Einwurf April 2016: Markus Weinzierl und die Stürmer

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de. 

Markus Weinzierl hat auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Bremen einen dieser Sätze gesagt, die mich zum Nachdenken bringen: „Ich bin sehr zufrieden mit Alfred Finnbogason. Ich habe ihn schon viel früher in unserem Kader gewollt.“ Alfie hat gegen Bremen wieder ein tolles Spiel gemacht, ein Tor geschossen. Es geht in dieser Kolumne nicht darum, die Leistungen  oder die Qualität von Alfred Finnbogason zu schmälern. Ich hoffe er spielt weiter wie bisher und schießt uns zum Klassenerhalt. Und danach zurück in den Europapokal.

Ich verstehe, dass der FCA Alfred Finnbogason schon früher verpflichten wollte. Er scheint dem Anforderungsprofil zu entsprechen, das Markus Weinzierl bei seinen Stürmern anlegt. Ein Stürmer im System von Markus Weinzierl soll, wenn der Gegner den Ball hat, die Mannschaft im Pressing unterstützen. Wenn die eigene Mannschaft den Ball dann erobert hat, soll er einen möglichen langen Ball sowohl mit dem Kopf als auch dem Fuß annehmen und weiterleiten können. In letzter Instanz soll der Traumstürmer dann direkt umschalten und am rechten Fleck stehen, um das Tor selbst zu machen. Das positionsbezogene Aufgabenprofil ist dabei sowohl taktisch (z.B. wann und wie laufe ich Verteidiger an) als auch technisch (z.B. Kopfballspiel, Ballannahme und –weiterleitung) anspruchsvoll. Es gibt sehr viele Dinge, an die man als Stürmer in diesem System zu denken hat, wobei der Torabschluss nur eine von vielen Aufgaben ist. In der Öffentlichkeit wird man als Stürmer aber vor allem daran gemessen. Dabei kommen in diesem System, die offensiven Außen deutlich besser weg. Sie müssen zwar auch gegen den Ball arbeiten, haben dabei aber in der Außenlinie eine unschätzbare Hilfe. Wenn dann nach vorne gespielt wird, landen viele vertikale Bälle direkt bei Ihnen und führen regelmäßig zu gefährlichen Torchancen. André Hahn hat es so zum Nationalspieler gebracht, Raul Bobadilla hat seine besten Spiele rechts außen gemacht und Tobi Werner ist zur Vereinslegende geworden.

Der letzte Stürmer, der zweistellig für den FC Augsburg getroffen hat? Sascha Mölders 2012/2013 in Markus Weinzierls erstem Jahr. In diesem ersten Jahr hat zudem Dong-Won Ji in der Rückrunde 5 Tore zum Klassenerhalt beigesteuert. In den folgenden zwei Jahren kam in der Bundesliga kein Mittelstürmer mehr auf eine nennenswerte Trefferanzahl, wobei die offensiven Außen weiter glänzen durften und sowohl Andre Hahn als auch Raul Bobadilla zweistellig trafen. Tobi Werner war mehrmals nah dran. In dieser Saison könnte mit Finnbogason erstmals wieder ein Stürmer „ordentlich“ treffen. Und das obwohl er erst zur Winterpause zum FCA kam. Weinzierls Aussage deutet an, dass einer wie Finnbogason bisher gefehlt hat. So einen hatte er bisher einfach nicht. Will Weinzierl damit sagen, dass die Qualität der Stürmer im Kader des FC Augsburg einfach nicht hoch genug war?

Dem steht entgegen, dass viele der Stürmer, die Markus Weinzierl zur Verfügung standen, bei anderen Vereinen ihre Treffsicherheit unter Beweis gestellt haben. Arkadiusz Milik  hat alleine in der laufenden Saison 21 Pflichtspieltreffer und 12 Vorlagen für Ajax Amsterdam auf seinem Scorerkonto verbuchen können. Tim Matavz hat während seiner Zeit in den Niederlanden in 203 Spielen 90 Tore geschossen. Selbst Giovanni Sio hat für Stade Rennes in dieser Saison schon 12 Scorerpunkte (6 Tore, 6 Vorlagen) gesammelt. Nikola Djurdjic hat für Malmö und Fortuna Düsseldorf in dieser Saison bisher 7 Pflichtspieltreffer erzielt. Wenn Sascha Mölders für 1860 trifft (bisher  4 Tore, 2 Vorlagen), dann muss ich kurz schlucken.

