Erneut voller Hoffnung

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Es ist Anfang 2024, das erste Testspiel ist gewonnen und ich freue mich schon wieder auf die nächsten Pflichtspiele. Vielleicht liegt es daran, dass ich gerade die erste Auswärtsfahrt des Jahres mit einem Freund geplant habe. Vielleicht liegt es aber auch am FCA, der in 2024 richtig durchstarten könnte. Ja, hier spricht der naive Fußballfan, der schon wieder verdrängt hat, wie wir auswärts teilweise versohlt wurden. Ich glaube aber auch, dass meine Hoffnungen für den FCA in 2024 begründbar sind.

Die Ausgangslage

Nach 16 Spielen hat der FCA 18 Punkte auf dem Konto und steht auf dem 11. Platz der Tabelle. In der letzten Saison unter Enno Maaßen, in die wir mit vielen positiven Aussichten gingen, hatten wir zu diesem Zeitpunkt 3 Punkte weniger. Weinzierl hatte davor auch weniger Punkte auf dem Konto. Derweil wir unter Heiko Herrlich mit einem Punkt mehr da standen.

Die Ausgangslage ist zu diesem Zeitpunkt so gut wie selten, derweil Jess Thorup nicht bei allen Spielen an der Seitenlinie stand. Man könnte jetzt mit Jess’ Punkteschnitt prognostizieren, wo der FCA landen könnte als auch wie gut wir stehen könnten, wenn mir direkt mit Jess gestartet wären. Es ist müßig. Festhalten können wir derweil, dass der FCA zu diesem Zeitpunkt so gut dasteht, wie schon lange nicht.

Sportliches Konzept in Umsetzung

Warum sollte es unter Jess Thorup noch besser werden? Der FCA befindet sich mit seinem sportlichen Konzept mitten in der Umsetzung. Thorup hat jetzt die erste Vorbereitung mit der Mannschaft (auch wenn es eine kurze ist). Er hat zum ersten Mal länger am Stück Zeit mit der Mannschaft an sportlichen Inhalten zu arbeiten, ohne dass ein Teil des Teams bei den Nationalmannschaften verweilt. Dies wird man auf dem Platz erkennen können, hoffentlich mit positivem Ausgang.

Zusammen mit Marinko Jurendic kann Jess Thorup zum ersten Mal den Kader beeinflussen. Einerseits werden die beiden entscheiden müssen, welche Spieler abgegeben werden. Der Kader ist schlicht zu groß und gerade Jurendic muss hier Hausaufgaben erledigen, damit im Frühjahr keine Unruhe aufkommt. Andererseits wird es darauf ankommen 1-2 Spieler als Katalysatoren zu verpflichten, die es der ganzen Mannschaft erlauben, auf ein anderes Level zu kommen. Hier wird es spannend zu sehen, wen die beiden eventuell aus dem Hut zaubern können, denn auch für Jurendic ist es die erste komplette Transferphase in Augsburg. Ich sehe die Chancen, die in dieser Situation liegen, mehr als die Risiken. Stefan Reuters Ansätze im sportlichen Bereich schienen sich etwas abgenutzt zu haben und ich freue mich auf die neuen Impulse.

Top Typen, die gemeinsam Spaß haben und Erfolge feiern. Hier mit zu fiebern macht wieder mehr Spaß. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Gerüst und Charaktere

Was den beiden zu Gute kommt: am Kader muss zwar nachgearbeitet werden, aber sie übernehmen eine positive Grundsituation aus zweierlei Perspektiven. Einerseits steht das Gerüst des Teams für die Rückrunde. Mit Dahmen im Tor hat der FCA einen Spitzenkeeper im Sommer verpflichtet (sportlich und auch als Typ), Gouweleeuw und Uduokhai sind davor solide Bundesliga-Innenverteidiger, auf die man sich grundsätzlich verlassen kann, mit Dorsch und Rexhbecaj im Mittelfeld davor ist man gegen den Ball sehr gut aufgestellt und mit Demirovic hat man einen Top-Star im Sturmzentrum, der immer für eine Torbeteiligung gut ist. Mit einer solchen Achse im Team wird man weiter Punkte holen.

Neben dem Gerüst hat der FCA mittlerweile wieder auch eine Reihe von Spielern im Kader, die ich als Typen sehr mag. Ich habe Elvis Rexhbecaj sehr dafür ins Herz geschlossen, wir er am letzten Spieltag in Gladbach in die Kurve kam. Ich sympathisiere total mit der dankbaren und positiven Art von Philipp Tietz, der sich auf dem Fußballplatz für nichts zu schade ist und seine Erfolgsmomente in der Hinrunde sehr gut einzuordnen weiß. Und auch Mads Pedersen und Freddy Jensen passen schlicht gut nach Augsburg und ich freue mich über ihre tolle Hinrunde. Letztendlich ist es eine Weile her, dass einem so schnell so viele Spieler einfallen, die einem positiv im Gedächtnis bleiben. Und seit langem überlege ich mir wieder, ein Trikot beflocken zu lassen. Auch darauf kann der FCA sportlich aufbauen. Dieses Team von seiner Grundsubstanz wird sich auch durch 1-2 schlechtere Spieler – zumindest meiner Meinung nach – nicht grundsätzlich erschüttern lassen.

Ausblick

Denn genau darum wird es gehen. Auch die schlechteren Phasen akzeptieren und schnell abhaken zu können. Ted Lasso würde sagen: “ein Goldfisch zu sein”. Dann schlummert im FC Augsburg in 2024 das Potential, sportlich durchzustarten.

Ach, vielleicht ist es auch einfach wieder die naive Hoffnung, das es besser wird. Wir werden es gemeinsam herausfinden. Zumindest umweht den FC Augsburg momentan das Gefühl, dass es sportlich erfolgreich und aufregend werden könnte. Und für heute ist Vorfreude zumindest die schönste Freude. Ich glaube momentan fest daran, dass uns genau dieses Gefühlt erstmal noch eine Weile tragen wird. Heja FCA!

Nicht so wichtig

Samstag 17:30 Uhr. Das erste Bundesligaspiel des FC Augsburg ist gespielt und bis 17:15 Uhr sah es auch im Ergebnis so aus, als ob der der FCA Bayer 04 Leverkusen ein Bein stellen könnte auf deren Weg zur Herbstmeisterschaft. Am Ende reichte es nicht für einen Punkt, obwohl der FCA die beste Mannschaft des letzten halben Jahres lange erfolgreich daran gehindert hatte, ein Tor zu schießen. Man könnte sich nun lange vom späten Zeitpunkt und dem Ausgang des Spiels frustrieren lassen. Sollte aber keiner machen. Warum?

Eine Reaktion

Auf sportlicher Ebene ist es nicht so wichtig, wie das Spiel im Ergebnis ausging, weil Unentschieden-Spiele überbewertet werden. Für den Ligaverbleib ist es wichtiger, Spiele zu gewinnen. Der FCA hat eben durch den späten Treffer nicht einen Sieg sondern nur ein Remis aus der Hand gegeben. Okay, passiert. Der späte Ausgleich gegen Gladbach in der Hinrunde war hier viel schmerzvoller.

Auf der anderen Seite war es immens wichtig, dass nach dem enttäuschenden Spiel in Stuttgart eine Reaktion erfolgt und sich der FCA nicht direkt vom nächsten Top-Team in der Liga hat her spielen lassen. Dies kann man am Ende des Tages auf jeden Fall bestätigen: der FCA war mitten drin in der Partie und mit ein bisschen mehr Match-Glück (z.B. bei der Tietz-Abseitssituation) geht das anders aus. Mit solchen Performances werden wir diese Saison aber nicht unten rein rutschen. Zumindest wenn das Team auch auswärts ähnliches zeigen kann.

Abseits des Rasens

Klar, Mannschaft und Trainer waren in dieser Woche auf die Partie gegen Leverkusen fokussiert und es wäre schön gewesen, hier positiv im Ergebnis zu überraschen. Abseits davon ist das Sportliche beim FCA in den Hintergrund getreten. Den Verein, Mitarbeiter und ehemalige Kolleg:innen hat in dieser Woche der Verlust von Alexander Edin tief getroffen. Der FC Augsburg hat einen berührenden Nachruf an dieser Stelle veröffentlicht. Zum Gedenken an Edde verstummte die Ulrich-Biesinger-Tribüne zu Beginn der zweiten Halbzeit und zeigte ein großes Banner über die Breite der ganzen Tribüne. Es war berührend.

Wer sich in den letzten 10 Jahren intensiver mit dem FC Augsburg beschäftigt hat, wird irgendwann in Kontakt mit Alexander Edin gekommen sein, entweder in seiner Rolle als Fanbeauftragter oder durch sein sonstiges, vielfältiges Engagement rund um den Verein. Ich habe mit ihm bei Recherchen zu Fan-nahen Themen telefoniert und ihn dabei als positiven und hilfsbereiten Menschen kennengelernt. Eddes Verlust ist sowohl menschlich für seine Familie und Freunde schmerzlich, aber auch der FCA verliert mit ihm eine Person, die mit dem Verein durch dick und dünn gegangen ist und sich auf unterschiedlichste Wege engagiert hat. Ruhe in Frieden, Alexander Edin!

