Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.
Gibt es etwas besseres, als ins Wochenende zu starten und der FCA hat schon gewonnen? Wohl kaum. Lange sah es in der Begegnung gegen Borussia Mönchengladbach nicht danach aus als könnten wir irgendetwas mitnehmen. Die Partie gegen Hertha BSC ging in der Vorwoche schon sang- und klanglos verloren. Genau wie schon in der Vorrunde. Und auch wenn es diesmal vom Ergebnis nicht ähnlich deutlich war, so könnte man auf kaum frustrierende Art und Weise verlieren. Als Fan des FC Augsburg wird man mit Blick auf die spielerische Entwicklung gerade auf eine arge Geduldsprobe gestellt. Aber gerade gegen Gladbach hat man gut gesehen, wie es sich auszahlen kann, mal etwas mehr Risiko einzugehen (solange der Gegner seine Chancen nicht nutzt).
Bei aller Bescheidenheit
Das Engelchen auf der einen Schulter will mich beruhigen. Es flüstert: “die Punkteausbeute ist doch ok” oder “aus den letzten 4 Partien haben wir 7 Punkte geholt und nur eine Partie verloren” oder “wirtschaftlich können wir noch immer keine Bäume ausreißen” oder “als Fan darf man nicht immer sportliche Höchstleistungen erwarten”. Das Teufelchen auf der anderen Schulter übernimmt trotzdem das Kommando. Ja, wir stehen nicht am Abgrund, aber der Abstand zu den Abstiegsrängen ist trügerisch. Gegen Mainz haben wir uns glücklich zu einem 1:0 Sieg gewurschtelt. Insgesamt haben wir durch individuelle Fehler der Gegner sowieso gerade mehr Glück als Verstand. Stindl verschoss für Gladbach einen der vielen Elfmeter, die wir gerade verursachen. Das gleicht nicht die sportliche Mutlosigkeit aus, die wir insgesamt seit Wochen und Monaten fast immer ausstrahlen.
Keine Wechsel in der Aufstellung?
Vor einer Woche gegen Hertha hat es mir schon gereicht, als ich die Aufstellung gesehen habe. Keine Wechsel? Keinen einzigen? Gegen Hertha dachte Heiko Herrlich also, dass die gleiche 11 die besten Siegchancen hat wie gegen Mainz 05. Keine Anpassung auf Grund des taktischen Konzepts und der Spielweise des Gegners? Ich habe vor kurzem einen längeren Vortrag von Thomas Tuchel gesehen, in dem er erklärte, wie er als Trainer von Mainz 05 immer erschrak, weil er so viele Wechsel in seiner Startelf vornahm, obwohl die Mannschaft in der Vorwoche gewonnen hatte. “Never change a winning team” kann der FC Bayern abziehen. Wir müssen uns auf den Gegner einstellen und unsere Mannschaft anpassen. Oder einfach denken, dass wir erneut die 11 auf den Platz stellen, die den Bus am geschicktesten vor dem Tor parken kann. Gegen Gladbach musste Heiko Herrlich teilweise notgedrungen wechseln. Aber auch Marco Richter bekam mal wieder eine Chance von Anfang an. Geht doch möchte man im Nachhinein laut schreien.
Der Game Plan: Der Bus parkt
Dazu haben wir genau einen “Game Plan”. Auch unter Heiko Herrlich wollen wir uns hinten rein stellen und dann im Ballbesitz über lange Bälle umschalten. Wer erkennt den Unterschied zur Zeit unter Martin Schmidt? Musste Schmidt gehen, weil sich unser Spiel nicht weiterentwickelt hat? Oh…
In der Partie gegen Hertha und auch in der ersten Hälfte gegen Gladbach konnte man zudem gut erkennen, wie das dazu führt, dass man von einem Gegner komplett eingeschnürt und erdrückt wird. Hertha hatte ein deutliches Chancenplus und hätte die Partie auch deutlicher gewinnen können. Gladbach hatte auch ein großes Chancenplus, konnte aber schlicht zu wenig aus den Gelegenheiten machen. Giki und dem Glück sei dank (Auf Twitter kam die Frage auf, ob Giki der Transfer der Saison wäre – in der gesamten Bundesliga. Was wären wir momentan ohne diesen Keeper?) Das Zuschauen hat erneut mal wieder zu großen Teilen keinen Spaß gemacht. Der Tickerer von OneFootball hatte es nach 18 Minuten gegen Gladbach so ausgedrückt: “Augsburg setzt überhaupt keinen Stich. Zu langsam, zu spät, zu zahm. Das kann nicht Sinn der Sache sein.”
Ein Jahr Herrlich und kein Mut
Und so lässt sich nach einem Jahr mit Heiko Herrlich als Trainer feststellen, dass dieser Trainer auf der Risiko-Skala den absoluten Gegenpol zu Julian Nagelsmann darstellt. In Situationen in denen Nagelsmann – der Trainer in der Bundesliga mit dem größten Hang zum Risiko – das Risiko wählt, entscheidet sich Heiko Herrlich dazu, lieber nochmal auf Nummer sicher zu gehen. Nagelsmann hatte selbst auf einem Trainerkongress erklärt, wie er seine Aufstellung wählt. Gegen Gegner, die er als gleichwertig und schlechter einschätzt, wählt er die offensivere Aufstellungsvariante. Heiko Herrlichs Ansicht dazu ließ sich gegen Mainz 05 und Hertha BSC gut beobachten. Vargas, Richter, Gregortisch und Bazee hätten sich den Weg schon fast sparen können. Gegen Gladbach war es nun keine offensive Offenbarung Niederlechner auf die Bank zu setzen und Richter spielen zu lassen. Zumindest sah es in der ersten Halbzeit schon wieder nach Debakel aus.
Das Glück ist mit den Mutigen
Gerade gegen Hertha, mit den besten Voraussetzungen nach dem frühen Tor, hätte der FCA sich mehr zutrauen müssen. Sich nicht nur passiv hingeben sollen. Und es war nun bei weitem nicht das erste Mal. Wo um Himmels Willen ist hier eine sportliche Entwicklung unter Heiko Herrlich zu erkennen? Und wie will er es langfristig in Augsburg schaffen, ohne jemals bewusst ein Risiko eingehen zu wollen? Gegen Gladbach kam in der zweiten Halbzeit vielleicht so etwas wie eine erste Antwort. Vargas für Bénes war ein Anfang und Vargas sorgte per Kopf auch für die Führung. In den nächsten Partien ist die Zeit gekommen, Änderungen direkt von Anfang an vorzunehmen und mehr Mut an den Tag zu legen. Oder sich weiter der Hilflosigkeit zu ergeben. Es darf sich dann aber keiner beschweren, es hätte keine Warnungen gegeben. Die Partie gegen Gladbach sollte zeigen, wie weit uns ein bisschen Mut diese Saison noch tragen kann. Wenn man keine Alpträume auf Grund der Gelegenheiten der Gladbacher bekommt.
2 Gedanken zu „More Risk, more Fun“