Einmal Steinbach und wieder zurück

Dieser Beitrag wird freundlichst präsentiert vom August Gin, denn wenn der August dabei ist, dann ist auswärts wie ein Heimspiel.

Der Weg nach Steinbach ist wahrlich beschwerlich, denn 460km einfache Fahrt müssen erst einmal überwunden werden, und die Terminierung auf Sonntagnachmittag 15:30 Uhr ist nicht gerade fanfreundlich. Es hätte dennoch schlimmer kommen können für den FC Augsburg und vor allem für mich. Von Frankfurt aus, wo ich immer noch wohne, sind es gerade einmal 110km einfach und das erste Pflichtspiel hat genügend Magnetwirkung, um mich diesen Ausflug unternehmen zu lassen. Neben dem Erreichen der zweiten Pokalrunde erhoffe ich mir fußballromantische Stimmung abseits der durch und durch kommerzialisierten Bundesliga. Ein wenig Rosenaustimmung, ohne die langen Schlangen am Bierstand. Dazu ein wohl nicht allzu sportlich attraktives Spiel mit dem besseren Ende für uns. Insgesamt einen positiven Start in die Spielzeit 2018/19 mit der Hoffnung im Pokal mal wieder zu überwintern.

Die Fahrt geht los am späten Vormittag mit der Straßenbahn und S-Bahn Richtung Frankfurter Hauptbahnhof, wo dann auch schon die Crew für diesen Tag wartet. Stephan und Felix haben den Weg aus Augsburg und München auf sich genommen, während der Basti sich aus Mannheim zu uns gesellt hat und Tobi genau wie ich in Frankfurt wohnt. Zu fünft geht es erst im Regionalexpress nach Wetzlar und von da aus – nach einem Umstieg, den die Deutsche Bahn kurzfristig in unseren Fahrplan eingebaut hat, wie eine Verletzung kurz vor Anpfiff – nach Haiger. Fünf Personen ist die perfekte Größe für unsere Reisegruppe, wenn dann doch mal einer biseln muss und können wir so beim Schafkopf einfach durchwechseln. 

In Haiger angekommen, wundern wir uns etwas, dass gar so wenige mit uns aussteigen. Der Bahnhof ist heruntergekommen und verlassen. Nur einige abgebrannte Pyros deuten schon auf spätere Geschehnisse hin und zeugen davon, dass jemand mit ähnlichen Interessen vor uns dagewesen sein mag. Vom Bahnhof weg sind es ca. 30 Minuten zu Fuß und wir wundern uns, dass es eigentlich nur Berg auf gehen mag, bevor wir am Stadion feststellen, dass der TSV Steinbach auch an diesem Tag nur einen Eingang für all seine Heimfans geöffnet hat. Wir reihen uns artig ein, hatten wir uns doch vor lauter Vorfreude direkt im Steinbacher Vorverkauf mit Karten eingedeckt, weil wir gedacht hatten, dass wir Augsburger das Gästekontingent voll ausschöpfen würden und es Probleme geben könnte, an Gästetickets zu kommen. Es konnte ja keiner ahnen, dass der TSV Steinbach mehr als doppelt so viele Karten wie vorgeschrieben bereitstellen würde. Und die Angst keine Karte zu bekommen, ist seit der #keineSau-Saison bei uns allen noch präsent. Spätestens seit Liverpool sind wir vorsichtig geworden und geblieben.