Über fehlende Qualität auf dieser Position sollte Markus Weinzierl sich nicht beklagen. Es wundert mich, dass er es überhaupt andeutet. Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich mich fragen, ob ich alles mir mögliche unternommen habe, damit Stürmer in Augsburg erfolgreich sein können. Kann das positionsspezifische Training verbessert werden, damit die Anforderungen an die Stürmer klarer werden und nicht zu Überforderung führen? Nachdem das Spiel des FC Augsburg nicht primär auf Stürmertore ausgelegt ist, leidet das Selbstvertrauen bei Durststrecken. Wie kann man hier gegenarbeiten? Spieler wie Milik oder Matavz hatten beim FCA kein Selbstvertrauen und wirkten überfordert. Probleme in der Chancenverwertung waren die Folge. Die Leistung der Spieler fällt dabei immer auch auf den Trainer zurück. Markus Weinzierl kann in Augsburg nichts mehr lernen? Wenn ein Stürmer für ihn in der Bundesliga zumindest 15 Tore gemacht hat, gebe ich in diesem Punkt nach. Bis dahin gibt es für Markus Weinzierl auch in Augsburg noch genug zu tun.

Warum #TeamMarktwert nicht zu Ende denkt

Gleich vorweg: #TeamMarktwert ist eine schwierige Geschichte für mich. Als überzeugter Augsburger, ist mir bewusst, dass die Idee der „Traditionsclubs“ dazu führen würde, dass der FC Augsburg bei gleichbleibender sportlicher Leistung einen geringeren Anteil aus den TV Erlösen zugeordnet bekommt (in 2015/16 waren wir bzgl. der Zuweisungen auf Platz 8 in der Bundesliga, vor allen Vereinen, die #TeamMarktwert begründet haben). Ganz objektiv werde ich das Thema daher nicht betrachten können. Allerdings besteht ein wesentlicher Teil meiner beruflichen Arbeit daraus, Markenwerte zur ermitteln und angemessene Preissysteme zu bestimmen. Wenn eine solche Diskussion wie die um #TeamMarktwert aufkommt, dann schaue ich mit zwei Brillen auf die Thematik. Es ist ein bisschen wie 3D. Ich werde euch im Folgenden versuchen zu beschreiben, was ich sehe. Mal schauen, wie weit wir kommen.

Was will #TeamMarktwert?

Im Moment werden die Fernsehgelder der Bundesligisten (80% des Gesamttopfs) nach zwei Schlüsseln aufgeteilt. Ungefähr 65% der Fernsehgelder werden gleichmäßig aufgeteilt und bilden einen einheitlichen Sockelbetrag. Die restlichen ca. 35% werden abhängig vom sportlichen Erfolg verteilt, wobei die letzten 5 Jahre zu Grunde gelegt werden und die Jahre abhängig von der vergangenen Zeit linear gewichtet werden (letztes Jahr 5x, fünftletztes Jahr 1x).

Zusätzlich zu diesen zwei Verteilungskriterien soll laut #TeamMarktwert in einer dritten Säule der „Marktwert“ der Clubs berücksichtigt werden. Genannt werden hierzu Kennzahlen wie Fanbasis, Beliebtheit, Bekanntheit, TV-Reichweite und Interaktionsraten in Social Media. Die Neuverteilung soll zusammen mit dem neuen Fernsehvertrag ab der Saison 2017/18 gelten. Ob die prozentualen Anteile der dritten Säule von der ersten oder zweiten Säule abgeschnitten werden sollen, wurde meiner Kenntnis nach nicht präzisiert.

Wie begründet sich der vorgebrachte Anspruch von #TeamMarktwert?

Die beteiligten Clubs argumentieren, dass ihre „Attraktivität“ (ihr sog. Marktwert) dazu führt, dass mehr Menschen Bundesliga im Fernsehen schauen. Ein möglichst großes Interesse am Produkt Bundesliga führt z.B. über Abonnentenzahlen oder Werbeerlöse zu einem höheren Wert der Fernsehrechte und damit zu einer größeren Zahlungsbereitschaft von Sky und eventueller Konkurrenz. Diesen Beitrag zum Wert der Bundesliga wollen sich die Clubs entlohnen lassen. Dieser Gedanke ist nicht nur von mir noch sehr gut nachvollziehbar.