Besinnung aufs Wesentliche

Das Leben hat seinen eigenen Plan und so ist es nun am FCA mit diesem Verlust umzugehen. Einerseits sollte es uns allen wichtig sein, dass Alexander Edins Familie keine wirtschaftlichen Sorgen zu erleiden hat. Ich habe die Hoffnung, dass die FCA-Familie hier den FCA-Wert des Zusammenhalts lebt. Während des Spiels am Samstag wurde Edde hinter der UBT gedacht und Spenden zu Gunsten seiner Familie gesammelt. Ich gehe davon aus, dass die FCA-Familie hier weiter zusammenhält.

Andererseits ist es für uns alle insgesamt vielleicht ein guter Moment, um sich daran zu erinnern, was wirklich wichtig ist. Wir kommen beim Fußball zusammen, treffen unsere Freunde und unser Lieblingsteam spielt gegen die besten Teams aus Deutschland und fordert diese heraus. Philipp Tietz hat es vor kurzem im Interview schön formuliert, auf die Frage, wie 2024 zu einem guten Jahr wird: “Am wichtigsten ist, dass meine Familie gesund bleibt und wir von Verletzungen möglichst verschont bleiben. Und wenn wir dann zufrieden auf das Jahr zurückschauen können, dann haben wir viel erreicht.”. Für Alexander Edins Familie ist schon diese einfache Ziel nicht mehr zu erreichen. Für uns andere ist vielleicht der Moment gekommen, sich selbst an die eigene Nase zu packen.

Laut werden

Die momentane Stimmung in Deutschland wirkt so negativ wie lange nicht. Es wird viel gemotzt. Demonstriert. Es werden Pläne geschmiedet, Menschen aus unserem vielfältigen und bunten Land zu entfernen. Es ist an uns allen selbst, in einzelnen Situationen nicht still hinzunehmen, sondern selbst Position zu beziehen. Auf dem Banner für Edde stand am Samstag: “Omnia Vincit Amor”, was übersetzt heißt “Liebe besiegt alles”. Mehrfach wird in diesen Tagen darauf hingewiesen, dass die schweigende Mitte lauter werden soll. Die Liebe kann nur siegen, wenn man für sie in den Kampf zieht.

Und so will ich diesen Moment nach dem ersten Bundesligaspiel in 2024 nutzen, um klar zu machen, was für mich für den FCA in 2024 wichtig erscheint. Der FCA war zwar in der Vergangenheit ein Verein, der sich um Erinnerungskultur bemüht und Haltung gezeigt, dies aber auch mit einer gewissen Zurückhaltung getan hat. Ich wünsche mir, dass bei den großen gesellschaftlichen Themen der Verein und alle Beteiligten seine Werte laut und kraftvoll vertritt. Es darf in der wwk-Arena keinen Platz für Nazis geben.

Zeit für Impulse

Wenn mich jemand fragt, wie dieses Jahr 2024 für den FCA ein erfolgreiches werden wird, dann geht es mir – wie in diesem ganzen Beitrag – weniger um das Sportliche. Ein weiteres Mal Klassenerhalt bei dem Potential dieses Kaders, sorgt zwar für Freude, aber überschäumen tut da nichts. Der FCA soll helfen, mit einer gewissen Signalwirkung die Lethargie zu durchbrechen, die viele von uns – mich eingeschlossen – befallen hat. Als Max Krapf Präsident des FCAs wurde, ging es wieder vermehrt darum, die Verbindung zu Stadt und Region zu stärken. Es ist für mich die Zeit gekommen, dass der FCA auch – deutlich wahrnehmbar – in Stadt und Region für seine Werte eintritt und gesellschaftliche Impulse gibt. Am Ende geht es um die Menschen, mit denen man zusammen im Stadion sitzt oder steht. Die bleiben und für die gilt es einzutreten.

Um mich an Philipp Tietz Zielsetzung zu orientieren: Der FCA wird als Organisation nicht zufrieden auf das Jahr 2024 zurückschauen können, wenn er in Zeiten, in denen die gesellschaftliche Spaltung vorangetrieben wird, nicht mit den Mitteln, die er zur Verfügung hat, gegen die Spaltung und für die Liebe eingetreten ist. In diesem Sinne: Heja, FCA.

Geile Typen

Philipp Tietz war in der Hinrunde des FC Augsburg eine absolut positive Überraschung. Nachdem er zwei Jahre in Darmstadt absoluter Leistungsträger war, konnte man sich schon die Frage stellen, wie viel Eingewöhnungszeit Tietz in der Bundesliga und beim FCA brauchen würde. Und obwohl Tietz – wie die gesamte Mannschaft – ein paar Spiele (und einen neuen Trainer) brauchte, um in der Saison 2023/24 vollständig anzukommen, war sein Effekt danach umso größer. So groß, dass sogar Julian Nagelsmann ein Auge auf Tietz geworfen hatte. Er ist halt auch ein geiler Typ, den man selbst live erlebt haben muss. Zumindest bei mir hat sich dieser Eindruck nach dem folgenden Interview gefestigt.  

Andy: War 2023 das Jahr des Philipp Tietz?

Philipp Tietz: Für mich persönlich lief vieles gut, aber das sind ja keine weltbewegenden Dinge, die ich da geleistet habe. Meine Familie ist gesund und uns geht es gut. Ich habe in der zweiten Liga mit Darmstadt regelmäßig getroffen und bin dort aufgestiegen. Der Wechsel nach Augsburg hat gut geklappt und ich konnte hier meinen Beitrag leisten, mir den Traum meines Bundesligadebüts erfüllen. Auch 2024 soll ein tolles Jahr werden.

Andy: Du bist im Sommer als Aufstiegsheld aus Darmstadt gekommen. Wie ist damals die Entscheidung auf Augsburg gefallen?

Philipp Tietz: Ich hatte in Darmstadt schon im Vorhinein meinen Wechselwunsch klar kommuniziert und die Verantwortlichen des FCA waren in den Gesprächen super. Da hat einfach vieles gepasst. Augsburg ist ein sympathischer, etablierter Erstligist und der Schritt hat sich für mich richtig angefühlt. Und bis jetzt haben sich meine Hoffnungen hier ja auch vollends erfüllt. Es ist sehr familiär und das weiß ich sehr zu schätzen.

Andy: Hast Du selbst erwartet, dass es für Dich so gut läuft oder warst Du eher überrascht?

Philipp Tietz: Ich weiß ja schon auch, was ich kann und kenne meine Qualitäten. Ich will in jedem Training und Spiel alles raushauen und habe hier das Vertrauen bekommen. Dafür bin ich sehr dankbar. Aber ich bin schon auch sehr gierig, und arbeite hart daran mich weiter zu verbessern. Ich glaube, der Verein hatte klare Vorstellungen, warum er mich geholt hat und wie ich helfen soll.

Andy: Du hast in einem anderen Interview gesagt, dass Du ein großer Fan von Olivier Giroud und der Spielweise von Athletico Madrid bist. Der FCA hat sich über die letzten Jahre schon auch immer wieder den Ruf erarbeitet, dass er schwer zu bespielen ist. Passt Du mit deiner Spielweise einfach gut zum FCA?

Philipp Tietz: Ich bin grundsätzlich ein Typ, der sich in jeden Zweikampf reinwirft und bestimmt niemand der rum heult. Schon ein bisschen Alte Schule vielleicht. Aber das ist halt das, was immer geht. Selbst wenn es in Spielen mal schlecht läuft, dann kann ich das immer abrufen und versuchen es dem Gegner möglichst schwer zu machen. Das sieht man bei sehr vielen Spielern in unseren Reihen und wir pushen uns da auch gegenseitig.

Philipp Tietz hat viel Freude bereitet und ich freue mich auf mehr davon.(Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Andy: Dies scheint jetzt auch wieder mannschaftlich geschlossener zu passieren mit Jess Thorup als Trainer. Ist es diese mannschaftliche Geschlossenheit das Hauptresultat des Trainerwechsels, nachdem es taktisch nicht zum großen Umbruch kam?

Philipp Tietz: Jess Thorup hat seit seiner Ankunft einfach einen tollen Job gemacht, in der Kommunikation mit der Mannschaft, auch um uns das Selbstvertrauen wieder zurück zu geben. Ich könnte hierzu noch viel sagen, aber er ist einfach ein geiler Typ. 

Andy: Gegen Heidenheim hattet ihr dann auch ein bisschen Glück, dass ihr den Rückstand noch drehen konntet. Ein Wendepunkt in der Saison bisher?

Philipp Tietz: Klar. Danach haben wir gegen Wolfsburg und in Köln nachgelegt und damit hat sich die Dynamik auch verändert und das Selbstvertrauen in unsere Möglichkeiten war wieder da. Mittlerweile greifen auf dem Platz Automatismen und die Dynamik im Training ist eine andere.

Andy: Jetzt geht der Fokus auf die Rückrunde. Wie ist dein Gefühl nach der Vorbereitung?