Der TSV Steinbach spielt auf einem Sportplatz. Auf der Gegengerade stehen gerade mal ein paar wenige tribünenähnliche Bauten, die aus Paletten zusammen gezimmert wurden. Wir laufen einfach am Zaun entlang und die Stimmung ist überaus entspannt. Die Spielerbänke sind auf der Gegengerade angesiedelt und wir suchen uns einen Platz nicht weit entfernt von der Gästebank, von wo aus wir Manuel Baum hilfreiche Tipps bzgl. der Kommunikation mit dem Linienrichter geben können (er hatte leider keine Zeit sich hinterher dafür zu bedanken). Hinter uns geht es nach zwei Metern den Graben hinunter. Abgezäunt ist die ganze Anlage nicht konsequent. Wir hätten rücklings von einem wilden Tier angefallen werden können, während wir gebannt von der Pokalschlacht das Spiel beobachten. Das ist natürlich nicht passiert. Die größte Gefahr waren wir immer noch selbst für uns, indem wir unnötig Bier über andere Mitglieder der Reisegruppe verkleckert haben. 

Das Spiel selbst ist schnell zusammengefasst. In der ersten Halbzeit hat der FCA defensiv quasi nichts zugelassen und hat vorne durch Marco Richter eine Nachlässigkeit der Steinbacher Abwehr ausgenutzt. Wie ich später in der Zusammenfassung sehen konnte, hatte Marco zum Zeitpunkt des Torabschlusses genau so viel Platz wie ich gleichzeitig am Bierstand. Instinktiv haben wir beide in diesem Augenblick das richtige getan. Man hat den Treffer am Bierstand überhaupt nicht mitbekommen und wir haben bei unserer Rückkehr gedacht, wir würden verarscht. Erstes Tor der Saison – eiskalt verpasst. In der zweiten Halbzeit ging es dann spannender zu. Der FCA kassierte nach einem krassen Stellungsfehler von Martin Hinteregger nach einem Standard den Ausgleich, Andreas Luthe musste in mehreren brenzligen Situationen retten und das Spiel hätte kippen können. Danach machte André Hahn das, was Manuel Baum ihm von der Seitenlinie aus vorher zugerufen hatte. “André, geh rein, Du bist zuständig dafür Tore zu machen”. André ging rein und köpfte eine Max-Flanke (wer sonst) zum 2:1 in die Maschen. Mangelnde Chancenverwertung konnte man an diesem Tag nur den Steinbachern vorwerfen. Der FCA erspielte sich einfach zu wenige. Am Ende brachte man das Ergebnis über die Zeit und darf sich auf die Auslosung der zweiten Runde am Sonntag freuen.

Abseits der sportlich schwer zu beurteilenden Leistung, die einige Fragen aufwirft und sicher nicht vollends überzeugen konnte, hätte zumindest unsere Gruppe kein Spiel besser auf die neue Saison einstimmen können. Auswärts auf einen Sportplatz, an dem noch die Essenz des Spiels im Vordergrund steht und der Unterschied zwischen Sieg und Niederlage sehr gering war, hat es uns alle fünf direkt wieder gepackt. Euphorisch träumten wir direkt von neuen Abenteuern und verabredeten uns lose für die zweite Pokalrunde oder andere Auswärtsspiele.  Ich bin mir sicher: in Berlin wären wir allesamt dabei. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Derweil habe ich mit dem FCA mittlerweile schon so viele erste Male erlebt, dass ich gerne auch an die Möglichkeit eines solchen Ausflugs glauben möchte, zumindest immer wieder zu Saisonbeginn und diesmal erfreulicherweise auch noch nach der ersten Pokalrunde. Wie ich mich freuen würde, wenn diese Saison noch ein oder zwei solcher Abenteuer bereithalten würde. 

Wenige Eindrücke in Bilderform gibt es auf meinem Instagram Account. 

