Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.
Ich gebe es zu, bei einer möglichen Rückkehr von Marco Richter gerate ich schnell ins Träumen. Ich bin bei diesem Thema mit Sicherheit nicht unvoreingenommen. Ich hebe das Thema nun aber nicht selbstständig aufs Podest. Die Steilvorlage von Stefan Reuter aus einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen nehme ich aber gerne auf. Reuter, der sonst keine Transferkandidaten vorab kommentiert, hat zu einer möglichen Rückkehr von Marco Richter gesagt: „Wir haben uns erkundigt, weil Marco bei uns ein hohes Ansehen genießt“. Eine Rückkehr von Marco Richter würde einfach zu viel Sinn machen. Aber vielleicht einmal von vorne.
In der Rosenau groß geworden
Es gibt keinen Jugendspieler des FCA, der es in den letzten 10 Jahren souveräner in die erste Elf der Herrenmannschaft geschafft als Marco Richter. Schon in der U23 und den Jugendmannschaften sorgte er Furore. Und stellte Rekorde auf. Oben bei den Profis setzte sich die Entwicklung anfänglich – gerade unter Manuel Baum – fort, bevor auch Marco Richter ab 2019 unter den schnell-wechselnden Trainern zu leiden hatte. Martin Schmidt und Heiko Herrlich kamen, bevor Marco im Sommer 2021 entschied in die große weite Fußballwelt auszuziehen.
Hertha BSC streckte zu diesem Zeitpunkt die Fühler aus. Der “Big City Club” zahlte ca. 7 Mio EUR Ablöse und Richter wohl auch ein höheres Gehalt als der FCA. Einzig, sportlich hätte die Entscheidung nicht fataler sein können. Nach 2 Jahren bei der Hertha stand nun im Sommer der Abstieg in die zweite Liga zu Buche. Der Schritt zur Hertha scheint trotzdem für Marco ein richtiger gewesen zu sein. Die Hoffnung, außerhalb von Augsburg das große fußballerische Glück zu finden, ist nun vielleicht verflogen. Eventuell ist nun auch ein gewisser Realismus eingekehrt, dass es nicht mehr zum internationalen Top-Star reichen wird. Aber in Berlin ist Marco dennoch gewachsen. Und während seiner Hodenkrebserkrankung, mit der er verblüffend offen und souverän umging und durch die sich vielleicht der ein oder andere Kerl zur Vorsorge begeben wird, hatte er anscheinend in Berlin wichtigen Rückhalt und Unterstützung erfahren.
Warum zurück?
Richter ist bei der Hertha gesetzt und trug zuletzt in einem Testspiel die Kapitänsbinde. Zudem wird er bei seinem derzeitigen Club keinen Stunk machen, um wegzukommen. Das hatte er schon damals beim FCA nicht getan. Dennoch ist Richter ein Spieler, der nicht in die zweite Liga gehört. Er hat die Qualität Bundesliga zu spielen und sollte entsprechende Optionen haben. Andererseits wird aus Marco Richter wohl kein Wandervogel werden. Ich könnte mir vorstellen, dass er lieber bei der Hertha bleibt, als nur zu wechseln, um in der ersten Liga zu spielen. Es müsste schon das passende Angebot kommen (und ich würde behaupten, dass er Clubs wie z.B. Gladbach helfen könnte).
Andererseits muss es sportlich passen. Dies ist aus meiner Sicht gerade beim FCA gegeben. Mit Enno Maaßen hat es einen Trainer, der den Rückhalt aus dem Verein hat. Kurzfristige Wechseleien sind erstmal unwahrscheinlich (obwohl wir alle das Geschäft kennen). Maaßens System ist zudem zentrumsorientiert und der FCA hatte in der letzten Saison Probleme, Torgefahr zu generieren. Sollte Maaßen z.B. in einem 3-4-2-1 System spielen wollen, wäre Richter prädestiniert für eine der Halbpositionen. Der FCA hatte zudem in der Breite in der letzten Saison nicht genügend Qualität im Kader. Auch hier würde Richter helfen. Er wäre im Fall der Fälle auch auf der rechten Außenposition einsetzbar. Bei der Hertha war er letzte Saison so eine Art Schweizer Taschenmesser. Polyvalent. Über 150 Bundesligaspiele, 25 Jahre alt, erfahren und ein Mega-Typ.
