Graue Maus ade, ohje

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne “Einwurf aus der Rosenau Gazette” bei presse-augsburg.de. 

Das erste Pflichtspiel ist in der Saison 2021/22 schon wieder Geschichte. Man will sich auf die Bundesliga freuen. Derweil, es fällt mir in manchen Momenten schwer. Warum, fragt ihr euch vielleicht. Ich versuche es zu erklären.

Wenn ich von Fans anderer Vereine angesprochen werde, wie langweilig der FC Augsburg doch sei, dann empfinde ich das als Kompliment. Kompliment deswegen, weil es genügend Clubs gibt, die negativ immer wieder auffallen und auch deswegen konsequenterweise in den letzten Jahren abgestiegen sind. Letzte Saison hat es nun Schalke 04 erwischt. Ein paar Jahre vorher konnte sich der HSV nicht mehr retten. Wenn der FCA als „graue Maus der Bundesliga“ bezeichnet wird, dann sehe ich das als eine Art Auszeichnung. Darauf kann man aufbauen und sich weiterentwickeln.

Die Vorfreude könnte groß sein vor der kommenden Saison. Der Blick ist trotz Jubel über den ersten Sieg getrübt. (Copyright: Eibner-Pressefoto / Buenning EP_ABG via Imago)

Und dabei stößt mir dann gar nicht so recht negativ auf, dass es mit einem Spieler mal etwas Uneinigkeit gibt, und man sich nicht immer unter den besten Voraussetzungen trennt. Bei 30 Spielern im Kader kann nicht ein jeder immer zufrieden sein und der ein oder andere ist auch mal schlecht beraten und das Theater kommt an die Öffentlichkeit. Mund abputzen, weitermachen. Bye, bye Kevin Danso. So lange Leistungsträger wie Ruben Vargas oder Rafal Gikiewicz verlängern, alles kein Problem.

Bei all dem Fokus auf das Sportliche, den dieser Zirkus mit sich bringt, verliere auch ich manchmal den Blick auf das Wesentliche. Klaus Hofmann hatte als Ziel seiner Präsidentschaft beim FC Augsburg ausgerufen, dass er mehrere eigene Jugendspieler in der ersten Elf der Bundesligamannschaft sehen will. Gerade deshalb wird und wurde in den letzten Jahren schon viel Geld in die Infrastruktur gesteckt. Nur die Infrastruktur selbst trainiert keine Mannschaft und verbessert keinen Spieler. Das machen die Trainer im Jugendbereich.

Die Trainer sind der Kern des Nachwuchsleistungszentrums. Und gerade hier ist der FCA nun negativ in die bundesweiten Schlagzeilen gerückt, auch schon bevor 61 Mitarbeiter des Zollamts Unterlagen mitgenommen hatten, um “Beschäftigungs- und Entlohnungsmodalitäten von nebenamtlich beziehungsweise ehrenamtlich beschäftigten Fußballtrainern” zu untersuchen. Einer der Augsburger Jugendtrainer hat bei WDR Sport Inside den Vorgang wie folgt kommentiert:”Es ist gut, wenn jetzt was passiert. Die Trainer dort wurden lange genug ausgebeutet.”

Gegenüber Sport Inside hatte der FCA widersprochen:”Wir halten uns mit unseren Vereinbarungen an das Mindestlohn-Gesetz und können den von Ihnen geschilderten Sachverhalt mit der Behauptung eines ehemaligen Nachwuchstrainers nicht bestätigen.” Derweil sich bei der Augsburger Allgemeinen weitere Trainer gemeldet hatten, die die problematischen Umstände bestätigten. Untersucht wird das Ganze nun von der Staatsanwaltschaft und wir werden sehen, zu welchen Ergebnissen das Verfahren kommt.

Das reine Abklatschen ist nicht mehr. Dafür hat der Ruf zuletzt zu sehr gelitten. (Copyright: Eibner-Pressefoto / Buenning EP_ABG via Imago)

Schuld und Unschuld aus rein rechtlicher Perspektive sind das Eine, die moralische Komponente etwas ganz Anderes. Auch wenn es rein rechtlich möglich sein sollte, die Jugendtrainer so zu bezahlen, wie in der Vergangenheit geschehen (und dies wird nun ja wohl gerichtlich geklärt werden), so wird diese Bezahlung ja nicht im geringsten dem Stellenwert der Jugendtrainer in der Organisation gerecht. Als Mitglied kann man sich ja wohl verhöhnt vorkommen, wenn es wieder heißt: jeder Euro geht in die Jugend. Es müsste eher heißen: euer Geld fließt nicht in eine angemessene Bezahlung der Jugendtrainer. Im Gegenteil. Auch das Gerede von der FCA-Familie, ist dann halt auch nur genau das: Gerede. Vom Umgang Mensch zu Mensch in der Organisation mal ganz zu schweigen.

Auf der nächsten Mitgliederversammlung gäbe es viel zu besprechen. Nachdem Klaus Hofmann Anteile am Verein hinter dem Rücken der Mitglieder an einen amerikanischen Investor weiterverkauft hatte, ist dies nun das zweite Thema innerhalb von wenigen Monaten, bei dem ich mir als Mitglied verwundert die Augen reibe. Auch beim vorliegenden Thema wird natürlich nicht proaktiv von Seite des Vereins kommuniziert. Mit Verweis auf das laufende Verfahren hat man diesmal vielleicht sogar eine gute Ausrede gefunden. Als Mitglied fragt man sich aber als erstes: wann wird es denn nun wohl diese Mitgliederversammlung geben? Dort geht es dann mehr als nur ums Sportliche, sondern um die Identität und Werte unseres Vereins. Ich glaube, dies wird spannender und bedeutungsvoller als jeder Abstiegskampf. Wie gerne wäre ich da einfach wieder nur die graue Maus.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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