Von Mainz lernen, heißt sich etablieren lernen

Auf diesem Weg einen herzlichen Glückwunsch auch von unserer Seite zum 10. Geburtstag der Legio Augusta. Erst die Ereignisse beim Auswärtsspiel in Mainz vor 10 Jahren in der zweiten Liga führten schließlich zur Gründung. Damals fanden die Spiele in Mainz noch am Bruchweg statt und ich habe selten so ein geselliges Beisammensein rund um ein Stadion erlebt. Diese Atmosphäre ist leider mit dem Stadionneubau auf der grünen Wiese verloren gegangen und ich fahre nicht mehr ganz so gerne nach Mainz. Insgesamt hat der FSV Mainz 05 einen eindrucksvollen Weg hinter sich und zählt mittlerweile zu den etablierten Erstligisten. Der FC Augsburg ist auch dabei diesen Sprung zu schaffen. Ich habe in der Vergangenheit immer mal wieder nach Mainz geschielt, um zu verstehen, wie diese Weiterentwicklung vorangetrieben wurde. Nun ist es in Mainz nicht mehr ganz so ruhig, wie noch vor ein paar Jahren. Vor unserem Auswärtsspiel habe ich die Gelegenheit genutzt, mit Mara Pfeiffer eine ausgewiesene Expertin im Hinblick auf den FSV Mainz 05 zu befragen. Mara hat eine Kolumne bei der Allgemeinen Zeitung und beschäftigt sich auch sonst viel mit ihrem Verein. Ich hoffe, ihr Hang zur Fußballromantik wirkt ansteckend auf euch. 

Rosenau Gazette (RG): Mainz war von der Entwicklung als Verein immer ein Vorbild für mich als Augsburger. Ihr habt es mit bescheidenen Mitteln und auf sehr sympathische Art und Weise geschafft, euch langfristig in der Bundesliga zu etablieren. Dabei war es bis zuletzt immer sehr ruhig in eurem Umfeld. Dies hat sich im letzten Jahr geändert. Was war passiert?

Mara Pfeiffer (MP): Flapsig könnte man sagen: eine Normalisierung der Verhältnisse. Um genauer zu erklären, was passiert ist, muss man relativ weit ausholen. Für meine Begriffe gab es im Verein den ersten Bruch, als Thomas Tuchel nach der Saison 2013/14 seinen Vertrag vorzeitig beendet hat. Mein Gefühl war damals, Christian Heidel hat daran geglaubt, mit Tuchel als Mainz 05 in der folgenden Saison in der Europa League noch einen nächsten Schritt machen zu können. Plötzlich war Tuchel weg, mit seinem Nachfolger Kasper Hjulmand lief es nicht wie erhofft und ich denke, in dieser Zeit reifte bei Heidel der Entschluss, auch noch mal etwas Anderes zu machen. Das hat er ja dann mit seinem Weggang zu Schalke 2016 auch umgesetzt.

Sportlich muss man sagen wurde das gut aufgefangen, unter anderem dank Heidel selbst, der seinen Nachfolger Rouven Schröder noch nach Mainz geholt und eingearbeitet hat. Im Verein lagen aber, wie sich dann zeigte, einige Dinge schief, und die kamen nach und nach ans Licht. Dazu gehörte unter anderem, dass der ehrenamtliche Präsident Harald Strutz ein monatliches Salär erhielt, das mit dem Begriff Ehrenamt gar nicht harmonierte. Vereinfacht kann man sagen, Heidel hatte das Glück, zu dem Zeitpunkt schon weg zu sein – und der Zorn entlud sich ausschließlich über Strutz. Der hat zudem aus meiner Sicht den Fehler gemacht, nicht in die Offensive zu gehen und alles sofort aufzuklären. Ich glaube bis heute, dann wäre er nach wie vor Präsident, denn die Fans hätten ihm und dem alten Vorstand, die den Verein ja mit zu dem gemacht haben, was er ist, viel verziehen, wenn Fehler eingestanden worden wären. Man kann aber niemandem verzeihen, der seine Schuld nicht wirklich einsehen mag.

Apropos: Auch Heidel kann man definitiv einen Vorwurf machen. Er hatte das Versprechen gegeben, Mainz nicht zu verlassen, bevor nicht alles für die Zeit nach ihm geregelt sei. Aber er muss natürlich gewusst haben, was im Argen lag, und dass diese Dinge dem Verein nach seinem eigenen Wechsel um die Ohren fliegen würden.