Philipp Tietz: Wir hatten wie alle Mannschaften eine sehr kurze Pause. Für mich war es erstmal gut, Urlaub in der Heimat bei unseren Familien zu machen und mich für eine kurze Zeit gar nicht mit Fußball zu beschäftigen. Als wir dann alle zurückgekommen sind, hatten wir direkt wieder Bock und haben im Training Vollgas gegeben. Psychologisch war es gut, im Test gegen Hoffenheim zu null zu spielen und ein Erfolgserlebnis zu sammeln und jetzt sind wir bereit wieder anzugreifen und Leverkusen zu zeigen, was wir können.

Andy: Hilft euch dabei die Ausgangssituation, dass Leverkusen die Favoritenrolle innehat?

Philipp Tietz: Wir wollen es ihnen auf jeden Fall möglichst schwermachen. Aber nicht nur das. Uns geht es schon auch darum zu zeigen, dass wir mehr als nur zerstören, sondern auch selber Fußball spielen können. Ich freue mich einfach, dass es wieder losgeht.

Andy: Wie wird 2024 noch besser als 2023?

Philipp Tietz: Am wichtigsten ist, dass meine Familie gesund bleibt und wir von Verletzungen möglichst verschont bleiben. Und wenn wir dann zufrieden auf das Jahr zurückschauen können, dann haben wir viel erreicht.

Andy: Und wenn Du mit einem Augenzwinkern vielleicht einen Blick in die etwas weitere Zukunft werfen willst: Du hast ja schon einige Stationen in deiner Vita angesammelt. Bist Du bereit endlich bei einem Verein anzukommen und dort zu einer Institution zu werden oder bleibst Du ein Wandervogel?

Philipp Tietz: Mann, wenn Chelsea anklopft und mich haben will, dann muss ich das machen. Aber mal Spaß beiseite. Ich bin jetzt erst seit einem halben Jahr hier und fühle mich in Augsburg mit meiner Familie sehr wohl. Man weiß nicht was das Leben noch bringt, aber ich kann mir gut vorstellen länger in Augsburg zu bleiben.

10 Thesen zum FC Augsburg in 2023

Es ist mittlerweile “zwischen den Jahren”. In dieser Zeit ergeben sich die Momente, in denen die Zeit stillzustehen scheint. Das alte Jahr ist noch nicht zu Ende. Das neue Jahr hat noch nicht begonnen. Und wie in Zeitlupe schaue ich auf das Jahr zurück, dass wir hinter uns haben. Es wird rund um den FCA nicht mehr viel passieren, bis Jess Thorup sein Team wieder auf dem Trainingsgelände begrüßt. Ein guter Moment, um die 10 größten Kuriositäten rund um den FCA im Jahre 2023 einmal aufs Papier zu bringen. Vorweg möchte ich mitgeben: Kann Spuren von Humor enthalten. Los geht’s!

  1. Der FC Augsburg unterhält sein Nachwuchsleistungszentrum nur, um zu beweisen, dass er besser Geld verbrennen kann, als die Ultras durch Pyros in der Kurve. Der Wettstreit zwischen organisierter Fanszene und der Führung eines Investorenclubs in der Bundesliga hat in 2023 damit seinen Höhepunkt erreicht. Mit Enno Maaßen wurde der Trainer gefeuert, der die eigene Jugend fördern sollte. Jess Thorup scheint eine Ansage bekommen zu haben, Jugendspieler noch nicht einmal für den Bundesligakader zu nominieren. Millionen für 0 Minuten eigener Jugendspieler in der Hinrunde der Saison 2023/24. Da weiß man als Mitglied, wofür man seine Beiträge bezahlt.
  2. Ich kann übrigens weiterhin gut verstehen, warum gerade auswärts Pyros im Übermaß gezündet werden. Und große Fahnen geschwenkt werden. Wer in 2023 auswärts dabei war, weiß ganz genau, dass alles was vom Spiel ablenkt oftmals gern gesehen war. 2023 bleibt in Erinnerung als das Jahr der durchschnittlich schlechtesten Auswärtsspiele. Ich könnte noch nicht mal auf Anhieb sagen, welches das schlechteste war.
  3. Am Ende von 2023 reibt man sich die Augen. Ist Stefan Reuter wirklich nicht mehr Geschäftsführer des FCA? Und warum? Wer bekommt vom Traumjob “Manager in der Bundesliga” genug? Freiwillig? Vielleicht wollte er beim Wettstreit zwischen Verein und Ultras nicht mehr mitmachen. Oder er hat die Auswärtsspiele nicht mehr ausgehalten. Der Entschluss muss ja nach dem Saisonabschluss in Gladbach gereift sein. Wenn ich mich an genau dieses Spiel zurück erinnere, dann kann ich seine Entscheidung nur zu gut verstehen. Es war der Tiefpunkt des Jahres.
  4. Was noch nach dem Saisonabschluss in Gladbach passiert ist? Viel ist im Sommer von einer ganz vorzüglichen Saisonabschlussanalyse von Enno Maaßen die Rede gewesen. Derweil ging der Mist danach einfach weiter wie während der verkorksten Endphase der Saison 2022/23. Die Zeit für diese Analysen hätte man sich sparen können. Im Nachhinein alles reichlich absurd, vor allem da der neue sportlich Verantwortliche Marinko Jurendic zu diesem Zeitpunkt noch in Zürich verweilte. Gut für ihn.
  5. Ihr denkt, der gewiefte Verhandler Michael Ströll, der Mann der den FCA immer wirtschaftlich auf Kurs hält, würde bei so etwas wie dem Wettstreit unter 1. nie mitmachen? Ströll schien zuletzt auch nicht mehr ganz auf der Höhe. Bei der Verabschiedung von Alfred Finnbogason trug er bei -15 Grad Halbschuhe auf dem Stadionrasen. Mir sind beim Zuschauen schon die Zehen abgefallen. Will nur sagen: auch Michael Ströll ist alles zuzutrauen.
  6. Ihr glaubt es immer noch nicht? Fragt mal in Hoffenheim nach. Die haben für Mergim Berisha im Sommer 14 Millionen EUR bezahlt. Für 10 Pflichtspielminuten. Ja, ich weiß, 10 Pflichtspielminuten mehr als unsere Jugendspieler gesehen haben. Solange Michael Ströll solche Ablösen verhandelt, können wir uns ganz locker Pyrostrafen leisten. Und das Nachwuchsleistungszentrum.
  7. Auf der anderen Seite hat auch der FCA im Sommer absurde Personalentscheidungen getroffen. Er hat sich ein Model für die “Box Logo”-Kollektion ausgeliehen. Oder hat man Japhet Tanganga geholt um Fußball zu spielen?
  8. Wer ganz famos Fußball spielt ist Ermedin Demirovic. Demi ist der konstanteste und beste Spieler beim FCA. Wurde er schon für die abgelaufene Saison von den RoGaz-Lesern zum wichtigsten Spieler des FCA gewählt, hat er nun in der Hinrunde der Saison 2023/24 nochmal nachgelegt. Torbeteiligungen ohne Ende und immens wichtig für die Mannschaft. Zurecht Kapitän. Das kommende Frühjahr wird nun Demis Bundesliga-Abschiedstour. Hält er seine Form und spielt weiter mit dieser Konstanz, wird ihn der FCA im Sommer nicht halten können. Er wird in die Premier League wechseln und zum nächsten Augsburger Rekordtransfer. Auch wegen den Verhandlungskünsten von Michael Ströll. Man unkt, die Halbschuhe für die Verhandlungen stehen schon bereit.
  9. In nächster Zeit erfreuen oder verwundern uns dann wohl erstmal wieder andere Meldungen zu Transfers und die entsprechenden Gerüchte dazu. Der FCA hat hier sicherlich die ein oder andere Hausaufgabe zu erledigen. Die Transferperiode könnte sogar dazu führen, dass ein anderer Begriff etwas in den Hintergrund tritt. Die Rede ist natürlich von Jess Thorups “Clean Sheet”. Thorup will endlich mal zu null spielen. Mir könnte das nicht egaler sein. Ich will sogar noch weiter gehen. Ich will am Ende der Saison die Schlagzeile lesen: “FC Augsburg: Niemals zu null, aber trotzdem nach Europa”. Scheiß auf “zu Null”-Spiele.
  10. Ich bin sehr froh, dass ich mich am Ende des Jahres 2023 über einen solchen Quatsch echauffieren kann. Das FCA-Bundesligawunder des Jahres 2023 ist nämlich weiterhin, dass bei all unserer eigenen Unfähigkeit der VfB Stuttgart es am letzten Spieltag gegen Hoffenheim nicht selbst geschafft, den direkten Klassenerhalt zu sichern. Wir hätten sonst in die Relegation gemusst und es hätte aus meiner Sicht unter Enno Maaßen nicht gereicht. Geradezu verdient haben wir den Stuttgartern kurz vor Weihnachten die Punkte dagelassen. Ausgleichende Gerechtigkeit. Ich stoße zum Jahresende ein letztes Mal auf die Stuttgarter an, bevor ich dann wieder auf den unvermeidlichen Einbruch des VfB spätestens in der kommenden Saison warte.

Auch in 2024 wird uns der FC Augsburg weiter beschäftigen und ich freue mich, wenn unsere Leser:innen uns gewogen bleiben und weiter unser launigen Ausführungen lesen. Danke für eure Treue, Prosit und guten Rutsch. Wir lesen uns in 2024!