Die Mannschaft trifft, manche Fans benehmen sich daneben

Am Samstag steht das erste Auswärtsspiel der Rückrunde in Mönchengladbach an. Ein guter Zeitpunkt, um erneut auf eine meiner Auswärtsfahrten aus der Hinrunde zurückzublicken. Am Derbywochenende fand am Tag vor dem Spiel zwischen der zweiten Mannschaft des FC Augsburg und dem TSV 1860 München die Begegnung zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem FC Augsburg in der ersten Bundesliga statt. Entgegen dem Derbytrend war ich nach Hoffenheim gereist, um mir selbst anzuschauen, wie viele Fans aus Augsburg den Weg finden, wenn es nicht um die Entscheidung im Abstiegskampf geht. Ich war positiv überrascht wie viele Augsburger den Weg bei bestem Wetter gefunden hatten. Die Mannschaft bot zudem eine überzeugende Leistung und konnte Hoffenheim Paroli bieten. Am Ende trennten sich die Teams 2:2 unentschieden. Schöner Tag, alles gut, könnte man meinen. Leider nicht ganz.

Denn aus dem Augsburger Block wurden mehrmals Schmähgesänge in Richtung Dietmar Hopp angestimmt. Des öfteren wurde Dietmar Hopp als “Sohn einer Hure” verunglimpft. Sachliche Kritik Richtung Dietmar Hopp und der TSG Hoffenheim halte ich immer noch für berechtigt. Auch habe ich die Augsburger Fans für ihre tollen Choreografien und Initiativen gerne gelobt. In Hoffenheim hielt ich die Gesänge für daneben und bin mit einem schalen Beigeschmack nach Hause gefahren. Ich hatte mich geärgert.

Nur kurze Zeit später spielte Köln gegen Hoffenheim und im Kölner Block wurden einige Transparente gehisst, die erneut eindeutigen Inhalt hatten. So wurde Dietmar Hopp beim Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann abgebildet. Dazu wurde auf effzeh.com ein Kommentar von Severin Richartz veröffentlicht, der diese Art des Protests rechtfertigt. Die Banner werden mit Karikaturen von Satirezeitschriften verglichen und es wird behauptet, dass der Protest nur in dieser geschmacklosen und derben Form gehört wird. Ich verfolgte die Debatte aufmerksam und dachte darüber nach. Hatte Severin Richartz Recht? Wo verläuft die Grenze, die man nicht überschreiten sollte? Gut, immerhin hatten sich die Kölner Fans etwas mehr Mühe gegeben und hatten ihre Beleidigungen auf Banner gemalt. War das nun ok?

Kurz darauf veröffentlichte “Andersrum rut-wiess – Erster schwullesbischer Fanclub des 1. FC Köln” eine Stellungnahme zu diesen Bannern. Diese stellt eindeutig klar, wo die Grenze aus meiner Sicht auf jeden Fall überschritten wird:

Da hier gleichgeschlechtlicher Analsex als Abwertung genutzt wird, ist das Banner deutlich homophob und sexistisch. (…) Wir als Andersrum rut-wiess sind selbstverständlicher Teil der Fangemeinschaft des 1. FC Köln und erwarten, dass alle Fangruppen, die der Südkurve angehören, ihre Äußerungen zukünftig so formulieren und darstellen, dass weder wir noch andere Teile der eigenen Mitgliedschaft herabgewürdigt werden.

Ich würde die Grenze sogar noch etwas weiter ziehen als Andersrum rut-wiess. Ich würde mich freuen, wenn Fans ihre Äußerungen zukünftig so formulieren, dass keine Einzelgruppen in der Gesellschaft herabgewürdigt werden. Rassismus und Sexismus hat für mich in der Kurve nichts verloren. Die Vorfälle in Hannover, wo es gerade erst am Wochenende zu rassistischen Beleidigungen von Spielern gekommen ist, sollten uns ein mahnendes Beispiel sein. Neben der Plumpheit der Gesänge aus dem Augsburger Block, ist doch ganz klar, dass der Begriff “Hure” deutlich sexistisch ist. Einige werden jetzt anmerken, dass der Gesang ja nicht so gemeint wäre. Darauf kommt es allerdings nicht an. Der Gesang würdigt die Sexualität einer Bevölkerungsgruppe herab. Wollen wir das?