Wie ist die Interessenslage der einzelnen Clubs. außerhalb #TeamMarktwert? 

Ich habe auf Grund unterschiedlicher Reaktionen (nicht von offiziellen Vertretern, aber von Fans auf Twitter, etc.) 3 Gruppen neben #TeamMarktwert identifiziert. Die Einteilung ist etwas vereinfacht, also seid mir bitte nicht böse, wenn euer Club aus eurer Sicht in der falschen Gruppe gelandet ist (ich schaue hier v.a. nach Gladbach und Hannover, wo die Einteilung schwierig ist).

Vorneweg marschieren mit den Bayern, Dortmund, Schalke und Gladbach vier Clubs, bei denen man zuerst vermutet hätte, die Diskussion kann ihnen doch recht egal sein, denn ihre Anteile an den Fernsehtöpfen, werden sich durch eine breite Fanbasis und nachhaltigen sportlichen Erfolg wohl auch im neuen System nicht ändern. Allerdings sind diese Clubs darauf aus, die Fernsehgelder insgesamt zu maximieren. Der Gesamttopf wächst aus ihrer Sicht am meisten, wenn „attraktive“ Clubs wie der HSV oder Stuttgart, weiter in der Bundesliga spielen und Fans anlocken. Sie wollen so v.a. ihre Wettbewerbsfähigkeit in Europa sicherstellen bzw. verbessern.

In einer zweiten Gruppe tummeln sich Wolfsburg, Leverkusen, Hoffenheim und Ingolstadt. Von Großkonzernen getragen und aufgebaut, steht immer im Zweifel, ob der Hauptzweck des Unternehmens der Sport ist (bei RBL gibt es keinen Zweifel, aber das nur am Rande). Sie würden im neuen Verteilungssystem einen geringeren Anteil an Fernsehgeldern erhalten, könnten dies aber evtl. durch erhöhte Zuschüsse der Konzerne im Hintergrund wieder ausgleichen.

In der letzten Gruppe sammeln sich die Clubs um Mainz, Augsburg, Darmstadt und Hannover. Es fehlt die traditionsreiche Bundesligahistorie der Clubs um #TeamMarktwert (Plätze 15,25, 33 und 41 im Vergleich zu den Plätzen 2,4,5,9,10 und 12 in der ewigen Tabelle der Bundesliga), die wohl zum sog. Marktwert der entsprechenden Teams erheblich beigetragen hat. Allerdings haben alle diese Vereine mit sportlichen Ergebnissen aufhorchen lassen, die über ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten lagen. Wenn die sportlichen Ergebnisse nun einen geringeren Anteil der Verteilung ausmachen bzw. der Sockelbetrag sinkt, so wird dies zu einem geringeren Anteil an Fernsehgeldern führen, der die Wettbewerbsposition im Vergleich zum Rest der Liga deutlich verschlechtert. Nachdem diese Vereine die sinkenden Einnahmen nicht durch Großunternehmen im Hintergrund ausgleichen können, besteht hier wohl die größte Gefahr, dass ein veränderter Verteilungsschlüssel im Sinne des #TeamMarktwert zu Einschnitten und damit schlechteren sportlichen Ergebnissen bzw. Abstieg führt.

Was sollte das Interesse der DFL sein und wie sollten die Fernsehgelder verteilt werden?

Die DFL sollte ihr eigenes Produkt nicht nur schützen, sondern dessen Wert langfristig maximieren. Dieses Produkt sind die ersten beiden Fußballligen, wobei der Hauptteil des Werts mit Sicherheit auf der ersten Bundesliga liegt. Nachdem diese Diskussion insgesamt kommerziell geprägt ist, habe ich kein Problem damit, für diese langfristige Wertmaximierung ein rein wirtschaftliches Vorgehen zu wählen. Die DFL muss ihren Gewinn maximieren. Ob die Traditionsclubs „gerecht“ entlohnt werden, sollte dabei nicht das Hauptziel sein. Wie das geht, kann man beim FC Bayern (erste Grafik im Link)  gut sehen. Der Club spielt dauerhaft in der europäischen Spitze mit. Er ist das einzige deutsche Fußballunternehmen auf diesem Niveau. Dabei spielen Fernseheinnahmen eine wichtige Rolle (allerdings sowohl im In- als auch im Ausland, wo die DFL noch deutlich hinterherhinkt), denn sie machen insgesamt ca. 30% der Einnahmen der Clubs aus. Gewinn zu erwirtschaften ist dabei dauerhaft wichtig, da nur so weitere Investitionen in Stadien bzw. Spieler möglich werden, ohne von 50+1 abweichen zu müssen und auf Kapital von Investoren angewiesen zu sein. Die Vereine der Liga müssen daher jeder für sich wirtschaftlich sinnvoll handeln und versuchen, ihre Erträge zu maximieren.