Erfahrungsschwund

Wenn man sich den Augsburger Kader anschaut, dann wird man erschlagen von der Vielzahl der Spieler. Noch nicht mal alle Spieler schaffen es in den Spieltagskader und auch prominente Namen wie Arne Maier gegen Wolfsburg kommen nicht zum Zug. Und dennoch fehlt es dem Kader an einem speziell: Erfahrung. Dies liegt daran, dass man in Augsburg über das letzte Jahr so viele Spieler mit massig Bundesligaerfahrung hat gehen lassen und – rein in Bezug auf diese Erfahrung – keinen Ersatz verpflichtet hat.

Die Erfahrungsabgänge

Wir müssen hier jetzt nicht bei Daniel Baier anfangen. Ich verfolge diese Welle einmal bis zu Florian Niederlechner zurück, der im letzten Winter zu Hertha BSC gewechselt ist, nachdem ihm Hertha einen Zweijahresvertrag angeboten hatte und der FCA aber nicht zu Potte kam trotz auslaufendem Vertrag. Niederlechner hatte zum Zeitpunkt seines Wechsels 181 Bundesligaspiele auf dem Buckel. 3,5 Jahre war er für den FCA aktiv und kam in dieser Zeit auf 27 Bundesligatore.

In der Rückrunde kündigten sich dann weitere Abgänge an. Daniel Caligiuri kam unter Enno Maaßen nicht mehr zum Zug und sein Vertrag wurde in Augsburg nicht verlängert. 372 Bundesligaspiele hat Caligiuri absolviert und war zu Beginn seiner Zeit beim FCA ein Leistungsträger, bevor seine Bedeutung immer mehr schwand. Von seiner Erfahrung her konnte ihm beim FCA niemand das Wasser reichen.

Im Laufe der Rückrunde zeichnete sich auch ab, dass Rafal Gikiewicz nicht auf die notwendige Anzahl an Pflichtspielen kommen würde, die er benötigte, damit sich sein Vertrag verlängerte. Entsprechend ging auch die Zusammenarbeit zwischen dem charismatischen Keeper und dem FCA zu Ende. 169 Erstligaspiele hatte Gikiewicz gesammelt, der in Deutschland in der Bundesliga etwas ein Spätstarter war. Am Ende war es wohl auch Gikis Extravaganz, die dazu führte, dass der FCA die Zusammenarbeit nicht fortführen wollte.

Erneut verletzt und die Karriere beendet: Julian Baumgartlingers Erfahrung steht dem FCA nicht mehr zur Verfügung. (Photo by Maja Hitij/Getty Images)

Pech hatte Julian Baumgartlinger. Baumgartlinger ist ein starker Typ, den der FCA gerne noch weiter gehalten hätte. Baumgartlinger jedoch verletzte sich spät in der Saison und verkündete darauf hin sein Karriereende, anstatt beim FCA vielleicht noch ein Jahr dranzuhängen. So bleibt es am Ende bei 255 Bundesligaspielen und einer tollen Karriere.

Ähnlich sieht es bei einem weiteren Spieler aus, bei dessen Verabschiedung zum Ende der vergangenen Saison mir die Tränen gekommen sind. Die Rede ist natürlich von André Hahn, einem der besten, der für den FCA im letzten Jahrzehnt gespielt hat. Auch Hahn verletzte sich schwer und der Verein nahm darauf hin Abstand den Vertrag zu verlängern. Hahn kam auf genau 250 Bundesligaspiele und sein Name wird in Augsburg immer mit großem Respekt ausgesprochen werden.

Gerade noch inne gehalten

Zwei weitere Abgänge standen im Sommer im Raum, die zum einem weiteren Schwund von Erfahrung gesorgt hätten. Einerseits wurde Jeffrey Gouweleeuw mitgeteilt, dass sein Vertrag nicht über 2024 hinaus verlängert wird. Gouweleeuw verletzte sich in der Vorbereitung und fand evtl. auch deswegen keinen interessierten Verein, der ihn nun schon vorzeitig verpflichtet hätte. Im Sommer hätte der FCA ihm wohl keine Steine in den Weg gelegt. Gouweleeuw hat mittlerweile über 200 Bundesligapartien für den FCA absolviert und ist gerade wieder in der Innenverteidigung nicht aus der Mannschaft wegzudenken.

Neben Gouwleeuw spielte über 86 Minuten gegen Wolfsburg Felix Uduokhai. Uduokhai hatte seinen Vertrag erst nach einigem hin und her um ein Jahr verlängert und hatte eigentlich vor, den FCA im Sommer zu verlassen. Uduokhai hat mittlerweile über 120mal in der Bundesliga gespielt und ist schon jetzt zu den erfahrenen Kräften in Augsburg zu zählen. Auch in seiner Person hätte der FCA viel Routine auf dem Niveau der Bundesliga verloren.

Erfahrung ist notwendig

Ein großer Fokus beim FC Augsburg liegt darauf, Spieler zu entwickeln. Um dies in Ruhe tun zu können, kommt es allerdings auf die richtige Mischung in der Mannschaft an. Nach Jeffrey Gouweleeuw prangt hier erfahrungsseitig ein größeres Loch, das sich erst mit der Zeit schließen kann. Erfahrung und Abgebrühtheit auf den Rasen zu bringen, die dann auch dafür sorgen, dass man sich – wie in dieser Saison öfters gezeigt – durch Rückstände nicht aus der Ruhe bringen lässt, ist daher ein Thema auf dem ein Augenmerk liegen wird. Nicht zu Unrecht ist Gouweleeuw mittlerweile wieder sportlich unangefochten im Einsatz auch wenn er sich öffentlich fragwürdig geäußert hat.

Elvis bringt die Erfahrung von über 140 Bundesligaspielen auf den Rasen (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Gerade wenn man sich die Besetzung des defensiven Mittelfelds anschaut, dann spielt Erfahrung eine Rolle. Elvis Rexhbecaj kommt auch deshalb zum Zuge, weil er deutlich mehr Bundesligaerfahrung hat als seine Kollegen. Niklas Dorsch machte in diesen Tagen gerade einmal sein 50. Spiel in der Bundesliga. Arne Engels kommt auf gerade einmal über 20 Spiele. Rexhbecaj hat im Alter von gerade 26 Jahren schon über 140 Bundesligaspiele angesammelt. Er hat eben viele Situationen schon gesehen und ist nicht so schnell zu verunsichern.

Ich hatte vor der Saison prognostiziert, dass auf Jeff eine wichtige Rolle entfallen wird. Nun da Stefan Reuter und Enno Maaßen den Verein verlassen haben, macht es eventuell auch Sinn die Entscheidung bzgl. einer möglichen Verlängerung seines Vertrags zu überdenken. Auf der anderen Seite wird es wichtig werden, evtl. den ein oder anderen Veteranen noch dazu zu holen und den Kern der erfahrenen Spieler in der Mannschaft zusammenzuhalten. Denn abseits der Erfahrung sieht es momentan schon so aus, als ob der FCA eine gesunde Mischung an Spielern beinander hätte, die nun gemeinsam die nächsten Schritte machen kann. Nach vorne und nicht zurück.

Unter dem Radar

In diesen Tagen hat eine Person beim FC Augsburg betont, dass der Cheftrainer die wichtigste Personalie für einen professionellen Fußballclub sei. Die Aussage wurde rund um die Verpflichtung von Jess Thorup von Marinko Jurendic getätigt. Jurendic wollte in diesem Zusammenhang wohl hervorheben, warum es wichtig war, sich für die Entscheidung für einen neuen Trainer Zeit zu nehmen. Jurendic konnte auch schlecht sagen, dass der Cheftrainer die wichtigste Personalie ist nach dem sportlich Verantwortlichen: ihm selbst.

Der Sportdirektor im Fokus

Nach dem Wechsel auf dem Präsidentenposten, vom im Tagesgeschäft eingebundeneren Klaus Hofmann zu Max Krapf, und dem Rückzug von Stefan Reuter in eine beratende Rolle, kann die Debatte nun beginnen, wer beim FC Augsburg für die mittel- und langfristige Entwicklung des Vereins die wichtigste Rolle einnimmt. Einerseits wäre hier der alleinige Geschäftsführer Michael Ströll zu nennen, der gerade im kaufmännischen Bereich die Fäden in der Hand hält und nachhaltig Strukturen aufgebaut hat. Andererseits spricht dies momentan auch gegen Ströll. Der kaufmännische Bereich ist geordnet, die Strukturen sind aufgebaut, der FCA ist wirtschaftlich gesund und läuft.

Umso mehr ist Ströll und der FCA darauf angewiesen, dass Marinko Jurendic seinen Job macht und auch im sportlichen Bereich für Ordnung und eine langfristige Vision sorgt. Als jemand, der neu im Verein ist, muss er zudem lernen, wie der Club tickt und sich Stück um Stück dem Wertegefüge annähern. Jurendic selbst war bis dato auch noch nicht im Auge des öffentlichen Interesses, wie es seine Rolle und Bedeutung vermuten lassen würde. Dies verwundert auch nicht, war doch bei seiner Verpflichtung noch nicht kommuniziert worden, dass Stefan Reuter sich zurückziehen würde. Und es hatte ja auch niemand gedacht, dass er so schnell “die wichtigste Personalie des Vereins” neu zu klären hätte.