Wenn der Effekt von Dietmar Hopp ist, dass sich Fans, von denen ich mir wünsche, dass sie sich gegen jedwede Form der Diskriminierung stellen, sexistisch verhalten, dann ärgere ich mich noch mehr. Ich bin gerne bereit gemeinsam darüber nachzudenken, wie der Protest gegen Dietmar Hopp, andere Investoren und deren Vorgehen formuliert werden und Gehör finden kann. Aber die genannten Gesänge sind für mich kein probates Mittel, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Nach den vielen tollen Aktionen in Augsburg hätte ich auch gedacht, wir wären hier schon etwas weiter. Auch nach Wochen hat mich dieser Nachmittag nicht losgelassen und ich hoffe mit meinem Beitrag einen Denkanstoß geben zu können. Lasst uns die kommenden Auswärtsspiele nutzen, um wieder für  ausschließlich positive Erfahrungen zu sorgen. Witziger Protest darf hier gerne dazugehören.

Von Mainz lernen, heißt sich etablieren lernen

Auf diesem Weg einen herzlichen Glückwunsch auch von unserer Seite zum 10. Geburtstag der Legio Augusta. Erst die Ereignisse beim Auswärtsspiel in Mainz vor 10 Jahren in der zweiten Liga führten schließlich zur Gründung. Damals fanden die Spiele in Mainz noch am Bruchweg statt und ich habe selten so ein geselliges Beisammensein rund um ein Stadion erlebt. Diese Atmosphäre ist leider mit dem Stadionneubau auf der grünen Wiese verloren gegangen und ich fahre nicht mehr ganz so gerne nach Mainz. Insgesamt hat der FSV Mainz 05 einen eindrucksvollen Weg hinter sich und zählt mittlerweile zu den etablierten Erstligisten. Der FC Augsburg ist auch dabei diesen Sprung zu schaffen. Ich habe in der Vergangenheit immer mal wieder nach Mainz geschielt, um zu verstehen, wie diese Weiterentwicklung vorangetrieben wurde. Nun ist es in Mainz nicht mehr ganz so ruhig, wie noch vor ein paar Jahren. Vor unserem Auswärtsspiel habe ich die Gelegenheit genutzt, mit Mara Pfeiffer eine ausgewiesene Expertin im Hinblick auf den FSV Mainz 05 zu befragen. Mara hat eine Kolumne bei der Allgemeinen Zeitung und beschäftigt sich auch sonst viel mit ihrem Verein. Ich hoffe, ihr Hang zur Fußballromantik wirkt ansteckend auf euch. 

Rosenau Gazette (RG): Mainz war von der Entwicklung als Verein immer ein Vorbild für mich als Augsburger. Ihr habt es mit bescheidenen Mitteln und auf sehr sympathische Art und Weise geschafft, euch langfristig in der Bundesliga zu etablieren. Dabei war es bis zuletzt immer sehr ruhig in eurem Umfeld. Dies hat sich im letzten Jahr geändert. Was war passiert?

Mara Pfeiffer (MP): Flapsig könnte man sagen: eine Normalisierung der Verhältnisse. Um genauer zu erklären, was passiert ist, muss man relativ weit ausholen. Für meine Begriffe gab es im Verein den ersten Bruch, als Thomas Tuchel nach der Saison 2013/14 seinen Vertrag vorzeitig beendet hat. Mein Gefühl war damals, Christian Heidel hat daran geglaubt, mit Tuchel als Mainz 05 in der folgenden Saison in der Europa League noch einen nächsten Schritt machen zu können. Plötzlich war Tuchel weg, mit seinem Nachfolger Kasper Hjulmand lief es nicht wie erhofft und ich denke, in dieser Zeit reifte bei Heidel der Entschluss, auch noch mal etwas Anderes zu machen. Das hat er ja dann mit seinem Weggang zu Schalke 2016 auch umgesetzt.