Die DFL ist einer schwierigen Situation, denn sie hat nicht viele direkte Einflussmöglichkeiten, um die Vereine in diese Richtung zu lenken. Die Verteilung der Fernsehgelder ist wohl ihre effektivste Möglichkeit, um das Handeln der Clubs zu beeinflussen. Dabei ist der derzeitige Ansatz schon nicht vollkommen. Manche Standorte haben per se bessere Möglichkeiten, da der Wirtschaftsraum mehr Menschen und Unternehmen und daher mehr Sponsoren- bzw. Zuschauerpotential beheimatet. Die Vereine des #TeamMarktwert sind in solchen Gegenden zu Hause. Diese besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, sollten schon jetzt bei kompetentem Management zu besseren sportlichen Ergebnissen führen. Diese Vereine sollten schon jetzt mehr Fernsehgelder kassieren als z.B. der FC Augsburg. Im genauen Gegensatz dazu hat z.B. der HSV (Gründungsmitglied #TeamMarktwert) dieses Jahr einen Rekordverlust von 16,9 Mio. EUR verkündet. Auch die anderen Vereine haben Probleme. Hertha hat in 9 Jahren gerade zweimal Gewinn erwirtschaftet. Als Verantwortlicher bei der DFL würde mich das stutzig machen.

Wer selbst ein Aktiendepot hat, denkt sehr genau darüber nach, welche Einzelwerte er kauft oder verkauft. Wenn es sich bei den Mitgliedern des #TeamMarktwert um Aktien handeln würde, so wären zumindest 4 von 6 in den letzten Jahren stetig gesunken. Köln und Hertha haben sich gerade wieder etwas erholt, aber wer will dieser Erholung dauerhaft trauen? Die Liga soll in genau diese Werte investieren, in dem Sie ihnen mehr Fernsehgelder zuweist? Ich würde es nicht machen. Wenn Werte sinken und ich keine Strategie sehe, wie die Entwicklung umgekehrt werden kann, verkaufe ich diese Werte. Stoße sie ab, um meine Verluste gering zu halten. Denn nur mit Gewinnen kann ich noch mehr investieren und meinen Wert ausbauen. Die schwammigen und undefinierten Merkmale (Fanbasis, Beliebtheit, Bekanntheit, TV-Reichweite und Interaktionsraten in Social Media) sind nicht dazu geeignet, Clubs in diesem Zusammenhang zu beurteilen. Diese Merkmale müssen sich im wirtschaftlichen Ergebnis niederschlagen, sonst sind sie „brotlose Kunst“.

Von mir gibt es kein „Weiter so“. Der jetzige Verteilungsschlüssel hat Fehler. Ein Sockelbetrag bietet keine Anreize und schafft es nicht, die Lücke zwischen unterschiedlich potenten Vereinsstandorten zu schließen. Sportlicher Erfolg hängt schon jetzt langfristig stark von den wirtschaftlichen Möglichkeiten eines Vereins ab. Der Vorschlag von #TeamMarktwert ist keine Lösung. Wenn profitable Vereine einen Verlust von 17 Mio. EUR in Kauf nehmen würden, so könnten Sie mit diesem Geld viele Sky-Abos oder Clicks in Social Media kaufen bzw. Fans zu Auswärtsspielen fahren. Durch die Umverteilung der Fernsehgelder würde das Produkt Bundesliga langfristig nicht besser. Falsche Anreize würden gesetzt. Der Fußball ist marktwirtschaftlichen Realitäten unterworfen, ob es einem gefällt oder nicht. Marktwert ensteht, wenn ich mit meiner Marke Gewinn erwirtschaften kann. Der HSV würde nicht einmal mit den nationalen Fernseheinnahmen des FC Bayern Gewinn erwirtschaften. Wenn wir über neue Verteilungsschlüssel nachdenken, dann doch über harte betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie die EBIT-Marge. Von Wirtschaftsprüfern geprüft und so leicht zu manipulieren, wie die Endtabelle der Bundesliga. Es geht nicht darum, das Produkt Bundesliga kurzfristig interessant zu halten sondern langfristig im Vergleich mit dem Wettbewerb zu verbessern. Ich traue das #TeamMarktwert nicht zu. Ich will das die Bundesliga ein lebendiges Produkt bleibt, das sich ändert und anpasst. #TeamMarktwert hat daran kein Interesse.

