Stefan Reuters aggressives Angriffspressing – ein Blick auf den Transfersommer

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Zum 31.08. ging die Sommertransferperiode zu Ende. In der letzten Woche der Transferperiode tat sich beim FCA überhaupt nichts mehr. Auch davor tat sich wenig. Mit Untätigkeit von Seiten des Vereins ist dies allerdings nicht zu verwechseln. Nach der Transferperiode will ich daher einen Gesamtblick auf die Aktivitäten von Stefan Reuter in diesem Sommer werfen und erklären, warum seine Strategie für mich Hand und Fuß hat.

Die Neuverpflichtungen – vor allem Tiefe, nur einmal Spitze

Mit Julian Schieber, Felix Götze und Fredrik Jensen kamen Ergänzungsspieler, die dem Kader des FCA mehr Tiefe geben. Klar, vor allem Götze und Jensen sollen sich weiterentwickeln und später größere Rollen übernehmen. Kurzfristig werden sie sportlich aber erstmal an das Niveau der ersten Bundesliga herangeführt. Den Verpflichtungen geht voraus, dass in der Rückrunde der letzten Saison Alternativen gefehlt haben und wir auf manchen Positionen (zentral im Mittelfeld, auf den offensiven Positionen) zu wenig Alternativen hatten. Rechts hinten hatte wir zwischenzeitlich keine Alternative mehr. Dieses Problem sollte zumindest teilweise behoben sein.

André Hahn verstärkte direkt die Startelf des FCA und hat mit seinen zwei Pflichtspieltreffern gegen Steinbach und Düsseldorf spielentscheidende Aktionen zum guten Saisonstart des FC Augsburg beigetragen. Die Kadertiefe sorgt dafür, dass die Mannschaft Spiele eng halten kann. Die Leistungsträger, in deren Reihe sich Hahn direkt eingefügt hat, stoßen den Bock zu Gunsten des FC Augsburg um. In diesem Sinne hat es sich jetzt schon ausgezahlt, André Hahn zurückzuholen. Wenn er  von außen in die Mitte rückt und seine Kopfbälle anbringt, dann scheint das einige Verteidiger noch zu überraschen.

Die Abgänge – bis auf einen Leistungsträger sind alle geblieben

Der Wechsel von Marwin Hitz stand schon vor dem letzten Spieltag fest. Vor der Sommerpause hatte ich große Sorge, dass Hitz nicht der einzige Leistungsträger bleiben würde, der den FCA verlässt. Nach Hitz sind die Abgänge allerdings sehr unspektakulär ausgefallen. Leitner, Opare, Kacar, Heller und Parker sind Abgänge, die den Kader etwas ausdünnen und die keine Lücken hinterlassen, die wir nicht schließen könnten.

Die Namen Hinteregger, Gouweleeuw, Gregoritsch, Finnbogason und Max hat man zwar im Sommer viel gelesen, die Spieler sind aber alle geblieben. Von einigen hat man gehört, dass sie mit dem FCA noch viel vor haben. Andere haben wohl einfach nicht das richtige Angebot anlocken können, bei dem sie selbst von einem Wechsel überzeugt gewesen wären und Stefan Reuter nicht ablehnen hätte können. Den Einfluss dieser Spieler hat man früh in der Saison schon wieder gemerkt: Gegen Düsseldorf traf Hinteregger zum Ausgleich, Max legte gegen Gladbach erneut Gregortisch vor. Die Abläufe sind automatisiert und die Spieler können ihre Qualitäten weiterhin in gewohnten Rollen entfalten. Jeder einzelne unserer Leistungsträger ist ein Puzzlestein, welches unseren Gegnern in diesem Jahr weiterhin Probleme bereiten wird – wie das hohe Anlaufen beim offensiven Angriffspressing.