Sportlich muss man sagen wurde das gut aufgefangen, unter anderem dank Heidel selbst, der seinen Nachfolger Rouven Schröder noch nach Mainz geholt und eingearbeitet hat. Im Verein lagen aber, wie sich dann zeigte, einige Dinge schief, und die kamen nach und nach ans Licht. Dazu gehörte unter anderem, dass der ehrenamtliche Präsident Harald Strutz ein monatliches Salär erhielt, das mit dem Begriff Ehrenamt gar nicht harmonierte. Vereinfacht kann man sagen, Heidel hatte das Glück, zu dem Zeitpunkt schon weg zu sein – und der Zorn entlud sich ausschließlich über Strutz. Der hat zudem aus meiner Sicht den Fehler gemacht, nicht in die Offensive zu gehen und alles sofort aufzuklären. Ich glaube bis heute, dann wäre er nach wie vor Präsident, denn die Fans hätten ihm und dem alten Vorstand, die den Verein ja mit zu dem gemacht haben, was er ist, viel verziehen, wenn Fehler eingestanden worden wären. Man kann aber niemandem verzeihen, der seine Schuld nicht wirklich einsehen mag.

Apropos: Auch Heidel kann man definitiv einen Vorwurf machen. Er hatte das Versprechen gegeben, Mainz nicht zu verlassen, bevor nicht alles für die Zeit nach ihm geregelt sei. Aber er muss natürlich gewusst haben, was im Argen lag, und dass diese Dinge dem Verein nach seinem eigenen Wechsel um die Ohren fliegen würden.

Um mal zum Ende zu kommen, der Verein hat sich im Jahr nach Heidel noch mit Strutz eine neue Struktur verpasst. Es gibt nun einen Aufsichtsrat und einen hauptamtlichen Vorstand, der Blick geht endlich wieder in die Zukunft – wenn auch mit einem Umweg. Denn zwischen dem erst im Juni gewählten, ehrenamtlichen Vereinsvorsitzenden Johannes Kaluza und dem restlichen Verein, mittlerweile auch den Fans, knirscht es gewaltig. Momentan läuft alles auf eine Neuwahl Anfang 2018 raus. Es ist also noch nicht alles im Lot, aber hoffentlich auf dem Weg dorthin. Die aktuelle Saison wird definitiv auch abseits des Platzes noch mal spannend.

RG: Du hast selbst in einer Deiner Kolumnen gefragt: „Wie sehr müssen eigentlich wir Fans uns an die Nase fassen dafür, nicht genauer hingeschaut, nicht mehr Fragen gestellt zu haben?“ Wie notwendig ist es aus Deiner Sicht, dass sich Fans aktiv im Verein einbringen, auch in Zeiten in denen es gut läuft?

MP: Man hört immer öfter, dass nur verklärte Fußballromantiker noch den Standpunkt vertreten, Fans seien wichtig für den Verein. Dann bin ich bekennende Fußballromantikerin. Ich glaube, dass es elementar wichtig ist, als Fan aktiv im Verein mitzuwirken. Natürlich hat das Grenzen, und ich möchte keine sportlichen oder wirtschaftlichen Entscheidungen treffen. Aber als Fan sollte man denen, die wirken, schon auf die Finger schauen und die Mitgliederversammlung nicht nur nutzen, um einmal im Jahr den VIP-Bereich von innen zu sehen. Und wenn es um die Struktur des Vereins geht, um sein Selbstbild, um soziales Engagement, sollten Fans sich aus meiner Sicht ohnehin ganz aktiv einbringen.

RG: Wie wichtig siehst Du Transparenz von Seiten eines Fußballvereins, um Mitglieder an Prozessen zu beteiligen?