Weinzierl und seine Zukunft: ein Gedankenspiel

Als Augsburg Fan ist es im Moment immer wieder das selbe: es reduziert sich sehr viel auf Markus Weinzierl. Sätze nach dem Motto: „Ihr habt ja diesen Super-Trainer: Der muss jetzt mal den nächsten Schritt machen, den könnt ihr nicht mehr lange halten“. In regelmäßigen Abständen tauchen Gerüchte über die beruflichen Möglichkeiten eines Trainers auf, der erst in der letzten Saison seinen Vertrag in Augsburg bis 2019 verlängert hat (über den Sinn und Unsinn von Vertragsverlängerungen muss ich mich wohl mal separat auslassen). Neben Schalke in der Sommerpause, war Gladbach nach dem Abschied von Lucien Favre sehr interessiert und mittlerweile wird RB Leipzig immer wieder genannt. Eine Ausstiegsklausel hat Weinzierl nicht, es wird allerdings spekuliert, dass ihm der Verein Gesprächsbereitschaft bei einem Angebot eines Topvereins zugesagt hat. Soweit die Ausgangslage.

Nachdem der Klassenerhalt alles andere als sicher ist, muss sich der Verein damit auseinandersetzen, was im Falle eines Abstiegs passieren würde. Ein Abstieg würde zumindest bei mir nicht grundsätzlich das Vertrauen in Markus Weinzierl erschüttern. Diese Saison ist bisher vor allem durch die Europa League mit vielen positiven Erinnerungen verbunden. Wenn zudem jemand prophezeit hätte, dass wir mit unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten fünf Jahre in Folge in der ersten Bundesliga spielen, dann hätte man diese Person sicher für verrückt erklärt. Die Gefahr im Abstiegsfall ist allerdings nicht der Abstieg selbst sondern, dass das Gesamtkonstrukt auseinander fällt. Wenn Weinzierl auch bei einem Abstieg bleiben würde, wäre die Chance auf den direkten Wiederaufstieg sicher deutlich höher, da er die Mannschaft zusammengestellt hat und sehr gut kennt. Nachdem er an einem Abstieg zudem einen großen Teil der Verantwortung tragen würde, wäre es rein menschlich eine große Geste, wenn er versuchen würde diesen Rückfall in die zweite Liga wieder auszubügeln. Bei einem Rücktritt seinerseits sollte der Verein ihm (ähnlich wie Mainz 05 im Fall Tuchel) die Freigabe für einen neuen Verein verweigern, außer es kommt zu einer adäquaten Transferzahlung.

im Falle des Klassenerhalts, wird die Diskussion noch lauter fortgeführt werden, dass Weinzierl mit Augsburg nicht „mehr“ erreichen kann, vor allem nach dieser Europa League Saison. Welch ein Luxus eine solche Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt wäre. Allerdings wird sich auch kein Topverein melden. Der FC Bayern hat Carlo Ancelotti verpflichtet und der BVB hat allen Grund mit Thomas Tuchel zufrieden zu sein. Ein Blick auf die Tabelle zeigt, dass es mehr „Topvereine“ in Deutschland momentan nicht gibt. Das ein heutiger Zweitligist in diese Kategorie fallen könnte, ist für mich (und viele andere Augsburger) sicherlich nicht darstellbar. Darüberhinaus frage ich mich ernsthaft, warum ein Bundesligatrainer eine sichere Stelle aufgeben sollte und wollte mein Bauchgefühl mit ein paar Zahlen unterfüttern: Die  Amtszeit von Bundesligatrainern betrug im Median zwischen 1998 und 2009 1,2 Jahre. Deutsche Trainer, die bei Amtsantritt jünger als 42 Jahre alt waren und keinen Nationalmannschaftshintergrund hatten, waren durchschnittlich 3,0 Jahre im Amt. Die Untersuchung der European Business School zeigt weiterhin neben diesen Erkenntnissen, dass Bundesligatrainer in der betrachteten Periode durchschnittlich bei 1,6 Vereinen angestellt waren, 15% der Trainer sogar mindestens bei 3 Vereinen.