Um mal zum Ende zu kommen, der Verein hat sich im Jahr nach Heidel noch mit Strutz eine neue Struktur verpasst. Es gibt nun einen Aufsichtsrat und einen hauptamtlichen Vorstand, der Blick geht endlich wieder in die Zukunft – wenn auch mit einem Umweg. Denn zwischen dem erst im Juni gewählten, ehrenamtlichen Vereinsvorsitzenden Johannes Kaluza und dem restlichen Verein, mittlerweile auch den Fans, knirscht es gewaltig. Momentan läuft alles auf eine Neuwahl Anfang 2018 raus. Es ist also noch nicht alles im Lot, aber hoffentlich auf dem Weg dorthin. Die aktuelle Saison wird definitiv auch abseits des Platzes noch mal spannend.

RG: Du hast selbst in einer Deiner Kolumnen gefragt: „Wie sehr müssen eigentlich wir Fans uns an die Nase fassen dafür, nicht genauer hingeschaut, nicht mehr Fragen gestellt zu haben?“ Wie notwendig ist es aus Deiner Sicht, dass sich Fans aktiv im Verein einbringen, auch in Zeiten in denen es gut läuft?

MP: Man hört immer öfter, dass nur verklärte Fußballromantiker noch den Standpunkt vertreten, Fans seien wichtig für den Verein. Dann bin ich bekennende Fußballromantikerin. Ich glaube, dass es elementar wichtig ist, als Fan aktiv im Verein mitzuwirken. Natürlich hat das Grenzen, und ich möchte keine sportlichen oder wirtschaftlichen Entscheidungen treffen. Aber als Fan sollte man denen, die wirken, schon auf die Finger schauen und die Mitgliederversammlung nicht nur nutzen, um einmal im Jahr den VIP-Bereich von innen zu sehen. Und wenn es um die Struktur des Vereins geht, um sein Selbstbild, um soziales Engagement, sollten Fans sich aus meiner Sicht ohnehin ganz aktiv einbringen.

RG: Wie wichtig siehst Du Transparenz von Seiten eines Fußballvereins, um Mitglieder an Prozessen zu beteiligen?

MP: Man macht sich etwas vor, wenn man glaubt, es würde funktionieren, alles immer komplett offenzulegen. Aber ich darf als Fan schon erwarten, dass mir Dinge erklärt werden. Auch das Stichwort Compliance finde ich in dem Zusammenhang wichtig, aktuell wird dazu bei Mainz 05 ein Leitfaden entwickelt. Es kann beispielsweise nicht sein, dass plötzlich niemand mehr weiß, wie viele VIP-Tickets eigentlich für umme im Umlauf sind. Die Zeiten, in denen man in einem Verein gewisse Entscheidungen aus der Lamäng trifft, sind vorbei. Es muss Regeln für Entscheidungsprozesse geben. Bei einer Strukturveränderung wie der, die Mainz 05 gerade hinter sich gebracht hat, passieren natürlich auch Dinge, die sich schnell als schwierig oder fehlerhaft herausstellen können. In Mainz wird der ehrenamtliche Vereinsvorsitz von vielen Seiten als nicht mehr zeitgemäß erachtet, eine Kritik, die ich so nicht teile. Wieso nicht den Präsidenten als Ehrenamt belassen, ohne ihn aber gleichzeitig zum Vorstandsvorsitzenden zu machen, weil sich mit dem Begriff einfach andere – falsche – Erwartungen verbinden? Fehler sind in einem solchen Prozess wohl unvermeidbar, entscheidend ist der Umgang damit. In Mainz wäre im Sommer eine intransparente Veränderung im Verein nach der aufgeheizten Vorsaison das Aus für die emotionale Bindung vieler Fans gewesen. Der Verein hat gut daran getan, die Mitglieder intensiv einzubeziehen, auch wenn dieses Procedere mancherorts als altmodisch belächelt wurde. Aber noch sind wir hier ein Verein, zum Glück! Und da haben die Mitglieder eben Rechte (und Pflichten). Die sollten jetzt auch nicht beschnitten werden, nur weil eine Einzelperson sich mit einer selbstgewählten Aufgabe verhoben hat.