MP: Man macht sich etwas vor, wenn man glaubt, es würde funktionieren, alles immer komplett offenzulegen. Aber ich darf als Fan schon erwarten, dass mir Dinge erklärt werden. Auch das Stichwort Compliance finde ich in dem Zusammenhang wichtig, aktuell wird dazu bei Mainz 05 ein Leitfaden entwickelt. Es kann beispielsweise nicht sein, dass plötzlich niemand mehr weiß, wie viele VIP-Tickets eigentlich für umme im Umlauf sind. Die Zeiten, in denen man in einem Verein gewisse Entscheidungen aus der Lamäng trifft, sind vorbei. Es muss Regeln für Entscheidungsprozesse geben. Bei einer Strukturveränderung wie der, die Mainz 05 gerade hinter sich gebracht hat, passieren natürlich auch Dinge, die sich schnell als schwierig oder fehlerhaft herausstellen können. In Mainz wird der ehrenamtliche Vereinsvorsitz von vielen Seiten als nicht mehr zeitgemäß erachtet, eine Kritik, die ich so nicht teile. Wieso nicht den Präsidenten als Ehrenamt belassen, ohne ihn aber gleichzeitig zum Vorstandsvorsitzenden zu machen, weil sich mit dem Begriff einfach andere – falsche – Erwartungen verbinden? Fehler sind in einem solchen Prozess wohl unvermeidbar, entscheidend ist der Umgang damit. In Mainz wäre im Sommer eine intransparente Veränderung im Verein nach der aufgeheizten Vorsaison das Aus für die emotionale Bindung vieler Fans gewesen. Der Verein hat gut daran getan, die Mitglieder intensiv einzubeziehen, auch wenn dieses Procedere mancherorts als altmodisch belächelt wurde. Aber noch sind wir hier ein Verein, zum Glück! Und da haben die Mitglieder eben Rechte (und Pflichten). Die sollten jetzt auch nicht beschnitten werden, nur weil eine Einzelperson sich mit einer selbstgewählten Aufgabe verhoben hat.

RG: Im November hatten die Mitglieder des FSV Mainz 05 für die Gründung einer Fanabteilung gestimmt, die sich unter anderem um die Bereiche Auswärts, Soziales Engagement, Infrastruktur, Fan-Service, Öffentlichkeitsarbeit und Identifikation kümmern soll. Warum ist eine institutionelle Verankerung dieser Arbeit in einer Fanabteilung aus Deiner Sicht wichtig?

MP: Die Gründung der neuen Fanabteilung wurde bereits in der Satzungsänderung verankert und inzwischen hat deren Arbeit Fahrt aufgenommen. Es gibt AGs zu verschiedenen Themen und der Verein bekennt sich mit zwei hauptamtlichen Mitarbeitern zur Bedeutung der Abteilung. Das empfinde ich als sehr positiv. Ganz entscheidend finde ich zudem die Möglichkeit, dass hier gemeinsam das Selbstbild des Vereins definiert werden kann, also fernab von Marketing und ähnlichem Getöse, aus der Fanszene heraus. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Fans es als Chance begreifen, ihren Verein aktiv mitzugestalten und sich künftig einbringen. Was die Frage nach der institutionellen Verankerung angeht, so sehe ich darin eine Anerkennung des Vereins für die Arbeit, die da geleistet wird. Man weiß also von Vornherein, der Verein steht hinter der Mitarbeit der Fans, das ist ein wichtiges Zeichen.

RG: Zuletzt gab es nun in Mainz eine Crowdfunding Aktion für ein Fanhaus. Glaubst Du an Crowdfunding im Zusammenhang mit Fußballvereinen, die grundsätzlich ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen folgen, um über dieses Instrument die Fans mehr mitzunehmen und zu beteiligen?