Eine Betrachtung meinerseits der Trainerkarrieren mit den 10 längsten Amtszeiten der Bundesliga kommt zu einem ähnlichen Ergebnis:

Name längste Station Bundesligatrainer danach
Volker Finke 16 Jahre SC Freiburg 3 Spiele Interimstrainer 1. FC Köln
Otto Rehhagel 14 Jahre Werder Bremen 1 Jahr FC Bayern
14 Jahre 1. FC Kaiserslautern
Thomas Schaaf 14 Jahre Werder Bremen 1 Jahr Eintracht Frankfurt
momentan Hannover 96 (4 Monate)
Winfried Schäfer 12 Jahre Karlsruher SC 6 Monate VfB Stuttgart
Hennes Weisweiler 11 Jahre Borussia Mönchengladbach 4 Jahre 1. FC Köln
Eduard Geyer 10 Jahre Energie Cottbus n.v.
Werner Lorant 9 Jahre 1860 München n.v.
Jupp Heynckes 8 Jahre Borussia Mönchengladbach u.a. 4 Jahre FC Bayern München,
1 Jahr Schalke 04, 2 Jahre Bayer 04 Leverkusen und erneut 2 Jahre FC Bayern München
Jürgen Klopp 7 Jahre Mainz 05 7 Jahre Borussia Dortmund
Helmut Johannsen 7 Jahre Eintracht Braunschweig 1 Jahr Hannover 96, 2 Jahre VfL Bochum

Es wird ersichtlich, dass von den 10 Trainern nur 4 in der Bundesliga bei anderen Vereinen langfristig Erfolg hatten, obwohl 8 der Trainer zumindest auch für andere Vereine tätig waren. Wenn wir davon ausgehen, dass Markus Weinzierl noch 20 Berufsjahre vor sich hat, wird er keine Probleme haben, in der Bundesliga eine oder sogar mehrere weitere Chancen und Möglichkeiten zu erhalten. Allerdings sind mehrjährige Amtszeiten in der Bundesliga in der Minderheit und in einem ersten Schritt ist es so wohl interessant, die bestehende Amtszeit zu maximieren. Mit diesem Hintergrund ist es zwar nachvollziehbar, dass ein anderer Verein kurzfristig eine größere sportliche Herausforderung darstellen könnte. Unter Berücksichtigung des historisch belegten Verhaltens der Bundesligavereine macht ein freiwilliger Abschied von einem sicheren Arbeitsplatz wohl aber wenig Sinn, da eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich bei einem neuen Verein keine langfristige Zusammenarbeit ergibt.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf glaube ich, dass ein Statement von Weinzierl zum jetzigen Zeitpunkt einen positiven Impuls auslösen könnte. Die Zweifel mancher Spieler an der Zukunft Weinzierls beim FC Augsburg könnten in der Endphase der Saison seinen Rückhalt in der Mannschaft schwächen (sog. Lame Duck Effekt). Ein Ausräumen aller Gerüchte zum jetzigen Zeitpunkt, wie damals im Winter 2012 als sein Abschied herbeigeredet werden sollte, könnte im Gegensatz dazu, zu einem Schub führen und allen deutlich machen, dass wir alle gemeinsam diese schwierige Phase überwinden müssen. Wenn Weinzierl hierzu nicht bereit ist, dann stellt sich spätestens im Sommer die Frage, ob er noch genügend motiviert ist, mit dem FC Augsburg weiter einen etwas langsameren und mühsameren Weg zu gehen. Und ich werde nicht müde zu betonen, dass auch Manchester United zum Zeitpunkt des Amtsantritts von Alex Ferguson kein Topclub in England war. Wen interessiert dann schon Peps Karriereplanung und der FC Bayern. Amtszeiten über 4 Jahre sind sexy und toll. Augen auf, Markus!

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