Die Jugend – viele Wetten auf die Zukunft

Schon bis hierhin spricht vieles für eine erfolgreiche Sommerpause. Der FCA konnte seine Leistungsträger halten, hat den Kader in der Tiefe verstärkt und mit André Hahn einen weiteren Leistungsträger dazu geholt. Derweil habe ich die bedeutendste Entwicklung im Hinblick auf den Kader der nächsten Jahre noch gar nicht thematisiert. Sie liegt auch schon einige Zeit zurück und wurde schon Ende Mai bekannt gegeben. Marco Richter hatte seinen Vertrag langfristig verlängert. Richter ist offensiv der wohl flexibelste Spieler im Kader. Er kann falsche Neun, auf außen und auf der Zehner-Position spielen und überrascht den Gegner immer wieder. Ich habe gegenüber vielen Personen den Mund bzgl. Marco Richter sehr voll genommen. Ich glaube an seinen großen Durchbruch und daran, dass er als erster Spieler seit vielen Jahren als Spieler aus der eigenen Jugend eine prägende Rolle für die Mannschaft einnehmen kann. Das er seine Zukunft weiter in Augsburg sieht, ist großartig und nach dem Abgang von Erik Thommy keine Selbstverständlichkeit.

Dazu hat Simon Asta seinen ersten Profivertrag unterschrieben, genau wie das immer wieder Spieler aus der eigenen Jugend tun. Dadurch, dass der Kader etwas ausgedünnt wurde, bekommen sie vielleicht im Laufe der Saison eher ihre Chance. Der FC Augsburg sieht weiterhin viel Potential in den eigenen Jugendspielern und setzt das Konzept der letzten Jahre weiter fort.

Und so sitze ich nun hier in der ersten Länderspielpause der Saison 2018/19 und glaube daran, dass eine mannschaftliche Weiterentwicklung verbunden mit einer tabellarischen Verbesserung möglich ist. Zumindest hat Stefan Reuter sehr gute Voraussetzungen dafür geschaffen, in der er aggressiv Spieler gehalten und weitere verpflichtet hat. Nun liegt es an Manuel Baum die Mannschaft entsprechend zu trainieren als auch ein- und aufzustellen. Danach kann aber nur die Mannschaft selbst, als Summe aller Spieler, diesen nächsten Schritt machen und dafür muss sie an sich und ihre Abläufe und Möglichkeiten glauben. Was soll ich sagen: Ich bin dabei, wenn wir diese Saison viele noch mehr ärgern als sonst.

Euer Pessimismus ist unser Antrieb

Dieser Text erschien zuerst in der Kolumne „Einwurf aus der Rosenau Gazette“ bei presse-augsburg.de.

Vor der letzten Saison war im Umfeld des FCA deutlich wahrnehmbar, dass die Erwartungshaltung gestiegen war. In der Saison zuvor hatte man in der Europa League gespielt. Auf dem Transfermarkt hatte man wieder ordentlich Scheine hingeblättert beispielsweise für Martin Hinteregger und Johnny Schmid. Auch in der Lokalpresse wurde der Anspruch formuliert, dass sich der FCA mit diesem Hintergrund im Mittelfeld der Bundesliga etablieren müsse.

Ich habe schon vor einem Jahr leidenschaftlich dagegen angeschrieben. Was danach kam, ist bekannt. Dirk Schuster wurde als erster Trainer seit vielen Jahren im Herbst in Augsburg entlassen und wir kämpften ein Jahr verbissen um die Klasse. Zumindest am Ende kämpften wir.

Diese Saison sind die Vorzeichen etwas anders. Nachdem wir uns letzte Saison nur selten mit spielerisch attraktivem Fußball hervorgetan hatten, sind wir in diesem Jahr wieder designierter Abstiegskandidat. Das liegt vor allem auch daran, dass mit Hannover und Stuttgart erfahrene Erstligisten direkt wiederaufgestiegen sind. Diese sind uns mit ihrem wirtschaftlichem Umfeld weiterhin überlegen. Die Abstiege werden bei diesen Clubs als zwischenzeitliche Betriebsunfälle betrachtet, die nun behoben sind. Das führt dann in Teilen zu niederschmetternden Saisonprognosen so mancher Experten. Tobias Holtkamp, Kolumnist bei der Welt, hat direkt mal einen rausgehauen: Platz 18 für den FCA.

Bundesliga-Vorbereitung startet!! Hier schon mal vertraulich die Abschlusstabelle #exklusiv pic.twitter.com/VAS5ysl7CY

— Tobi Holtkamp (@Rune4) 3. Juli 2017

Auch die Stimmung unter den FC Fans hat sich nach meinem persönlichen Eindruck etwas abgekühlt. Es ist wieder Pessimismus eingekehrt. In tiefgreifender Analyse habe ich  festgestellt, dass der Augsburger – als Grantler Galore – somit quasi zu seinem Normalzustand zurückgekehrt ist. Falls ihr es noch nicht wusstet: Es geht alles den Bach runter in Augsburg, auch der FCA hat seine besten Zeiten schon gesehen. Das Problem daran: Wir sind gerade eben nicht abgestiegen und spielen nächstes Jahr schon wieder in der ersten Bundesliga.