MP: Man muss da unterscheiden, denke ich. Als Bundesligist selbst ein Crowdfunding anzuleiern, das wäre eher schwierig. Hier in Mainz lief das ja etwas anders. Das vom Verein unabhängige Fanprojekt arbeitet an einem Fanhaus. Das Gebäude war da, die Mietbedingungen und Teile der Finanzierung geklärt. Allerdings sorgt unter anderem der Denkmalschutz dafür, dass die Kosten doch an der einen oder anderen Stelle erheblich sind. Die Plattform „crowfFANding“ bietet die Möglichkeit, Projekte durchzuführen mit hoher Fanbeteiligung. Das erste war zum Erhalt der Südkurve in Jena, dann bekam das Fanhaus den Zuschlag. Die komplette Aktion ist super durchgezogen worden und die Idee, mit beispielsweise Sitzschalen aus dem Bruchweg oder wiederaufgelegten Traditionstrikots Spendenanreize zu schaffen, hat toll funktioniert. Ich glaube, man kann das Thema Funding nicht überstrapazieren, aber für so eine einmalige Aktion, die eben nicht vom Verein selbst ausgeht, halte ich es für absolut geeignet.

RG: Wie siehst Du nun den weiteren Weg in Mainz? Gibt es eine Rückkehr zur heilen Welt, in der der Karneval wieder im Vordergrund steht?

MP:Ähem. Man spricht in Mainz tatsächlich von der Fastnacht! J Die Tatsache, dass es im Song „Karnevalsverein“ heißt rührt daher, dass er ursprünglich von gegnerischen Fans angestimmt wurde, um die Mainzer zu verhöhnen. Aber mir ist klar, das muss außerhalb von Mainz etwas verwirrend sein… Ich glaube, es ist in den nächsten Monaten wichtig, die vorhandenen Fäden (wieder) zusammenzuführen. Wir sind nun mal der Karnevalsverein, das sollten wir uns auch erhalten. Das darf eine Professionalisierung und einer Erweiterung des Selbstverständnisses aber nicht im Wege stehen. Die Idee, das Thema Identifikation vor allem der Fanabteilung zu übertragen, halte ich für sehr gut und wichtig. Auch sonst müssen Fans aller Couleur wieder an einen Tisch kommen. Kommunikation ist wichtig und so abgedroschen das klingt, Leute in der Verantwortung kommen und gehen, Fans bleiben. Daraus erwächst auch Verantwortung.

RG: Danke Dir Mara für diese wichtigen Worte, denen auch ich als Augsburger nur zustimmen kann. Der erste Schritt in der Kommunikation ist damit schon geschafft. Die nächsten Schritte werden dadurch hoffentlich leichter.

Daheim im Waldstadion

Alles neu macht der Herbst. Oder so. In der neuen Kategorie “In fremden Gefilden” berichten wir auch mal über Themen abseits des FC Augsburg. Aspekte, die uns auffallen, wenn wir ein fremdes Stadion besuchen und auswärts unterwegs sind. Themen, die wir bei anderen Vereinen beobachten und die auch Auswirkungen auf den FCA haben könnten. Unregelmäßig und gerade wie es uns in den Kram passt, werden wir in dieser Kategorie über den Tellerrand blicken. Wenn ihr dahingehend Anregungen oder Ideen habt, dann meldet euch gerne. Wir sind immer wieder darauf angewiesen, dass wir sinnvolle Hinweise erhalten und ich danke euch dafür im Voraus. 

Die ersten Eindrücke auswärts habe ich in dieser Saison rund um das Auswärtsspiel in Frankfurt gesammelt. Frankfurt ist für mich quasi ein Heimspiel. Ich wohne in Frankfurt, kann zur Straßenbahn laufen und mir den Weg durch den Wald zum Stadion bahnen. Dieses Stadion wird für immer das Waldstadion bleiben. Wenn man so durch den Wald läuft und zum Stadion kommt, fällt einem immer wieder auf, welch ein Rummel um ein Heimspiel der Eintracht herrscht. Die Eintracht ist “der” Verein in Frankfurt. Fast die komplette Stadt steht trotz aller zwischenzeitlichen Abstiege, von Missmanagement und großen oder kleinen Skandalen hinter dem Club. Die Rahmenbedingungen sollten exzellent sein, und trotzdem ist die Eintracht kaum mal besser als Mittelmaß in der Bundesliga. Der FCA hat gemessen an den Möglichkeiten, den Frankfurtern in den letzten Jahren immer wieder vorgemacht, wie man effizient arbeitet. Dennoch gibt es so einiges, was mich neidvoll Richtung Waldstadion blicken und denken lässt. Ich erkläre euch gerne, was mir in Frankfurt gefällt und in Augsburg fehlt.