Kommunikativ und offen

Als ich in Heidenheim vor Ort war und das Spiel – ganz gegen meine Gewohnheiten – von der Pressetribüne aus verfolgte, traf ich im Nachgang zum Spiel erstmals persönlich auf Jurendic. Die Stimmung war gelöst nach Jess Thorups erstem Sieg und Jurendic nahm sich reichlich Zeit für die Journalisten vor Ort. Ich kann hier nun keine konkrete Aussage hervorheben, die mir im Gedächtnis geblieben wäre. Eine gewisse Grundskepsis bei sofort nach Spielen getätigten Aussagen ist sowieso immer angebracht. Man merkt direkt nach Spielen allen Beteiligten eine gewisse Grundanspannung weiterhin an. Seine offene kommunikative Art stach allerdings schon dort hervor.

Umso mehr habe ich mich gefreut, dass “Jure” sich die Zeit genommen hat, um mir meine Fragen zu beantworten und sich mit mir auszutauschen, so dass ich mir selbst einen Eindruck von einer Person und seiner Herangehensweise verschaffen konnte.

Der Teamplayer

Als erstes hatte mich dabei interessiert, warum Jure sich für die Herausforderung beim FCA entschieden hatte. Nach einer ersten Anfrage im Februar und einem Stadionbesuch in Augsburg im Laufe der Rückrunde, vertagte er eine konkrete Entscheidung bis nach der Saison. Mir erscheint in diesem Zusammenhang wichtig, dass es für ihn die richtige Herausforderung zur richtigen Zeit war. Nach 5 Jahren in Zürich, in denen er auch Meister wurde, stellte er nach der Anfrage fest, dass der Weg nach Augsburg kein weiter ist. “Ich musste erstmal googlen, wo Augsburg überhaupt genau liegt. Ich hatte eine grundsätzliche Vorstellung, aber detailliert hatte ich mich mit Stadt und Verein noch nicht beschäftigt. Das habe ich dann im März erstmals gemacht.” Man denkt immer, man kennt sich im Fußballzirkus. In diesem Fall jedoch nicht. Jurendic kam zum ersten Mal mit Michael Ströll und Stefan Reuter in Kontakt, obwohl er grundsätzlich affin mit der deutschen Bundesliga war. Auf der anderen Seite war er wohl überzeugt von seinem eigenen Kompetenzprofil und traute sich den Sprung in die größere Liga zu.

Ich habe wohl gemerkt, wie er bezüglich der Entscheidungsfindung die Rolle seiner Frau und seines Sohns betont hat. Jurendic ist ein Familienmensch, der die eigene Karriere nur im Einklang mit dieser vorantreibt und das macht ihn sympathisch. Auf der anderen Seite betonte er, wie wichtig für ihn in Augsburg die Personen waren, die den Kontakt aufnahmen. Zudem musste das Umfeld passen. Mit Michael Ströll und Stefan Reuter lag er auf einer Wellenlänge und so ist die Entscheidung eine, die abseits des Potentials beim FCA vor allem davon getrieben war, sich in das bestehende Team einzubringen. “Ich habe mir das Ganze dann auch vor Ort angeschaut. Dort wurde das Gefühl, dass ich durch die Gespräche hatte, bestätigt, dass sehr viel Potential vorhanden ist und sehr gute Leute am Werk sind.” Nach dem Saisonabschluss folgte die feste Zusage.

Das Ende der Transferperiode

Jurendic kam erst zum 01.08., weil er in Zürich noch die Vorbereitung auf die jetzige Saison abschließen wollte. Er wollte im Guten gehen und das spricht für ihn. In Augsburg waren derweil schon viele Dinge im Hinblick auf die Saison geregelt. Einerseits hatte man sich entschieden nach ausführlicher Analyse mit Enno Maaßen weiterzumachen, auch wenn der Saisonabschluss verkackt wurde. Andererseits war so manche Kaderentscheidung getroffen worden. Dass sich Stefan Reuters Rolle ändern würde, war allen Beteiligten bewusst. Wie genau, die Rollen gelebt würden, hat sich seitdem gefunden. “Für mich war klar, dass ich die operative Verantwortung im sportlichen Bereich haben würde. Ich wusste, was ein Sportdirektor in Zürich zu tun hat. In Augsburg ist für mich wichtig, dass ich seit Beginn der Gespräche mit den gleichen Menschen im Austausch stehe und wir gemeinsam an den Strukturen arbeiten.”

Einer der ersten Erfolgsmomente: Die Vertragsverlängerung mit Felix Uduokhai (Bild: FCA)

Jurendic erkannte gewisse Lücken, die man noch angehen wollte. Der FCA und in diesem Fall direkt Jurendic selbst, musste erst einmal seine Hausaufgaben auf der Abgangsseite machen, weil es hierfür eine wirtschaftliche Notwendigkeit gab und der Kader auch schon sehr groß war. Gerade nach dem Abgang von Berisha zur TSG Hoffenheim war man wieder in der Lage, Spieler zu verpflichten. “Wir wollten den Kader ausbalancieren. Wir haben Stanic, Sarenren Bazee und Malone zusätzlich zu Berisha transferiert. Zusätzlich wollten wir die Position rechts hinten doppelt besetzt wissen und eine gewisse Breite in der Innenverteidigung schaffen.” Die Transfers von Mbabu und Tanganga waren vorher sondiert worden und konnten so auch in kurzer Zeit noch realisiert werden. Nicht das schlechteste Ende einer Transferperiode.

Keine Ruhephase

Jurendic hatte mit Sicherheit darauf gehofft, dass Ruhe einkehren würde. Sportlich war dies aber nicht der Fall. Eine blamable Pleite im Pokal, ein maues Unentschieden gegen Bochum und diverse Niederlagen, v.a. gegen nicht überzeugende Freiburger und zu Hause gegen Darmstadt, sorgten für Druck von außen, auch wenn rein tabellarisch die Situation noch nicht kritisch war.

Nun hatte der Verein entschieden, mit Maaßen in die neue Saison zu gehen und diese Entscheidung schon nach wenigen Spielen zu revidieren, hätte auf großen Wankelmut und wenig überzeugende Argumente für Maaßen hingedeutet. “Für mich war es wichtig, selbst ein Gefühl für die Situation zu entwickeln, um eine fundierte Meinung zu bilden und Entscheidungen auf einer soliden Grundlage zu treffen. ” Andererseits befand sich der FCA zu diesem Zeitpunkt in einer saisonübergreifend, sportlich schlechten Phase. Aus Jurendic’ Sicht ergab sich das Problem, dass er Maaßen noch nicht gut genug kannte, um schnell zu einem abschließenden Urteil zu kommen.

Wechsel notwendig

Spätestens nach dem Darmstadt-Spiel war dann offensichtlich, was für viele im Umkreis des Vereins schon länger festgestanden hatte: es konnte mit Maaßen nicht weitergehen. “Man muss in solchen Situationen auch eine gewisse Geduld zeigen. In der Länderspielpause haben wir alles in Ruhe angeschaut und sind zu dem Entschluss gekommen, in Anbetracht des Gesamtbilds und unserer Ziele eine Änderung vornehmen zu müssen.” Jurendic, Ströll und Co. stellten Maaßen frei und begaben sich auf die Suche nach einem neuen Trainer. Hierbei stand im Vordergrund, einen Trainer zu finden, der das Anforderungsprofil des Vereins erfüllte.

Jurendic war in der Formulierung des Anforderungsprofils beteiligt. “Wir sind schnell zu der Überzeugung gekommen, dass wir eine Person benötigen, die Erfahrung im erfolgreichen Führen von Mannschaften wie auch in der Entwicklung von Spielern hat.” Mit Jess Thorup – seines Zeichens Meistertrainer in Dänemark und Entwickler einiger Toptalente – sieht es momentan so aus, als ob er einen passenden Trainer gefunden hätte, der nun hoffentlich auch mittel- und langfristig Erfolg in Augsburg hat. “Jess Thorup passt nicht nur gut zu den kurzfristigen Bedürfnissen und Anforderungen an die Mannschaft, die wir identifiziert hatten, sondern auch zur langfristigen Ausrichtung des Clubs, die schon vor meiner Zeit festgelegt wurde.” Erneut: nicht die schlechteste Entscheidungsfindung von allen Beteiligten.

Weitere Arbeit notwendig

Und als wir dort so sitzen und uns über den FCA und seinen jetzigen Zustand nach den ersten Thorup-Spielen austauschen, ist es dann auch Jurendic selbst, der eine Baustelle beim FCA direkt anspricht: die Perspektiven der eigenen Jugendspieler. Die Jungprofis Kömür, Zehnter und Lubik sollen ihre Chance bekommen und es ist an Jurendic, den Kader so zu gestalten, dass dies auch funktioniert. Sich vermehrt – mit Heinz Moser zusammen – um die Perspektiven der Jugendspieler zu kümmern, ist bei ihm eine Priorität. “Wir müssen den Kader so planen, dass wir unserem Anspruch als Ausbildungsverein gerecht werden und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben.” Dies sollten positive Signale für den FCA Nachwuchs sein, der in den letzten Jahren etwas zu kurz kam.