Aber durch diese Wahrnehmung des FCA in Deutschland und Augsburg wird sich einiges erleichtern. Offensichtlich sind wir erstmal wieder der Underdog in allen Spielen in der nächsten Saison. Wir müssen nicht das Spiel machen, können den Gegner kommen lassen und so wird sich von der Spielgestaltung her einiges für uns verbessern. Wenn sich Manuel Baum von seiner Rhetorik in der kommenden Saison etwas verbessert, dann wird er auch keine Spektakel mehr versprechen und wir werden vielleicht trotzdem mehr Spiele wie das in der Rückrunde gegen den HSV sehen. Der Erwartungsdruck verschiebt sich. Die Psychologie ist vorerst wieder auf unserer Seite und wir können befreit aufspielen.

Es wird auch zu Hause leichter werden. Im Stadion werden sich weniger Menschen befinden, die Siege erwarten. Es werden eher Menschen da sein, die das Erlebnis erste Bundesliga an sich zu schätzen wissen. Das beinhaltete in den Bundesligajahren zumeist eine großartige Stimmung und einen leidenschaftlichen Support im Lechfeldstadion. Es hat sich in der Endphase der letzten Saison gezeigt, was wir erreichen können, wenn alle zusammen halten. Ich hoffe, dass sowohl die Mannschaft als auch die Fans dieses Gefühl in die neue Saison transportieren können.

Denn das Problem vor dieser Saison ist realistischerweise: Klare Abstiegskandidaten wie Darmstadt oder Ingolstadt sind nicht zu erkennen. Und selbst wenn wir schon einige Neuzugänge vermelden konnten und uns unter Manuel Baum stabilisiert haben, ist dieses Jahr die Herausforderung höher. Mit einer phasenweise dahingeschummelten Saison wie im letzten Jahr wird es vermutlich nicht reichen. Es wird Zeit, dass wir dauerhaft unsere eigene Mentalität wiederfinden. Und zu allem Pessimismus gehört eben auch eine gehörige Portion Trotz. Jedem der uns abschreibt, lasse ich gerne seine Meinung. Sollen die Leute das zum jetzigen Zeitpunkt ruhig tun. Aber wenn die neue Saison startet und das erste Spiel angepfiffen wird, dann werden wir es denn Zweiflern erneut zeigen. Zum siebten Mal. Und dieses Jahr sollte allen klar sein: Es wird die Nacht zum Tag gemacht, wenn die Klasse gehalten wurde.

 

Mit Hoffnung im Herzen

Am Wochenende habe ich in meiner Kolumne bei Presse Augsburg kritisiert, wie die Augsburger Allgemeine hohe Erwartungen an den FCA herbeischreibt. Robert Götz ist danach bei Facebook in Kontakt mit mir getreten und hat sich sachlich mit meiner Argumentation auseinandergesetzt. Er hat mich allerdings auch gefragt, welche Erwartungen ich selbst an den FCA in dieser Saison habe. Das halte ich in diesem Zusammenhang für eine legitime Frage. Es ist immer leicht die Erwartungshaltung anderer Menschen zu kritisieren, ohne selbst Erwartungen formulieren zu müssen. Entsprechend fing ich an über seine Frage nachzudenken und wollte schon fast wieder auf Facebook direkt antworten. Die Antwort wäre allerdings etwas umfangreicher geraten und ist vielleicht für den ein oder anderen interessant. Es folgt meine Prognose für diese Saison gerade noch rechtzeitig vor dem zweiten Spieltag – der Versuch von (realistischen?) Erwartungen an den eigenen Verein.