Nachlegen. #FCAugsburg

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Auf dem Fußweg zum Stadion kommt man an diversen Verpflegungsmöglichkeiten vorbei. Bei einem Pferdegestüt wird gegrillt und Bier verkauft. Zwischen S-Bahn Haltestelle und dem Stadion selbst gibt es diverse Stände, an denen man zusammenstehen, etwas essen oder trinken und ratschen kann. Wir haben es uns bei den 59ern und deren Frikadellen gut gehen lassen. In Frankfurt fängt das Stadionerlebnis schon weit vor dem Stadion an. Wer in Augsburg zum Stadion kommt, muss nach diesen Möglichkeiten des Beisammenseins im Umfeld des Stadions suchen. Mit der Kneipe im Gebäude der Geschäftsstelle, wird es in Augsburg in absehbarer Zeit eine Möglichkeit mehr geben, aber mir scheint das noch nicht genug zu sein. Es wäre schön, wenn man auch in Augsburg bewusst noch früher am Stadion zusammenkommen und plaudern könnte und es hierfür mehr Möglichkeiten gäbe.

Nachdem wir uns dann auf das Stadiongelände in Frankfurt vorgewagt hatten, fällt einem recht schnell auf, dass durch die bauliche Gestaltung  eine strikte Fantrennung nicht gegeben ist. Dies ist angenehm und hat in unserem Fall zu keinerlei Konflikten geführt. In neueren Stadien wie in Augsburg, werden die Gästefans sehr strikt separiert. Mir ist dies ein Dorn im Auge. In England wird in diesem Zusammenhang regelmäßig ein anderer Ansatz verfolgt. Durch die Gefahr, die von Zäunen bei Massenpaniken ausgeht, gibt es in englischen Stadien generell weniger Absperrungen. Ich würde mir dies auch für Deutschland wünschen. Ein offenes Stadiongelände wie in Frankfurt, bei dem erst am Blockeingang strikt getrennt wird, ist für mich als Gästefan deutlich freundlicher. Ich mag als Gast nicht in eine Ecke gesperrt und strikt von den Gastgebern getrennt werden. Ich habe auch als Heimfan keine generelle Angst vor Gästefans. Die Separierung suggeriert, dass man Angst haben sollte. Sie schürt Ressentiments eher, als dass diese abgebaut werden. Ja, wir sprechen nach meiner Ansicht von einem recht großen Dorn.

Dass ich mich in Frankfurt als Gästefan besser aufgehoben fühle als dies in Augsburg der Fall wäre, liegt auch an der Tatsache, dass ich an der Kasse bar bezahlen konnte und Bier mit Alkohol erhalten habe. Gästefans mit Bezahlkarten zu nerven, ist reine Schikane. Ihnen zu unterstellen, sie könnten sich grundsätzlich nicht verantwortungsvoll verhalten und Ihnen kein alkohlhaltiges Bier auszuschenken, ist auch nicht gerade die feine Art. Am Rande sei erwähnt, dass ich meine zwei alten Bezahlkarten problemlos leeren konnte. Dies war zu diesem Spieltag in Frankfurt zum ersten Mal möglich. Auch hier kam jeder Fan potentiell wieder an sein Geld. Die drei Punkte haben am Ende des Tages das Erlebnis abgerundet. Aber abseits des sportlichen Ergebnisses macht mir dieses Auswärtsspiel immer wieder viel Spaß. Hoffentlich auch in der nächsten Saison.

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