Und neben der Arbeit an den Strukturen des FCA im sportlichen Bereich, geht der Blick von Jurendic natürlich auch schon Richtung Wintertransferperiode. “Die Kaderentwicklung ist ein laufender Prozess. Unser Ziel ist es, eine klare sportliche Ausrichtung zu definieren, um die richtigen Spieler hierfür verpflichten zu können.” Kurzfristig geht es nun darum, in Ruhe zu verstehen, welche Art von Spieler Thorup benötigt für sein präferiertes System. Dabei ist Jurendic bewusst, dass der FCA in der jüngsten Vergangenheit viele erfahrene Kräfte abgegeben hat und es wird bei der Analyse auch eine Rolle spielen, ob es hier weiteren Bedarf gibt.

In guten Händen

Nachdem ich nun zweimal die Gelegenheit hatte, Jurendic im persönlichen Austausch zu erleben, habe ich das Gefühl, dass der FCA im sportlichen Bereich in guten Händen ist. Dies liegt nicht nur daran, dass Jurendic nicht im luftleeren Raum agiert und mit Michael Ströll einen gewieften Verhandler und erfahrenen Geschäftsführer an seiner Seite hat. Dies liegt vor allem daran, dass Jurendic einen klaren Blick auf die Situation beim FCA hat, Prioritäten benennen und Entscheidungen begründen kann. Seine offene Art der Kommunikation ist hier ein großes Plus.

Jurendic ist dabei mit Sicherheit – gerade in der Zusammenarbeit mit Thorup – gerade erst dabei, sich einzugroven. Beide brauchen anhaltenden sportlichen Erfolg, damit Ruhe einkehrt. Beiden schadet es wahrscheinlich auch nicht, gewisse Grundprinzipien festzulegen. Was meine ich damit? Ich könnte mir vorstellen, dass man immer mind. einen Bankplatz für einen Spieler aus dem eigenen Nachwuchs reserviert, damit dieser zum Zuge kommen kann, wenn man – wie gegen Heidenheim in der zweiten Halbzeit – sich in einer eindeutigen Spielsituation befindet. Jurendic wird zudem, mit längerer Vereinszugehörigkeit, schneller in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen. Er weiß dann mehr, was der Verein braucht und wie der FCA basierend auf seinem Wertegerüst handeln sollte. Man mag ihm an dieser Stelle zurufen: Nur Mut, Jure. Viel schwieriger als zuletzt wird es nicht mehr werden und das lief doch bisher schon recht gut.

Auf der Suche nach der sportlichen Identität

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne “Einwurf aus der Rosenau Gazette bei presse-augsburg.de. 

Kaum ein Verein in der Bundesliga (ja, die Hertha ist abgestiegen), hat in den letzten 18 Monaten so viel Bewegung auf den Positionen seiner Entscheider gesehen, wie der FC Augsburg. Erst verkündete Präsident Klaus Hofmann kurz vor dem Saisonabschluss 21/22 seinen Rückzug. Kurz danach erklärte Markus Weinzierl nach dem letzten Spiel, das er nicht für ein weiteres Engagement zur Verfügung steht. Der FCA war schlagartig auf der Suche nach zwei führenden Köpfen.

Erste Unruhewelle

Zuerst besetzte man – nach langem Suchprozess und bei ansteigender Ungeduld im Umfeld – die Trainerposition. Enno Maaßen kam von der Dortmunder U23 und sorgte für Aufbruchsstimmung. Er stand für den Wunsch, dass junge Spieler entwickelt werden sollten. Er stand zudem dafür, seinen Teams Ballbesitzfußball näher zu bringen. Und sein Spielansatz sollte sichtbar intensiv sein.

Im Herbst desselben Jahres fand der FCA einen neuen Präsidenten. Kneipenwirt Max Krapf übernahm die Position. Kommunikativ und stark in der Stadt vernetzt ging er nach seiner Ernennung unmittelbar dazu über, Gespräche mit den unterschiedlichsten Beteiligten zu führen, und sorgte in der Folge dafür, dass sich der ein oder andere mehr mitgenommen fühlte. Sportlich waren zudem unter Maaßen erste Erfolge zu verzeichnen. Es hätte Ruhe einkehren können.

Zweite Unruhewelle

Die weitere Entwicklung wurde dann davon getrieben, dass der FCA sich sportlich breiter aufstellen wollte. Es sollte ein Sportdirektor zur Unterstützung von Stefan Reuter kommen, nachdem Krapf im Tagesgeschäft nicht aktiv eingriff gerade im Vergleich zu Klaus Hofmann. Mit Marinko Jurendic fand man zum 01.08. einen neuen Mann für die Aufgabe. Allerdings kristallisierte sich im Prozess heraus, dass Reuter den Moment nutzen wollte, um selbst in den Hintergrund zu treten. Recht bizarr, wenn man bedenkt, dass ihm beim Abgang von Hofmann noch vorgeworfen worden war, in diesem Zuge seine eigene Macht stärken zu wollen.

In Freiburg war noch alles gut zwischen Maaßen und Jurendic, auch wenn am Ende wieder Christian Streich lachte. (Photo by Neil Baynes/Getty Images)

Der nächste Wechsel wurde unumgänglich, weil Enno Maaßens Team sich selbst immer wieder Beine stellte und Maaßen keine Lösungen mehr fand. Der FCA sah sich gezwungen in der Saison 2023/24, den Wunsch nach Konstanz auf der Trainerposition kurzfristig wieder zu begraben. In der zweiten Länderspielpause im Oktober wurde Maaßen freigestellt und Jess Thorup als neuer Cheftrainer an den Lech geholt.

Gesammelte Abgänge und Visionen

Und wer hätte zu Beginn des Jahres 2022 gedacht, dass nicht einmal 2 Jahre später, weder Stefan Reuter, noch Klaus Hofmann, noch zwei Cheftrainer, die beide den Klassenerhalt gesichert hatten, nicht mehr beim FCA tätig wären. Zusammen mit den gesammelten Abgängen verließen auch viele Ideen und Visionen den Club. Daneben – und das ist ein Thema, welches in Zukunft noch näher betrachten werde – haben auch viele erfahrene Spieler den Club verlassen.

Klaus Hofmann wollte aus dem FCA ein Club formen, der auch international mit Spielern wie Ricardo Pepi für Furore sorgt. Stefan Reuter war ein Verantwortlicher mit ruhiger Hand, der vor allem für Konstanz stand. Die Trainer standen beide für einen aktiven Ansatz in der Spielanlage. Von Enno Maaßen erhoffte man sich, dass er Spieler entwickeln könne, was Weinzierl lieber bleiben ließ.

Wohin geht die Reise?

Gerade sportlich entstand durch die Wechsel kurzfristig ein Vakuum. Sowohl Michael Ströll, der letzte Verantwortliche aus der alten Garde, als auch Max Krapf sind nicht die Fußball-Experten. Krapf hat zu seinen Podcast-Zeiten bei taktischen Analysen immer gerne an die Kollegen übergeben, Ströll hat zwar selbst gespielt, seine Expertise liegt aber v.a. im kaufmännischen Bereich. Mit Jurendic und Heinz Moser hat man zwei dazu geholt, dazu kommt nun mit Jess Thorup ein neuer Trainer. Mit Timon Pauls hat zudem der Chefscout den Club verlassen und wechselte (Trommelwirbel) zur Hertha. Anscheinend steht er auf Unruhe im Umfeld.

Sportlich ist nun die Frage, wie das große Ganze aussehen soll. Krapf hatte in seinen ersten Monaten schon erwähnt, dass er gerne sehen will, dass Spieler auch mit Gewinn verkauft werden. Wirtschaftlich ist der FCA hierauf wohl auch angewiesen, um mit vergleichbaren Clubs auf Augenhöhe zu bleiben. Bei Berisha hat dies auch gleich im Sommer gut funktioniert. Auch bei Ricardo Pepi konnte man den Schaden kurzfristig minimieren und langfristig sogar noch ein bisschen Potential über eine Beteiligung am Weiterverkauf sichern.

Pro “Heimatverein”

Ist aber “Ausbildungsverein” der richtige Begriff, für das Zielbild beim FCA? Sollen Spieler kommen, um auch wieder zu gehen? Es ist schön, wenn das klappt, aber es sollte nicht das Zielbild sein. Die Spieler sollten gerne in Augsburg ihre “beste” Zeit haben. Sie sollten sich wohlfühlen und Topleistungen abliefern. Für manchen wird es zu mehr reichen. Andere werden hoffentlich bleiben und sesshaft werden. Es muss auch wieder Fälle wie den von Daniel Baier geben und nicht nur wild der nächste Baba gesucht werden.

