80. Minute rührte Thorup den Zement an, und verstärkte die Defensive mit Bauer und Breithaupt für Tietz und Dorsch massiv. Das Elfmetertor von Elvis Rexhbecaj war am Ende die Kirsche auf der Sahne eines außergewöhnlichem 5:2 Auswärtssiegs. Dem ersten nach über einem Jahr Auswärts-Durststrecke.

Aussagekraft

Das Spiel des FCA in Heidenheim ist eine Einzelbeobachtung. Sehr unterhaltsam, aber einmalig. Wenig kann man aus diesem einzelnen Spiel ableiten. Einerseits wird kaum ein Gegner den FCA nach Fehlern – wie in der ersten Halbzeit – wieder ins Spiel kommen lassen. Andererseits wird auch kaum eine gegnerische Abwehr sich so löchrig präsentieren, wie die der Heidenheimer.

Einige Fakten bleiben. Zum ersten Mal 5 Auswärtstore. Zum ersten Mal nach 0:2 Rückstand noch gewonnen. Tietz das erste Bundesligator. Zumindest das Selbstbewusstsein sollte gewachsen. Aber wer würde nun eine Prognose abgeben wollen, wie es nach diesem verrückten Debüt weitergeht.

Die neue Ernsthaftigkeit

In der ersten Trainingswoche unter dem neuen Trainer Jess Thorup wurde am Mindset gearbeitet. Auch an taktischen Dingen. Aber eben auch am Mindset. In der Pressekonferenz vor dem Spiel war hier von Seiten Jess Thorup zu hören: “Für mich ist wichtig, wie wir auf dem Platz stehen.” Und damit war nicht die Formation gemeint, sondern die Art und Weise der Umsetzung.

Mit diesen Aussagen und Eindrücken bestätigt sich das erste Bild, das Jess Thorup in seinen ersten Tagen beim FCA abgegeben hat. Der Familienmensch Jess Thorup erschien zu seiner Antrittspressekonferenz im Dreiteiler. Es wurde ersichtlich, dass es hier auch im Außenauftritt des älteren Trainers Thorup deutliche Unterschiede zu Enno Maaßen gibt. Er steht damit auch in einer dänischen Tradition beim FC Augsburg. Mads Pedersen hatte seine Vertragsverlängerung im formalen Zwirn unterschrieben. Beide zeigen auch mit ihrer Kleidungswahl die Wertschätzung gegenüber ihrem Arbeitgeber.

Verbindlichkeit

Jess Thorup wirkt entsprechend in seinen ersten Tagen nicht nur älter als Maaßen sondern strahlt auch auf eine andere Art und Weise Autorität aus. Man kann in jedem Falle erkennen, dass Thorup ein anderer Typ ist. Wenn man nun den Ausführungen von Marinko Jurendic zum Suchprozess folgen mag, so hat sich im Anforderungsprofil wohl herausgebildet, dass eine reifere Persönlichkeit nötig ist, um mit der jungen Mannschaft zu arbeiten. Ob diese Rechnung aufgeht, werden wir alle zusammen beobachten können.

Maaßens Ansatz, der darauf basierte, dass die neue Generation der Spieler eine lockerere Ansprache benötigt, ist am Ende gescheitert. Von den erfahrenen Kräften blieb kaum einer übrig, das junge Team lieferte immer wieder schlechte Halbzeiten ab und machte sich über dumme Fehler selbst Spielverläufe kaputt. Evtl. ist hier auch diese ausstrahlende Verbindlichkeit ein kulturelles Element, das zukünftig positive Effekte erzeugen kann.

Jess Thorup auf dem Feld mit der Mannschaft. Seine Ausstrahlung ist nicht zu bestreiten. (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Über das Fußballerische hinaus

Die Probleme der Mannschaft gehen dabei über die rein fußballerischen Themen hinaus. Die verkackten ersten Halbzeiten und die monströsen individuellen Fehler sind auf einer rein fußballerischen Ebene nicht erklärbar. Gerade deshalb hatte ich vor Wochen die mentale Entwicklung des Teams thematisiert. Thorup scheint hier anzupacken und nach Lösungen zu suchen.