Was spricht dagegen?
Und bei Mega-Typ höre ich den ein oder anderen schon meckern: aber er hat doch sein Tore gegen uns gefeiert. Ja, und mit Recht. Wenn Du den Krebs besiegt hast und entscheidende Tore für deinen Club schießt, dann hast Du jedes Recht dich zu freuen. Da war ja keine Häme drin. Ich habe gesehen, wie er für die Hertha den Unterschied gemacht hat und ich will das wieder in Augsburg für den FCA sehen. Zumindest, wenn Richter selbst Bock drauf hat.
Ernsthaft gegen den Transfer könnte die wirtschaftliche Seite sprechen. Es ist davon auszugehen, dass Richter in der zweiten Liga sein Gehalt nicht in voller Erstligahöhe erhält. Die Gehaltseinbußen würden also auf Richters Seite wohl am ehesten sein letztes Vertragsjahr 2024/25 bei der Hertha betreffen, sollte die Hertha direkt wieder aufsteigen. So Richter keine vermessenen Forderungen stellt, wird ein Transfer wohl nicht an seinen Gehaltswünschen scheitern.
Nun kommt die Hertha ins Spiel. Ein Abgang Richters muss sich für die Hertha lohnen. Sie hat damals ca. 7 Millionen EUR bezahlt und Richter ist erst 25 Jahre alt und sportlich wichtig. Richter wird sich also nicht in die sommerliche Schnäppchen-Riege einreihen. Wenn man den Transfer von Jessic Ngankam als Maßstab ansetzt, der von der Hertha für ca. 4 Millionen EUR zur Eintracht wechselte, scheint ein Richter-Transfer wohl auch in dieser Größenordnung realisierbar. Ob die Hertha in deren finanziellen Situation ein Angebot in dieser Größenordnung ablehnen könnte, scheint fraglich. Inwieweit der FCA bereit ist einen solchen Betrag in Richter zu investieren, ist an dieser Stelle am offensten. Es könnte ein Geduldsspiel über die Transferperiode hinweg werden. Die Hertha ist auf Verkäufe angewiesen, will aber ihr Tafelsilber auch nicht verschleudern.
Die Perspektive
Aus meiner Sicht sollte der FCA diese Anstrengung unternehmen, als auch versuchen, Richter von einer langfristigen Zukunft in Augsburg zu überzeugen. Richter kann – erneut – eine absolute Identifikationsfigur beim FCA werden. Mit seinen Erfahrungen bei der Hertha und unter Berücksichtigung seines sympathischen und professionellen Auftretens kann ich mir nicht nur vorstellen, dass Richter zurückkommt, sondern auch, dass er die Augsburger Elf in ein paar Jahren als Kapitän aufs Feld führt. Maaßen würde nicht nur einen flexibel einsetzbaren, sondern auch einen erfahrenen und sich zum Führungsspieler entwickelnden Profi bekommen. Auch davon hatten wir letztes Jahr nicht genug. Richter wäre zudem ein tolles Vorbild für die Spieler im Nachwuchsleistungszentrum und könnte hier integrativ wirken.
Und wenn man nun mal zum Träumen neigt (Grundeigenschaft eines Fußballfans), dann ist es bei einer Rückkehr in dieser Saison immer noch möglich, dass Richter alle Bundesligarekorde für Spiele und Tore einstellt, die es beim FCA so gibt, bevor er hier dann – ähnlich dem Stindelschen Abschied in Gladbach – unter Standing Ovations seine Karriere beendet. Daheim. Ja, ich träume von der Heimkehr von Marco Richter.