Das Schlechte

  • Letzte Saison hatte ich mich über den holprigen Saisonstart gewundert. Dieses Jahr wäre ein positiver Saisonstart eine Überraschung. Durch den Trainerwechsel in der Sommerpause erscheint es mir unrealistisch, dass sofort zu Saisonbeginn alle notwendigen Automatismen greifen. Auch die Länderspielpause ist nicht mehr im früheren Umfang hilfreich, da im Kader des FC Augsburg mittlerweile viele Nationalspieler stehen. Nachdem zudem Spieler wie Jonathan Schmid und Martin Hinteregger, die hoffentlich in dieser Saison wichtige Beiträge leisten, spät verpflichtet wurden, erwarte ich eine holprige erste Phase der Saison.
  • Auf Spieler aus der eigenen Jugend werden wir dabei weiterhin nicht zurückgreifen. Das liegt daran, dass der Kader des FCA immer noch übervoll ist. 3-4 mögliche Spieler für die Rechtsverteidigerposition sind nur das deutlichste Beispiel. Auch auf den offensiven Positionen gibt es weiterhin zu viele Kandidaten, als dass geeignete Jugendspieler sich im Training überhaupt zeigen könnten. Die Marco Richters des FCA müssen daher darauf hoffen, dass einige Transfers in der Winterpause zu Besserung und weiterer Ausdünnung des Kaders führen.
  • Ob die Saison positiv verläuft hängt stark vom Fundament der Mannschaft ab. Dieses Fundament hat mit Ragnar Klavan in der Sommerpause einen starken Stützpfeiler verloren. Es wird sich zeigen, ob sich einer der neueren Innenverteidiger zu einer vergleichbar verlässlichen Größe entwickeln kann. Daneben kämpft Paul Verhaegh mittlerweile regelmäßig mit Verletzungen. Auch Daniel Baier hat in der letzten Saison zum ersten Mal relevante Pausen bekommen und zwischendurch aussetzen müssen. Das vorhandene Fundament bröckelt. Es wird notwendig sein, dass neben Marwin Hitz weitere Spieler sich spielerisch weiterentwickeln, um sportlich konstant voranzugehen.

Das Gute

  • Der FCA verfügt durch diverse Transfers in den letzten Jahren über eine Gruppe Spieler, die genau diesen Sprung zu Leistungsträgern schaffen könnte. Ich erhoffe mir, dass zumindest eine Auswahl aus Caiuby, Koo, Kohr, Stafylidis, Finnbogason und/oder Gouweleeuw bessere und konstante Leistungen bringt und gezeigtes Potential dauerhaft auf dem Platz in zählbares ummünzen kann. Jeder dieser Spieler hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er entscheidende Beiträge leisten kann. Dies muss durch das bröckelnde Fundament von manchem jetzt regelmäßiger passieren, damit es am Ende nicht eng wird.
  • Ich erwarte, dass Dirk Schuster es schafft, dass wir zu unserer Gefährlichkeit über die offensiven Außenpositionen zurückkehren. Wir werden weiterhin nicht in der Lage sein, Gegner spielerisch zu schlagen oder dauerhaft spielerische Lösungen zu finden. Allerdings ist eine bedeutende Komponente der Defensivtaktik von Dirk Schuster schnelles Umschaltspiel. In 2013/14 hatten wir in Augsburg eine der besten Flügelzangen der Liga mit Tobi Werner und André Hahn. Durch die taktischen Umstellungen erwarte ich, dass wir in dieser Saison über diese Positionen wieder mehr Torgefahr ausstrahlen. Die Transfers von Schmid und Usami bestätigen den Fokus bei der Kaderzusammensetzung.
  • Durch die vorgenannten Gründe glaube ich nicht, dass wir in dieser Saison sorglos den Klassenerhalt sichern können. Aber auch wenn Schwierigkeiten auftauchen sollten, sich Spieler nicht wie geplant entwickeln oder am Ende vielleicht auch Pech dazu kommt, hoffe ich, dass wir uns alle in Augsburg erinnern, dass die erste Bundesliga keine Selbstverständlichkeit ist. Ich erwarte vom Verein weiterhin äußerste Ruhe und einen kühlen Kopf in schwierigen Situationen. Wirtschaftliche Vernunft muss weiterhin oberste Priorität haben.

Ich als Fan werde auch diese Saison wieder angehen, als ob es unsere letzte Bundesligasaison ist. Jedes Spiel genießen, mitnehmen was möglich ist und am Ende schauen ob es reicht. Dabei hoffe ich darauf, möglichst viele nette Menschen zu treffen, gemeinsam auf die guten Zeiten anzustoßen und Hoffnung zu haben. Wir spielen immer noch samstags um 15:30 Uhr. Es kann also nur gut werden.

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