Ein Fokus von Thorup liegt dann im Spiel gegen Heidenheim auf Mentalität und Einsatz, zu der er auf der ersten Pressekonferenz sagte: “Das kann jeder. Das muss ich von jedem sehen.” Der Konkurrenzkampf ist eröffnet und auch die mannschaftliche Struktur wird durchgerüttelt. Während Keeper-Spezialisten die Leistungen von Finn Dahmen ansprechend fanden, obwohl er dem Team noch keinen Sieg durch individuelle Glanzparaden festhalten konnte, ist auch auf der Torhüterposition der Konkurrenzkampf angeschürt. Eine Einsatzgarantie für Dahmen gab es vorerst nicht. Einzig Ermedin Demirovic bleibt hier außen vor. Er bleibt vorerst Kapitän und ist durch seine Torgefährlichkeit auch sportlich aus der Mannschaft nicht wegzudenken. Für alle anderen gilt es, sich zu beweisen und zu zeigen, was sie drauf haben.

Neue Chancen

Entsprechend ergibt sich für den FCA die schöne Situation, dass durch den Wechsel nun viele neue Chancen bestehen. Spieler wie Arne Maier oder Niklas Dorsch können wieder hoffen, mehr in den Fokus zu rücken, um sich beweisen zu dürfen. Bei all dem strahlt Thorup eine große Verlässlichkeit aus. Es wird Zeit brauchen, bis sportlich mehr von dem zu sehen ist, was er umsetzen will. Rein von der Herangehensweise ist ein neuer Zeitgeist eingekehrt.

Dabei teile ich die Meinung, dass diese Ernsthaftigkeit jetzt das ist, was die Mannschaft auch braucht. Thorup kann wie ein Stützpfeiler wirken, an dem sich das Team nach und nach aufrichtet. Ernsthaftigkeit ist auch etwas, dass ich bei allen Profis im Hinblick auf ihre Leistungen erwarte, abseits allen Spaßes und aller Lockerheit. Der FCA und das Team ist vielen Menschen wichtig. Es ist schön zu sehen, dass der neue Trainer zumindest mir das Gefühl gibt, dass er hier Ansätze findet um auch über sein Wirken auf die Mannschaft die Leistungen positiv zu beeinflussen. Kurz vor dem Heidenheim-Spiel bin ich optimistisch, dass dieser Ansatz funktionieren kann. Und damit ist nach einem Jahr ohne Auswärtssieg schon viel erreicht und mehr konnte man von Thorup als Fan nicht erwarten.

Endlich

Nein, die Mannschaft ist noch nicht wieder in der Spur. Es geht überhaupt nicht um ein sportliches Thema. Der FC Augsburg arbeitet weiterhin daran, sich strukturell besser aufzustellen und hat in diesem Zusammenhang vor kurzem einen anstehenden Neuzugang verkündet. Spätestens in der Winterpause kommt mit Denise Schäfer eine Kommunikationsexpertin zum FCA und nimmt den Posten einer Direktorin Medien und Kommunikation ein.

Schäfers Erfahrungsschatz ist unbestritten. Sie hat den Job von der Pike auf bei Eintracht Braunschweig gelernt und dort nach dem Abgang von Miriam Herzberg die Leitung der Abteilung übernommen. In Braunschweig hat sie Abstiege und Aufstiege in 3 Ligen begleitet und ist schwierige kommunikative Situationen gewöhnt. Dominik Schmitz bleibt beim FC Augsburg Leiter der Stabsstelle Sportkommunikation. Der FCA hat allerdings auch in diesem Bereich erkannt, dass er sich weiter professionalisieren und breiter aufstellen muss. Mit Denise Schäfer geht man nun genau diesen Schritt auch im Hinblick auf das Thema Kommunikation.