RG: Im November hatten die Mitglieder des FSV Mainz 05 für die Gründung einer Fanabteilung gestimmt, die sich unter anderem um die Bereiche Auswärts, Soziales Engagement, Infrastruktur, Fan-Service, Öffentlichkeitsarbeit und Identifikation kümmern soll. Warum ist eine institutionelle Verankerung dieser Arbeit in einer Fanabteilung aus Deiner Sicht wichtig?

MP: Die Gründung der neuen Fanabteilung wurde bereits in der Satzungsänderung verankert und inzwischen hat deren Arbeit Fahrt aufgenommen. Es gibt AGs zu verschiedenen Themen und der Verein bekennt sich mit zwei hauptamtlichen Mitarbeitern zur Bedeutung der Abteilung. Das empfinde ich als sehr positiv. Ganz entscheidend finde ich zudem die Möglichkeit, dass hier gemeinsam das Selbstbild des Vereins definiert werden kann, also fernab von Marketing und ähnlichem Getöse, aus der Fanszene heraus. Ich wünsche mir, dass noch viel mehr Fans es als Chance begreifen, ihren Verein aktiv mitzugestalten und sich künftig einbringen. Was die Frage nach der institutionellen Verankerung angeht, so sehe ich darin eine Anerkennung des Vereins für die Arbeit, die da geleistet wird. Man weiß also von Vornherein, der Verein steht hinter der Mitarbeit der Fans, das ist ein wichtiges Zeichen.

RG: Zuletzt gab es nun in Mainz eine Crowdfunding Aktion für ein Fanhaus. Glaubst Du an Crowdfunding im Zusammenhang mit Fußballvereinen, die grundsätzlich ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen folgen, um über dieses Instrument die Fans mehr mitzunehmen und zu beteiligen?

MP: Man muss da unterscheiden, denke ich. Als Bundesligist selbst ein Crowdfunding anzuleiern, das wäre eher schwierig. Hier in Mainz lief das ja etwas anders. Das vom Verein unabhängige Fanprojekt arbeitet an einem Fanhaus. Das Gebäude war da, die Mietbedingungen und Teile der Finanzierung geklärt. Allerdings sorgt unter anderem der Denkmalschutz dafür, dass die Kosten doch an der einen oder anderen Stelle erheblich sind. Die Plattform „crowfFANding“ bietet die Möglichkeit, Projekte durchzuführen mit hoher Fanbeteiligung. Das erste war zum Erhalt der Südkurve in Jena, dann bekam das Fanhaus den Zuschlag. Die komplette Aktion ist super durchgezogen worden und die Idee, mit beispielsweise Sitzschalen aus dem Bruchweg oder wiederaufgelegten Traditionstrikots Spendenanreize zu schaffen, hat toll funktioniert. Ich glaube, man kann das Thema Funding nicht überstrapazieren, aber für so eine einmalige Aktion, die eben nicht vom Verein selbst ausgeht, halte ich es für absolut geeignet.

RG: Wie siehst Du nun den weiteren Weg in Mainz? Gibt es eine Rückkehr zur heilen Welt, in der der Karneval wieder im Vordergrund steht?

MP:Ähem. Man spricht in Mainz tatsächlich von der Fastnacht! J Die Tatsache, dass es im Song „Karnevalsverein“ heißt rührt daher, dass er ursprünglich von gegnerischen Fans angestimmt wurde, um die Mainzer zu verhöhnen. Aber mir ist klar, das muss außerhalb von Mainz etwas verwirrend sein… Ich glaube, es ist in den nächsten Monaten wichtig, die vorhandenen Fäden (wieder) zusammenzuführen. Wir sind nun mal der Karnevalsverein, das sollten wir uns auch erhalten. Das darf eine Professionalisierung und einer Erweiterung des Selbstverständnisses aber nicht im Wege stehen. Die Idee, das Thema Identifikation vor allem der Fanabteilung zu übertragen, halte ich für sehr gut und wichtig. Auch sonst müssen Fans aller Couleur wieder an einen Tisch kommen. Kommunikation ist wichtig und so abgedroschen das klingt, Leute in der Verantwortung kommen und gehen, Fans bleiben. Daraus erwächst auch Verantwortung.

RG: Danke Dir Mara für diese wichtigen Worte, denen auch ich als Augsburger nur zustimmen kann. Der erste Schritt in der Kommunikation ist damit schon geschafft. Die nächsten Schritte werden dadurch hoffentlich leichter.

Autor: Andy

Wohnt und arbeitet in Frankfurt. Denkt dennoch seit vielen Jahren fast immer an den FCA.

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