Spieler sollten, wenn fit, gerne ihre Karrieren in Augsburg beenden können. Mir ist das zu viel Familien-Marketing und zu wenig Familiengefühl, wenn man sich das im Moment anschaut. Gerade aber das ruhige Umfeld und die Stadt mit ihrer hohen Lebensqualität sollten Spieler anlocken, die nicht den ganz großen Trubel wollen. Wenn ihnen der Club dann eine gewisse Wertschätzung entgegenbringt, die in der Vergangenheit auch immer mal wieder vermisst wurde (Stichwort: Verabschiedungen), dann werden wir auch wieder große Abgänge sehen, aber auch konstante Leistungsträger, die nicht nach mehr suchen. Dann wird auch für den ein oder anderen Spieler der FCA wieder zur Heimat. Und der FCA ist nicht nur für die Menschen auf den Rängen der “Heimatverein”.

Entscheidungsfaktor

Man möchte sich schon wieder nur auf den sportlichen Bereich fokussieren beim FC Augsburg. Zu spannend ist die Phase unter Jess Thorup. Zwischendurch will ich weiterhin einen Blick auf Themen abseits des Rasens werfen. Am Ende der abgelaufenen Saison war eines der heißen Themen der mögliche Investoreneinstieg bei der DFL, der deutschen Fußballliga, der auch durch die Sitzung in der letzten Woche immer noch ein Thema ist. Der Einstieg platzte damals, die Clubs stoppten das Verfahren und der FCA war mittendrin. Und das war dann in dieser Form zumindest ein bisschen unerwartet. Es folgt ein kurzer Rückblick, der zeigt, welchen Einfluss der FCA im Ligaverbund mittlerweile hat.

Hintergründe zum Investoreneinstieg bei der DFL

Gedankenspiele bzgl. eines Investoreneinstiegs gab es eine ganze Weile, bevor das Thema entscheidungsrelevant wurde. Aus den Gedankenspielen wurde über die abgelaufene Saison hinweg ein konkreter Plan. DFL-Interimsgeschäftsführer Oliver Leki hielt den Einstieg für notwendig. Über den Einstieg sollte ein Teil der zukünftigen Einnahmen der DFL, hauptsächlich Fernsehgelder, für einen Einmalbetrag an ein Private Equity Unternehmen verkauft werden, dass im nächsten Schritt ausgewählt werden sollte. Andere Ligen hatten es vorgemacht, in Deutschland wählte man den Weg des schlechten Imitats. In Frankreich bedauert man die Entscheidung mittlerweile. Dafür waren gewisse Einflussmöglichkeiten abzugeben. Aus den Beiträgen sollten zweierlei Ausgaben – sehr vereinfacht meinerseits – getätigt werden. Einerseits sollte die DFL selbst gerade im Streaming und Multimedia-Bereich zukunftstauglich gemacht werden. Andererseits wäre der größte Teil der Einnahmen den Clubs zu Gute gekommen, quasi zur freien Verfügung. Gerade die Clubs, die sich in wirtschaftlicher Schieflage befinden, hatten hieran ein großes Interesse.

Meinungsbild abseits der DFL

Die Fans lehnten die Idee eines Investoreneinstiegs mehrheitlich ab. 2/3 aller Anhänger waren gegen einen Einstieg, bezogen auf den FCA sogar fast 3/4. Der Kicker hatte eine entsprechende Umfrage durchgeführt. Das Thema war sichtbarer Mittelpunkt von Fanprotesten Die von Leki angeführte Notwendigkeit war natürlich teilweise Quatsch, gerade abseits der multimedialen Zukunftstauglichkeit. Zudem gibt es auch keine komplett gleichgerichteten Interessen zwischen Private Equity Investor und Liga. Die Liga sollte eine langfristigere Strategie verfolgen als der Investor und zudem die Rolle des Fußballs über gewinnorientierte Strukturen hinaus begreifen. Sozialverträglichkeit ist ein Stichwort, dass man in diesem Zusammenhang nicht gelesen hat.

Wann kann man sich in Augsburg mit dem FC Bayern identifizieren? Wenn Fans der Bayern (wie die des BVB auch) gegen den Investoreneinstieg bei der DFL protestieren. (Photo by Alex Grimm/Getty Images)

Insgesamt war so das Meinungsbild außerhalb der DFL-Gremien in der Mehrheit gegen den Investoreneinstieg gerichtet. Selbst die Clubs hatten viele Fragen vorgebracht, um die Pläne der DFL aufzuklären. Etwas, was in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht in ausreichendem Maße vorhanden war: Transparenz. Ein möglicher Investorendeal wurde hinter den Kulissen von den DFL-Verantwortlichen angebahnt und selbst den Clubs wurden nicht alle Informationen für die Entscheidung zur Verfügung gestellt. Skepsis sah man vielerorten, auch wenn man von außen vor der Abstimmung nicht gedacht hätte, dass die Vereinsvertreter den Prozess stoppen würden. Zu süß wirkte die Aussicht auf einen schnellen Geldregen.

Entscheidung vor dem Saisonende

Die Abstimmung über den Investoreneinstieg fand dann auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der DFL am 24.05. statt. Der Zeitpunkt war natürlich geschickt gewählt, denn die Bundesliga befand sich in der spannendsten Endphase seit vielen Jahren und das Thema drohte deshalb unterzugehen. Es brauchte eine 2/3 Mehrheit der Clubs, damit der Prozess weiter vorangetrieben würde.

Diese fand die DFL-Führung nicht. Die 36 Vereine der ersten und zweiten Bundesliga hatten nicht mit der nötigen Mehrheit der weiteren Anbahnung eines Private Equity Investoreneinstiegs zugestimmt. „Dieser Prozess ist mit dem heutigen Tag zu Ende“, sagte Hans-Joachim Watzke. Die DFL ist nun gezwungen, über andere Alternativen für ihre Zukunft nachzudenken, oder – wie in den letzten Tage bekannt wurde – einen neuen Versuch in Richtung Investoreneinstieg zu starten. Ein Verein, der gegen den DFL-Vorschlag stimmte: der FC Augsburg.  

Einfluss des FC Augsburg

FCA Geschäftsführer Michael Ströll stand kurz nach der Entscheidung dem Rasenfunk für ein Interview zur Verfügung, das Eingang in ein überaus ausführliches und informatives Tribünengespräch fand. Er machte dort klar, dass auch er die Notwendigkeit sieht, dass sich die DFL zukunftsfähiger aufstellt. Er sieht hier aber auch weitere Finanzierungsoptionen, die nun in der Breite diskutiert werden müssten. Fragen, die sich aus Sicht von Michael Ströll stellen sind dabei: Was wollen wir als Verbund der 36 Clubs? Welche Strategie wollen wir?

Es wird spannend, wann und in welcher Form die DFL diese Fragen weiter angehen wird. Wahrscheinlich wird nun zuerst die nächste TV-Rechtevergabe vorbereitet. Für den FCA ist die Positionierung spannend. Ist man doch selbst ein Club, bei dem 99% der Anteile von Investoren gehalten werden, bzgl. derer man aber mehr Unabhängigkeit anstrebt. Eine Entscheidung pro Investor hätte hier die Glaubwürdigkeit beschädigt. Hinzu kommt, dass einige Vereine ihre wirtschaftlichen Probleme mit einem Geldsegen ausgleichen hätten können. Der FCA hat solche Probleme momentan nicht und kann seinen hart erarbeiteten Wettbewerbsvorteil erhalten. Unter dem Radar hat der FCA diese Situation geschickt für sich genutzt. Chapeau!

Interessant ist es in jedem Fall, dass auch neben dem FCA einige Clubs den Investorendeal abgelehnt haben, aus welchen Gründen auch immer. Manche der zustimmenden Clubs werden intern diskutieren müssen, wie sie die Zustimmung teilweise gegen Mitgliedervoten geben konnten. Festzustellen ist: Nach 12 Jahren Bundesliga ist der FCA in der Gruppe der Clubs ein mit entscheidender Faktor der ernst zu nehmen ist und der dabei seine Mitglieder nicht verrät. Ich habe mir den Tag rot im Kalender angestrichen, um ihn den Nörglern von außerhalb beizeiten vorhalten zu können. Für die FCA Verantwortlichen muss es die Aufgabe sein, hieran nun weiter anzuknüpfen. So sind die veröffentlichten Werte dann nicht nur ein Marketingkonstrukt.

Die neue Ernsthaftigkeit

In der ersten Trainingswoche unter dem neuen Trainer Jess Thorup wurde am Mindset gearbeitet. Auch an taktischen Dingen. Aber eben auch am Mindset. In der Pressekonferenz vor dem Spiel war hier von Seiten Jess Thorup zu hören: “Für mich ist wichtig, wie wir auf dem Platz stehen.” Und damit war nicht die Formation gemeint, sondern die Art und Weise der Umsetzung.

Mit diesen Aussagen und Eindrücken bestätigt sich das erste Bild, das Jess Thorup in seinen ersten Tagen beim FCA abgegeben hat. Der Familienmensch Jess Thorup erschien zu seiner Antrittspressekonferenz im Dreiteiler. Es wurde ersichtlich, dass es hier auch im Außenauftritt des älteren Trainers Thorup deutliche Unterschiede zu Enno Maaßen gibt. Er steht damit auch in einer dänischen Tradition beim FC Augsburg. Mads Pedersen hatte seine Vertragsverlängerung im formalen Zwirn unterschrieben. Beide zeigen auch mit ihrer Kleidungswahl die Wertschätzung gegenüber ihrem Arbeitgeber.