Verbesserungsbedarf vorhanden

Gerade abseits der sportlichen Themen hat der FC Augsburg fortwährend Verbesserungsbedarf bzgl. seiner Kommunikation erkennen lassen. Ohne an dieser Stelle all zu sehr in vergangenen Vorgängen herumstochern zu wollen, mag ich zwei Beispiele nennen, die den Verbesserungsbedarf eindeutig aufzeigen. Zum Ersten geht es um die Kommunikation wesentlicher Einschnitte und Veränderungen. Die Mitglieder des Vereins haben aus dem Handelsregister erfahren, dass Investoren des FCA Anteile an der Investorengesellschaft an David Blitzer verkauft haben. Hier hätte die Kommunikation des Vereins von Anfang transparenter verlaufen müssen. Der Ganze Vorgang war – getrieben durch den damaligen Präsidenten Klaus Hofmann – auf kommunikativer Ebene ein Desaster.

Hinter diesem Banner stehen keine Kunden. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Zum Zweiten hat der FCA ein Thema mit der alltäglichen Ausrichtung seiner Kommunikation. Einerseits werden Fans als Kunden bezeichnet, während Sponsoren Mitglieder der FCA-Familie sind. Ich hatte das vor einiger Zeit einmal anekdotisch aufgearbeitet. Das darf gerne besser werden. Ich mag mich eigentlich nicht als Kunden bezeichnen lassen, während der zahlende Sponsor, der im Zweifelsfall bei Misserfolg wieder weg ist, der sogenannten Familie angehört. Ich hoffe, Denise Schäfer räumt in dieser Hinsicht einmal auf.

Vielfalt

Einer der Kernwerte des FCA ist Vielfalt und Fußball kein reiner Männersport. Dennoch hat sich beim FCA bis dato keine Frau in der Führungsetage wiedergefunden. Dass Denise Schäfer – als erste Direktorin beim FCA – nun neben ihren Kompetenzen auch ihre weibliche Lebensperspektive einbringen kann, ist erfreulich. Ich hoffe, sie tut es mit vollem Selbstbewusstsein um ihre einzigartige Perspektive in den Gremien und öffnet weitere Türen.

Ich konnte zusätzlich feststellen, dass der FCA sich in seinem Auftreten insofern verbessert hat, als vor kurzem sogar eine Pressekonferenz von einer Frau geleitet wurde. Immer mehr weibliche Gesichter tauchen in der Kommunikation rund um den FCA auf. Es ist noch ein Weg, aber erste Schritte wurden getan, so dass die Vielfalt, die intern schon vorhanden ist, auch nach außen sichtbar wird. Wenn ich meiner Tochter Fußballvideos schaue, dann freut sie sich, dort nicht nur Männer zu sehen. Warum sollten denn auch immer Kerle in den Interviews Fragen stellen?

Vorfreude

Insgesamt sorgt der Zugang von Denise Schäfer für eine gewisse Vorfreude auf den FCA in 2024. Zumindest abseits des Platzes. Für auf dem Platz müssen wir nun einmal schauen, wie Jess Thorup abliefert. Was dabei für mich mit am meisten Gewicht eingenommen hat? Ich habe bei @rosalaut auf Twitter angeklopft. Sie ist Braunschweig-Fan und hat einen guten Einblick in die dortigen Strukturen. Sie kennt und schätzt Denise Schäfer und findet gerade deshalb den Abgang schade.

Gerade aus menschlicher Perspektive ist Denise hoffentlich ein Mensch, der gut zu uns und dem bestehenden Team passt, und auf den wir uns freuen können. Auf bald, Denise Schäfer! Mögen sich deine Hoffnungen durch den Wechsel erfüllen und wir alle gemeinsam viel Spaß haben.

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