Verbindlichkeit

Jess Thorup wirkt entsprechend in seinen ersten Tagen nicht nur älter als Maaßen sondern strahlt auch auf eine andere Art und Weise Autorität aus. Man kann in jedem Falle erkennen, dass Thorup ein anderer Typ ist. Wenn man nun den Ausführungen von Marinko Jurendic zum Suchprozess folgen mag, so hat sich im Anforderungsprofil wohl herausgebildet, dass eine reifere Persönlichkeit nötig ist, um mit der jungen Mannschaft zu arbeiten. Ob diese Rechnung aufgeht, werden wir alle zusammen beobachten können.

Maaßens Ansatz, der darauf basierte, dass die neue Generation der Spieler eine lockerere Ansprache benötigt, ist am Ende gescheitert. Von den erfahrenen Kräften blieb kaum einer übrig, das junge Team lieferte immer wieder schlechte Halbzeiten ab und machte sich über dumme Fehler selbst Spielverläufe kaputt. Evtl. ist hier auch diese ausstrahlende Verbindlichkeit ein kulturelles Element, das zukünftig positive Effekte erzeugen kann.

Jess Thorup auf dem Feld mit der Mannschaft. Seine Ausstrahlung ist nicht zu bestreiten. (Photo by CHRISTOF STACHE/AFP via Getty Images)

Über das Fußballerische hinaus

Die Probleme der Mannschaft gehen dabei über die rein fußballerischen Themen hinaus. Die verkackten ersten Halbzeiten und die monströsen individuellen Fehler sind auf einer rein fußballerischen Ebene nicht erklärbar. Gerade deshalb hatte ich vor Wochen die mentale Entwicklung des Teams thematisiert. Thorup scheint hier anzupacken und nach Lösungen zu suchen.

Ein Fokus von Thorup liegt dann im Spiel gegen Heidenheim auf Mentalität und Einsatz, zu der er auf der ersten Pressekonferenz sagte: “Das kann jeder. Das muss ich von jedem sehen.” Der Konkurrenzkampf ist eröffnet und auch die mannschaftliche Struktur wird durchgerüttelt. Während Keeper-Spezialisten die Leistungen von Finn Dahmen ansprechend fanden, obwohl er dem Team noch keinen Sieg durch individuelle Glanzparaden festhalten konnte, ist auch auf der Torhüterposition der Konkurrenzkampf angeschürt. Eine Einsatzgarantie für Dahmen gab es vorerst nicht. Einzig Ermedin Demirovic bleibt hier außen vor. Er bleibt vorerst Kapitän und ist durch seine Torgefährlichkeit auch sportlich aus der Mannschaft nicht wegzudenken. Für alle anderen gilt es, sich zu beweisen und zu zeigen, was sie drauf haben.

Neue Chancen

Entsprechend ergibt sich für den FCA die schöne Situation, dass durch den Wechsel nun viele neue Chancen bestehen. Spieler wie Arne Maier oder Niklas Dorsch können wieder hoffen, mehr in den Fokus zu rücken, um sich beweisen zu dürfen. Bei all dem strahlt Thorup eine große Verlässlichkeit aus. Es wird Zeit brauchen, bis sportlich mehr von dem zu sehen ist, was er umsetzen will. Rein von der Herangehensweise ist ein neuer Zeitgeist eingekehrt.

Dabei teile ich die Meinung, dass diese Ernsthaftigkeit jetzt das ist, was die Mannschaft auch braucht. Thorup kann wie ein Stützpfeiler wirken, an dem sich das Team nach und nach aufrichtet. Ernsthaftigkeit ist auch etwas, dass ich bei allen Profis im Hinblick auf ihre Leistungen erwarte, abseits allen Spaßes und aller Lockerheit. Der FCA und das Team ist vielen Menschen wichtig. Es ist schön zu sehen, dass der neue Trainer zumindest mir das Gefühl gibt, dass er hier Ansätze findet um auch über sein Wirken auf die Mannschaft die Leistungen positiv zu beeinflussen. Kurz vor dem Heidenheim-Spiel bin ich optimistisch, dass dieser Ansatz funktionieren kann. Und damit ist nach einem Jahr ohne Auswärtssieg schon viel erreicht und mehr konnte man von Thorup als Fan nicht erwarten.

Endlich

Nein, die Mannschaft ist noch nicht wieder in der Spur. Es geht überhaupt nicht um ein sportliches Thema. Der FC Augsburg arbeitet weiterhin daran, sich strukturell besser aufzustellen und hat in diesem Zusammenhang vor kurzem einen anstehenden Neuzugang verkündet. Spätestens in der Winterpause kommt mit Denise Schäfer eine Kommunikationsexpertin zum FCA und nimmt den Posten einer Direktorin Medien und Kommunikation ein.

Schäfers Erfahrungsschatz ist unbestritten. Sie hat den Job von der Pike auf bei Eintracht Braunschweig gelernt und dort nach dem Abgang von Miriam Herzberg die Leitung der Abteilung übernommen. In Braunschweig hat sie Abstiege und Aufstiege in 3 Ligen begleitet und ist schwierige kommunikative Situationen gewöhnt. Dominik Schmitz bleibt beim FC Augsburg Leiter der Stabsstelle Sportkommunikation. Der FCA hat allerdings auch in diesem Bereich erkannt, dass er sich weiter professionalisieren und breiter aufstellen muss. Mit Denise Schäfer geht man nun genau diesen Schritt auch im Hinblick auf das Thema Kommunikation.

Verbesserungsbedarf vorhanden

Gerade abseits der sportlichen Themen hat der FC Augsburg fortwährend Verbesserungsbedarf bzgl. seiner Kommunikation erkennen lassen. Ohne an dieser Stelle all zu sehr in vergangenen Vorgängen herumstochern zu wollen, mag ich zwei Beispiele nennen, die den Verbesserungsbedarf eindeutig aufzeigen. Zum Ersten geht es um die Kommunikation wesentlicher Einschnitte und Veränderungen. Die Mitglieder des Vereins haben aus dem Handelsregister erfahren, dass Investoren des FCA Anteile an der Investorengesellschaft an David Blitzer verkauft haben. Hier hätte die Kommunikation des Vereins von Anfang transparenter verlaufen müssen. Der Ganze Vorgang war – getrieben durch den damaligen Präsidenten Klaus Hofmann – auf kommunikativer Ebene ein Desaster.

Hinter diesem Banner stehen keine Kunden. (Photo by Alexander Hassenstein/Getty Images)

Zum Zweiten hat der FCA ein Thema mit der alltäglichen Ausrichtung seiner Kommunikation. Einerseits werden Fans als Kunden bezeichnet, während Sponsoren Mitglieder der FCA-Familie sind. Ich hatte das vor einiger Zeit einmal anekdotisch aufgearbeitet. Das darf gerne besser werden. Ich mag mich eigentlich nicht als Kunden bezeichnen lassen, während der zahlende Sponsor, der im Zweifelsfall bei Misserfolg wieder weg ist, der sogenannten Familie angehört. Ich hoffe, Denise Schäfer räumt in dieser Hinsicht einmal auf.

Vielfalt

Einer der Kernwerte des FCA ist Vielfalt und Fußball kein reiner Männersport. Dennoch hat sich beim FCA bis dato keine Frau in der Führungsetage wiedergefunden. Dass Denise Schäfer – als erste Direktorin beim FCA – nun neben ihren Kompetenzen auch ihre weibliche Lebensperspektive einbringen kann, ist erfreulich. Ich hoffe, sie tut es mit vollem Selbstbewusstsein um ihre einzigartige Perspektive in den Gremien und öffnet weitere Türen.

Ich konnte zusätzlich feststellen, dass der FCA sich in seinem Auftreten insofern verbessert hat, als vor kurzem sogar eine Pressekonferenz von einer Frau geleitet wurde. Immer mehr weibliche Gesichter tauchen in der Kommunikation rund um den FCA auf. Es ist noch ein Weg, aber erste Schritte wurden getan, so dass die Vielfalt, die intern schon vorhanden ist, auch nach außen sichtbar wird. Wenn ich meiner Tochter Fußballvideos schaue, dann freut sie sich, dort nicht nur Männer zu sehen. Warum sollten denn auch immer Kerle in den Interviews Fragen stellen?

Vorfreude

Insgesamt sorgt der Zugang von Denise Schäfer für eine gewisse Vorfreude auf den FCA in 2024. Zumindest abseits des Platzes. Für auf dem Platz müssen wir nun einmal schauen, wie Jess Thorup abliefert. Was dabei für mich mit am meisten Gewicht eingenommen hat? Ich habe bei @rosalaut auf Twitter angeklopft. Sie ist Braunschweig-Fan und hat einen guten Einblick in die dortigen Strukturen. Sie kennt und schätzt Denise Schäfer und findet gerade deshalb den Abgang schade.

Gerade aus menschlicher Perspektive ist Denise hoffentlich ein Mensch, der gut zu uns und dem bestehenden Team passt, und auf den wir uns freuen können. Auf bald, Denise Schäfer! Mögen sich deine Hoffnungen durch den Wechsel erfüllen und wir alle gemeinsam viel Spaß haben.

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